Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Nein! nein! rief der Maler lachend; sie erzählen, wie alte Weiber wirklich durch eine Hexensalbe, die ihnen natürlich der Teufel bereiten lehrt, auf einem Besenstiel, wenn sie diesen beschmieren, meilenweit durch die Luft fliegen können. Auch verwandeln sie sich in Wölfe, Bären und andre Gestalten. Dem Satan, welcher bei dem Feste als Bock, Affe oder Schwein präsidiert, wird dann ewige Treue geschworen. Man schmauset und tanzt nachher, und Unsitte und Unzucht wird ausgeübt, wie sie die beschmutzteste und verdorbenste Seele nur ersinnen kann. Wir brüsten uns mit Weisheit und Gelehrsamkeit, unsere Malerei und Baukunst ist ohne Zweifel herrlich geworden; aber kann dies, zusamt den weltberühmten, kostbaren Festen unsers burgundischen Hofes unsre Zeit als eine treffliche rechtfertigen, wenn dieser mehr als tierische Aberwitz in diese fröhliche Musik so widerwärtig hineinschreit? –

Das Gespräch ward jetzt ein allgemeines und heiteres, weil die Mädchen, sowie die älteren Frauen, ebenfalls in den Saal traten. Man genoß die dargereichten Erfrischungen, und aller Augen wurden jetzt nach der Tür des Gartens gerichtet, durch welche die hohe schöne Gestalt eines Jünglings eintrat, welchem einige geschmückte Diener folgten. Er war in himmelblauen Samt gekleidet, und sein Mantel war von hellrotem, geflammten Atlas. Sein edler Wuchs wurde auch durch seine stolze Haltung erhöht, denn er erhob übermütig den langen Hals, der glänzend aus einer einfachen Krause hervorstieg. Sein blaues Barett war mit Edelsteinen und einer kostbaren Reiherfeder geschmückt, und indem er durch den Garten schritt, glaubten alle, in dieser Erscheinung einen der vornehmsten jungen Herren des Landes zu erkennen. Er kam in den Gartensaal, ging auf die Wirtin stolz aber freundlich zu, verneigte sich vor ihr, indem er den Hut abnahm, und sagte dann mit feinem Ton: Ihr kennt mich wohl nicht mehr, schöne Frau?

Frau Denisel erhob sich, ging dem vornehmen Fremden mit Ehrerbietung entgegen und sagte: Nein, mein verehrter Herr, ich weiß nicht, wen mein armes Haus in Euch beherbergt.

Es sind freilich nun schon zwölf Jahre her, sagte der Fremde, daß ich als ein Knabe in diesem Garten spielte. Damals war ich der arme Köstein, der Eurer Güte so manches zu danken hatte.

Ist es möglich? sagte die Frau verwundert, daß man sich so verwandeln kann? Nein, niemals, gnädiger Herr, hätte ich Euch wiedererkannt, so völlig, so durchaus habt Ihr Euch verändert. Und wie dankbar muß ich sein, daß Ihr Euch in Eurem jetzigen Zustande meiner noch erinnert.

Man setzte sich, und der schlanke Köstein nahm seinen Platz neben der Frau des Hauses, welche er mit der größten Freundlichkeit behandelte. Mein Schicksal, sagte er, ist ein außerordentliches zu nennen. Arm, ohne Eltern und Verwandte, lebte ich hier in dieser Stadt. Die Geistlichkeit war freundlich gegen mich und nahm sich meiner Erziehung an; ein reicher, gut denkender Bürger, Schakepeh, eröffnete mir sein Haus und behandelte mich wie sein Kind. Von ihm wurde ich nach Gent geschickt, wo ich in das Haus des hohen Prinzen, des Grafen Etampes, aufgenommen wurde. Der Graf war freundlich gegen mich, und stellte mich unserm Herzoge, dem guten Philipp, vor. Der liebe, herrliche Fürst nahm mich wie seinen Sohn auf, er schenkte mir Haus und Gut, er erlaubte mir, daß ich immer um ihn sein durfte, ja seine Gunst nahm so zu, daß er fast nicht mehr ohne mein Gespräch und Umgang sein mochte. Er hat mich zum Ritter und reich gemacht, und ich darf mich rühmen, daß er auf mein Wort und meinen Rat achtet; und freilich, da die Zeit sich so gefährlich gestaltet, so tut er recht, seine wahren Freunde von den falschen zu unterscheiden, damit, wenn es die Not erfordert, er nicht ganz ohne Hülfe sei.

Friedrich, der diesen Köstein, den Günstling des Herzoges, von dem das ganze Land sprach, noch niemals gesehen hatte, verwunderte sich über diese Reden, die der junge Ritter so leicht von seinen Lippen fallen ließ.

Jetzt, fing dieser wieder an, habe ich eines sonderbaren Vorfalles wegen, die Reise hierher gemacht. Mein Vetter, der Kanonikus Melchior, meldet mir, daß jener böse Denis, der einen fernen Verwandten von uns heimtückisch ermordet hat, zufällig sei entdeckt worden und krank im Spital liege. Dieser boshafte Mensch, den ich ehemals wohl gekannt habe, muß uns erklären, was er gegen uns und die Herren von Croys und den Grafen Etampes im Schilde führt, und mit wem er noch verbunden sein mag.

Er erhob sich jetzt und rief aus: Ei! ist das nicht unser Vater Labitte? – Ei, lieber Alter, Ihr lebt also noch? – Er umarmte den Maler mit vieler Herzlichkeit und schüttelte ihm freundlich die Hand. – Ihr habt wohl, sagte er dann, alle die losen Streiche vergessen, die ich Euch damals, in Gesellschaft von andern Buben, spielte?

Freilich, freilich, sagte der Alte, denn es sind doch einige Jahre seitdem verflossen. Jetzt seid Ihr ein Staatsmann und von großem Einfluß. Viel Ehre, daß Ihr Euch noch eines armen alten Mannes erinnert. Hütet Euch nur, daß Euer Mutwille jetzt nicht unsern alten Herzog beschädigt, der freilich der Freunde bedarf.

Immer noch wie sonst! sagte Köstein lachend, es ist recht, daß Ihr mich ganz wie Euren ehemaligen Zögling behandelt. Unser alter Herr aber kennt seine Leute und weiß sie zu wählen. Seine bösgesinnten Feinde stehn leider auf der Seite seines Sohnes und Erben. Der Prinz, der seine männlichen Jahre erreicht hat, wird nur gar zu leicht von böswilligen Menschen und Verleumdern gelockt. Wir haben hinlänglich gegen diese zu kämpfen und müssen stets ein wachsames Auge auf alle Bewegungen unsrer Feinde haben.

Friedrich zog sich von diesem Gespräche scheu zurück. Er begriff nicht, wie ein Mann, der am Hofe und im vertraulichen Umgange der Großen lebte, mit diesem leichtsinnigen Stolze von seinen Verhältnissen reden konnte. Er schloß daraus, daß das Alter den Herzog noch schwächer und nachgiebiger gemacht habe, als man gewöhnlich glaubte, wenn er einem solchen unbesonnenen Jünglinge, wie dieser Köstein war, sein unumschränktes Vertrauen schenken könne. Frau Catharina, die dem jungen Freunde mit ihren Blicken folgte, schien seine Meinung zu erraten. Der Maler machte sich im Gegenteil mit dem jungen Ritter immer mehr zu tun und wurde noch vertraulicher und freundlicher. So seht Ihr, fragte er, den Dauphin von Frankreich auch wohl zuweilen?

Fast täglich, antwortete Köstein, und er ist immer sehr gnädig gegen mich, indem er mich vor vielen andern auszeichnet. In diesem verständigen Herrn erkennt man niemals, seinem Äußern und Betragen nach, den Fürsten und den künftigen Regenten der großen Monarchie. Er ist leutselig, gesprächig, redet gern selbst mit den allergeringsten Leuten, trägt sich in seinen Kleidern fast immer bürgerlich, und ist am heitersten, wenn er seinen Rang und seine Bestimmung vergessen kann. Ja, mein alter Freund, wie hätte ich mir das vor zwölf Jahren einbilden können, daß ich jetzt nur mit großen Herren und Regenten umgehen würde, und mit ihnen allen auf dem vertrautesten Fuß? Denn ich muß sagen, unser großer mächtiger Herzog liebt mich so sehr, daß er mir nicht leicht eine Bitte versagt, beträfe sie auch einen noch so wichtigen Gegenstand.

Könnte man nicht, sagte der Maler, auf diesem Wege unsern zu eifrigen stellvertretenden Bischof von Baruth entfernen? den kleinen Bernhard? Der Mann macht sich lächerlich und kann dem geistlichen Stande keine Ehrfurcht erwerben.

Mit der Geistlichkeit, antwortete Köstein, lassen wir uns nicht ein; das ist der einzige Punkt, wo mein wackrer, edler Herzog immer eine Art von Scheu und Furcht zeigt. Er setzt seinen Stolz mit darin, für einen rechtgläubigen Christen und einen Verteidiger der heiligen Kirche zu gelten. Er hat auch keinen Einspruch sich erlaubt bei der sonderbaren Begebenheit, die sich jetzt in Langres zugetragen hat. Ich bin über diesen Ort auf meiner jetzigen Reise gekommen, weil ich dort eine bedeutend große Summe einzunehmen hatte. Sie waren eben dabei, einen Gottlosen oder Ketzer zu verbrennen, wegen, ich weiß nicht welchen Lehren, die sie ihm zur Last legten.

Wie? rief Frau Catharina mit Entsetzen aus; wiederum hört man von dergleichen Abscheulichkeiten? Wo ist die Hoffnung, ja die Überzeugung geblieben, die wir schon gefaßt hatten, daß von diesen Grausamkeiten niemals mehr die Rede sein solle?

Friedrich hatte sich im Unwillen erhoben, Labitte sah schwermütig aus, aber Köstein sagte ganz gleichgültig: Lieben Leute, was soll denn mit Menschen geschehen, die auf keine Vermahnung, weder weltliche noch geistliche, etwas geben wollen? Immer besser, man verbrennt sie, oder schafft sie auf andre Art aus der Welt, als daß sie noch viele mit ihrem bösen Beispiel und Wandel anstecken.

Da es spät war, trennte man sich. Köstein ging wieder zum Kanonikus, um mit diesem Abrede wegen seines Prozesses zu treffen, und Friedrich begab sich mit Labitte zu Wundrich, um über diesen Vorfall, weshalb der junge Köstein nach Arras gekommen war, sowie wegen der alten Gertrud nähere Erkundigung einzuziehen.

Einer der reichsten Bürger von Arras gab alljährlich ein großes Fest, zu welchem er die meisten seiner Bekannten einlud. Da der heitere Mann ein ganz außerordentliches Vermögen gesammelt hatte, durch Holzhandel und seine Verbindungen mit dem Auslande, da er in Antwerpen, noch mehr aber in Brügge, große Geschäfte machte und sein Vermögen mit jedem Jahre zunahm, so war diese Versammlung in seinem großen Hause für die ganze Stadt Arras gewissermaßen ein Fest zu nennen. Schakepeh war gegen jedermann wohlwollend, gegen die Armut sehr wohltätig, mit niemand verfeindet, lebte ohne Neid und Mißgunst, und unterstützte Handwerker und ärmere Kaufleute auf alle Weise; darum vergaben ihm auch die Vornehmeren sein bürgerliches Wesen, seine etwas rauhe Zutraulichkeit und den spaßhaften Ton, den er sich oft gegen jedermann erlaubte. Am schönen Sommertage strömte eine große Schar von Gästen nach seinem weitausgedehnten, glänzend aufgeschmückten Hause, das in der Hauptstraße einen großen Raum einnahm und viele andre Häuser überragte, ob es gleich nur von Holz gebaut war. In der Mitte sprang die Wand mit Fenstern vor, und bildete gleichsam einen Turm, aus welchem man rechts und links die Straße weit hinunter übersehen konnte. An beiden Enden des Gebäudes waren ähnliche Türme angebracht, das Dach bestand aus fünf geschmückten Giebeln, und allenthalben lief ein künstliches Schnitzwerk um Fenster und Türen, wodurch das Haus ein seltsames und abenteuerliches Ansehn gewann, aber trotz dieser Altertümlichkeit nicht unangenehm dem Blicke erschien. Schakepeh hatte das Gebäude ganz nach seiner Laune ausgeführt, und keinen Rat und Einwand eines Bauverständigen anhören wollen.

Auf das Fest, welches jetzt gefeiert wurde, war die Stadt und die Masse der geladenen Gäste diesmal begieriger als je, weil der Günstling des Herzoges, der junge Köstein, heute als der Vornehmste der Versammlung hier glänzte, wo er ehemals als Knabe, der von Wohltaten erzogen wurde, von denselben, die ihm heut ihre Ehrfurcht bezeigen mußten, vor zwölf Jahren kaum war beachtet, oft bemitleidet, zuweilen verspottet worden. Alle waren neugierig darauf gespannt, wie sich dieser Emporkömmling, von seinen hohen Beschützern entfernt, benehmen würde.


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