Julius Stinde
Die Familie Buchholz. Aus dem Leben der Hauptstadt
Julius Stinde

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Im Kremser.

Es giebt Leute, die eine Landpartie für ein Vergnügen halten, das ist jedoch grundfalsch.

Sonst wenn der zweite Pfingsttag kam, gingen wir in den Zoologischen Garten oder fuhren nach Treptow, wo es ja bis auf die Menschenfülle und den Staub recht gemüthlich ist, aber diesmal war es anders beschlossen. Nachdem wir durch die Verlobung meiner Betti mit Bergfeldtens in nähere Beziehung getreten sind, konnten wir doch die nicht links liegen lassen, denn ich hätte nie geduldet, daß Betti mit Bergfeldts gegangen wäre und Bergfeldts wollten an dem Tage doch auch mit ihrem Emil zusammen sein. Onkel Fritz machte daher den Vorschlag, gemeinsam einen Kremser zu nehmen und aufs Land zu fahren, und da Platz genug vorhanden sei, könnten wir Krauses ebenfalls einladen, wodurch das Fuhrgeld für die einzelne Person überdies billiger würde. Dabei malte Onkel Fritz Alles mit so verlockenden Farben aus, wie schön grün es draußen sei, wie köstlich das Bauernbrod an der Quelle schmecke und wie herrlich wir uns in dem Kremser amüsiren würden, daß ich einwilligte. Wir verabredeten uns dann gehörig, namentlich was den Proviant anbelangte, denn sonst bringt Jeder dasselbe mit und das Ganze läuft auf Schlackwurst und Sooleier aus, und dafür danke ich denn doch am zweiten Pfingstfeiertag.

Morgens um acht Uhr saßen wir Alle in dem Kremser. Bergfeldts mit Augusten's Bräutigam, Herrn Weigelt, Krauses mit ihrem kleinen Eduard in weißen Höschen, blauem Sammtkittelchen und mit einem neuen Stohhut. Bergfeldt's Emil war schon Morgens früh zu uns herangekommen und hatte Betti einen Fliederstrauß gebracht. Als wir einstiegen, hatte Emil es so zu arrangiren gewußt, daß er dicht neben Betti saß, allein ich pflanzte mich mitten zwischen beide, weil ich dies für passender hielt, denn ich bin nicht sehr für öffentliche Brautstands-Zärtlichkeiten. Mein Karl saß mit Herrn Krause zusammen und Onkel Fritz hatte neben dem Kutscher auf dem Vordersitze Platz genommen.

Onkel Fritz nahm einen Hausschlüssel, auf dem er gerade so pfiff, wie eine Lokomotive, und wir gondelten los, durchs Prenzlauer Thor, die Prenzlauer Chaussee entlang, denn unser Ziel war der Liepnitz-See.

Das Wetter war schön, wenn auch ein bischen kühl. Als wir bei der ersten Windmühle vorbeikamen, entkorkte Onkel Fritz seine Reiseflasche und sagte, nun müßten wir den ersten Schluck nehmen, das wäre einmal so Gebrauch. Da es nicht übermäßig warm war, nahmen wir denn auch Alle einen Tropfen Cognac zu uns, worauf wir sehr munter wurden. Herr Krause fragte, ob bei jeder Mühle einer genommen würde, worauf Fritz ihm bedeutete, daß es ein alter Gebrauch sei, jeder Mühle ein kleines Trankopfer zu bringen. Herr Krause meinte, diese Sitte sei wahrscheinlich wendischen Ursprungs und stamme gewiß aus dem grauen Heidenthum. Es entwickelte sich nun ein sehr gelehrtes Gespräch über Pfahlbauten und Tacitus, wovon Herr Krause sehr gut Bescheid wußte, bis sie zuletzt auf die städtische Verwaltung kamen, worin mein Karl gründlich zu Hause war. Onkel Fritz unterhielt sich mit dem Kutscher und reichte nur von Zeit zu Zeit die Flasche in den Wagen hinein. Ich muß gestehen, es standen reichlich viele Windmühlen am Wege und was mir besonders zuwider war, der kleine Krause schrie immer: »Da kommt schon wieder 'ne Mühle,« damit nur ja keine übersehen würde. Ich warnte meinen Karl, aber er lachte mich aus und rief: »Wilhelmine, Pfingsten ist nur einmal im Jahr!«

Um halb neun machten wir eine Frühstückspause. Der Wagen fuhr im Schritt und die Kober wurden zur Hand genommen. Wir Damen vertheilten die Stullen an die Herren, und da Onkel Fritz uns ein Extravergnügen bereiten wollte, kam er mit allerlei Blechdosen zum Vorschein, die er auf der Fischerei-Ausstellung gekauft hatte: köstliche norwegische Delikateßheringe, Anchovis, gesalzene Dorschzungen, Rollmöpse, sogar Caviar. Alles war da und wir ließen uns die guten Sachen trefflich schmecken. Nur war ich sehr dagegen, daß der kleine Krause auch von den scharfen Fischen bekam, aber da er immer gleich plinste, wenn er seinen Willen nicht kriegte, gab die Mutter ihm, was er verlangte, bis er sich an einem großen Stück Rollmops den Mund verbrannte und über den spanischen Pfeffer schrie, auf den er eifrig losgekaut hatte. – »Ich würde dem Kleinen nicht soviel gegeben haben,« sagte ich zur Krausen, »Kinder befinden sich immer am besten bei Milch und Brod.« –- »Ihr Eduard wäre schon groß genug, um Alles zu essen,« antwortete die Krausen, »er tränke sein Bier so gut, wie die Erwachsenen und es bekäme ihm vortrefflich!« – Hierauf bemerkte ich, einmal gelesen zu haben, daß Bier sich bei Kindern leicht auf den Geist schlüge und Bierbrauerskinder deshalb immer zu unterst in der Schule säßen. – Die Krausen fragte nun ihren Mann, ob er als Lehrer jemals so etwas bemerkt habe, worauf der antwortete, ich müßte mich wohl irren und meinte sicher Skropheln, die allerdings, wie statistisch nachgewiesen sei, vom Branntweintrinken der Eltern herkämen. Diesem pflichtete Herr Bergfeldt bei und sagte zu seiner Frau: »Du erinnerst Dich wohl noch, Kathinka, als die Rieke aus Werder bei uns diente, die sich mit dem versoffenen Tischlergesellen einließ und später« . . . Hier unterbrach ich Herrn Bergfeldt und fragte ihn: »Finden Sie die Natur in dieser Landschaft nicht wunderschön?« – »Ja,« meinte er, »aber mit den Skropheln hatte es seine Richtigkeit.« Ich entgegnete, daß diese Art von Dialog mich nicht interessirte.

Herr Bergfeldt wollte jedoch nicht locker lassen – wir waren schon an zu vielen Mühlen vorbeigekommen –, als der kleine Krause zu wimmern anfing und über Durst klagte. Wasser konnten wir auf der Chaussee nicht bekommen, Milch hatte die unvernünftige Mutter nicht mitgenommen, also blieb nichts übrig, als eine Flasche Rothwein aufzumachen, damit blos das Gegnarre von dem Jungen aufhörte, der denn auch richtig ein ganzes Wasserglas voll Wein herunterfegte. »Wenn das man gut geht!« sagte ich. – »Er kann nachher in der Haide ordentlich auslaufen!« antwortete die Krausen. – »Ich und Emmi wollen Pferd spielen!« rief Eduard naseweis. – Meine Emmi sprach kein Wort, sondern machte ein sehr höhnisches Gesicht über diese Zumuthung. Meine Betti redete auch nicht und sah sehr mißvergnügt aus, weil sie nicht neben Emil saß, Bergfeldt's Auguste und Herr Weigelt, die sich bei der Hand angefaßt hatten, starrten wie Wachsfiguren in die Gegend und warfen sich von Zeit zu Zeit 'nen wasserblauen Blick zu, daß mir vom bloßen Ansehen ganz mies zu Muthe ward. Brautpaare sind nun einmal für die Anderen eine mangelhafte Gesellschaft.

Ich dankte daher meinem Schöpfer im Stillen, als wir das prachtvolle Gehölz erreicht hatten und den See sahen, der gerade so grün schien, als wenn man ihn zu Pfingsten frisch auflackirt hätte. Vor der Försterei machten wir Halt, dort, wo die Buchen am höchsten sind und oben mit ihren Kronen ein Gewölbe bilden, als befände man sich auf dem neuen Anhalter Bahnhof nur mit dem Unterschied: was dort Fensterglas ist, sind hier maigrüne Blätter, und dann war auch der Ozon von erster Qualität.

Onkel Fritz und mein Karl gingen zur Frau Försterin, um Frühstück zu bestellen und das Mittagsbrod zu bereden. Frau Krause hatte den Brunnen entdeckt und gab dem kleinen Eduard zu trinken, der nach meiner Schätzung mindestens ein Liter von dem kalten Wasser hinunterschluckte, aber ich sagte kein Wort, denn wenn Mütter unverständig sind, ist alles Zureden umsonst. Ich wollte aber doch, ich hätte geredet.

Das Frühstück war delikat, ländlich, aber gediegen. Den Wein hatten wir mitgenommen, es war sehr schöner Chateau Larose, die Flasche zu zwölfeinhalb mit goldenen Kapseln, und wenn Onkel Fritz auch ein wenig den Mund zog – er ist nämlich ziemlich verwöhnt – so ließen wir uns den Wein doch munden, zumal der Weinhändler versichert hatte, er mache bei jeder Flasche fünf Silber Schaden und gebe ihn uns nur aus purer Freundschaft so billig.

Danach gingen wir in den Wald; Onkel Fritz hatte dem kleinen Krause einen Stock geschnitten, auf dem er ritt, denn Emmi hatte keine Lust, mit ihm Pferd zu spielen. Überhaupt war Emmi sehr niedergeschlagen. Ihre Schwester und ihre Freundin kümmerten sich nicht um sie, die hatten ja nur Auge und Ohr für ihre Verlobten, und so mußte sie sich zu uns älteren Damen halten. Mir that das Kind wirklich leid, daß sie so allein stand, denn wenn wir Damen uns über die große wasche unterhielten, oder ob Citronensaft an die Spargelsauce gehört oder nicht, so konnte sie das doch nicht interessiren. »Sei nur vergnügt, Emmi,« sagte ich, »wer weiß, wie lange es dauert und du bist auch Braut!« – »ich werde mich nie verheirathen,« entgegnete sie. – »Aber Kind!« – »Nein,« sagte sie trübselig, »ich verlasse Dich nicht und Papa nicht. Auguste und Betti sind beide so eklig gegen mich, seit sie verlobt sind.« – Ich redete ihr zu, so gut es ging, allein sie wollte von Nichts hören.

Die Herren hatten nun eine Lagerstelle entdeckt, die Plaids und Umschlagetücher wurden ausgebreitet und wir gruppirten uns malerisch. Wein war auch mitgenommen und so standen wir Alle nichts aus. Nur wollte mir nicht gefallen, daß mein Karl die Krausen immer mit trockenem Laub warf und sie sich dies gefallen ließ. Hätte Herr Krause sich diese Art von Scherz mit mir erlaubt, würde ich ihm seinen Standpunkt klar gemacht haben, aber der lag schon und schlief.

Endlich nickte ich auch ein wenig ein, denn die Frühlingsluft zehrt. Die Bäume rauschten so sanft, die Luft strich so mollig über Gesicht und Haar, allerlei bunte Träume kamen und gingen, bis mein Karl rief: »Wilhelmine, wache auf, die Uhr ist halb drei, das Mittagessen wartet!« – »Herrjeh! hab' ich geschlafen?« – »Beinahe zwei Stunden.« – »Und wo sind die Kinder? Wo ist Betti?« – »In die Tannen gegangen,« antwortete Emmi, »mich wollten sie nicht mitnehmen!« – »Und wo ist Eduard?« fragte die Krausen und streifte sich die trockenen Blätter aus dem Haar. – »Der ist auf seinem Stocke dorthin geritten,« sagte Emmi und zeigte auf den See zu. – »Mein Gott, wenn das Kind ertrunken wäre,« schrie die Krausen und rannte wie wahnsinnig fort. »Eduard,« schrie sie, »Eduard, wo bist Du?« – Ich rief laut: »Betti, Bettiiih!« – Keine Antwort. – »Und das Essen wartet,« sagte mein Karl. – »Karl, kannst Du in einem solchen Augenblicke an Deinen Magen denken?« – »Ach was,« entgegnete er, »hättest Du die jungen Leute in dem Kremser ruhig nebeneinander sitzen lassen, würden sie sich nun nicht absentirt haben. Liebesleute sind gern ungestört. Kommt nur, Emil weiß, daß wir um halb drei essen wollen, und wird schon nach der Uhr sehen. Wo ist Krause?«

Herr Krause war seiner Frau nachgegangen. Sie zeterte in einem fort: »Eduard! Eduard! wo bist Du?« und er rief: »Adelheid, hast Du ihn?« Es war, als wenn die Wald rebellisch geworden wäre.

Sehr niedergeschlagen kamen wir bei der Försterei an. Da stand nun der sauber gedeckte Tisch unter den Bäumen, aber die Gesellschaft war auseinander. Bergfeldt's Auguste und Herr Weigelt warteten freilich schon auf uns, aber von Betti und Emil keine Spur. Es war peinlich.

»Habt Ihr den kleinen Krause gesehen?« fragte ich. – »Ja,« sagte Auguste, »der ist bei den Kutschern im Stalle und reitet auf den Pferden!« – »Und die Eltern meinen, er liegt im See. Nun müssen wir Krauses erst suchen.«

Gesagt, gethan, wir alle wieder zurück in die Holzung, wo wir Krauses denn auch fanden. Sie war richtig in einen Wiesensumpf gerathen und Herr Krause kniete vor ihr, um ihre Stiefel mit Moos zu reinigen. – Nein, nun die Freude, als sie hörte, der Kleine sei da, und dies Verziehen und Schmeicheln, als sie ihn wieder hatte, – es war in meinen Augen übertrieben. dann fuhr sie Emmi an und sagte, wenn sie besser auf das Kind geachtet hätte, wäre alle Angst nicht nothwendig gewesen, worauf ich etwas von Laubwerfen und Kokettiren mit Männern fallen ließ und daß es besser sei, selbst auf seine Kinder zu achten, als sich auf andere Leute zu verlassen. Sie antwortete spitz, Jeder müsse vor seiner eigenen Thür fegen, und wo denn meine Betti sei? Genug, wir setzten uns sehr ärgerlich zu Tisch und richtigen Appetit hatte Niemand außer der Bergfeldt: die sättigte sich, so zu sagen.

Wir hatten schon abgegessen, als Betti und Emil endlich ankamen. – Ich wollte heftig werden, allein mein Karl sagte: »Wilhelmine, halte Frieden, gieb Dir keine Blöße vor der Gesellschaft.« Ich bezwang mich daher und sagte scherzend: »Nun Emil, ist die Uhr jetzt halb drei?« Er wurde verlegen. »Meine Uhr geht wohl etwas nach!« stotterte er. – »Über eine Stunde? Zeigen Sie mal Ihren Chronometer!« Er wurde noch verlegener. Dies war mir auffallend. »Vielleicht geht sie doch richtig,« sagte ich scharf, und zog an seiner Kette, um mich zu überzeugen. – Es hing aber keine Uhr an der Kette, sondern nur ein Schlüssel – »Die Uhr studirt wohl?« rief Onkel Fritz. – Ich dachte, ich sollte in den Erdboden versinken, der Bräutigam meiner Betti hatte seine Uhr versetzt! Die Krausen lachte, worauf ich empört aufstand und die Gesellschaft verließ. Ich mochte keine Menschen mehr sehen. Überall vergnügte Gesichter, Lachen und Scherzen bei den Leuten, die sich mittlerweile eingefunden hatten . . . mir klang es wie Hohn in den Ohren. Einsamkeit that mir noth, um mich ordentlich ausweinen zu können. So fand ich mich denn, ohne zu wissen wie, hinten im Garten bei dem Backofen der Frau Försterin und setzte mich auf den Holzblock, der dabei stand. Ach, mir war, als sei dieser Bock ein Henkersblock und ich sollte einen Kopf kürzer gemacht werden, solches Leid überkam mich. Die Zukunft lag in den schwärzesten Bildern vor meinen Augen. Was nützte die Erbschaft von der Tante aus Bützow, Emil würde ja doch Alles versetzen? Emil war leichtsinnig, das wußte ich nun, und Betti vertraute ihm rückhaltlos. Ein Schauder überflog mich von oben bis unten, denn wer Uhren versetzt, ist zu Allem fähig.

Nach geraumer Zeit kam Emmi zu mir. »Wir wollen fahren,« sagte sie, »die Krausen hat nasse Füße und Papa findet kein Vergnügen mehr an der ganzen Tour.« – »Was gehen mich die Füße von der Krausen an?« – »Er meint, es sei Deinetwegen, denn wenn Du Dich nicht amüsirtest, habe er auch keinen Spaß.« – »Ja, komm Kind, ich habe Sehnsucht nach Hause, man fährt doch nicht aus, um hinter einem Backofen zu sitzen und zu weinen.«

Um sieben hielt der Kremser vor der Försterei. Ich ließ jeden sich setzen, wie er wollte; was konnte ich armes, ohnmächtiges Weib gegen die Unvernunft ausrichten? Der kleine Krause saß mutterseelenallein an dem Wasser auf der Erde und wollte nicht mit. »Nein,« schrie er, »hier bleiben!« – »Aber so komm doch, Du sollst ein Stück Kuchen haben!« – »Nein.« – Die Krausen hob ihn mit Gewalt hoch. »Er freut sich so sehr an den Pferden,« sagte sie katzenfreundlich zu Onkel Fritz, »nehmen Sie ihn ein bischen nach vorne.« So fuhren wir denn ab, Alle mehr oder weniger verstimmt da Bergfeldts sich auch über ihren Emil geärgert hatten. Die Krausen war sehr schweigsam.

Nach einer Weile sagte Onkel Fritz: »Herr Krause, ich fürchte, der Kleine fällt vom Bock,« und gab ihn in den Wagen hinein auf Herrn Krause's Schooß, aber der meinte bald, das Kind säße doch wohl besser vorn. Der Junge weinte und gnauerte immer so vor sich hin. »Sollte ihm wohl etwas fehlen?« fragte ich mitleidig. – »I, wovon wohl?« sagte die Krausen kurz. – »Nun, wenn er sich den Magen verdorben hätte, sollte es mich nicht wundern.« – »Ha!«, lachte sie auf. – Die Herren wollten das Kind jedoch einstimmig nicht länger bei sich haben. – »Komm nach Tante Buchholz, Eduard,« rief ich und nahm ihn zu mir. Ich gab ihn aber gleich weiter an die Krausen und sagte: »Er ist wohl am besten bei Ihnen aufgehoben, meine Liebe. Decken Sie ihn gut zu, damit er sich nicht erkältet, dies wird angenehmer für ihn sein und für uns.« – Sie sagte, Kinder seien Kinder. – Ich sagte, wenn Kinder noch nicht reisefähig wären, ließe man sie zu Hause, worauf sie entgegnete, wenn Onkel Fritz nicht so schwer verdauliche Fischsachen mitgenommen hätte, wäre dem Kinde nichts passirt, aber nun sei es unwohl davon geworden. ich hatte keine Lust, ihr zu antworten, mein eigener Kummer über Emil beschäftigte mich zu sehr und der Verdruß vom Nachmittage kam wieder hoch.

Viele Leute schwärmen ja sehr für Landpartien, aber ich muß sagen: ohne Brautpaare und ohne Kinder, die sind nur Ballast und verbubanzen die schönsten Fahrten, und abgespannt wird man auch von solchen Touren in größeren Gesellschaften, weil Einer immer auf den Andern passen muß und Einer meistens gesucht wird.

Ich athmete erst auf, als wir die ersten Gaslichter von Berlin wieder in Sicht hatten, denn im Kremser war es trübselig. Müde waren wir Alle mit einander, das einzige muntere im Wagen waren die beiden bunten Papierlampions, die an der Decke hingen. Die schaukelten hin und her und machten, von ferne gesehen, gewiß einen höchst vergnügten Eindruck. Aber kann man das Leben nur nach Papierlaternen beurtheilen?


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