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Stefan Zweig, Magellan

Es ist der Lebensroman eines außerordentlich kühnen Mannes, den Stefan Zweig in seinem »Magellan« mit seiner kühlen Meisterschaft geschildert hat, die in ihrer Art unübertrefflich ist.

Magellan ist in Portugal geboren, ein unscheinbarer, düsterer, wenig mitteilsamer Mann, unbefriedigt von sich und vom Leben. Kein Kind des Glücks, aber doch ein Liebhaber des Abenteuers, ein Liebender des Schicksals, der unzählige unbeantwortete Liebesbriefe an dieses rätselhafte und im Grunde doch so einfache Schicksal aussendet, nie eine Antwort erhält, denn sein Leben ist ein einziger Mißerfolg in allen Erfolgen. Bis nach seinem Untergang, ja eben durch seinen Untergang das Schicksal diesem großen Werber die Antwort erteilt: ein glühendes Ja! Denn dieser Mann, unschön, finsteren Charakters, dem Verrat nicht abgeneigt, wenn es sich um eine hohe Sache, eben die seine, handelt, hat erreicht, was er wollte. Er ist vom Irrtum ausgegangen. Er hat unrichtige Landkarten, die er sich auf nicht ganz lautere Weise verschafft hat, falsch gelesen. Er hat falsche Mittel angewandt, er hat zuerst die große Geduld, die epische Form der Liebe noch nicht gehabt. Nach unbelohnt gebliebenen Kriegs- und Friedensdiensten hat er, zu kühn, zu sehr seiner selbst bewußt, seinem Fürsten das große Ja-Wort abzwingen wollen, und als dieser es ihm verweigert, hat er sein Land verraten, ist zu den Feinden Portugals, den Spaniern, übergegangen, hat dort Fuß zu fassen, hat dort etwas von dem ihm eigentlich versagten, bürgerlichen Glück zu kosten versucht, hat seinen Namen geändert, hat dem Herrscher Spaniens den verwegenen Traum seines Landes vorgetragen: nach Westen auszusegeln und von Osten zurückzukehren. Mißtrauisch ist er dem fremden Fürsten entgegengetreten, und sein Mißtrauen ist berechtigt gewesen.

Aber er, durfte man ihm trauen? Er erzwingt sich Gehör, er erhält fünf Schiffe, die er mit minutiöser Genauigkeit ausrüstet, treu nur einem, seiner Sache, seiner Idee. Menschen bedeuten diesem Amoralisten nichts. Sein letzter Schritt vor der Abreise ist der Verrat an dem Herzensfreund, dem Arbeitsgefährten. Er will allein sein, und selbst dann, wenn er unter seiner Mannschaft, in seiner Stadt ist, weht ein Hauch von Einsamkeit um ihn.

Das aber ist das Klima, in dem Liebesbriefe an das Schicksal geschrieben und beantwortet werden. Bald erkennt er, daß sein Plan falsch war. Das heißt, falsch für jeden anderen. Jeder andere, der anstelle der Durchfahrt auf einem bestimmten Breitengrade Südamerikas statt des Kanals nur eine gigantische Strommündung gefunden hätte, würde umgekehrt sein, hätte bereut, Mitleid empfunden mit der schwer geplagten Mannschaft, mit sich. Die Mannschaft empört sich gegen ihn, denn man ahnt seine Schwäche, man »riecht« seine Desillusion, man hat nicht vergessen, daß er nur ein Emigrant ist, willkürlich übergeordnet den nationalen spanischen Admiralen. Offener Kampf. Heimliche Tücke, Schlag gegen Schlag. Er siegt, er beruft mitten in einer eisigen Wüstenei, den Winter über in diese trostlose Gegend gebannt, das Standgericht ein – und verurteilt zum Tode den meuternden Admiral und zwei andere Offiziere, diesen zum Tode durchs ritterliche Schwert, die anderen zum Tode durch bitteren Hunger, denn er setzt sie aus auf der unwirtlichen Küste, als er endlich weitersegelt, mehr vom Mute der Verzweiflung angefeuert als von einem Strahl der Hoffnung. Und jetzt lächelt ihm das Schicksal zum ersten Male zu. Die gesuchte Durchfahrt besteht, es ist zwar eine höllische Straße, zwischen unfruchtbaren Klippen eine gefährliche, ewig von Stürmen gepeitschte Passage. Damit ist das Ziel erreicht, die Unsterblichkeit erkämpft.

Aber dies genügt dem gewaltigen Manne nicht. Er hat versprochen, von Osten zurückzukehren. Wenn er jetzt umwendet, ist nur die eine Hälfte des Versprechens gehalten. Darf er weitergehen? Kann er? Die anderen Admiräle warnen, es mangelt an Lebensmitteln. Krankheiten haben die Mannschaften, die Stürme haben die Schiffe zermürbt. Darf er? Kann er? Er muß. Ein Teil der Flotte desertiert. Er setzt mit dem meuternden Rest die Reise fort. Unbeschreiblich die Mühsale. Endlich sind die wärmeren Landstriche, die goldenen Berge, die Gewürzinseln mit ihren Millionenschätzen erreicht, er landet, und man empfängt ihn mit gebeugten Knien.

Kann er es sich jetzt genug sein lassen? Immer noch hat er die Antwort des Schicksals nicht verstanden; er glaubt, er müsse noch einmal kämpfen, noch einmal das Schicksal auf die Probe stellen. Es handelt sich um einen winzigen, einen mikroskopischen Kampf von nackten, speerbewaffneten Beherrschern einer Insel, die man auf keiner geläufigen Landkarte findet. Und er, inmitten seiner Getreuen, alle gepanzert und beschildet, erliegt einer Masse von maskenhaften Menschen. Magellan fällt. Seine Leute fliehen, und niemals weiß man, was aus seiner Leiche geworden ist. Aber was kümmert uns die Leiche, der Geist, der Wille, das düstere Feuer des liebenden Werbers hat gesiegt, es ist, wie Zweig sagt, »für alle Zeiten erwiesen, daß die Idee, wenn vom Genius beachtet, wenn von Leidenschaft entschlossen vorwärts getragen, sich stärker erweist als alle Elemente der Natur, daß immer wieder ein einziger Mensch mit seinem kleinen vergänglichen Leben, was Hunderten Geschlechtern bloßer Wunschtraum gewesen, zu einer Wirklichkeit und unvergänglichen Wahrheit zu erschaffen vermag.«

Es ist ein Buch für Männer, es ist ein Werk für junge Menschen, die von einer Zeit wie der unseren fast erdrückt werden, das Zweig hier geschaffen hat. Es gibt Mut. Und was brauchen wir heute mehr als Mut? Wer das Buch Zweigs gelesen hat, hat neuen Mut gewonnen zum Leben und zur Liebe. Denn Schicksal und Liebe – und sei es die zu einer Idee – ist es nicht das gleiche?


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