Louis Weinert-Wilton
Der Teppich des Grauens
Louis Weinert-Wilton

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4

Die Pension von Mrs. Benett in Newchurch, die den stolzen Namen »Queen Victoria« führte, erfreute sich eines ausgezeichneten Rufes, denn man war dort in jeder Hinsicht vortrefflich aufgehoben. Die Zimmer waren geräumig und äußerst behaglich eingerichtet, die Verpflegung war erstklassig, und alle die Dinge, die sonst eine englische Pension geradezu unerträglich machen, gab es hier nicht. Mrs. Jane Benett war nämlich nicht nur eine gute und geschäftstüchtige Wirtin, sondern auch eine äußerst kluge Frau, die sich sagte, daß ein Pensionsgast darauf Anspruch habe, tun und lassen zu können, was er wolle, und auf seine Fasson selig zu werden.

Mrs. Benett hatte daher auch immer ein vollbesetztes Haus. Wenn sie aber ein Zimmer frei hatte, so konnte es jeder haben, der danach aussah und den dafür geforderten Preis bezahlte. In dieser Hinsicht kannte sie keine kleinlichen Bedenken. Wer Geld hatte und wie ein Gentleman aussah, der war für sie eben ein Gentleman, mochte er nebenbei sein, was er wollte.

Wegen dieser Auffassung war die Besitzerin der »Queen Victoria« zwar bereits zu wiederholten Malen mit der Polizei in Berührung gekommen, aber das vermochte die energische Frau nicht irrezumachen. Was sie von ihren Logiergästen forderte, war nur, daß sie gut und pünktlich bezahlten und innerhalb ihrer vier Mauern den Schein wahrten; draußen konnten sie tun, was ihnen beliebte.

Als Harry Reffold, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die teppichbelegte Treppe zu seinem Zimmer hinaufeilte, wäre er im ersten Stockwerk fast sehr unsanft mit Mrs. Benett zusammengestoßen.

Die dunkle, noch immer ganz hübsche Vierzigerin schrie leicht auf, und aus ihren schwarzen Augen, von denen eins ziemlich bedeutend nach der Nasenwurzel gerichtet war, traf den jungen stürmischen Mann ein Blick sanften Vorwurfes, doch er wurde durch eine beträchtliche Dosis Zärtlichkeit gemildert.

Mrs. Benett hatte die Sache nicht übel gemacht, denn in Wirklichkeit hatte sie schon länger als eine halbe Stunde auf dem Posten gestanden, um sich von ihrem Pensionsgast erschrecken zu lassen und Gelegenheit zu haben, ihm das zu sagen, was sie ihm sagen wollte.

»Ah, Mr. Reffold! Soll ich Ihnen den Tee auf Ihrem Zimmer servieren lassen, oder wollen Sie ihn unten nehmen?«

Harry setzte seine unwiderstehliche Miene auf. »Sie sind zu liebenswürdig, Mrs. Benett. Wenn es Ihnen keine besondere Mühe bereitet, so würde ich es vorziehen, auf meinem Zimmer zu bleiben. Ich bin nämlich etwas müde.«

Mrs. Jane Benett hüpfte mit der Grazie eines jungen Mädchens die Treppe hinab, wobei ihr ihre einhundertsiebzig Pfund allerdings einigermaßen hinderlich waren.

Reffold hatte kaum abgelegt und sich etwas frisch gemacht, als sie bereits wieder erschien, gefolgt von einem Stubenmädchen, das eine reichbelegte Teeplatte auf den Tisch stellte. Mrs. Benett gab dem dienstbaren Geist einen sehr energischen Wink zu verschwinden und machte sich dann mit affektierter Koketterie daran, den Tisch selbst zu decken.

Es war dies in der »Queen Victoria« eine ganz besondere Auszeichnung, die nur hie und da einem außerordentlich geschätzten Gast zuteil wurde, und Reffold wußte diese Ehre auch sichtlich zu würdigen.

»So, Mr. Reffold, und nun stärken Sie sich. Sie werden gewiß Appetit haben.« Sie übersah nochmals das von ihr getroffene Arrangement, rückte das und jenes zurecht und machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu entfernen. Sie schien etwas auf dem Herzen zu haben und nicht zu wissen, wie sie es loswerden sollte. Harry beobachtete sie lächelnd und machte dann eine einladende Handbewegung.

»Es würde mir ein besonderes Vergnügen sein, Mrs. Benett, wenn Sie mir die Ehre erweisen würden, mit mir den Tee zu nehmen.«

Über das dunkle Gesicht der Pensionswirtin lief eine freudige Röte, und sie tat verschämt wie eine Sechzehnjährige. »Sehr gern, Mr. Reffold, wenn ich Sie wirklich nicht störe.«

Sie nahm Platz und schenkte ihm fürsorglich ein. »Ich kann mir ja denken, daß Sie immer sehr abgespannt sind, wenn Sie aus London kommen« – er fing aus dem einen ihrer schwarzen Augen einen vielsagenden Blick auf – »und ich möchte, daß Sie sich dann hier recht behaglich fühlen. Überhaupt . . .« – sie wurde verlegen, stockte und spielte nervös mit den Fingern – »überhaupt liegt mir daran, daß meine Gäste bei mir in jeder Beziehung gut aufgehoben sind und keine Ungelegenheiten haben.« Wieder warf sie Reffold einen warmen, fürsorglichen Blick zu. »Deshalb sehe ich auch stets selbst überall nach dem Rechten, und da . . .« – sie begann geheimnisvoll zu flüstern – »da habe ich heute morgen in Ihrem Zimmer das hier entdeckt, das Sie wohl aus Versehen unverschlossen gelassen hatten.«

Sie langte nach einem sorgfältig in starkes Papier eingeschlagenen Paket, das sie vorhin mit ins Zimmer gebracht und in einen Sessel gelegt hatte. »Ich wollte nicht, daß jemand von der Bedienung die Sachen sieht«, fügte sie vertraulich hinzu, »deshalb habe ich sie an mich genommen.«

Sie drückte ihm das Paket rasch in die Hand, und ihr Busen hob sich sehr befreit.

Harry machte ein etwas erstauntes Gesicht und schlug neugierig die Hülle auseinander.

Er hielt die elegante Ledertasche in Händen, die sein Einbruchswerkzeug barg, wohl das beste und zuverlässigste, das es gab.

Mrs. Benetts dunkles Auge, das geradeaus sah, glühte ihn ergeben und beruhigend an. »Sie verstehen, daß ich . . .«

»Ich verstehe, Mrs. Benett«, beeilte er sich zu versichern, um ihr aus der Verlegenheit zu helfen. »Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen, und ich danke Ihnen aufrichtig.« Er hielt ihr die Hand hin, die sie mit Eifer ergriff. »Man hat manchmal eine verhängnisvolle Stunde, in der man durch ein kleines Versehen ein großes Malheur anrichtet«, fügte er hinzu.

Die üppige Frau nickte lebhaft Beifall, legte aber dann beruhigend die Hand auf seinen Arm. »Machen Sie sich, bitte, keine Sorgen, Mr. Reffold. Ich werde nun schon achtgeben, da ich weiß, daß dies notwendig ist«, sagte sie mit einem feinen Lächeln. »Sie können sich völlig auf mich verlassen und dürfen mir Vertrauen schenken.«

Harry blickte sie eine Weile sehr ernst und überlegend an. »Ich freue mich, Mrs. Benett, daß ich bei Ihnen ein so freundliches Verständnis finde und daher offen mit Ihnen sprechen kann. Das erleichtert mir eine Bitte, die ich schon länger an Sie richten wollte, da ich weiß, daß Sie einen großen Bekanntenkreis haben und über verschiedenes informiert sind.«

Mrs. Benett begann vor Eifer und Neugierde zu glühen. »Sprechen Sie, Mr. Reffold, sprechen Sie. Ich werde Ihnen mit Vergnügen jede Auskunft geben«, versicherte sie lebhaft.

Harry nahm einen bedächtigen Schluck aus seiner Tasse, griff dann langsam nach seiner Brieftasche und zog eine Fotografie hervor, die er einige Augenblicke in der Handfläche barg. Dann legte er das Bild vor Mrs. Jane hin und zog seine Hand zurück.

»Können Sie mir vielleicht über diesen Herrn etwas Näheres sagen, Mrs. Benett?«

Auf dem Tisch lag das Bild des Mannes, dem er am Nachmittag mit solcher Ausdauer gefolgt war.

Mrs. Benett beugte sich mit sichtlicher Spannung vor, fuhr aber sofort wieder zurück und starrte Harry verstört an. Ihr braunes Gesicht hatte eine gelbliche Färbung angenommen, und ihre Hände, mit denen sie den Tisch umklammert hielt, zitterten merklich.

Reffold tat, als ob er ihre Aufregung nicht bemerkte, und ließ ihr Zeit, sich zu fassen.

»Nun, ist Ihnen der Herr bekannt?« fragte er nach einer Weile leichthin.

Sie zögerte einige Augenblicke und schien zu überlegen. Dann senkte sie schamhaft die Augen und nickte.

»Ja«, lispelte sie. »Es ist mein Mann.«

»Oh . . .« Harry lehnte sich zurück, und es klang, als sei er wirklich außerordentlich überrascht. »Verzeihen Sie. Wenn ich das gewußt hätte . . .«

Mrs. Jane hatte aber ihr seelisches Gleichgewicht bereits wiedergewonnen, und damit kehrte auch ihre liebenswürdige Lebhaftigkeit zurück. »Ach, das macht gar nichts, Mr. Reffold. Sie müssen sich deshalb nicht entschuldigen. Es war nur die erste Überraschung, und dann – man spricht doch von solchen Dingen nicht gern«, meinte sie etwas verschämt. »Sie werden das gewiß begreifen. Zwischen mir und George Thompson ist schon längst alles aus. Wir sind bereits fünf Jahre geschieden, und seither führe ich auch meinen Mädchennamen wieder.« Sie rückte näher an Reffold heran, und ihre Frage klang sehr dringlich. »Weshalb interessieren Sie sich für ihn? Haben Sie geschäftliche Beziehungen zu ihm?«

»Noch nicht«, sagte Reffold, »aber vielleicht kommt es in nächster Zeit dazu.«

»Dann seien Sie auf Ihrer Hut.« Sie legte warnend ihre Hand auf die seine und begann ihr Herz auszuschütten. »Thompson ist kein Mensch, mit dem man sich einlassen darf.«

»Gibt es in seiner Vergangenheit denn irgendeinen dunklen Punkt?«

»Oh, ich glaube eine ganze Reihe. Er war, als wir heirateten, Zahlmeister bei der White-Star-Linie, ist aber dann in schlechte Gesellschaft geraten und durch Trunk und Spiel immer mehr heruntergekommen. Als er aus dem Dienst entlassen wurde, war er dann in verschiedene anrüchige Geschichten verwickelt und stand, soviel ich weiß, auch mehrere Male vor Gericht. Aber man hat ihm nie etwas nachweisen können, dazu ist er zu gerieben.«

»Und womit beschäftigt er sich jetzt?«

Mrs. Benett zuckte die Schultern. »Jedenfalls nicht mit ehrlicher Arbeit. Diese war ihm immer zuwenig einträglich.«

»Sie haben ihn also in der letzten Zeit nicht gesehen?«

»Nein, er treibt sich ja seit Jahren irgendwo in London herum . . . Das heißt . . .« – Mrs. Benett schien sich zu erinnern und verbesserte sich lebhaft – »vor etwa vier oder fünf Tagen ist er plötzlich aufgetaucht. Er war ungemein liebenswürdig und wollte vorübergehend bei mir – als Gast, wie er ausdrücklich sagte – Wohnung nehmen. Ich habe ihm aber sehr entschieden zu verstehen gegeben, daß ich meinen Gästen nicht zumuten kann, mit Leuten seines Schlages unter einem Dache zu wohnen!«

»Hat er hier irgendwelche Bekannte?«

Mrs. Jane vermochte darüber keine Auskunft zu geben, und Harry war überzeugt, daß sie ihm alles gesagt hatte, was sie über den Mann wußte. Er drückte ihr die Hand, und sie las in seinen Mienen nicht nur den Dank für ihre rückhaltlose Auskunft, sondern auch ehrliche Anteilnahme an ihrem Schicksal, das sie ihm soeben geoffenbart hatte.

Sie erwiderte daher seinen Händedruck sehr, sehr innig, erhob sich und glättete verlegen das straffsitzende Kleid.

Sie war über die Aussprache überaus glücklich, denn nun wußte Mr. Reffold wenigstens alles, und darüber, daß sie ungefähr zehn Jahre älter war als er, ließ sich wohl auch noch hinwegkommen. Sie hatte bereits in vielen Romanen gelesen, daß Männer ältere Frauen geheiratet hatten und daß diese Ehen sehr glücklich geworden waren. Schließlich kam es ja bei einer Frau einzig und allein darauf an, wie sie aussah, und in dieser Hinsicht war Mrs. Jane mit sich sehr zufrieden.

An der Schwelle erwachte in Mrs. Benett wieder die fürsorgliche Hauswirtin. »Um wieviel Uhr wünschen Sie das Dinner, Mr. Reffold?«

Er dachte einige Augenblicke nach, dann sagte er lächelnd: »Ich bin mehr müde als hungrig, Mrs. Benett, und gedenke daher schnellstens zu Bett zu gehen.«

Vorläufig ließ Reffold sich damit allerdings Zeit, denn als Mrs. Benett mit einem letzten, liebevollen Blick das Zimmer verlassen hatte, machte er sich zunächst ein bißchen behaglich und zündete sich mit einem höchst vergnügten Lächeln eine Zigarette an. Dann ließ er die Rouleaus an den Fenstern herab und ging zur Tür, die er geräuschlos versperrte. Nun erst entnahm er der Tasche seines Mantels das Päckchen, das er sich am Nachmittag auf so ungewöhnliche Weise angeeignet hatte. Er entfernte den dünnen Bindfaden und die einfache Papierhülle und hielt nun eine kleine, flache Schachtel in der Hand, wie sie in den Apotheken Verwendung finden.

Harry nahm die Umhüllung und den Karton von allen Seiten in Augenschein, konnte aber nichts entdecken, was ihm irgendeinen Anhaltspunkt geboten hätte.

Schon schickte er sich an, die Schachtel kurzerhand zu öffnen, als er sie wieder beiseite legte und nach der Werkzeugtasche griff, die ihm seine Wirtin so geheimnisvoll und feierlich überbracht hatte. Er entnahm ihr ein Paar Gummihandschuhe, streifte sie sorgfältig über, suchte sich dann eine kleine, äußerst fein gearbeitete Zange heraus und hob nun erst mit äußerster Vorsicht den Deckel der Schachtel ab.

Sie enthielt zuoberst eine dicke Watteschicht, und als er diese herausgenommen hatte, kam ein winziges Fläschchen zum Vorschein, dessen Tropfstöpsel sorgfältig gesichert war.

Um Reffolds Mundwinkel spielte ein etwas grimmiges Lächeln, als er die kleine Phiole zwischen zwei Fingerspitzen nahm und gegen das Licht hielt. Sie war kaum bis zur Hälfte mit einer dicken Flüssigkeit von grüngelber Farbe angefüllt, die aber auf dem Glase selbst keinerlei Spuren zurückließ, wie er sich durch wiederholtes Schütteln und Wenden überzeugen konnte.

Er bettete die Phiole wieder in die Watte und hob dann, immer mit derselben Vorsicht, die zweite Einlage heraus, die aus filzartigem gepreßten Papier bestand.

Was er darunter fand, erregte sein Interesse in noch höherem Maße. Es war ein etwa drei Quadratzentimeter großes, an den Ecken gelochtes Metallplättchen, dem eine ungefähr zwei Millimeter hohe Hülse von etwas kleinerem Durchmesser aufgesetzt war. Bei der weiteren Untersuchung stellte Harry fest, daß die Hülse durch einen federnden Knopf abgeschlossen wurde, und als er diesen Knopf niederdrückte und das Plättchen umwandte, bemerkte er eine winzige, nadelfeine Spitze, die sofort wieder zurücksprang, als er die Hand von dem Knopf nahm.

Reffold war sich nun über den Zweck der äußerst sinnreich und präzis konstruierten Vorrichtung völlig im klaren. Er wußte, daß er mit dem Fläschchen und dem winzigen Stachel ein Mordinstrument in Händen hielt, das tausendmal gefährlicher war als die furchtbarste Schußwaffe, da es gegen seine tödliche Wirkung kaum einen Schutz gab.

Wie die Handhabung gedacht war und wie der Angriff erfolgen sollte, das allerdings vermochte er vorläufig nicht herauszufinden, sooft er das Plättchen auch hin- und herwandte und in alle möglichen Lagen brachte.

Er verpackte alles wieder sorgfältig und verschloß es in einem Geheimfach seines schweren Schrankkoffers. Dann nahm er noch einige von Mrs. Benetts appetitlichen Sandwiches zu sich, mischte sich einen kräftigen Whisky mit Soda und setzte sich gemächlich über ein Buch.

Nach einigen Stunden begann er sich lautlos umzukleiden. Er wählte einen sehr einfachen, dunklen Anzug und einen ebensolchen Mantel, eine Sportmütze und ein Paar leichte Schuhe mit Gummisohlen, auf denen er unhörbar durch das Zimmer glitt. Als er fertig war, sah er nach der Uhr; sie zeigte auf halb elf. Er stopfte sich seine kurze Pfeife, setzte sie mit behaglichen Zügen in Brand, löschte dann das Licht aus und ließ sich in einem der Klubsessel nieder, in dem er rauchend und sinnend eine lange Weile regungslos verharrte.

Nach etwa einer halben Stunde war im ganzen Hause kein Laut mehr zu vernehmen, und nun erst erhob sich Reffold, schloß leise die Tür auf und spähte vorsichtig in den Korridor, dessen Lampen zum größten Teil bereits gelöscht waren.

Er ergriff seine Werkzeugtasche, stellte die Schuhe, die er am Nachmittag getragen hatte, vor die Tür, schlüpfte aus dem Zimmer, verschloß es mit der geräuschlosen Geschicklichkeit eines Diebes und glitt dann wie ein Schatten den Gang hinunter. Durch den Haupteingang konnte er das Haus kaum unbemerkt verlassen, wohl aber über die Dienstbotentreppe, die auf einen Hof und von dort durch eine kleine Pforte in eine Seitengasse führte.

Sein dunkler Schatten war kaum die Treppe hinabgetaucht, als in einer der letzten Türen, die er passiert hatte, eine Gestalt erschien und angestrengt lauschend stehenblieb.

Nach einigen Augenblicken kam Mrs. Jane mit einem heimlichen Lächeln den Korridor entlang. Sie schien auf ihrem allabendlichen Rundgang begriffen zu sein, wenigstens machte sie sich hie und da zu schaffen und öffnete auch das Dienstbotenzimmer, in dem die drei Mädchen eben dabei waren, ihre Gedanken über das Leben und die Menschheit im allgemeinen und die Herrin und die Gäste im besonderen auszutauschen.

Das Erscheinen der Hausfrau schnitt die ziemlich lebhaft geführte Debatte jäh ab.

»Macht, daß ihr ins Bett kommt«, befahl sie leise. »Und wenn Mr. Reffold klingeln sollte, so beeilt euch. Er fühlt sich nicht wohl, und es ist möglich, daß er irgend etwas benötigt.«

Mrs. Benett nickte den Mädchen kurz zu und ging wieder den Korridor zurück. Sie lächelte noch seltsamer als vorher, und als sie die Schuhe vor Reffolds Tür gewahrte, schmunzelte sie besonders vergnügt.

Sie freute sich, daß sie dem liebsten Gast, den sie je beherbergt, eben ein Alibi geschaffen hatte, falls er für die heutige Nacht eines solchen bedürfen sollte.


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