Julius Stinde
Die Familie Buchholz. Aus dem Leben der Hauptstadt
Julius Stinde

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Auf der Ausstellung

Sie haben gewiß schon oft gedacht, wie mag es wohl zugehen, daß die Buchholzen nichts von sich hören läßt, sie greift doch sonst hin und wieder zur Feder. Aber können Sie schreiben, wenn Sie ein solches Gallenfieber bekommen, daß Sie einen Doktor gebrauchen müssen, und sich dann später beim Gardinenaufstecken eine Nadel in den Finger rennen, als hätte man kein Gefühl und keine Nerven? – Nein, dann schreiben Sie auch nicht.

Nun fragen Sie sicher, wie ein Wesen von meiner Sanftmuth und Geduld mit einem Gallenfieber behaftet werden kann? Ich möchte jedoch Jemand sehen, der ruhig bliebe, wenn ihm passirt, was mir geschehen ist.

Und was hatte ich gethan? Nichts, reinweg gar nichts. Ich hatte nur geäußert, daß die Bergfeldten dem jungen Studenten ihre Auguste aufgehängt hätte, und diese harmlose Äußerung war ihr hinterbracht worden. Ich dachte mir weiter gar nichts Böses dabei, denn es war die unverfälschte Wahrheit. Dies hat die Bergfeldten jedoch schrecklich übelgenommen, und so schrieb sie mir denn einen empörenden Brief, in welchen sie sagte, daß, wenn sie wollte, sie von meinem Karl Geschichten erzählen könnte, worüber die Leute sich sehr amüsiren würden. Ich zeigte meinem Manne den Brief und sagte: »Karl, lies, was diese Person geschrieben hat, und dann geh' gleich zum Staatsanwalt und verklage sie.«

Mein Karl las den Brief und antwortete zögernd, daß er keinen Grund zum Einschreiten darin finden könnte. – Mir war, als rührte mich der Schlag. Ich sank wie vernichtet auf das gute Sopha und rief: »Also Du fühlst Dich schuldig, Deine Vergangenheit ist eine verschleierte, dies elende Weib hat Recht. O, Karl!« – Er suchte sich zu vertheidigen, indem er behauptete, die Bergfeldten habe nur aus Rache eine sinnlose Bemerkung hinausgeschleudert, allein dies beruhigte mich nur halb; denn wenn sie doch etwas wüßte? Und wäre Karl ganz rein in seinem Gewissen, so hätte er ihr das Gericht auf den Hals geschickt. Ich merkte ihm deutlich an, daß er verlegen war. In demselben Augenblick kamen die Kinder herein und brachten den großen Schmortopf und die Waschleine, die ich der Bergfeldten geliehen hatte und die sie nun mit spöttischen Bemerkungen retour schickte. Außerdem ließ sie sagen, der Henkel an dem Topf wäre schon entzwei gewesen, als sie ihn von mir bekommen hätte. Das war aber eine grobe Unwahrheit und diese Malice warf mich nun ganz darnieder.

So kam ich zu meinem Gallenfieber. Kann die Bergfeldten es vor ihrem Schöpfer verantworten, daß sie so an mir handelte, so ist es gut, ich hoffe jedoch nicht, daß ich einmal unter vier Augen mit ihr zusammentreffe. Dann sage ich ihr, wie ich es meine, denn in meinem Hausstande ist Alles ganz und propper!

Als ich mich allmälig wieder erholte und mein Teint nicht mehr so abscheulich gelb war, wie ich ihn mir herangeärgert hatte, sagte Karl: »Wilhelmine, wie wäre es, wenn Du Dich etwas zerstreutest? Ich denke, wir gehen alle zusammen auf die Ausstellung, Du und ich und die Kinder; es soll mir auf ein paar Groschen nicht ankommen, Deine Genesung zu feiern.« – Im ersten Augenblick empfand ich große Freude über diesen Vorschlag, dann aber mußte ich denken, ob Karl's liebevolles Benehmen gegen mich nicht etwa aus einem geheimen Schuldbewußtsein hervorgegangen sein könnte, das durch den Brief der Bergfeldten neu aufgefrischt worden war? Ich sagte jedoch keine Sterbenssilbe von dem, was ich fühlte, sondern ging bereitwillig auf seine Wünsche ein. Die Kinder hatten gerade ihre neuen Sommerkostüme bekommen und da Karl mir so wie so einen modernen japanischen Shawl versprochen hatte, war der Ausführung seines Planes ja nichts im Wege. Hätte ich aber gewußt, was mir bevorstand, so wäre ich sicher zu Hause geblieben.

Ich will Sie nicht mit der Beschreibung der Ausstellung aufhalten, denn dazu gehört am Ende doch wohl eine Fachfeder, nur das muß ich bemerken, daß der Eindruck des Ganzen sowohl auf mich als auf die Kinder ein überwältigender war. Karl, der schon öfter draußen gewesen, kam mir bereits etwas abgehärtet gegen die Schönheiten im Allgemeinen und im Einzelnen vor.

Weil es an diesem Tage sehr heiß war, schlug Karl erst eine kleine Herzstärkung im Moabiter Bierausschank vor und wir sagten denn auch nicht Nein. Karl ging gleich nach dem dicken Baiern hin, der aus dem großen Riesenfaß zapfte, um das Bier selbst zu holen, Ich dachte, er ist doch galant und nett, mein Karl, ein wirklich ausgezeichneter Gatte, als mein Blick auf die Münchener Kellnerin in ihrem bunten Maskeradenanzug fiel, die ihm Kleingeld herausgab und ihn dabei sehr freundlich anlächelte. Dies Lächeln gab mir einen Stich durch das Herz, aber ich blieb ruhig. Im Stillen nahm ich mir jedoch vor, Karl nie wieder allein auf die Ausstellung gehen zu lassen. Dies gelobte ich fest und heilig.

Daß das Bier mir unter solchen Umständen wie Wermuth schmeckte, ist natürlich kein Wunder. Ich konnte es nicht austrinken, und gab es daher den Kindern, damit es nicht umkommen sollte.

Karl fragte: »Schmeckt Dir das Bier nicht, Wilhelmine? Wollen wir lieber einen leichteren Stoff versuchen?« – »Es ist mir hier zu viel Sonne,« entgegnete ich mit einem Blick auf die Münchnerin, aber Karl verstand mich nicht, oder wollte mich nicht verstehen. »Gut,« sagte er, »dann gehen wir zum Böhmischen Brauhaus.« – Ich war froh, fortzukommen, und wir siedelten ins nasse Dreieck nach dem Böhmischen Ausschank über. Hier trafen wir zu unserer großen Freude nicht nur Onkel Fritz, sondern auch den Doktor Wrenzchen, der mich behandelte, als der Brief von der Bergfeldten mich auf das Siechbett geworfen hatte. Das Wiedersehen war ein sehr vergnügtes, denn ein Doktor ist für einen Patienten immer so eine Art von übernatürlichem Wesen und ein wahrer Engel des Trostes, namentlich wenn er milde und gut mit Einem umgeht und den leidenden Mitmenschen ab und zu durch einen niedlichen kleinen Scherz aufzuheitern versteht. Nun, wir kamen denn auch bald in ein sehr angenehmes Gespräch. Nur mein Karl und Onkel Fritz fingen einen Streit darüber an, welches das beste Bier sei, weil mein Mann darauf hinwies, daß mir das Böhmische besser zu munden schien, als das Moabiter. Aber kannte er die innerlichen Gründe?

Der Eine hatte diese Meinung und der Andere jene, und da sie sich nicht einigen konnten, war Onkel Fritz wo gottlos, eine Bierwette zu proponiren, auf die mein Karl trotz meines stark betonten Hustens einging und wobei der Doktor durchschlug. Als ich jedoch bemerkte, es sei nachgerade Zeit, etwas von der Ausstelllung zu sehen, erklärte Karl, daß er mit Fritz Bier probiren müsse, um die Wette zum Austrag zu bringen, und ich daher besser mit den Kindern allein ginge. UIm fünf Uhr wollten er und Onkel Fritz uns in der altdeutschen Weinstube treffen. Der Doktor bot uns seine Begleitung an, da er wegen seiner Völligkeit gerade eine Marienbader Hauskur durchmachte und deshalb, wie er sich scherzhaft ausdrückte, auf die Bierreise Verzicht leisten müßte. Mein Mann machte ein so unschulidges Gesicht, als wäre er erst gestern konfirmirt worden.

Ich durchschaute meinen Karl jedoch, aber ich faßte mich, denn ich wollte nicht , daß der Doktor sehen sollte, wie unser eheliches Glück Risse bekam und sich dem Einsturz näherte, da Betti sich für ihn interessirt und Bergfeldt's Emil ein für allemal keine Partie für sie ist. Der Brief und der zerbrochene Schmortopf trennen uns für ewig von dieser Familie. Überdies ist ein Doktor in der Verwandtschaft stets sehr zweckmäßig, da er doch seinen Angehörigen nicht gleich jede Kleinigkeit auf die Rechnung setzen kann.. Ich bat meinen Mann nur noch: »Karl, bleibe bei einer Sorte, Du weißt, Vieles durcheinander bekommt Dir nicht!«

Der Doktor führte uns nun durch die Ausstellung. es war wirklich prachtvoll, wie er Alles zu erklären wußte und uns belehrte. Betti kam aus dem Erstaunen gar nicht heraus, so daß ich ihr mehr als einmal zuflüstern mußte: »Sperr' doch den Mund nicht so auf, es sieht zu einfältig aus.« – Bei den Zimmereinrichtungen bemerkte ich, daß der Mittelstand sich so etwas Kostbares wohl nicht leisten könne, worauf er sagte: »Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar.« – »Hörst Du, Betti«, rief ich, »wie treffliche Anschauungen der Doktor vom Leben hat?« Aber anstatt daß sie nun eine geistreiche Gegenbemerkung gemacht hätte, da sie doch auf die Gartenlaube abonnirt ist, klappte sie plötzlich mit einem hörbaren Ruck den Mund zu, den sie wieder aufstehen gehabt hatte, weil sie erschrak und glaubte, ich wollte ihr abermals eine mütterliche Ermahnung zu Theil werden lassen. »Betti ist ganz hingerissen von diesen Ergebnissen des menschlichen Geistes auf dem Gebiete der Industrie und des Gewerbes,« sagte ich gewandt, »sie überhörte deshalb Ihren wohlmeinenden Ausspruch, lieber Doktor!«

»O bitte, das macht nichts,« sagte dieser liebenswürdig wie immer, »das ist ja nur äußerlich.« – Ich tippte ihm leicht mit dem Fächer, der gleichzeitig als Sonnenschirm zu gebrauchen ist, auf den Arm und erwiderte: »Ganz recht, die Hauptsache beruht in der gleichen Stimmung der Seelen.« – Hierauf sah er mich ein bischen schief von der Seite an und plinkerte mit dem einen Auge, und schon wollte ich ihm sagen, was Betti mitbekommt und daß wir noch eine Erbtante in Bützow wohnen haben, als Emmi mit einem Male laut dazwischen rief: »O seh' mal, Mama, wie blank die Badewanne ist und dabei lauft das Wasser ordentlich!«

Obgleich mein eigen Fleisch und Blut, hätte ich dem Kinde doch in diesem Moment etwas anthun können, da sie mit ihrem dummen Ausruf plötzlich ein Gespräch unterbrach, von dem das Glück ihrer Schwester abhing. Wie schön wäre es gewesen, wenn der Doktor und Betti als heimlich Verlobte die Ausstellung verlassen hätten und wie würde die Bergfeldten sich geärgert haben. Denn wenn man in die eine Wagschale einen Doktor mit Praxis und in die andere einen hungrigen Studenten legt, so wird der Letztere doch entschieden zu leicht befunden. Jetzt war das Gespräch aber einmal abgerissen und nicht gut wieder anzuknüpfen, denn Angesichts einer Badewanne lassen sich Herzensangelegenheiten nicht erörtern, wenigstens widerstrebt das meinem Zartgefühl. Die schöne Konjunktur war richtig verpaßt; ich kann doch nicht wieder krank werden, um den Doktor bei uns zu sehen, und von alleine kommt er nicht. Nun, ich rechnete noch auf den Zuhauseweg.

Der Doktor sah auf die Uhr und sagte, es sei gerade Zeit, die Weinstube aufzusuchen, wo wir mit meinem Mann und Onkel Fritz zusammentreffen wollten, und so gingen wir denn. Der Badewanne warf ich aber noch einen Abschiedsblick zu, von dem sie eine Beule hätte bekommen müssen, wenn sie einigermaßen unsolide gearbeitet gewesen wäre. Diese Wanne ist gewissermaßen das Grab von dem Glück meiner Ältesten.

Wir mußten nun die Abtheilung der Spirituosen passiren, wo die Aussteller uns auf das Dringendste zum Gratisprobiren einluden, und wirklich verleitete und der Doktor, einen kleinen Damenliqueur zu nehmen. Grad' als ich mich lobend über diese Annehmlichkeiten aussprechen wollte, sehe ich meinen Karl, wie er sich einschenken läßt und verschiedene Arten von Branntwein probirt. Ich gehe auf ihn zu. »Karl,« sagte ich, »heißt das auf uns warten?« – »Na ob,« sagte er und lachte, »das Moabiter ist noch das beste.« – »Du warst wieder dort?« – »Gewiß mein Engel!« sagte er und kniff mir in die Backe! – »Karl,« rief ich strenge, »Du hast zu viel durcheinander getrunken!« – »Noch immer nicht genug!« antwortete er vergnügt. – »Wo ist Onkel Fritz?« – »Der ist ein Schwachmatikus, der wollte nicht mal an den Liqueur heran; der kann sich meinetwegen abmalen lassen.«

»Doktor,« sagte ich, »nehmen Sie meinen Mann unter den Arm, damit die Kinder nichts merken, er hat nun einmal einen schwachen Magen.« – »Das ist ja nur äußerlich,« sagte der Doktor und faßte meinen Karl unter und zog ihn fort.

Es war durchaus liebensürdig vom Doktor, daß er sich so viel Mühe mit meinem Karl gab und seine Aufmerksamkeit auf die Ausstellungsgegenstände lenkte, obgleich Karl immer wieder nach dem Liqueur wollte, weil er noch nicht alle Sorten gekostet hätte. Der Doktor hielt ihn aber fest und da wir gerade in der chirurgischen Abtheilung waren, die unmittelbar beim Liqueur lag, so erklärte er ihm, wozu alle die Messer und Sägen gebraucht würden, die Kehlkopfpinsel und Sonden und zeigte ihm die künstlichen Beine und Arme. »Wie viel Elend giebt es doch in der Welt,« sagte mein Karl, »die unglücklichen Menschen! O, Kinder, dankt Eurem Schöpfer, daß Ihr gesunde Gliedmaßen habt. O, die arme leidende Menschheit und so viel Elend.« Weiter konnte er nicht reden, denn in diesem Augenblicke spielte Jemand nebenan auf der Orgel »Das ist der Tag des Herrn!« Nun war es alle. Die Rührung überkam meinen Karl so stark, daß er laut zu schluchzen anfing und immer dazwischen rief: »Kinder, dankt Eurem Schöpfer; ja, das müssen wir Alle.« Und so knickte er auf einen Stuhl und weinte bitterlich.

Als die Kinder dies hörten und sahen, ward ihnen angst und bange. »O Gott, was fehlt Papa?« schrie Emmi. »O Papa, mein guter Papa,« rief Betti. Die Leute liefen bereits zusammen und bildeten einen Kreis, und unter diesen Leuten – ich denke der Himmel soll einbrechen – waren die Bergfeldten und Auguste mit ihrem mageren Lulatsch von Studenten. – »Kinder,« rief ich, »stellt Euch vor Vatern, dies ist kein Anblick für Menschen ohne Gemüth und Bildung!«

»Ich bitte Sie, meine Herrschaften, zerstreuen Sie sich,« sagte der Doktor, »der Herr ist von der großen Hitze ein wenig unwohl geworden; er wird sich bald wieder erholen.« Die Leute gingen nun auch, nur die Bergfeldten blieb noch stehen. »Hitze?« rief sie ungläubig, »wird wohl nichts Ordentliches zu essen bekommen haben, denn wenn die Frau schriftstellert, muß der Mann natürlich darben. Kommt, Auguste und Franz, wir haben heute Abend junges Huhn und Stangenspargel.« – Ich war sprachlos. Bergfeldtens und Spargel! Lieber Gott, am ersten Pfingsttag vielleicht ein paar grünköpfige in der Suppe, aber sonst doch nicht! Spargel?! Den großen Klumpen Cyankali, den wir vorher bewundert hatten, weil man so viele Menschen damit vergiften kann, als im Berliner und Charlottenburger Adreßbuch zusammen stehen, Rixdorf eingerechnet, hätte ich ihr in den Hals stopfen mögen, bis sie daran erstickte. Dabei spielte die Orgel immer zu und mein Karl jammerte über das Elend der leidenden Menschheit. – –

Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, fuhr ich mit ihm nach Hause; die Kinder blieben noch mit dem Doktor zum Konzert. Erst wollte ich sein Anerbieten, Ritterdienste bei meinen Beiden zu thun, nicht annehmen, aber ich gab zuletzt nach, zumal es mir vorkam, als wenn der Doktor mir mit dem Auge vielsagend zuplinkerte.

Zu Hause nahm ich meinen Karl heftig ins Gebet und er wurde auch ganz zerknirscht. »Geliebte Wilhelmine, ich rühre nie wieder einen Liqueur an.« – »Und läßt Dich von Fritz nicht wieder zum vielen Biertrinken verführen?« – »Nein.«- »Und kokettirst nicht wieder mit der bairischen Kellnerin?« – »Aber Minchen.« – »Überhaupt mit keiner Kellnerin?« – »Ich bitte Dich!« – »Und gehst auf die Polizei und verklagst die Bergfeldten wegen gröblicher Injurien?« – »Alles, Minchen, aber nur das nicht!« – »Du läßt Deine Dir angetraute Gattin von dieser Klapperschlange beleidigen?« – »Ich kann und darf sie nicht verklagen!« – »Hier liegt etwas vor. Karl, gestehe, oder Du setzest mein Glück und das Deiner Kinder aufs Spiel. Was weiß die Bergfeldten von Dir?«

Als ich ihn mürbe genug hatte, beichtete er. In ganz früheren Jahren hatte er einmal mit Bergfeldt, als sie noch ledig und jugendlich überwallend waren, Geburtstag gefeiert und dann Nachts mit einem Nachtwächter krakehlt, der sie alle Beide auf die Wache brachte, wo sie leider, weil es am Sonnabend spät gewesen war, bis zum Montag verweilen mußten. Dies wußte die Bergfeldten, und hiermit glaubte sie Unfrieden stiften zu können. »Das hat nichts auf sich, Karl,« sagte ich, »denn es gehört doch gewissermaßen Muth dazu, mit einem Nachtwächter anzufangen, und Muth hast Du immer gehabt. Nur das viele Durcheinander kannst Du nicht vertragen!« Er versprach, von nun an vorsichtig zu sein, und so wie ich ihn kenne, wird er auch Wort halten.

Ich machte ihm nun eine gute Tasse Kaffee und nahm mir vor, nicht nur Alles zu vergessen, sondern recht liebevoll gegen ihn zu sein, denn er war doch nur der unschuldig Verleitete. Er lobte den Kaffee auch sehr und meinte, daß er ihm gut thun werde, denn er sei wirklich etwas leidend. Als ich hierauf mitleidsvoll zu ihm trat und sein Dulderhaupt sanft streicheln wollte, duckte er sich rasch, als wenn er sich vor mir fürchtete. »Karl,« rief ich, »traust Du mir so etwas zu? Glaubst Du, ich könnte meine Hand gegen Dich erheben?« – »Es sah beinahe so aus,« antwortete er. »Nimms nicht übel, Minchen, meine Nerven haben etwas gelitten.« – »Von dem Bier und dem Liqueur,« rief ich. – »Schon möglich!« entgegnete er, »aber thu mir den Gefallen und sprich nicht so viel mehr, es greift mich an.« –

Die Kinder kamen erst zurück, als mein Karl schon im Bette lag, das er diesmal früher aufsuchte, als sonst gewöhnlich.

»Nun?« fragte ich, »habt Ihr Euch noch gut amüsirt?« – »Ja,« sagte Emmi, »und der Doktor plinkerte immer so mit dem einen Auge.«

»That er das wirklich, Betti, mein Herzenskind?«

»Ja, Mama, den ganzen Abend.«

»Und was sagte er?« fragte ich gespannt.

»Er sagte, er würde wohl ein Gerstenkorn bekommen,« rief Emmi, »er hätte es schon am Nachmittage gespürt.«

»Nun ja,« sagte ich, »das muß er als Doktor am besten wissen.« – Hinterher erfuhr ich noch, daß es natürlich Onkel Fritz gewesen ist, der die Orgel spielte. Ich habe ihn darüber aber nicht schlecht zur Rede gestellt.


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