Carl Spitteler
Lachende Wahrheiten
Carl Spitteler

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Fremdname und Orthographie

Wenn ich im Italienischen Kokodril statt Krokodil, Politeama statt Polytheama als Regel zurecht bestehen sehe, wenn ich Anfitheater für Amphitheater sprechen höre, so überkommt mich eine barbarische, aber innige Seligkeit. Da ist nun ein Volk, das systematisch alle griechischen th und ph, deren Vernachlässigung uns in der Schule wie eine Todsünde gegen den heiligen Geist der Kultur dargestellt wurde, einfach in t und f vereinfacht. Und dieses Volk ist dasselbe, welches uns den Geist der antiken Kultur wiedergeschenkt hat. Es scheint also, daß die pünktliche Nachschreibung griechischer Namen und griechischer Geist doch etwas weiter voneinander entfernt ist, als unsere humanistische Scholarchie aus dritter Hand meint. Die Fehler einer Generation werden zu Regeln für die Nachkommen: wir strafen den Gymnasialschüler, welcher »Xerxes« oder »Ahasverus« unrichtig schreibt, während diese Worte doch ihrerseits nichts anderes sind als griechische und lateinische Verballhornungen persischer Namen. In griechischem Geist handelt der, welcher sich um die Rechtsprechung und Rechtschreibung fremder Namen einen Kuckuck kümmert.

Es stände besser um unsere deutsche Sprache, wenn sie wieder wie ehedem und wie das Italienische von heute den Mut und die Kraft besäße, unbekümmert um die Gelehrtheit, die Fremdwörter barbarisch, aber mundgerecht zurechtzustutzen. Schreibe ich dagegen »Bacchus« und »Sappho«, nachdem die deutsche Sprache schon glücklich über diese alphabetischen Ungeheuer weggeschritten, so mache ich mich einfach des Dünkels schuldig. »Seht es und hört es, ihr Völker, ich weiß, daß im Griechischen noch ein k vor dem ch und ein p vor dem ph gestanden hat.« Eine wichtige Weisheit! und eine feine Überlegenheit! Da tut mir die italienische »Sinfonie« in der Seele wohl, welche zwar zwei schauerliche orthographische Schnitzer enthält, aber der Welt die Instrumentalmusik geschenkt hat.


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