Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Plötzlich ward Friedrich leichenblaß vor Zorn, er verlor auf einen Augenblick das Bewußtsein und stürzte auf den Prälaten los. Als er wieder zur Besinnung kam, stand der Dechant vor ihm, der zwischen beide getreten war. Laßt ihn nur, rief der Bischof, er muß ja seine Tugendheldin, die Hexe, in Schutz nehmen, er, der, wie ich ihm gleich beim Eintritt auch aus seinen Augen las, selbst ein Hexenmeister ist!

Höre ich wirklich diese unsinnigen Worte? rief Friedrich in der höchsten Bewegung aus; oder ist alles nur ein aberwitziger Traum? Und Ihr, Herr Dechant, könnt, ohne ein Wort zu sprechen, diese Lästerungen eines Rasenden so ruhig anhören?

Schimpft nur, sagte der Bischof; dem Verbrecher, der seinen Untergang vor Augen sieht, muß man es erlauben. Ihr wollt es wohl leugnen, daß Ihr noch kürzlich im Garten dieser Denisel einen Hexensabbat gefeiert habt, bei welchem der verruchte Labitte den Zeremonienmeister und Marschall des Satans gemacht hat? Daß die Hexe sich dort, als Stellvertreterin des Teufels, als Frau Venus mit ihrem ganzen Hofhalt gezeigt hat? Daß Ihr dabei auch ein dienender Satansbruder wart, und der Hexe demütig huldigtet? Müßt Ihr nicht aller dieser Dinge geständig sein? O, meine Spione sind gut, und auch Busch und Strauch hat manchmal Ohren.

Jetzt erst kenne ich Euch, sagte Friedrich mit kalter Verachtung, und es ist unter der Würde eines jeden Menschen, der noch eines Gedankens fähig ist, auf den Aberwitz eines Narren zu antworten.

Friedrich wollte ohne Gruß und ohne irgendein Zeichen von Hochachtung sich entfernen, aber der Bischof rief: Bleibt! Antworten werdet Ihr ganz gewiß, entweder im Guten und freiwillig, und dann kann, wie sehr Ihr mich auch lästern mögt, die Kirche noch mit Mitleid Eurer Jugend gedenken, die dem Irrtum und der Verführung, besonders durch schöne Weiber, ausgesetzt ist; oder Ihr gesteht gezwungen, durch das Mittel, welches für verstockte Sünder da ist, durch die Folter.

Die Türe öffnete sich, und Häscher traten herein, die den betäubten Friedrich in Empfang nahmen, um ihn in den Kerker zu schleppen. Auf der Straße begegnete ihm ein Zug, vom Geschrei des Pöbels und lautem Lachen und Jubel begleitet. Als er näher kam, sah er, daß es Frau Catharina war, die, so wie er, in den Kerker geführt wurde. Wir sehn uns früher wieder, als wir dachten, sagte sie mit mildem Ausdruck, indessen Friedrich, von blinder Wut betäubt, nicht fähig war zu sprechen. Die Schadenfreude des Pöbels, die über das Unglück und die Schande der schönen, reichen Frau gefrohlockt hatte, ward dadurch gestört, daß Friedrich, der Sohn des geliebten Ritters, den alle ehrten, ebenfalls derselben Schmach war preisgegeben worden. Der Vater vernahm mit Entsetzen, was seinem Sohne begegnet sei, und beriet sich mit seinen Freunden, welche Mittel man ergreifen müsse.

Es war ein betrübender Anblick für alle Freunde des Alten, wie Labitte trostlos durch die Stadt irrte, als er erfahren, daß Friedrich und Catharina gefangen seien. Allenthalben suchten seine Klagen Hülfe, er war in der Furcht, daß man auch ihn anklagen würde, und so geschah es auch, indem er eben weinend im Hause des Schakepeh Mitleid erflehte. Der Greis war ganz ohne Fassung; er rief, als er über die Straße geführt wurde, den Küster Wundrich sich zu Hülfe, der aber mit trostlosem Kopfschütteln und bleichem Antlitz sich von ihm entfernte.

Man hoffte jede Stunde auf die Boten, die vom Herzoge zurückkommen sollten. Sie erschienen freudig nach einigen Tagen, und verkündigten, daß der Erfolg ihrer Sendung über Erwarten glücklich sei, und daß die Not und der Schimpf, welche ihre Stadt bedrohten, binnen kurzem abgewendet würden.

Alle reichen Bürger und Schöffen, sowie Ritter Beaufort, eilten nach dem großen Gasthause des reichen Josset, denn dieser war es gewesen, der als Sprecher der Bürgerschaft sich dem Herzoge Philipp vorgestellt hatte.

Josset, ein wohlbeleibter, fröhlicher Mann, der auch Schöffe war, und von allen Menschen wegen seines Wohlwollens und heitern Sinnes geliebt wurde, erzählte, wie freundlich er von dem alten Fürsten sei aufgenommen worden, wie gern man ihn angehört und alle Umstände habe vortragen lassen. Gewiß, so sagte der Herr, ist diese Sache denkwürdig und höchst seltsam; ich will nicht, daß meine geliebten Untertanen, einen Aberglauben zum Vorwand nehmend, gemißhandelt werden. Der Bischof darf nicht über seinen Bezirk hinausgreifen. Die Sache ist so seltsam, daß sie genau untersucht werden muß, und wer im Unrecht ist, soll der Strafe nicht entgehn. Der Geistliche soll durch Ermahnung strafen, durch Tugend ermuntern und mit Liebe den Flehenden aufrichten, aber nicht Henker und Beil zu Hülfe rufen. Wir haben gesehen, welcher Mißbrauch mit Worten getrieben wurde, als das arme Mädchen von Orleans, jene Pucelle, hingerichtet wurde.

Der liebe, edle Herr! rief Schakepeh aus. Wußte ich es doch, daß er dieser verächtlichen Tyrannei steuern würde.

Am folgenden Morgen, fuhr Josset fort, ließ uns der erhabne Mann wieder in seinen Palast fordern. Er war noch milder und gütiger als am vorigen Tage. Eure Erzählung, sagte der freundliche Fürst, hat mich in der ganzen Nacht beschäftigt; sie ist so sonderbar, daß ich viel darüber habe denken müssen. Menschen, denen man nichts Wirkliches, keine Tat beweisen kann, diese werden als Verbrecher ergriffen, weil andre, die vielleicht im Gemüte krank sind, sie bei einer Versammlung böser Geister wollen gesehn haben, zu welcher diese Ankläger selbst durch die Luft auf Gabeln, Besen, Trögen und Böcken auf unbegreifliche Art hingefahren sind. Ist es nicht, als wollte ich meine Räte und Freunde des Mordes und Hochverrates anklagen, weil ich oder einer meiner Diener sie im Traume hat ein Verbrechen begehen sehen? Und weil ich zeigen will, wie sehr ich meine gute Stadt Arras und ihre Bürger liebe, habe ich, auch den Rat von Freunden anhörend, beschlossen, meinen Vetter, mein nahverwandtes Blut, den Grafen von Etampes, mit unbeschränkter Vollmacht nach Arras zu senden, um in meinem Namen, und so weit meine Macht und Gerichtsbarkeit reicht, zu handeln.

Daran erkenne ich den großen Fürsten! rief der alte Beaufort höchst erfreut aus; das gibt uns Trost und Kraft. Vor dem Grafen, diesem mächtigen Herrn, wird der feige Bischof sich in seine Zelle zurückflüchten müssen. Der edle Graf muß empört sein, daß man den Adel und dessen Vorrechte so mit Füßen tritt. Er wird mir sogleich meinen Sohn zurückgeben, und diesen Geistlichen, die unter den verächtlichsten Vorwänden die Tyrannen spielen wollen, zeigen, wie man einen so alten adligen Stamm, wie den meinigen, nicht verletzen darf.

Ja, rief der zornige Carrieux aus, der kräftige Graf muß uns aber nicht bloß beistehn, er muß auch diesen frechen Priester und andre seines Gelichters bestrafen. Er muß ein starkes Beispiel geben, damit es keiner wieder wagt, jemals einen solchen Unsinn aufzurühren.

Freilich, rief Josset, der Gastwirt. Wir leben ja jetzt wie in einem Narrenhause, und müssen uns Fratzen erzählen lassen, die wir schon als Kinder abgeschmackt fanden. Und die blödsinnigen Erzähler schneiden dabei so ernsthafte Gesichter, als wenn sie uns die Heilige Schrift erklärten.

Alle waren froh und drückten sich freudig die Hände; als sich aber Beaufort zu Schakepeh wendete, um auch diesen zu umarmen, wich der Kaufmann zurück, und setzte sich schweigend und verdrießlich in einen Winkel. – Was ist Euch? fragte Beaufort; wollt Ihr an unserer Freude nicht teilnehmen?

O wir Armen! sagte Schakepeh, und nahm den Kopf zwischen beide Hände; ich fürchte jetzt, ja ich bin davon überzeugt, unsre Sache ist verloren, und schlimmer, als wenn sie ganz allein in den Händen des Bischofs geblieben wäre.

Er spricht wieder einmal Unsinn! rief Carrieux; alles will er besser wissen, der launenhafte Mann, der mit jedem Tage seine tiefsinnige Weisheit wechselt.

Aber laßt ihn reden, sagte Beaufort, daß er uns deutlich machen kann, wie er es meine; denn ich begreife seine Betrübnis durchaus nicht.

Herr Ritter, sagte Schakepeh, indem er dem alten Beaufort die Hand reichte, Ihr wißt es, ohne daß ich Euch jetzt zu schmeicheln brauche, wie wir Bürger Euch achten und lieben. Ich hasse den Adel nicht, so vielfachen Verlust ich auch durch Edelleute und ihre Wortbrüchigkeit erlitten habe. Oft hat uns der Adel geschützt, und mehr wie einmal im Kriege gerettet; – aber diese Großen, diese höchsten und prinzlichen Edelleute, die unserm Fürsten am nächsten stehn, diese Croys, die Etampes, Nivernois, zu diesen können und sollen wir kein Vertrauen fassen. Diese Geldgierigen, die die Liebe unsers Fürsten, das Glück des Landes, Krieg, Elend und Teurung, Bündnis mit Fremden und alle Umstände immer nur benutzt haben, sich zu bereichern, diese sind weder Adlige noch Bürger des Landes. Sie kennen kein Vaterland, sie wollen und lieben nur sich. Immer verschwendend, scheinbar großmütig, und immer wieder knickernd, wuchernd, wie der Jude, und lieblos ihre Vorrechte und Stellung zum Lande nur zu Erpressungen benutzend, sind sie die, welche die Kräfte unsers Herzogtums eigennützig wegsaugen. Denkt an mich, wenn dieser gemütlose vornehme Herr uns erst völlig unglücklich macht.

Wie kann er es? sagte Beaufort; wer würde ihm darin beistehen?

Ich verlasse mich sonst auch auf die Vornehmen nicht, sagte Peter Carrieux; aber bei dieser Gelegenheit kann er doch nur seinen Vorteil finden, sich dem Bischof zu widersetzen.

Ihr sprecht auch, Freund Schakepeh, fiel Josset ein, als wenn die großen Herren gar kein Gewissen hätten, keinen Gott glaubten und keine Strafe fürchteten.

Sie haben ihr eignes, abgerichtetes Gewissen, sagte Schakepeh, das auf jeden Fall ganz anders als unser bürgerliches aussieht. Es hat ein Wesen wie das Chamäleon, und spiegelt alle Farben. Ihr Gewissen ist, ihren Stamm groß und reich zu machen, ihr Blut für eine ganz andre Brühe zu halten, als die in den Adern der übrigen Menschen gärt, ihre Ehre über alles zu schätzen, und sie aufrecht zu halten, sich auch vor keiner Niederträchtigkeit zu fürchten; am meisten hilft es aber dazu, Geld und immer nur wieder Geld zu sammeln, auf allen Wegen und durch alle Mittel. Da unser Herr aber, so weise er ist, zu Zeiten ein Verschwender ist, so sind sie es auch, machen Schulden, und treiben wieder, wo sie nur können, ihre Verluste ein, und denken weder an Gewissen, Gott, Strafe noch Religion.

Er ist ein Menschenfeind geworden, sagte Josset, und heut hat er wieder die Laune des Widerspruchs. Beaufort aber war nachdenklich geworden, und die überwallende Freude Carrieux' war auch verstummt.


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