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XXIX. Magister Tilmann Lumplin grüßt den Magister Ortuin Gratius.

»Ich bin der Allernärrischste, und Menschenverstand ist nicht bei mir; ich habe Weisheit nicht gelernet, und was heilig ist, weiß ich nicht «, Sprüche Salom. 30, 2.3. Ihr müßt mich daher nicht darum verachten, daß ich mir herausnehme, Euch bei Eurem Tun Rat zu erteilen, da ich dies aus gutem Herzen tue. Auch will ich Euch, so gut ich es verstehe, aufmerksam machen und in aller Ruhe zurechtweisen, denn »die Anfechtung lehret auf's Wort merken«. Auch stehet bei Sirach, Kap. 13 geschrieben: »Wer Pech angreifet, der besudelt sich damit.« So geht es auch Euch. Da Ihr haben wollt, daß ich Euer Freund sei, so müßt Ihr auch das Widerwärtige von mir gut aufnehmen. Ich habe vernommen, oder erfahren, daß Ihr Euch in der Sache des Johannes Reuchlin stillschweigend verhaltet und ihm auf seine ärgerlichen Angriffe nicht antwortet. Ich bin recht böse hierüber, da ich Euch lieb habe, und da geschrieben steht: »Welchen ich lieb habe, den züchtige ich.« Warum habt Ihr denn angefangen, ihm zu antworten, wenn Ihr nicht fortmachen wollt? Seid Ihr nicht Mannes genug hierzu? Ihr seid es, bei Gott, und namentlich im theologischen Fache seid Ihr ihm überlegen; und darum müßt Ihr ihm antworten, müßt Euern Ruf verteidigen und den christlichen Glauben predigen, gegen den jener Ketzer schreibt. Auch müßt Ihr auf niemanden Rücksicht nehmen; denn Salomo sagt im Prediger Kap. 13: »Erniedrige dich nicht, wenn du weise bist, auf daß du nicht durch Erniedrigung zur Torheit verführt werdest.« Auch müßt Ihr die Macht der Juristen nicht fürchten, daß sie Euch Schaden am Leibe tun, denn solches müßt Ihr leiden für den Glauben und für die Wahrheit. Daher sagt Christus im Evangelio Matthäi, Kap. 16: »Wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren.« Und wenn Ihr fürchtet, nicht Meister über ihn werden zu können, dann glaubet Ihr nicht an das Evangelium, denn das ist der Grund des Glaubens. Auch stehet im Evangelium geschrieben, dem Menschen, welcher glaubet, sei nichts unmöglich; denn Matthäi Kap. 17 heißt es: »So ihr Glauben habt, wie ein Senfkorn, so möget ihr sagen zu diesem Berge: Hebe dich von hinnen, so wird er sich lieben und Euch wird nichts unmöglich sein.« Es ist aber nicht möglich, daß Dr. Reuchlin wahres schreiben kann, da er nicht den reinen Glauben hat, da er die Juden verteidigt, welche Feinde des Glaubens sind; auch ist er den Ansichten der Doktoren entgegen, und dabei ist er ein Sünder, wie Magister Johannes Pfefferkorn in seinem Buche, betitelt »Sturmglock« schreibt. Die Sünder aber sollen nichts in der heiligen Schrift zu tun haben, denn Psalm 50 stehet geschrieben: »Aber zu dein Gottlosen spricht Gott: Was verkündigst du meine Rechte, und nimmst meinen Bund in deinen Mund?« Derohalben nun ermahne ich Euch und bitte Euch von ganzem Herzen, daß Ihr Euch mutig verteidigen wollet, damit die Leute mit Ruhm von Euch melden können, Ihr habt die Kirche und Euern Ruf verteidigt. Auch müßt Ihr auf gar niemanden Rücksicht nehmen, selbst wenn der Papst es hindern wollte, denn die Kirche ist über dem Papste. Dann müßt Ihr mich auch entschuldigt halten, daß ich Euch ermahne, da ich Euch lieb habe, und: »Du weißt, Herr, daß ich dich lieb habe.«

Leber wohl und bleibet gesund und stark an Körper und Geist!


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