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Willi Bredel, Begegnung am Ebro

Ein Buch von brennender Aktualität, brennend im wahrsten Sinn des Wortes: dort, wo das Buch Willi Bredels, des Schöpfers der meisterhaften »Prüfung«, spielt, geht es heute ernst zu. Es brennt an den Ufern des Ebro, dort begegnen sich die zwei Welten, die man als Faschismus und Antifaschismus bezeichnet.

Ist es ein Roman? Ist es eine Chronik? Auf dem Umschlag des Buches (Verlag 10. Mai) nennt sich das Werk Roman, auf dem Titelblatt innen »Aufzeichnungen eines Kriegskommissars«. Bredel hat sich in die Schanze geschlagen. Er ist aus der Rolle eines Goethe als olympischer Betrachter eines Weltumsturzes herausgetreten, er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt. Er hat das Recht, bei den blutigen Abenteuern von seinem Helden als ich zu sprechen. Vielleicht haben wir hier die Ansätze zu einer gewaltigen Unterweltschronik in der Art des Simplicius Simplicissimus. Ansätze, sage ich. Der Chronist, der nur die Wahrheit sagen, der sich nur auf das von ihm selbst Erlebte beschränken muß, ist dem Romanschriftsteller, dem Schöpfer und Abenteurer von eigenen Gnaden in die Parade gefahren. Das Buch ist zu ehrlich, es ist zu schlicht, zu echt, um ein Roman zu sein. Es gibt in Bredels Buche Stellen von ergreifender, blutiger tragischer Ironie. So schildert er an einer Stelle, wie zwei aus Österreich stammende Spezi ihre schweren Maschinengewehre gegen die Marokkaner, die an dieser Stelle der Ebrofront die abendländisch christliche Kultur verteidigen, in Stellung bringen, die Heiden singen ihre dumpfen afrikanischen Kriegsgesänge, die Loyalisten stimmen die Internationale an, Freudmann, der Barrikadenkämpfer von Floridsdorf bei Wien und sein »Freunderl« Gustl Wurzlhuber. Die Sache geht nicht gut aus, die zwei Maschinengewehre werden von den Moros auf raffinierte Art erkämpft (gestohlen kann man doch wohl nicht sagen), und Wurzlhuber wird durch die Handgranate eines Marokkaners getötet. Freudmann schleppt die Leiche des Freundes, ein zweiter Patroklus, mit sich ins Tal. Er kam geknickt und bleich wie der Tod, die Tränen rannen ihm über das Gesicht. Max trat heran, um ihn zu trösten: »... es hilft ja alles nichts«, tröstete er ihn, »wir müssen es ertragen, also Kopf hoch!« Der andere ist aber nicht zu beruhigen, er setzt sich, trocknet sein schwitzendes, tränennasses Gesicht: »Und ich habe die Schuld!« – »Ach was, da gibt es keine Schuldfrage!« – »Das erstemal, daß so etwas bei der Brigade Thälmann vorgekommen ist, das erstemal...!« Die anderen horchen auf, sehen einander an, Freudmann hat gar nicht von seinem Freunde Gustl gesprochen, nicht um ihn sind seine Tränen geflossen, sondern um die beiden schönen schweren Maschinengewehre.

Der Erzähler hält sich im Schatten, er berichtet schlicht seine Taten, er zeigt sein Gesicht nicht viel. Die eigentliche Zentralfigur wäre ein Spanier, Cabo Pedro, der als fanatischer Patriot den internationalen Helfern nicht wohlwill, die er aber als ebenso fanatischer Antifaschist braucht. Man hat verschiedene Verrätereien bemerkt. Ist er der Judas? Er ist es nicht, er ist der treueste der Treuen, der echte Kämpfer, das heißt, der widerstrebende, in dem der fanatische Egoismus des chauvinistischen Nationalen mit dem Altruismus des internationalen Sozialisten im Widerstreit liegen. Das Thema des Verrats ist hier nur angeschlagen. Die Versuchung nur angedeutet. In die letzte Tiefe dringt es nicht. Dazu hat Bredel vielleicht noch zuviel Achtung vor dem Menschen. Überzeugend und großartig in diesem Buche der guten Gesinnung ist die unkriegerische Seelenhaltung des Helden. Eines Tages begegnet er dem wahren Verräter, einem Agenten der Gestapo in den Reihen der Roten. »Kampf ist mein Element«, sagt dieser (zynischer als er dürfte), »Kampf und Kampf ist zweierlei«, erwidert Bredel sehr wahr, »ob man die Metzeleien heute noch Kampf nennen kann?« Und er setzt mit prachtvoller Offenheit fort: »Nein, ich bin nicht gern Soldat. Wüßte ich nicht, um was es geht, was alles von dem Ausgang dieses Kampfes abhängt, niemand würde mich hierher bringen. Für jene Landsknechte, die Soldat mit Leib und Seele sind, sich stets dort am wohlsten fühlen, wo die Gefahr am größten, hab ich kein Verständnis. Gibt es denn Barbarischeres, Unmenschlicheres als diese Massenvernichtungen, diese bombenwerfenden Flugzeuge.«

Bezaubernd eine kleine Liebesidylle, nur angedeutet dunkel im Erotischen, auch im Tragischen nicht erschöpft, mit dem Silberstift gezogen. Furchtbar in seiner nackten Realität eine Schilderung der Verwundeten in einem Lazarett in Barcelona. Unvergeßlich sind hier die persönlichen, die bürgerlichen Schicksale, das ewig Bürgerliche und das ewig Satanische, Humanität und Hölle unter einem Dach, in einem Bett, in einem Angesicht »voll Blut und Wunden«, quälend und unvergeßbar. Rettungen, Untergänge, verirrte Kugeln, verirrte Seelen, der naive, erstaunte Blick des Chronisten, der alles beschreibt und es doch nicht fassen kann. Dieses Beschreiben und es doch nicht fassen können, das ist wohl der simplizianische Geist. Seine wahre Ausdrucksform ist der groteske Humor. Aber wo ist der Übermensch, Überheld, der im Grauen noch die Kraft zum Humor fände, im chaotischen Untergangsstrom die Überlegenheit des Lachens? Kraft hat Willi Bredel und Ehrlichkeit. Und wenn das Lachen, der schöpferische Hohn auch nicht von heute sind, vielleicht findet er sie morgen. Sie sind in ihm wie in jedem wahren Dichter. Er ist einer der wenigen Jungen unter uns, und es ist viel zu erwarten von den künftigen »Begegnungen«, die mehr sind als Prüfungen, nämlich Bewährungen. Er kehre nur zu sich selbst zurück, bleibe sich treu.


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