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IV. Magister Johannes Kannegießer an Magister Ortuin Gratius.

Herzlichen Gruß, ehrwürdiger Magister! Sintemalen wir oft solche leichtfertige Streiche zusammen ausgeführt haben, und Ihr euch nichts darum kümmert, wenn einer einen schlechten Witz gegen Euch losläßt, wie ich es jetzt im Sinne habe, deshalb fürchte ich auch nicht, Ihr möchtet es übel aufnehmen, daß ich Euch jetzt eine Neckerei berichte, da ja auch Ihr derartige Sachen machet; und ich weiß, Ihr werdet lachen, weil es ein wunderbarer Handel ist. Vor kurzem war hier einer aus den Predigerorden, ein grundgelehrter Theologe und spekulativer Kopf, der auch der auch viele Gönner hatte. Man nennt ihn Herr Georg; zuerst war er in Halle, dann kam er hierher und predigte wohl ein halbes Jahr lange, tadelte in seinen Vorträgen die ganze Welt, sogar den Fürsten und dessen Lehensleute; beim Zechgelag aber war er gesellig und guter Laune, trank mit der Gesellschaft auf Halbe und Ganze; immer aber, wenn er abends mit uns getrunken hatte, predigte er morgens über uns folgendermaßen: »So sitzen die Magister an dieser Universität mit ihren Gesellen die ganze Nacht hindurch beim Becher und geben sich mit Lappalien ab; und während sie derlei Dinge an anderen rügen sollten, gehen sie selbst darin voran.« Er machte dadurch oft meinen Mißmut rege; ich geriet über ihn in Zorn und dachte darüber nach, wie ich mich rächen könnte, aber nie konnte ich herausbringen, wie sich das machen lasse. Da benachrichtigte mich einer, daß jener Prediger nachts zu einer Weibsperson gehe, sie benehme und bei ihr schlafe. Als ich das vernommen hatte, nahm ich einmal einige gute Freunde, Kollegen von mir, mit mir, und wir begaben uns ungefähr um 10 Uhr nach jenem Hause und drangen mit Gewalt ein. Da wollte der Mönch sich davonmachen, hatte aber keine Zeit mehr, seine Kleider zu ergreifen, und sprang nackt zum Fenster hinaus. Ich mußte dermaßen lachen, daß ich mich auf der Stelle hätte selbst anpissen mögen, und rief: »Herr Prediger, nehmet doch Eure Hosen mit!« Meine Kameraden draußen aber warfen ihn in den Dreck und ins Wasser. Ich besänftigte sie jedoch und sagte, sie sollten doch Einsehen haben! Dann aber machte ich gemeine Sache mit ihnen, indem wir alle das Weibsbild hernahmen. So habe ich mich denn an jenem Pfaffen gerächt und er predigte von nun an nicht mehr über mich. Ihr müßt es aber niemandem sonst sagen, darum, weil die Brüder Prediger (Dominikaner) jetzt für Euch gegen den Dr. Reuchlin sind, und die Kirche und den katholischen Glauben gegen jene weltlichen Poeten verteidigen. Ich wollte, jener Mönch wäre aus einem andern Orden gewesen, da dieser Orden die anderen an Wundertaten sogar sehr übertrifft. Teilet auch mir etwas zum Lachen mit und seid mir nicht böse.

Lebet wohl! aus Wittenberg.


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