Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Der Graf blätterte in den Akten, gab sie den Rittern, die mit ihm gekommen waren, zur Ansicht und sagte dann: Geehrter Herr, die Sache an sich scheint für sich zu sprechen, sowenig ich mir ein Urteil in diesen verwickelten geistlichen Angelegenheiten und in diesen sonderbaren Begebenheiten erlauben darf. Denn höchst wunderlich sind diese Bekenntnisse und Aussagen. Aber warum haben die hiesigen Einwohner ein solches Aufhebens von diesen fratzenhaften Geschichten gemacht, daß sie sogar die Autorität des Fürsten selbst zu Hülfe gerufen? Zwei liederliche Dirnen, eine alte Bettlerin, drei jammervolle Weiber vom Lande, und eine Frau von zweideutigem Ruf in der Stadt, nebst einem blödsinnigen Gemäldepfuscher, sind hauptsächlichst und zuerst angeklagt, und deren Schuld scheint, eigenen Geständnissen nach, so ziemlich erwiesen; denn das Verbrechen des Taket, und noch mehr des jungen Beaufort, ist noch dunkel. Steht es aber so, so ist der Handel, meines Ermessens, nicht so hochwichtig, jene Sünder mögen verdammt oder freigesprochen werden.

Hier kommt mein gnädigster Herr, rief der Bischof neu belebt, auf den Punkt, welcher, wie ich immer sagte, und wie meine geistlichen Mitbrüder schon von mir gehört haben, der wichtigste ist. Diese armen Seelen, die jetzt in unsern Gefängnissen sitzen, haben aus blödem Sinn, gewissermaßen in einem Anfall von Lebensüberdruß, sich selbst und ihr höllisches Bündnis verraten; der Maler, sowie die Frau Denisel, die von den übrigen angeklagt sind, wollen leugnen, und Beaufort und Taket noch stärker; aber, verehrter Herr, alle diese Armseligen sind, wie Ihr ganz richtig geahndet habt, nicht die Kraft und der Kern der höllischen Brüderschaft, sie sind nur der leichte Vortrab des satanischen Heeres. Land und Stadt, Kirche und Fürstentum, ja Europa und Rom und der Papst sind von dem unendlich weit verbreiteten Bündnis bedroht, zu welchem selbst Priester sich halb und ganz haben verführen lassen, selbst Bischöfe und Kardinäle. Seit lange strebt man dahin, auch Fürsten und Könige für diesen Greuelbund zu gewinnen, und es steht dahin, ob es nicht schon gelungen ist, wenn wir beobachten, wie dieser und jener Prinz, der und jener König sich gegen Papst und Kirche betragen, welche Meinungen und Reden sie dulden, oder selber aussprechen. Und so werdet Ihr mir, Gnädigster, da Ihr diese Gesinnung offenbart, behülflich sein, die Reichen und Mächtigen aufzuspüren, und der Strafe zu überliefern, und wir armen Geistlichen dürfen dann, von Eurer Autorität geschätzt, um so fester den Frevel auszurotten streben, ohne vor den Drohungen des unverständigen Pöbels zu erschrecken.

Der Graf neigte beifällig sein Haupt und hatte die Akten des Prozesses wieder in die Hand genommen, die er tiefsinnend betrachtete. Er war ganz in Gedanken versunken, doch schien er nicht zu lesen, und es entstand eine lange Pause. Endlich fuhr er wie aus einem Traume auf, legte die Blätter auf den Tisch, erhob sich, grüßte den Bischof mit vieler Ehrerbietung, und verließ mit seinem Gefolge den Saal. Der Bischof verabschiedete die Geistlichen und sendete nach den Doktoren, die von der Universität Löwen gekommen waren, um sich mit diesen zu beraten.

In der Stadt hatte sich die Stimmung auffallend verändert. Der Pöbel, der anfangs die seltsame Sache nur als eine Neuigkeit angestaunt hatte, tobte jetzt in Schadenfreude, daß ein Ereignis hervorgetreten war, welches auch die Reichen und Angesehenen bedrohe. Viele Mönche und unwissende Geistliche, deren Phantasie von diesen Bildern des Aberwitzes ergriffen war, lehrten und predigten in Häusern und Gassen von der Möglichkeit und Wahrhaftigkeit dieser Greuel, wodurch Weiber und schwache Gemüter des Bürgerstandes auch überzeugt wurden. Wie etwas Erfreuliches und Unterhaltendes erzählte man sich in Gesellschaften neue Tollheiten, die die Gefangenen bekannt und ausgesagt haben sollten. Als der verständige Küster Wundrich auf der Gasse einen solchen Haufen von Betörten belehren wollte, war er in Gefahr, gemißhandelt zu werden, und einige der Gläubigsten wollten ihn schon, als neu entdeckten Zauberer, mit Gewalt zur Inquisition schleppen. Wundrich nicht allein, sondern fast alle Geistlichen, die den Aberwitz einsahen, wurden eingeschüchtert, und sprachen nur offen zu Gleichdenkenden, oder wo sie sicher zu sein glaubten. Da das Märchen nun allgemein bekannt und verbreitet war, sahen boshafte Weiber und Männer, Tagelöhner und Hausbedienten jedem Vornehmen, dem sie auf der Straße begegneten, mit Frechheit in das Gesicht, als wenn sie ebenfalls die Kunst des Bischofs überkommen hätten, die Zauberer an den Augen zu erkennen. Da geht auch wohl ein Gast des Scheiterhaufens! mußte mancher würdige Mann hinter sich her sagen hören, wenn einen vom Pöbel sein Halsschmuck, oder die seidne, schmucke Kleidung geärgert hatte. So war Furcht in jeder Familie, und keiner wagte mehr, unbefangen seinen Geschäften nachzugehen, oder seine Freunde zu besuchen, noch weniger aber, wie sonst so oft geschah, beim Gastwirt Josset mit andern Fröhlichen ein heiteres Gelag in dessen großen Sälen zu feiern.

In dieser Stimmung schlossen sich sehr viele Bürger, und selbst Adlige, der Prozession an, welche der Bischof angeordnet hatte, um den Himmel um Gnade anzuflehen für eine Stadt, die so tief in Sünde versunken war. Singend und betend ging der Zug, der Bischof an der Spitze, durch die Gassen, um dann in der Kathedrale den Gottesdienst zu feiern. Ein Wagen, schwer bepackt, hielt vor dem großen Hause des Schakepeh, und der stattliche Bürger stand in Reisekleidern davor, im Begriff, das Fuhrwerk zu besteigen. Da er die singende Menge herunterkommen sah, und die Prozession der Geistlichen, stellte er sich anständig hin, nahm seinen Hut ab und betete, um der geistlichen Zeremonie seine Ehrfurcht zu beweisen. Jetzt stand der Bischof dicht an ihm, gab das Kreuz, das er trug, aus den Händen, und der Gesang verstummte. Was macht Ihr hier, Freund Schakepeh? fragte der Bischof.

Ich wollte soeben eine Reise in Geschäften machen, antwortete der Bürger; mein Handel ruft mich nach Antwerpen, ich habe dorten Summen einzufordern, die ich nur erhalten kann, wenn ich persönlich erscheine.

So? sagte der Bischof; fein ausgedacht. – Er sah den Bürger, welcher mit bloßem Kopfe vor ihm stand, lange und bedeutend an, indessen mancher aus dem Zuge, der zu Schakepehs Bekannten gehörte, näher getreten war, um zu sehen, was geschehen würde. – Da der Bischof den Bürger immer noch durchdringend anschaute, verlor dieser die Geduld, setzte den Hut auf sein Haupt und sagte: Nun ist es genug, guter Herr, die Pferde, Diener und meine Geschäfte warten auf mich; wenn ich zurückkomme, so laßt mich nur rufen, und ich will Euch dann mein Gesicht, solange Ihr wollt, zum Beobachten hinhalten.

Es wird mir wohl jetzt noch bleiben! rief der Bischof mit heiserer Stimme, denn ich erkläre Euch, daß Ihr mein Gefangener seid! Ihr seid ein alter Freund des Zauberers Labitte und der Hexe Denisel, sowie des jungen Beaufort, und mein Auge hat in Eurem Eure Sünde erkannt.

Gevattersmann! rief Schakepeh im Zorn, wenn Ihr immer über den Durst trinkt, oder von Natur so dummhäuptig seid, so könnten wir ebensogut den Wetterhahn droben auf dem Rathause zum Bischofe haben. Laßt mich ungeschoren!

So ist es nicht gemeint, antwortete der Bischof mit Gelassenheit und Ruhe. Er winkte, und die Häscher, die herbeigekommen waren, näherten sich dem Bürger. Laßt mich! rief Schakepeh; sind wir hier unter Räubern und Mördern? Ihr wackern Bürgersleute, die ihr hier wie Stare und Dohlen in dem schwarzen Zuge mittrippelt, hat denn keiner mehr ein Gemüt für die Freiheit, um sich dieser Tyrannei zu widersetzen? Blödsinnigster aller Menschen! Ich, der Bürger und Holzhändler Schakepeh soll ein Hexenmeister sein? Ich habe mehr zu tun, als die Alfanzereien auf Eurem Hexensabbat mitzumachen.

Die Schergen hielten den Widerstrebenden; und da Schakepeh bemerkte, wie hier und dort einer von seinen Bekannten, die er für wackere Männer gehalten hatte, sich fortschlich, andre aber die Augen scheu zur Erde niederschlugen, so sagte er im Verdruß: Packt mich nicht, ihr Herren Schergen, die ihr jetzt unsre freie Stadt so verständig regiert, ich werde euch freiwillig nach dem Gefängnisse folgen. Aber wehe den hohen Herren, die es dahin kommen lassen! Es muß alles zugrunde gehen, wenn beim Bürger keine Kraft und beim Geistlichen kein Verstand zu finden ist, und wenn die, die uns schützen sollten, uns verderben.

Als er fortgeführt war, bemerkte der Bischof mit Verdruß, daß die Prozession sich sehr vermindert hatte, denn fast alle der wohlhabendem Bürger waren still und traurig nach ihren Häusern geschlichen, alle liebten den Mann, den sie jetzt hatten mißhandeln sehn.

Als wieder das geistliche Gericht versammelt war, wurde nach den Anzeigen, die die alte Gertrud, sowie die übrigen Weiber aus der Dorfgemeinde gemacht hatten, beschlossen, auch den reichen Gastwirt Josset einzuziehen, der um so verdächtiger schien, weil bei ihm mehr wie einmal, ebenso wie bei der Frau Denisel, der Maler Labitte bei fröhlichen Gelagen zugegen gewesen war, wo man von Frau Venus, Luzifer, unbekannten Obern gesprochen, und den Satan, sowie den Hexensabbat, lächerlich vorgestellt habe. Noch andre angesehene Bürger wurden an demselben Tage verhaftet.

Als Peter Carrieux inne ward, wohin sich die Sache jetzt wendete, sagte er: Nun sehe ich ein, wie Schakepeh der Klügste von uns allen war, dessen Verstand es vorhersah, wie es nun gekommen ist; aber es hat ihm doch auch nichts geholfen, da er nicht früher abreisen konnte.

Und Ihr wollt immer noch nicht meinem Rate folgen? rief der riesengroße Guntram; Euch bleibt ja doch nichts anderes übrig, und je früher Ihr dazu tut, je besser ist es für Euch. Laßt uns Arbeiter, so wie wir da sind, zu den Waffen greifen, denn wir sind wahrlich jetzt auf unsre Fäuste angewiesen, da es keine Gerechtigkeit mehr im Lande gibt. Ihr habt auch zuweilen mit dem heitern Alten, dem Labitte, gescherzt, Ihr seid auch im Hause der Frau Denisel gewesen; wollt Ihr es abwarten, bis sie Euch ebenfalls in die Inquisition führen, und über Dummheiten verhören?

Indem sie noch sprachen, kam ein Bote des geistlichen Gerichtes, der den Bürger und Teppichwirker Peter Carrieux vor das geistliche Gericht der Inquisition zitierte, weil er der Zauberei und der Hexenkünste verdächtig sei, als Mitgenoß und Freund des Labitte, welcher schon im Gefängnis alles freiwillig bekannt habe. Carrieux stand einen Augenblick zweifelhaft, ob er dieser Zitation Folge leisten sollte; Guntram warf ihm einen bedeutenden Blick zu und schielte nach der Rüstung; da aber der verständige Bürger bedachte, daß man die Schergen senden würde, um ihn mit Gewalt fortzuführen, zog er es vor, dem Boten der Geistlichkeit freiwillig zu folgen.

Als der Herr des Hauses fortgegangen war, versammelte der zornige Guntram alle Gesellen, Diener und Handlanger, und stellte ihnen vor, wie sie alle zu Bettlern werden müßten, nun ihr Herr verhaftet sei; es sei nicht daran zu denken, daß man ihn so bald wieder freigeben würde, wahrscheinlich gehe der Unsinn so weit, ihn zu verdammen. Alle nahmen schnell Rüstungen, Schwerter und Schilde, weil sie den Versicherungen des alten, erfahrnen Guntram glaubten, wie sich die ganze Stadt, wenn nur ein Anfang gemacht würde, für sie bewaffnen müßte. Sie stürmten mit Geschrei hinaus und rannten vor den Palast des Bischofs hin. Aber kein Bürger erhob sich, in der Nähe des Getümmels verschloß man die Läden, das Haus des Bischofs und die Inquisition waren fest verrammelt.


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