Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Es sei, antwortete sie nicht ohne Verlegenheit, ich will streben, meine vormalige Heiterkeit wiederzufinden. Und wenn Ihr mich nicht unnötig quält, so erwächst auch wohl das alte Vertrauen wieder unter uns.

Nur, fuhr er fort, seid nicht so zurückstoßend, vermeidet mein Gespräch nicht so auffallend. Euer Wesen selbst ist ja Freundlichkeit, das Opfer kann Euch ja so viel nicht kosten.

Catharina wendete sich wieder zur Gesellschaft, zu welcher der Küster Wundrich getreten war. Dieser ging dem Dechanten entgegen, und erzählte ihm, wie die alte Gertrud immer noch phantasiere und das Fieber nicht weichen wolle. Die Krankheit der alten Frau hatte Aufsehn in der Stadt gemacht, und alle erkundigten sich nach dem Zustande der Frommen. Es ist seltsam, berichtete der Küster, wie im Phantasieren alle ihre Begriffe sich verwirren. Bald hält sie sich für verzaubert und klagt die bösen Menschen an, die ihr die Bosheit angetan haben, dann verwechselt sie sich mit jenen, und erzählt, sie selbst sie diese Zauberin, und der böse Geist habe sich ihr einverleibt, um den ehemaligen guten aus ihr zu vertreiben. So sucht und verliert sie sich abwechselnd und ich fürchte, sie hat ihren Verstand auf immer verloren.

Es ist zu fürchten, sagte der Dechant, doch sind freilich die Beispiele seit neuerdings nicht selten, daß durch die Imagination, bösen strengen Willen, und durch seltsame Künste das Gemüt eines andern bezwungen werden kann.

Wie? Herr Dechant! rief Friedrich aus, mit dergleichen unbegreiflichen Vorstellungen kann sich Euer Verstand vertragen? Das sind ja eben die verwirrten, gottlosen Begriffe, gegen welche der erleuchtete Geistliche kämpfen müßte, um sie gänzlich und auf immer auszurotten.

Junger Mann, erwiderte der Dechant mit einiger Hoheit, solange die Kirche, die Konzilien, und alle Kirchenväter nebst dem Papste und dem Kollegio der Kardinäle die Möglichkeit der Bezauberung, der Einwirkung böser Geister zugeben und als Lehrsatz aufstellen, solange dieser nicht von jenen aufgehoben und vernichtet wird, sind wir beide wohl zu schwach und ungelehrt, ihn für Unsinn erklären zu dürfen.

Catharina sah ihren Verehrer verwundert mit großen Augen an, und Friedrich rief unwillig aus: Nun wahrlich, wenn wir dahin zurückkehren sollen, so ist es besser, Denken und Sinnen aufzugeben, um nur im finstern Joch des Aberglaubens wieder zu wandeln. Und von Euch, geehrter Mann, hätte ich, wie wir Euern Scharfsinn zu kennen glaubten, diesen Ausspruch wohl am wenigsten erwartet, denn wir schienen uns über diese Punkte zu verstehn.

Was Zweifel und vertrauliche Mitteilung sich erlauben, sagte der Dechant, sollte von den Klugen auch immer nur als ein Pfand der Freundschaft angesehen und geachtet werden. Ein andrer bin ich als ein armer, irrender Mensch, der Scherz versteht und befördert, und der sich auch wohl Zweifel, Einwürfe und Grillen erlauben darf: und ganz ein andrer bin ich als Priester oder Bürger des Staates, oder Teilnehmer am großen christlichen Bunde. Wie ich mich den Befehlen meines Herzoges, den Gesetzen der Obrigkeit unterwerfen muß, so muß ich auch jenen Satzungen Folge leisten, die mir die Kirche hinstellt, wenn meine armen hinfälligen Sinne sie auch vielleicht nicht begreifen können.

Catharina war verwirrt, Friedrich aber in Zorn. Das ist es ja, rief er entrüstet, worüber seit Jahrhunderten der Streit der Geister hinüber und herüber geht. Wenn die Besseren und Klügeren nicht mehr zusammenhalten wollen, so werden von dem erst neu aufgeführten Gebäude die Stützen hinweggeschlagen, und woran sollen sich die Vernünftigen in Zukunft anders erkennen, als an der Vernunft?

Wir wollen nicht streiten, sagte der Dechant, am wenigsten mit Heftigkeit, denn umstoßen werden wir die Stellen der geheiligten Offenbarung niemals, in denen von Bezauberten und bösen Geistern die Rede ist, die Erklärungen dieser hochwichtigen Worte und Erzählungen sind auch schon lange von den ehrwürdigsten Männern, nicht ohne Inspiration, festgestellt. Lernen sollen wir, nicht meistern. Aber auch insofern wir uns außer der Kirche, als zweifelnde, irrende Wesen befinden, können wir doch wohl manches begreifen, was auch jener Offenbarung auf natürlichem Wege entgegenkommt. Wer vermag denn die wunderbare Kraft des Willens zu leugnen? Was erfinden, erstreben, gewinnen wir nicht durch diesen, wenn wir ihn zur höchsten Kraft und Energie hinaufspannen? Soll unsre Herzensliebe auf Freunde, Verwandte und Kinder keinen Einfluß haben? Soll unser Gebet, wenn die ganze Inbrunst des Herzens fleht, die Geister des Verstorbenen nicht erreichen, oder in unsre Nähe ziehn? der Liebende erzählt ja wie oft, daß er die Gedanken und Gefühle seiner Verlobten aus weiter Ferne ahndet. – Und wie? Dem bösen, kräftigen Willen, der sich ganz in seiner herben Bosheit zusammenzieht, ihm sollte alle Kraft des Wirkens mangeln? Vielleicht ist dieser noch stärker als jener, da sich unsre verderbte Natur mehr zum Haß als zur Liebe neigt. Stechend und widerwärtig ist uns schon der Blick manches Menschen, verletzend sein Ton, schwache Naturen können schon durch diese der Krankheit nahe kommen. Also ist es auch nicht ganz vernunftwidrig anzunehmen, daß der feste Vorsatz verdorbener, lasterhafter Menschen auf die reine Natur verderblich wirken könne, vorzüglich wenn diese sich nicht dagegen wahrt und dem Feinde keine Vorsicht entgegensetzt. Will der Rechtgläubige diese Wirkung, die eine unsichtbare ist, durch Geister geschehen lassen, so kann der Zweifler auch gegen diesen Ausdruck, der dann für Willenskraft steht, nicht viel einzuwenden haben. Das Geheimnis ist aber, daß wir wohl beständig von Geistern und Engeln umgeben sind, die uns schützen und bewahren, die sich, wenn wir tugendhaft wandeln und heilig denken, in unsrer Nähe wohl befinden, und uns selbst durch ihre Lieblichkeit läutern und verklären. Die Schrift lehrt uns, daß Engel, und die mächtigsten, glänzendsten, gefallen sind; ihr Bestreben kann nur Gott und seinen Kräften sich entgegenrichten, ihnen kann nur wohl sein, wenn der Mensch, das Ebenbild Gottes, sich verfinstert, denn der geschaffene freie Mensch kämpft alsdann dem Licht und dem Himmel entgegen; und diese gefallenen Engel sollten sich nicht mit dem bösen, gottlosen Gemüte vereinigen können, und das schon gesättigte Herz mit Bosheit übersättigen? dem Sterblichen scheinbar zu Diensten sein, um ihn zu beherrschen? Wer das Bessere glauben kann, muß nicht mit bloßem Zweifel und eigensinniger Willkür das Schlimmere leugnen wollen. Uns ist Flöte und Schalmei Organ für unsere Melodie und Musik, und wir Menschen sind auf ähnliche Art Organ für die Geisterwelt.

Mit dem Küster entfernte sich jetzt der Dechant Marck, und beide wollten für die alte Gertrud Sorge tragen. Die Gesellschaft begab sich nun in die Kühle des Gartens, und Friedrich benutzte die Gelegenheit, um seiner Freundin Catharina in einen Seitengang zu folgen, der sie von der übrigen Gesellschaft etwas absonderte. Ihr seht nicht wohl aus, mein junger Freund, begann die Frau; Ihr warfet mir vorher so zornige Blicke zu, daß ich vor ihnen erschrecken mußte.

Ich bin Euch gefolgt, sagte Friedrich, um Abschied von Euch zu nehmen. Ihr hättet mir ja, da Ihr mir schon so viel vertrautet, auch das hauptsächlichste Geheimnis enthüllen können, und Euer Wesen, das mir so unverständlich erscheint, wäre mir dann wohl klar geworden.

Ich verstehe Euch nicht, sagte Catharina; könnt Ihr Euch nicht deutlicher machen?

Nun gut, versetzte Friedrich bitter, ich will es versuchen. Warum habt Ihr es mir verschwiegen, daß Ihr mit dem Dechanten in einer geheimen vertrauten Verbindung lebt? Meine Warnung, die ich Euch neulich so gutmütig geben wollte, erscheint mir jetzt lächerlich, und wie müßt Ihr in Eurem Herzen meine kindische Einfalt verhöhnt haben. Das also ist die kurze Lösung des Rätsels, warum Ihr mein Herz und meine Hand verschmäht. Die Ehe dünkt Euch zu fesselnd und grausam, und Ihr findet ein Glück in einer leichter zu lösenden Verbindung mit diesem gewandten und zweideutigen Geistlichen.

Catharina ließ sich ermüdet auf einen Rasensitz nieder und sagte mit matter Stimme: Friedrich, seit ich Euch neulich mein Herz ganz eröffnet habe, geht Ihr recht geflissentlich damit um, mich zu zerreißen und zu zerstören. Ich könnte fragen: wer gibt Euch das Recht, so mit mir zu sprechen? Das will ich nicht, ich frage nur: was berechtigt Euch zu diesem ganz unwürdigen Verdacht?

Friedrich blickte sie scharf an und sagte: Die auffallende Art, mit welcher Ihr Euch vorhin aus der Gesellschaft mit ihm ins Fenster zurückzoget, dort das eifrige, leidenschaftliche Gespräch, Eure brennenden Blicke, seine Röte, das Zittern Eurer Hand, welches ich wohl bemerkte, alles dieses muß ja jeden Zweifel in meiner Brust zerstören, wenn ich auch gern noch zweifeln wollte.

Catharina trocknete ihre Tränen und sagte: So müßt Ihr denn erfahren, was ich Euch verschweigen wollte, um Euer aufgeregtes Gemüt nicht noch mehr zu reizen. Euer Argwohn gegen den Dechanten Marck war nur zu gegründet, er hat mir frech, mit vielen Worten, vor kurzer Zeit eine unwürdige Leidenschaft bekannt, und wir trennten uns in Zorn. Ich war sichtlich verstimmt, daß er es heut von neuem wagte, unsre Gesellschaft zu besuchen; ich konnte meinen Widerwillen gegen diesen Mann zu wenig verhehlen. Er führte mich beiseite um mich um Mäßigung zu bitten. – Sie erzählte dem Freunde alles und schloß mit den Worten: So hängt alles zusammen, und das war die Ursache meiner Verlegenheit, meiner Leidenschaft und meines Zitterns. Euer unwürdiger Argwohn hat alles falsch ausgelegt.

Friedrich neigte sich auf die weiße schöne Hand, drückte einen heftigen Kuß darauf und sagte: Es ist nun einmal Euer Schicksal, mir immerdar zu vergeben, und meine rohe Ungeduld wird sich noch oft an Euch versündigen. Aber wohl und leicht ist mir wieder nach Eurer Erklärung, und daß ich jenen Pharisäer und Gleisner nicht so zu hassen brauche, wie ich ihm schon ergrimmt war, da Ihr nicht seine Beute geworden seid. Laßt uns nun wieder fröhlich sein und des schönen Tages genießen.

Kommt zur Gesellschaft, antwortete sie, damit wir nicht ein zweites Aufsehen erregen, das mißgedeutet werden könnte. Ich will versuchen, ob ich fröhlich sein kann; aber eine düstre Ahndung liegt auf meiner Seele und drückt alle meine Kräfte zu Boden. Ich kann, so sehr ich mich bestrebe, alle meine früheren Gefühle nicht wiederfinden.

Sie gingen, und ein lautes Gelächter schallte ihnen aus dem Baumgange entgegen: Der alte Maler Labitte war zur Gesellschaft gekommen, und die Mädchen und jungen Männer ergötzten sich an seinen Erzählungen und Scherzen.

Ihr kommt gerade recht, rief er Friedrich entgegen, um an unsern Späßen und Anordnungen teilzunehmen. Ihr, Frau Denisel, seid eine schöne, mächtige Zauberin, wir alle stehn in Euren Diensten und müssen Euren Hof ausmachen, so poetisch, scherzend, herrlich, wie uns die Dichter von der herrlichen Göttin der Liebe und dem wundersamen Venusberge vorgesungen haben. Setzt Euch, Frau Catharina, auf diesen Hügel, und wir alle teilen uns in die Geschäfte des Hofdienstes. Ich will den Zeremonienmeister machen, der Euch die verschiedenen Gestalten vorführt. So alt, bleich, mager und gebrechlich ich sein mag, so will ich doch vor Euch, Großmächtige und Leuchtende, meinem Amte Genüge leisten. Ich könnte mich auch, meiner moralischen Schwächlichkeit wegen, für den getreuen Eckart ausgeben; da es dieses alten Helden Art aber ist, alle Fremdlinge warnend vom Venushofhalt zurückzuweisen, so bleibe ich lieber meiner ersten Bestimmung getreu. –


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