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XXXIII. Mammotrektus Buntemantel, Magister der sieben freien Künste grüßt herzinniglich den Magister Ortuin Gratius; Philosophen, Redner, Poeten, Rechtsgelehrten, Theologen in unbeschränkter Stellung.

Höchst gewissenhafter Herr Magister Ortuin, glaubet mir fest, Ihr seid mein Herzblatt, seitdem ich in Köln viel bei Ew. Ehrwürden in der Poetik gehört habe, in welcher Kunst Ihr Euch vor allem auszeichnet, und ein viel besserer Poet seid, als Busch und Cäsarius, auch den Plinius und die griechische Grammatik vorzutragen wisset. Kraft dieses Vertrauens will ich Ew. Ehrwürden einiges unter dem Beichtgeheimnis offenbaren. Verehrungswürdiger Herr Magister, ich liebe hier ein Mädchen, die Tochter eines Glöckners, mit Namen Margarete, welche unlängst an Eurer Seite saß, als nämlich unser Leutpriester Ew. Herrlichkeit zu einer Gasterei eingeladen hatte und ehrerbietigst traktierte, wo wir tranken und heitern Sinnes waren, und auch jene Euch gute Schlücke zubrachte. Meine Liebe zu ihr ist so heftig, daß ich gar nicht mehr bei nur bin; glaubet mir, ich vergesse über ihr Essen und Schlaf. Die Leute sagen zu mir: »Herr Magister, warum seht Ihr so bleich aus? Bei der Liebe Gottes, lasset doch Eure Bücher im Stich; Ihr studieret zu viel; Ihr müßt Euch hier und da nach einem Trost umsehen und zechen; Ihr seid noch ein junger Mann, könnt es wohl noch bis zur Doktorwürde bringen und unser Magister werden; Ihr besitzet auch gründliches Wissen und seid ein guter Scholar und könnet bereits einen Doktor vorstellen.« Ich aber bin schüchtern und kann meine Schwachheit nicht gestehen. Ich lese den Ovid »vom Heilmittel der Liebe«, den ich von Ew. Ehrwürden Vorlesungen zu Köln her mit vielen Anmerkungen und Sittensprüchen am Rande versehen habe; allein es hilft nichts, denn jene Liebe wird täglich stärker. Kürzlich habe ich mit ihr auf einem Abendball im Hause des Schultheißen dreimal getanzt; da blies der Pfeifer das Lied vom Schäfer von Neustadt, und sogleich faßten alle Tänzer ihre Mädchen bei den Armen, wie es gebräuchlich ist. Auch ich drückte die Meinige mit ihren Brüsten innigst an mein Herz Lind faßte sie mutig bei den Händen. Da lachte sie und sagte: »Bei meiner Seele, Herr Magister, Ihr seid ein charmanter Mann und habt weichere Hände, als andere; Ihr müßt kein Priester werden, sondern eine Frau nehmen. « Dabei blickte sie mich gar liebevoll an, so daß ich glaube, sie liebt auch mich insgeheim und ihre Augen verwundeten mein Herz dergestalt, als ob ein Pfeil es durchbohrt hätte. Nun ging ich auf der Stelle mit meinem Famulus nach Hause und legte mich zu Bette. Meine Mutter weinte, weil sie fürchtete, ich hätte die Pest, lief mit meinem Urin zum Doktor Brunell und rief. »Herr Doktor, ich bitte Euch um Gottes willen, helfet meinem Sohn; ich will Euch ein gutes Hemd zum Geschenk machen, denn ich habe gelobt, daß er Priester werden soll.« Da beschaute der Arzt den Urin und sagte: »Dieser Patient hat einesteils ein zu hitziges, andernteils ein zu frostiges Temperament; er hat heftige Anschwellung in der Gegend der Nieren zu befürchten wegen Blähungen und Bauchgrimmen infolge schlechter Verdauung, er muß ein Purgiermittel einnehmen. Es gibt ein Kraut, das seinen Namen von den Weibern her hat, es wächst an feuchten Plätzen und hat einen scharfen Geruch, wie der ‹Herbarius› lehrt. Ihr müßt die unteren Teile dieses Krautes zerreiben, mit seinem Safte ein langes Pflaster bestreichen und es ihm zur gewohnten Stunde über seinen ganzen Bauch legen. Dann muß er wohl eine Stunde auf dem Bauche liegen bleiben und stark schwitzen. So werden ohne Zweifel die Bauchgrimmen samt den Blähungen vergehen. Es gibt kein anderes gleich wirksames Heilmittel gegen jenes Leiden; es hat sich schon bei vielen Patienten bewährt. jedenfalls ist es aber gut, wenn er vorher eine Purganz von ‹album graecum› mit ‹succus raphani›, 3 Drachmen, nimmt; das wird gut tun.« Nun kam meine Mutter und gab mir sotanes Purgiermittel wider meinen Willen; ich hatte in jener Nacht fünf starke Öffnungen, schlief nicht und dachte nur immer daran, wie ich jene beim Tanz mit ihren Brüsten an mein Herz gedrückt, und wie sie mich angeblickt hatte. Ich bitte Euch bei all der gütigen Gesinnung, die Ihr in Euch habt, gebt mir doch ein Heilmittel gegen die Liebe aus Eurem kleinen Buche, worin geschrieben stehet: »Es ist probat«, das Ihr mir einmal gezeigt habt mit den Worten: »Sich da, vermittelst dieses Buches kann ich machen, daß jedes Weib mich liebt.« Wenn Ihr dies nicht tut, Herr Magister, so sterbe ich, und meine Mutter wird aus Schmerz auch sterben.

Aus Heidelberg.


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