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12. Kapitel

Am nächsten Tage herrschte eine seltsame Regsamkeit im Kloster. Die Thore waren zwar offen und die Andacht wurde wie gewöhnlich abgehalten, aber nach der Andacht befahl man allen Fremden, das Weichbild des Klosters zu verlassen. Pater Kordezki besichtigte in Begleitung des Herrn Schwertträgers von Sieradz und des Herrn Peter Tscharniezki die Planken und Zinnen der Mauern und die Böschungen innen und außen und ordnete hier und da Verbesserungen an. Im Städtchen erhielten die Schmiede Aufträge, Lanzen, Feuerhaken und auf langen Stangen befestigte Speere, sowie Blechplatten und mit Hufnägeln gespickte Keulen und Klötze anzufertigen. Da man recht gut wußte, daß im Kloster ohnedies schon eine ganze Menge derartiger Geräte aufgespeichert waren, wurden gleich Mutmaßungen laut, daß das Kloster einen Ueberfall erwarte. Diese Vermutungen gewannen immer mehr Raum durch verschiedene andere Anordnungen.

Gegen Abend waren schon gegen zweihundert Menschen um die Mauern beschäftigt. Noch vor der Belagerung Krakaus hatte der Herr Kastellan von Krakau, Warschyzki, zwölf schwere Geschütze dem Kloster geschickt. Diese Geschütze wurden auf neue Lafetten gebracht und an entsprechenden Stellen aufgestellt. Man trug Kugeln herbei, stellte dieselben neben den Geschützen auf, Pulverfässer wurden herbeigerollt, ganze Bündel Musketen auseinander genommen und unter die Besatzung verteilt. Auf den Türmen und den Eckbastionen wurden Wachen ausgestellt, welche Tag und Nacht abgelöst wurden; außerdem entsandte man Kundschafter nach Prschystajnia, Klobuzk, Krschepitz, Kruschyn und Mstow. Und um nichts zu versäumen, wurden die Vorräte im Kloster durch reichliche Zufuhr aus Tschenstochowka und anderen dem Kloster zugehörenden Ortschaften vermehrt.

Die Bürger und Bauern liefen zusammen, niemand wollte glauben, daß irgend ein Feind einen Angriff auf den heiligen Berg wagen werde, sondern nur das Städtchen gemeint sei, aber wie wenn man einen Stock in einen Ameisenhaufen stößt, das beunruhigte Völkchen aus demselben herausströmt, auseinanderläuft und wieder sich sammelt, so rannten die Menschen im Städtchen und den Dörfern umher.

Gegen Abend waren die Klostermauern von einer Menge Bürger und Bauern mit ihren Weibern und Kindern belagert. Der Pater Prior ging hinaus zu ihnen und frug, sich durch das Gedränge zwängend: »Was wollt ihr hier, Leute?«

»Wir wollen zur Besatzung des Klosters hierbleiben,« sagten die Männer. »Wir wollen zum letztenmal die heilige Jungfrau sehen,« flehten weinend die Weiber.

Pater Kordezki trat auf einen Mauervorsprung und sprach:

»Beruhigt euch und laßt Trost in eure Herzen einziehen. Wir wissen ja noch gar nicht, ob der Feind wirklich kommen wird; aber wenn er kommt, dann wollen wir eingedenk sein des Wortes: ›Die Pforten der Hölle werden die Macht des Himmels nicht überwältigen!‹ Nicht zum letztenmal werdet ihr eure Patronin sehen, nicht ich, sondern der Geist Gottes spricht zu euch: ›Tröstet euch, befestigt euren Glauben,‹ die Schweden werden nicht in diese Mauern eindringen, denn das Licht der Gnade strömt von ihnen aus, und wie die heutige Nacht der ewig strahlenden Sonne morgen früh weichen muß, so wird auch das Licht der Gnade nichts von seinem Glanze einbüßen.«

Die Sonne war im Sinken; Dämmerung lagerte schon über der Erde, nur die Kirche strahlte noch im Abglanz der Abendröte. Das kleine Abendglöckchen läutete den Abend ein. Die Menschen knieten nieder und der Pater Prior intonierte den » Angelus hymnus«, in welchen das Volk und alle auf den Mauern befindlichen Männer mit einstimmten. Wie tiefer Orgelklang zog der Gesang, vermischt mit dem Getön der inzwischen nacheinander einfallenden Glocken, hinunter nach allen vier Himmelsgegenden.

Man sang bis tief in die Nacht. Ehe die Menge auseinanderging, sagte der Pater Prior:

»Wer von den Männern schon als Soldat gedient hat, mit Waffen umzugehen versteht und sich mutig genug dazu fühlt, der komme morgen in das Kloster.«

Da meldeten sich gleich eine Menge Stimmen an, worauf der Pater Prior ihnen seinen Segen erteilte und sie entließ. Die Nacht verfloß ungestört, am anderen Tage aber setzte man die begonnenen Verteidigungsarbeiten fort, indem man die sogenannten »Durchgänge«, d. h. schmale Oeffnungen in den Mauern, welche sich gut zu Ausfällen eigneten, zweckmäßig befestigte. Auch erhielten die Krämer die Weisung, ihre Waren im Kloster zu bergen. Gegen Mittag kehrten die Leute zurück, welche man auf Kundschaft in die Umgegend ausgeschickt hatte; sie brachten die Nachricht mit, daß von den Schweden nichts zu sehen und zu hören war, außer einer kleinen Besatzung in Krschepitz. Trotzdem hörte man nicht auf, weiter zu arbeiten. Es wurden auf Befehl des Pater Prior Uebungen mit denjenigen Leuten veranstaltet, die schon früher gedient hatten, und diese Truppe dem Kommando des Herrn Sigmund Moschinski unterstellt, welchem die Bewachung der nördlichen Bastion übertragen war, während Herr Samojski den ganzen Tag Anweisungen erteilte, was jedem zu thun oblag.

Nachdem Kmiziz gebeichtet hatte, war ihm so selig zu Mute, als wäre eine schwere Last von ihm genommen, unter deren Bürde er fast zusammengebrochen war. Der Pater Prior hatte ihm schwere Buße auferlegt. Alle Tage blutete sein Rücken unter den Geißelhieben Sorokas; das Schwerste aber war, daß er sich in der Demut üben mußte, die er gar nicht besaß. Im Gegenteil – er prahlte gern. – Zuletzt sollte er seine Besserung durch Ausübung guter Thaten beweisen; das war das Leichteste für ihn, denn er begehrte nichts so sehr, als ein frisches, frohes Handeln.

Froh und heiter gelaunt, schritt er auf den Mauern umher und beobachtete und sorgte dafür, daß alles richtig ausgeführt wurde. Mit dem Auge des Kenners erkannte er, daß alle Verteidigungsmaßregeln von Männern ausgeführt wurden, die ihre Sache verstanden. Er bewunderte die Ruhe des Paters Kordezki, für welchen er eine tiefe Verehrung gefaßt hatte, er bewunderte auch die Ausdauer des Herrn Schwertträgers von Sieradz und zeigte selbst dem Herrn Peter ein freundliches Gesicht, obgleich er ergrimmt auf ihn war.

Herr Peter aber beobachtete ihn mit mißtrauischer Strenge, und als er ihn am zweiten Tage nach der Rückkehr der Kundschafter an der Mauer traf, redete er ihn an:

»Nun, Herr Kavalier! man sieht die Schweden noch immer nicht und eure Reputation scheint zum Teufel zu gehen.«

»Meine Reputation würde weit eher zum Teufel gehen, wenn dem Kloster durch einen unvorhergesehenen Ueberfall irgend ein Schaden entstände!« antwortete Kmiziz.

»Es wäre euch doch lieber, wenn ihr kein Schwedenpulver zu riechen brauchtet: man kennt solche Ritter, welche statt des Rindleders Hasenfell als Stiefelsohlen haben.«

Kmiziz senkte die Augenlider.

»Wenn ihr doch das Streiten lassen wolltet,« sagte er. »Was schulde ich euch noch? Ich vergaß die mir zugefügte Beleidigung, vergeht auch ihr die eure.«

»Ihr nanntet mich ein Edelmännchen,« sagte Herr Peter barsch. »Sprecht, was seid ihr? ... Sind die Babinitsch denn mehr wert, als die Tscharniezkis? ... Ist euer Herkommen so hoch?«

»Mein Herr,« antwortete Kmiziz fröhlich. »Wäre mir vom Pater Prior die Uebung der Demut nicht in der Beichte anbefohlen worden, wären nicht die Geißel hiebe, die täglich für frühere Sünden meinen Rücken zerfleischen, so würde ich euch noch mit einem anderen Namen belegen. Ich will aber nicht rückfällig werden. Wer Besseres leisten kann, ob die Babinitsch oder Tscharniezki, das wird sich zeigen, wenn die Schweden kommen.«

»Zu welcher Charge hofft ihr zu gelangen? ... Glaubt ihr, daß man euch ein Kommando geben wird?«

Kmiziz wurde ernst.

»Erst habt ihr mich beschuldigt, daß ich um Lohn handle, nun redet ihr wieder von Chargen. Wisset, daß ich nicht hierher gekommen bin, um Gold und Ehren willen, die hätte ich anderswo besser erlangen können. Ein gewöhnlicher Soldat will ich sein, sei es auch unter eurem Kommando.«

»Warum sagt ihr: »sei es auch unter eurem?«

»Weil ihr mich nicht leiden mögt und mich quälen werdet.«

»Hm! Allerdings! Es ist schön von euch, daß ihr ein gewöhnlicher Soldat bleiben wollt, obgleich man euch anmerkt, daß ihr zu Besserem geschaffen seid und die Demut nicht zu euren Haupttugenden gehört. Möchtet ihr euch gerne schlagen?«

»Das sollt ihr sehen, wenn die Schweden da sind, wie ich schon sagte.«

»Bah! und wenn sie gar nicht kommen?«

»Dann, wißt ihr, werden wir sie suchen gehen!« sagte Kmiziz.

»Das ist wahr! So gefallt ihr mir!« rief Herr Peter Tscharniezki, »Schlesien ist nicht weit, wir würden bald eine ansehnliche Partei bei einander haben.«

»Und andere würden unserem Beispiel folgen!« sprach Kmiziz begeistert. »Auch ich habe eine Hand voll Leute; die solltet ihr bei der Arbeit sehen! ...«

Die beiden Männer lagen sich plötzlich – sie wußten selbst nicht, wie es gekommen, in den Armen.

In diesem Augenblick kam der Pater Prior vorüber, und als er sah, was geschah, segnete er die Beiden. Sie aber erzählten ihm, was sie eben besprochen hatten.

Pater Kordezki lächelte still; im Weiterschreiten sagte er für sich:

Der Kranke beginnt zu genesen.

Bis zum Abend waren die Befestigungsarbeiten beendet. Obgleich durch seine Lage und durch Mauern stark befestigt, gehörte Tschenstochau doch zu den schwächsten und kleinsten Vesten der Republik; es gab manch einen, welcher der Meinung war, daß sie einen Ansturm nicht aushalten werde. Als Pater Kordezki das hörte, entließ er die Zaghaften, damit sie mit ihrer Furcht nicht noch andere entmutigten.

An demselben Tage abends kam der alte Kiemlitsch mit seinen Söhnen zu Kmiziz, mit der Bitte, sie aus seinem Dienst zu entlassen.

Herr Andreas wurde sehr zornig.

»Hunde!« rief er. »Also freiwillig entsagt ihr dem Glück, das Heiligtum der allerheiligsten Jungfrau verteidigen zu dürfen? Gut denn! Die Bezahlung für die Pferde habt ihr, euren Dienstlohn sollt ihr gleich bekommen!«

Damit langte er in die Tasche seines Oberrocks, zog eine Geldkatze hervor und dieselbe auf den Boden werfend, rief er:

»Da ist euer Sold! Ihr wollt jenseits der Mauern auf Raub ausgehen, wollt lieber Mörder werden, als dieses Heiligtum verteidigen?! ... Fort aus meinen Augen! Ihr seid nicht würdig, hier zu verweilen! ...«

»Nein, wir sind nicht würdig, die Herrlichkeiten des heiligen Berges zu schauen!« sprach der alte Kiemlitsch. »Pforte des Himmels! Morgenstern! Zuflucht der Sünder! Wir sind nicht würdig!«

Bei diesen Worten neigte er sich tief, so tief, daß er mit dem Kopfe fast an den Boden stieß; dabei streckte er die dürre, räuberische Hand nach der Geldkatze aus und nahm sie vom Boden auf.

»Aber hinter den Mauern,« sagte er, »draußen werden wir nicht aufhören ... Ew. Liebden zu dienen ... Wir werden vor Gefahren warnen ... kommen, wo wir nötig sind ... thun, was wir thun müssen ... Ew. Liebden werden außerhalb der Mauern stets bereite Diener finden ...«

»Fort!« wiederholte Herr Andreas.

Sie gingen unter fortwährenden Bücklingen hinaus, denn die Angst vor dem Zorn des Herrn hatte sie gepeinigt. Nun waren sie glücklich, daß alles so geendet. Noch vor dem Einbruch der Nacht verließen sie das Kloster.

Die Nacht wurde finster und nebelig. Es war der achte November. Der Winter kam früh; denn mit den fallenden Regentropfen fielen gleichzeitig die ersten Schneeflocken. Die Stille wurde nur durch die Rufe der Wachen unterbrochen – ab und zu tauchte das weiße Habit des Priors in der Dunkelheit auf. Kmiziz schlief nicht; er befand sich auf der Mauer beim Herrn Peter, mit welchen er von vergangenen Feldzügen plauderte. Kmiziz erzählte von dem Verlauf der Schlachten mit Chowanski, indem er verheimlichte, welchen Anteil er selbst daran genommen, und Herr Tscharniezki berichtete von dem Zusammentreffen mit den Schweden bei Prinborn, Scharnowiez und in der Krakauer Gegend, wobei er etwas prahlerisch sagte:

»Jeden Schweden, welchen es mir gelang niederzuschlagen, habe ich durch einen Knoten in meinen Säbelschnuren angezeichnet. Sechs solcher Knoten habe ich schon, darum rückt mein Säbel immer höher hinaus unter den Arm: aber ich werde sie nicht aufknüpfen, sondern in jeden Knoten einen Türkis einsetzen lassen und dann die Schnure zum Andenken aufhängen. Habt ihr schon einen Schweden auf dem Gewissen?«

»Nein!« antwortete Kmiziz. »Unweit Sochatschewo ...«

Hier unterbrach er sich, um aufmerksam hinauszuhorchen.

»Sie kommen!« rief er plötzlich.

»Wie? Was sagt ihr?«

»Ich höre Reiter nahen.«

»Es ist doch der Wind und das Aufklatschen des Regens.«

»Bei den Wunden Christi, nein!« wiederholte Kmiziz. »Sie kommen! Es ist nicht der Wind, es sind Reiter! Mein Ohr ist sehr geübt – eine große Anzahl Reiter – und schon ganz nahe! Rata! Rata!«

Der Ruf Kmiziz's weckte die in der Nähe eingeschlummerten, steif gewordenen Wachtposten. Doch noch ehe sie ganz zu sich gekommen waren, ertönte von unten herauf der langgezogene Ton der schwedischen Kriegsdrommete. Alle, die auf den Mauern sich befanden, sprangen auf. Die Patres, Soldaten, Edelleute kamen auf den Klosterhof gerannt; man warf Lunten in die zu diesem Zweck bereit gehaltenen Pechtonnen und zog dieselben dann an Ketten mittels Kurbeln in die Höhe. Die Glöckner waren auf den Glockenstuhl geeilt; bald läuteten alle Glocken, große und kleine, wie zu einer Feuersbrunst.

Die Trompeten unten bliesen noch eine Zeit lang fort; endlich löste sich einer der Trompeter aus der Reihe und kam, mit einem weißen Tuche wehend, an das Thor.

»Im Namen Sr. Majestät des Königs von Schweden, der Goten und Vandalen,« rief der Trompeter. »Im Namen des Großherzogs von Finnland, Esthland, Karelien, Bremen, Stettin, Pommern und Kassubien, des Fürsten von Rügen, des Herrn von Wismar, Ingermanland und Bayern, des Grafen von Jülich, Klewe und Berg ... Oeffnet!«

»Laßt ihn ein!« befahl der Pater Kordezki.

Man öffnete aber nur die Pforte im Thore. Der Reiter zauderte ein wenig, endlich stieg er vom Pferde, schritt durch die Pforte in den Umkreis der Mauer, und als er die kleine Versammlung der Klosterväter erblickte, frug er:

»Wer von euch ist der Prior des Klosters?«

»Ich bin es!« sagte Pater Kordezki, indem er etwas vortrat.

Der Reiter übergab ihm ein mit großen Siegeln versehenes Schreiben mit den Worten:

»Der Herr Graf wartet bei der Kirche der heiligen Barbara auf Antwort.«

Pater Kordezki berief sofort die Mönche und Edelleute zur Beratung in das Definitorium. Unterwegs sagte Herr Tscharniezki zu Kmiziz: »Ihr kommt doch mit?«

»Nur der Neugier wegen,« antwortete Herr Andreas; »eigentlich habe ich dort nichts zu suchen, denn ich will nicht blos mit dem Munde der heiligen Jungfrau dienen.«

Nachdem im Definitorium alle Platz genommen hatten, erbrach der Pater Prior die Siegel und las wie folgt:

»Es ist euch, ehrwürdige Brüder, genugsam bekannt, wie ich mit wohlmeinender Gesinnung und treuem Herzen immer diesem heiligen Orte und eurem ehrwürdigen Orden zugethan bin. Ebenso muß euch die Ausdauer bekannt sein, mit der ich meinen Schutz über euch ausübte und euch mit Wohlthaten überschüttete. In Anbetracht dieser vorgemerkten Umstände ist es mein ernstes Verlangen, euch überzeugt zu halten, daß dieses mein Wohlwollen und meine Zuneigung auch heute noch euch gehört. Nicht als Feind, sondern als Freund erscheine ich hier, indem ich euch auffordere: Stellt euer Kloster furchtlos unter meinen Schutz, wie die Zeitläufe und die Umstände das verlangen. Auf diese Weise allein könnt ihr Sicherheit und Ruhe finden, nach der ihr so großes Verlangen traget. Ich verspreche euch feierlich, das Heiligtum unangetastet zu lassen. Eure Güter sollen auch nicht verwüstet werden; die Kosten der Unterhaltung will ich tragen und euer Hab und Gut vermehren. Ueberlegt also, was ihr gewinnt, indem ihr mich befriedigt und mir euer Kloster anvertraut. Bedenkt auch, welch großes Unglück eurer wartet, wenn der strenge General Miller von euch Einlaß begehren wird, dessen Willen ihr werdet unterliegen müssen, und welche Reue über euch kommen wird, meinen Wunsch nicht erfüllt zu haben!«

Das Gedenken der von Wrestschowitsch genossenen Wohlthaten erschütterte die Mönche stark. Manche von ihnen vertrauten seiner Versicherung und wollten in derselben die Abwendung künftigen Unglücks erblicken. Aber keiner wollte vor dem Prior das Wort ergreifen.

Pater Kordezki schwieg eine Weile, dann sprach er:

»Ob wohl ein wahrhafter Freund mitten in der Nacht mit Tausenden feindlicher Krieger vor das Kloster kommen und mit den Tönen der Kriegsdrommete seine Bewohner aus dem Schlafe wecken würde? Das wollen wir uns fragen. Ich sage: ›nein!‹ Was soll das ganze Heer hier anderes, als uns drohen und mit Gewalt die Thore öffnen, wenn wir es freiwillig nicht thun? Brüder, wir besitzen den Schutzbrief des Königs, einen anderen Schutz brauchen wir nicht. Das ist meine Meinung; betet, daß der heilige Geist euch erleuchte und sprecht, was denkt ihr?«

Tiefe Stille trat ein. Da erhob Kmiziz seine Stimme:

»Ich hörte in Kruschyn,« sagte er, »wie Lisola frug: ›Aber die Schatzkammer wollt ihr dort ein wenig durchstöbern?‹ worauf Wrestschowitsch entgegnete: ›Die Mutter Gottes braucht die Thaler in des Priors Geldkasten nicht.‹ Heute schreibt dieser selbige Wrestschowitsch, daß er die Unterhaltungskosten tragen und das Klostergut vermehren will?«

Da sprach Pater Mielezki, einer der Aeltesten der Versammlung: »Ich traue den Lügnern nicht!«

»Ohne den Pater Provinzial, dem wir Gehorsam schulden, dürfen wir keinen Beschluß fassen!« warf der Pater Dobrosch ein.

Und Pater Tomizki setzte hinzu:

»Es ist nicht unsere Sache, Krieg zu führen. Hören wir doch, was die Ritter sagen, welche sich in den Schutz unseres Klosters geflüchtet haben.«

Aller Augen richteten sich auf den Herrn Samojski als den Aeltesten der Ritterschaft. Er stand auf und sagte:

»Welchen Rat sollen wir, die Gäste, unseren Wirten geben, ehrwürdige Väter? Erwägt die Zahl der Feinde und stellt sie den Verteidigungsmitteln gegenüber, die uns zu Gebote stehen. Es ist besser im Kampfe um das Heiligtum zu sterben, als zusehen zu müssen, wie kirchenschänderische Hände es entweihen, und die Mutter des ewigen Gottes wird uns schützen und uns zu Hilfe kommen, wenn wir, ihre frommen Diener, in gerechtem Zorn gegen die Uebelthäter ihr Heiligtum verteidigen! ...«

Hier schwieg der Herr Schwertträger; die anderen dachten über seine Worte nach und erquickten sich an dem Inhalt derselben. Kmiziz aber, welcher schneller handelte als dachte, näherte sich dem Ritter schnell und zog dessen Hand an seine Lippen. In diesem Augenblick ertönte wie in prophetischer Ahnung der Dinge, die da kommen sollten, die Stimme der alten Klosterbettlerin Konstanzia unter dem Fenster des Refektoriums, welche das folgende Lied sang:

Umsonst drohst du, o schrecklicher Hussite!
Und wenn der Teufel selber mit dir stritte
Und wolltest du mit Schwert und Feuer uns bekriegen,
              Du wirst nicht siegen.

Und sendetest du tausend Kriegerhorden
Und abertausend Schwerter, uns zu morden;
Wir fürchten weder Feuer, Schwert noch Blut,
              Wir stehn in Gottes Hut!

»Da hätten wir das, was wir thun sollen,« sagte Pater Kordezki. »Gott offenbart es uns durch den Mund der Bettlerin. Laßt uns das Kloster verteidigen, Brüder!«

»Wir wollen mit Freuden unser Leben opfern!« rief Peter Tscharniezki.

»Trauen wir dem Wrestschowitsch nicht!« riefen andere Stimmen, indem sie die Opponenten nicht zu Worte kommen ließen.

Man beschloß nun, eine Deputation an Wrestschowitsch zu schicken, mit der Bitte, von der Uebernahme des Klosters abzustehen, oder wenigstens solange damit zu warten, bis die Erlaubnis zur Uebergabe vom Pater Provinzial, der sich augenblicklich in Schlesien befand, eingeholt worden sei.

Nach Verlauf einer halben Stunde kehrte die Deputation zurück. Die beiden Klosterväter waren ganz betrübt; ihre Köpfe waren tief auf die Brust gesenkt. Schweigend übergaben sie dem Pater Prior ein Papier, auf welchem acht Kapitulationsparagraphen verzeichnet waren.

Nachdem derselbe sie vorgelesen, blickte er eine Weile forschend in die Gesichter der Anwesenden, dann sprach er ernst und feierlich:

»Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes!«

»Im Namen der allerheiligsten Gottesgebärerin! Auf die Mauern, liebe Brüder!«

»Auf die Mauern! Auf die Mauern!« rief es, wie aus einem Munde im Refektorium.

Eine Weile später beleuchtete ein helles Feuer den Fuß der Klostermauern. Wrestschowitsch hatte die Baulichkeiten an der Kapelle der heiligen Barbara anzünden lassen. Das Feuer verbreitete sich schnell; die alten Häuser standen sämtlich bald in Flammen. Hohe, rote Rauchsäulen stiegen empor, durchleuchtet von den helleren Flammen, bis zuletzt mir ein Flammenmeer zu sehen war.

Beim Scheine desselben konnte man sehen, wie die Reiterabteilungen ihr Kriegshandwerk ausübten. Sie eilten hin und her, zogen das Vieh aus den Ställen, welches brüllend umherrannte, während die Schafherden, dicht zusammengedrängt, blindlings in die Flammen hineinliefen. Wer von den Klosterbrüdern dem Kriege noch nicht in das blutige Antlitz geblickt hatte, den ergriff das Grausen, als sie sahen, wie die Menschen mit den bloßen Schwertern zusammengetrieben und die Frauen an den Haaren aus den Häusern geschleppt wurden.

Kmiziz stand neben Herrn Tscharniezki, geradeüber der Kirche; sie konnten daher alles genau sehen. Er trug eine ausgezeichnete Armbrust, die er von seinem Vater geerbt, welcher dieselbe in der Schlacht bei Chozim einem Aga abgenommen hatte. Alle Augenblicke kamen ein oder mehrere Schweden bis dicht unter die Klostermauern, und da vom Kloster aus nicht geschossen wurde, stießen sie die gräßlichsten Lästerreden aus.

»Ich schieße!« rief Kmiziz. »Ich halte es nicht mehr aus.« Und schon senkte er die Armbrust, um den Pfeil abzulassen. Da fiel ihm Tscharniezki in den Arm.

»Die Lästerer wird Gott strafen,« sagte er. »Der Prior hat uns verboten, zuerst zu schießen: erst dann, wenn der erste Schuß von ihrer Seite fällt, dürfen wir unsere Waffen gebrauchen.«

Kaum war das Wort gesprochen, da hob der Reiter unten seine Muskete, zielte, und die Kugel schlug sausend, ohne jedoch die Mauer zu erreichen, in das Gestrüpp zwischen den Felsen.

»Darf ich jetzt?« frug Kmiziz.

»Ihr dürft!« antwortete Herr Tscharniezki.

Kmiziz nahm als echter Krieger ruhig die Armbrust wieder auf. Der Reiter hatte die Hand an die Stirn gelegt, um die Wirkung seines Schusses zu erspähen. Da kam es pfeifend durch die Luft, und ehe noch der Reitersmann wußte, wie ihm geschah, sank er schon von dem Pfeile Kmiziz' getroffen vom Pferde und blieb leblos liegen.

»Das war der erste!« sagte Kmiziz.

»Macht einen Knoten!« versetzte Herr Peter.

Da sprang ein zweiter Reiter herzu, um zu sehen, was dem Gefallenen geschehen; doch schon ereilte ihn sein Schicksal. Von einem zweiten Pfeile des Herrn Andreas getroffen, sank auch er neben seinem Kameraden tot nieder.

Zu derselben Zeit fiel der erste Kanonenschuß aus den kleinen Feldgeschossen, welche Wrestschowitsch mitgebracht hatte, mehr um die Mönche damit zu schrecken; denn daß er damit und nur mit seinen Reitern die Veste nicht erobern konnte, wußte er selbst sehr gut.

Die Feindseligkeiten waren also eröffnet.

Der Pater Prior kam zu dem Herrn Tscharniezki; hinter ihm schritt Pater Dobrosch, welcher auch in Friedenszeiten die Klosterartillerie unter seiner Obhut hatte, an hohen Festtagen die Vivatschüsse abfeuerte und darum bei den Brüdern als tüchtiger Kanonier galt.

Der Prior sprach den Segen über das auf der Bastion stehende Geschütz und wies den Pater an, es abzufeuern. Pater Dobrosch streifte die Aermel seines Habits empor. Er richtete den Lauf der Kanone auf eine Lücke zwischen zwei brennenden Häusern, in welcher man beim Scheine der Flammen mehrere Reiter und einen Offizier sich hin- und hertummeln sah. Er zielte lange, denn seine Reputation stand auf dem Spiele; endlich ergriff er die Lunte und hielt sie an das Zündloch.

Der Schuß donnerte; eine Rauchwolke verhüllte die Lücke. Bald darauf hatte der Wind sie zerstreut. Die Reiter waren verschwunden. Einige von ihnen lagen samt ihren Pferden am Boden, die anderen waren geflohen.

Die Mönche fingen an zu singen, die brennenden Gebäude unten stürzten unter lautem Krachen zusammen. Es wurde dunkler, aber ganze Schwärme umherstiebender Funken bezeichneten die Stelle, wo die Häuser gestanden hatten. Wieder ertönte der langgezogene Ton der Drommeten, doch entfernte er sich. Die Feuersbrunst begann zu erlöschen, es wurde finster am Fuße des Berges, von Zeit zu Zeit unterbrach das Schnaufen eines Pferdes fern und immer ferner die eintretende Stille. Wrestschowitsch zog nach Krschepitz zu ab.

Pater Kordezki kniete auf der Mauer nieder.

»O, Maria! Mutter des ewigen Gottes!« betete er mit lauter Stimme, »wirke uns aus, daß derjenige, welcher nach diesen kommt, ebenso abziehen muß, wie er.«

Während er betete, lichteten sich die Wollen, der Mond brach durch dieselben und goß sein blasses Licht über die Türme der Kirche, den betenden Prior, und den Trümmerhaufen dort unten neben der Kirche der heiligen Barbara.

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