Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Es ist wahr, vernünftige Seelenhirten: wenn eine Gans in ihrer Ruhe einhertritt, so läßt sie sich schwerlich beikommen, daß auf ihr schon jene schicksalsschwangere Feder wachse, mit welcher ein Gottesleugner die Bücher schreiben wird, welche an der Kirche den Eckstein und Stützpfeiler einwerfen können. Ebenso lesen wir ja auch schon im Goldnen Esel, daß es Zaubersalben gegeben, die Menschen verwandeln. Hat eine Feder die Kraft, tingiert vom schlimmen Geist des Schreibenden: was widerspricht dem, daß ich die Salbe, aus Kräutern, Schwämmen, Moosen und Hexensegen präpariert, an einen guten, fähigen Besenstiel schmiere, der nur einiges Ingenium verrät, um mit ihm durch die Lüfte zu fahren? Konnte die Gans die Apostel widerlegen, mein Tyras ein Hexengeist sein, so sehe ich keine Ursach, wenn man nur halbweg Ovidii Metamorphosen gelesen hat, warum ein so unterrichteter, angestrichener und aufgezäumter Besenstiel nicht ein Pferd sollte sein können. Alles kommt nur auf die Übung an. Ein solcher eingerittener Besen, und vollends, wenn es viel wären, oder man die besten zusammenhielten und sie Kinder zeugen ließe, könnte unserem Herzoge von größerem Nutzen sein, als viele seiner Grafen und Herren, Ritter und Stallmeister, die umgekehrt, manchmal, wenn sie reiten und streiten sollen, sich in Besenstiele verwandeln und zu Hause hocken, so daß keine Hexensalbe, von Ehre, Nachruhm, Dienstpflicht und Schande zusammengerührt, sie aus ihrem Winkel treiben kann.

Freilich bin ich einer der obersten Hexenmeister, der große Marschall und Turniervogt, der die Zeremonien bewacht, daß auf unserm Sabbat nichts Ungeziemliches vorfalle. Ich führe die jungen, schüchternen Hexen ein, mache ihnen Mut, lehre ihnen die Verbeugungen et cetera. Ihr habt wohl selbst vor Jahren über mein Gemälde dieses Hexensabbates gelacht. Ja, damals, Erleuchtete, wart Ihr noch nicht erleuchtet und freutet Euch über den Spaß, den ich von allen Malern zuerst erfunden hatte. Nun seht Ihr aber beim Licht der Scheiterhaufen heller und wißt alles auszudeuten, und daß unsereins, Tyras und ich und Ziege, den Teufeln so müssen geopfert werden, wie die Helden den Göttern ihre Opfer brachten. Vielleicht legt Ihr es auch auf Hekatomben an, wenn gerade der Geburtstag des Beelzebub sein sollte.

Als Erfinder dieses Aftersabbats sitze ich nun hier zum Dank, fast ebenso, wie Miltiades, Themistokles und Aristides verbannt wurden. Aber warum habe ich denn auch die Schönheit und den Reiz immerdar verehrt, und in der Person der Catharina Denisel angebetet? So alt ich war, war ich närrisch von ihr verzaubert. Sie sagten mir nach, und es träumte mir oft, ich sei in sie verliebt. Kann das, frage ich Euch selbst, mit natürlichen Dingen zugehn? Warum ist denn keine schöne Jungfrau oder züchtige Matrone in unsern kleinen garstigen Bischof verliebt? Weil er sich von Gott, als ein wahrer frommer Christ, die Gnade erbeten hat, so häßlich zu sein, daß viele, besonders hübsche Menschen einen Abscheu vor ihm empfinden. Er wird niemand reizen, und so ziemt es dem Frommen. Freilich dienen so Dichter und Maler dem Morgenstern, dem Luzifer, dem Fürsten der Schönheit. Ist Schönheit da, wenn sie nicht begeistert und entzückt? Armes Volk, das nicht, wie vom Blitz, davon getroffen wird.

So verdrehen Sie mir aber das Wort im Munde, was mir, wegen der zu großen Zunge, einigermaßen lästig wird. Dieser Luzifer soll der ältere Bruder des Heiland sein, der Majoratsherr, dem die Herrschaft gebührt, der verstoßen ist. Aber er hat ja alles, was er sich wünscht. Kein Kampf des Eteokles und Polynikes. Das heißt ja meinen Glauben ganz entstellen. Keiner wird mit dem andern tauschen wollen. Der Geist, der uns und alles beseelt, kann sich nur offenbaren, wenn er im Blut, Sehnen, Adern und Fibern und Nerven regiert. Ist nun alles Sichtbare, Körperliche an mir Hölle und Teufel, Tod und Verderben, so muß der Geist, der sich in diese Röhren des Todes präzipitiert, wohl auch ganz Hölle werden, weil er immerdar in diesen Gelenken spielt, und in diesem Giftqualm plätschert und sich drinne gefällt, wie das Vögelchen, das im Springquell badet und springt.

Ja, meine Herren, die Magie ist nicht zu leugnen. Indem ich diese schwarzen Worte schreibe, lache ich über die krausen und eckigen Zeichen, und weiß, daß Ihr die frommen Augen darüberlaufen lasset und die Schnörkel zu verstehen glaubet, glaubt Gedanke, Überzeugung, Geistiges aus diesen Tintenflecken Euch formieren zu können. O, wenn es so ist, welche Zauberer seid Ihr! Lehrt doch andern die Kunst. Und wenn Ihr sie nicht versteht? Der Fall ist möglich. Muß ich doch, trotz meiner Schmerzen, über die Gesichter lachen, die Ihr schneidet, indem Ihr die Köpfe schüttelt.

Nun sagen sie, der Satan lasse sich, wenn Ihm gehuldigt werde, nicht auf dem Gesicht, sondern auf dem entgegengesetzten Teile huldigen, dem wir, menschlich gewöhnt, nicht gern eine solche Auszeichnung zukommen lassen. Ich sage aber, ländlich, sittlich. Über diesen heterodoxen Kuß denke jeder, wie er will. Er sitzt drum gern als Affe oben auf seinem Thron. Nun wißt Ihr, gelehrte Männer, am Affen ist, nach unsern Weltbegriffen, das Angesicht auch nicht sehr holdselig. Wir haben einmal die Angewöhnung, dieses Verstutzte, Wackelnde, Äugelnde und Verzwickte dieser Physiognomie häßlich zu finden. Purpurrot und Azurblau gelten aber bei allen Menschen für schöne, herrliche Farben, und ich als Maler bin vorzüglich dieser Gesinnung. So denken auch Fürsten und Herren, von Salomon an, und kleiden sich prachtvoll. Eine Sorte von Affen ist nun von der Mutter Natur so angemalt, daß Striche, wie vom schönsten Ultramarin, Zinnober und Karmin, ihm über die Nase und Wangen laufen, wie ein fein illuminiertes Wappen. Dem Heraldiker muß ein solcher Affe erwünscht, wenn nicht verehrungswürdig sein. Wie aber noch mehr jener, der dieselben Streifen, vornehmer als der römische Senator, als Lehnbrief und schön gefärbtes Wappen besitzt, von der verhätschelnden Natur ihm auf den Teil gemalt, auf welchem er sitzt! Ihr habt gewiß, Ehrwürdige, auch von diesen Affen mit Erstaunen gesehn. Küssen Abergläubige diese Farben, an jener Stelle, die in allen Schilden von Spanien, Frankreich, England, Burgund und Deutschland leuchten, und am Arme oder auf dem Rücken so manches Wappenheroldes Ehrfurcht gebieten, so kann man jene, die die Vasallenpflicht noch weiter treiben, nur vielleicht bemitleiden, gewiß aber nicht verdammen. Doch alles sei Eurem Ermessen, noch mehr aber meinem großen Meister anheimgestellt.

Das ist der Geist dieser Welt, der mich zum höchsten Schöpfer und dessen Sohn auf eine mir verständliche und eigne Art führt. Soll und muß es durch Feuer geschehen, so zittre ich davor, als Mensch, weil es schmerzhaft sein mag; aber jener wird mich vielleicht, wenn ich so hinaufgesendet werde, mit sanftem Wort kühlen und trösten. Springt mir Tyras auch entgegen, lerne ich ebenfalls von diesem etwas, wie es schon hier geschah.

Übrigens bitte ich um Gnade, und versichere, ich bin ein rechtgläubiger Christ. Aber wie es beweisen? Daß ich verdamme alles, was ich je gedacht? Ja, auch. Daß ich alles bekenne, was man verlangt? Kann auch geschehen.

Nach einigen Tagen ritt der Graf Etampes mit seinem Zuge feierlich in Arras ein. Die Stadt und das Rathaus waren geschmückt, und die Schöffen, ein Teil der Bürgerschaft, sowie viele vom Adel, empfingen ihn und gingen ihm entgegen. Der Graf, ein ansehnlicher Mann in seinen besten Jahren, hochgewachsen und schön, gewann durch seine Freundlichkeit und seinen edlen Anstand sogleich das Vertrauen aller, die mit ihm sprachen. Er war mitteilend und ohne alle Zurückhaltung; er hörte die Beschwerden, die ihm vorgetragen wurden, mit Teilnahme, und sagte endlich, als ihm die Schöffen die willkürliche Handlung des Bischofs erzählten, und wie er den unbescholtenen, wackern Taket auf offener Straße selbst verhaftet habe: Faßt euch in Geduld, meine wackern Herren; gewiß soll sich die Geistlichkeit nichts anmaßen dürfen, was ihr, ihren Rechten nach, nicht zusteht. Ich werde eure Gerechtsame bewahren, da ihr euch keine Eingriffe in die der Kirche gestattet. Ich handle hier im Namen und in der Person des großen Herzoges, meines Vetters, der euch alle wie seine Kinder liebt. Eine Kleinigkeit kann leicht eine Stadt verwirren und in Unglück bringen. Es ist zu loben, daß ihr so ruhig geblieben seid und alles der Weisheit des Fürsten anheimgestellt habt. Ich gebe euch mein fürstlich Wort, daß ihr mit mir zufrieden sein werdet. Gottlosigkeit, Ketzerei, offenbaren Abfall vom Christentum, oder Empörung gegen die Kirche werdet ihr nicht vertreten wollen, und so könnt ihr darauf vertrauen, daß jeder eurer billigen Wünsche bei mir ein geneigtes Gehör finden wird.

Alle beurlaubten sich, der Graf stieg vor seiner Wohnung ab, und bat den Ritter Beaufort, mit ihm in sein Gemach hinaufzusteigen.

Ihr seid am schlimmsten verletzt, sagte der Graf, als sie sich im Saale befanden und allein waren; man hat Euch Euren hoffnungsvollen Sohn unter einem nichtigen Vorwande geraubt. Allein Euch soll vollkommene Genugtuung werden.

Ein betrübter Vater, erwiderte der Ritter, wird sich Euch ewig dankbar erkennen. Wir stehen hier alle in der Stadt erstarrt und ohne Fassung, als wenn vor jedem ein Blitz niedergeschlagen wäre. Wir wissen nicht, ob der Bischof wahnwitzig ist, oder ob er aus Bosheit so handelt; ob irgendeine andre Absicht hinter diesem Beginnen lauert, welches kindisch wäre, wenn es nicht so viele an Ehre und ihren guten Namen kränkte, und wohl in jeder gut geordneten Stadt bis jetzt unerhört gewesen ist.

Ihr wolltet mich vor einiger Zeit in Gent besuchen, fuhr der Graf freundlich fort, indem er den Ritter nötigte, sich neben ihm in einen Sessel zu setzen.

Euer Gnaden Briefe selbst, die ich am folgenden Tage erhielt, bewogen mich, meine Reise, zu welcher ich mich schon eingerichtet hatte, wieder einzustellen, antwortete Beaufort.

Ich weiß, antwortete der Graf, denn ein plötzlicher Auftrag des Herzoges zwang mich, Gent schnell zu verlassen. So kann ich denn mündlich meine Verabredungen mit Euch treffen, der Ihr meine Aufträge immer freundlich und mit großer Pünktlichkeit besorgt habt.

Nur diesmal, antwortete Beaufort, werde ich Euch nicht mit der geforderten Summe, die allzugroß ist, dienen können. Sie übersteigt meinen Kredit; ich habe neuerdings Kapitale verloren, meine Güter haben nur wenig Ertrag geliefert, und alles, was ich draußen habe bauen müssen, hat schon die Einkünfte von manchem Jahr im voraus verzehrt. Selbst wenn ich das Äußerste und meinen eignen Ruin wagen wollte, so würden mir doch die bürgerlichen Kaufleute oder die großen Fabrikherren für Euch nichts vorschießen können oder wollen.

Ich weiß, sagte der Graf verstimmt, diese Menschen haben immer tausend Ausflüchte. Sie berufen sich auf die Kriegssteuer, auf die außerordentlichen Gaben, die der Herzog zu verschiedenen Malen gefordert hat, auf die zunehmende Teurung und tausend andre Dinge; und doch sind sie alle reich, besitzen große Häuser, und prunken wie Ritter und Graf.

Sie sind freilich wohl reich, erwiderte der Ritter, aber wie viele bare Auslagen muß ein solcher Teppichwirker machen, wie große Summen muß er täglich seinen Arbeitern und Untergebenen auszahlen. Hier darf er niemals im Rückstande sein, und eine einzige versäumte Woche würde ihn verderben. So ist es mit dem Holzhändler und Tuchwirker ebenfalls. Wagten sie es, ein solches großes Kapital auf einmal ihrem Geschäfte zu entziehen, so würden sie plötzlich allen Kredit verlieren, wenn die andern Bürger es erführen. Darum ist ihr Reichtum nur scheinbar so groß, da immerdar große Summen ausströmen, und sie auch für den Fall sorgen müssen, wenn auswärtige Zahlungen nicht eintreffen, oder Kaufleute, von denen sie zu fordern haben, bankrott machen. Dazu kommt noch, mein gnädiger Herr, daß alle diese Menschen Euch, was ihnen nicht zu verargen ist, weniger als andern vertrauen, eben weil Ihr so reich, mächtig und groß, und gewissermaßen der erste nach unserm Fürsten seid. Sie haben keine Mittel in Händen, das Ihrige wiederzuerhalten, wenn es Euch durch die Umstände unmöglich fällt, ihnen nach Bequemlichkeit zurückzuzahlen.


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