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4. Kapitel

Mehrere Tage waren verflossen, Kmiziz kehrte nicht zurück, aber dafür kamen dreie vom Laudaischen Adel nach Wodockt auf Kundschaft zum Fräulein. Es war Pakosch Gaschtowt aus Pazunel, derselbe, welcher den Herrn Wolodyjowski bei sich bewirtete, der Patriarch der Stellen, berühmt seines Reichtums und seiner sechs Töchter wegen, von denen dreie an drei Butrymows verheiratet waren, die eine jede außer der Aussteuer und dem Inventar einhundert blanke Thaler Kranzgeld bekommen hatten. Der zweite der Angekommenen war Kassian Butrym, der älteste Mensch in ganz Lauda, der ganz gut noch des Batory sich erinnerte, und mit ihm der Schwiegersohn des Pakosch, Jozwa Butrym. Dieser, noch im besten Alter und nicht mehr als fünfzig Jahre zählend, war doch nicht zum allgemeinen Aufgebot nach Reußen gegangen, da während der Kosakenkriege eine Kanonenkugel ihm einen Fuß abgerissen hatte. Aus diesem Grunde nannte man ihn auch den Einfüßigen oder Jozwa Ohnefuß. Er war ein gefürchteter Edelmann, von Bärenstärke, großem Verstande, aber streng, bissig und die Menschen scharf beurteilend. Man fürchtete ihn daher, denn vergeben konnte er weder sich noch anderen etwas. Er wurde auch sonst gefährlich, wenn er sich betrank, aber das geschah sehr selten.

Diese drei also kamen zu dem Fräulein, welche sie artig empfing, obgleich sie sich sogleich dachte, daß sie kundschaften und von ihr etwas über Herrn Kmiziz hören wollten.

»Denn wir wollten zu ihm, um ihm unsere Ehrerbietung darzubringen, aber er soll noch nicht aus Upit zurück sein,« sagte Pakosch, »so sind wir zu dir, Liebchen, gekommen, zu fragen, wann das geschehen kann.«

»Ich denke, er muß jeden Augenblick erscheinen,« antwortete das Fräulein. »Er wird sich freuen über euch Vormünder, von ganzem Herzen freuen, denn er hat viel Gutes von euch gehört, schon früher durch den Großvater, jetzt durch mich.«

»Wenn er uns nur nicht so empfangen wollte wie die Domaschewitsch, als sie mit der Nachricht vom Tode des Hauptmanns zu ihm kamen!« brummte finster Jozwa.

Das Fräulein hörte das und entgegnete sogleich lebhaft:

»Seht nicht so schief dazu. Vielleicht hat er sie nicht artig genug aufgenommen, aber er hat seinen Irrtum hier schon eingestanden. Man muß daran denken, daß er direkt aus dem Kriege kommt, während dem er so viel Mühen und Kummer durchgemacht hat. Bei einem Soldaten darf es nicht Wunder nehmen, wenn er zu seinesgleichen auch barsch ist, denn bei ihm sind die Launen oft scharf wie eine Schwertschneide.«

Pakosch Gaschtowt, der stets mit aller Welt Frieden halten wollte, winkte mit der Hand und sagte:

»Wir wunderten uns auch nicht. Der Eber grunzt den Eber an, wenn er ihn plötzlich erblickt, weshalb sollte der Mensch den Menschen nicht anfahren. Wir werden nach dem alten Lubitsch fahren, ihn begrüßen, ihn bitten, daß er mit uns leben, in den Krieg und in die Haide ziehen möge, wie der Herr Unterkämmerer.«

»So sage uns, Liebling, hat er dir gefallen oder nicht?« frug Kassian Butrym. »Es ist unsere Pflicht, dich zu fragen.«

»Gott lohne euch eure Sorgfalt. Herr Kmiziz ist ein geachteter Kavalier, und wenn ich wirklich etwas gegen ihn hätte, so schickte es sich nicht, davon zu sprechen.«

»Aber du hast doch nichts gegen ihn, du, unsere liebste Seele?«

»Nein, nichts! Im übrigen hat hier niemand ein Recht, ihn zu verurteilen, oder, Gott behüte, Mißtrauen zu zeigen! Wir müssen lieber Gott danken!«

»Wofür im voraus danken! Wird für etwas zu danken sein, so thut man es, wenn nicht, dann nicht,« antwortete düster Jozwa, der wie jeder Smudzer vorsichtig und vorbedacht war.

»Und habt ihr von der Hochzeit gesprochen?« frug Kassian wieder.

Olenka schlug die Augen nieder:

»Herr Kmiziz will sie so bald als möglich feiern ...«

»Noch so etwas! Sollte er etwa nicht wollen?« brummte Jozwa, »er müßte ja dumm sein. Welcher Bär möchte wohl nicht den Honig aus der Klotzbeute holen? Aber wozu die Eile, ist es nicht besser, erst abzuwarten, was er für ein Mensch ist? Vater Kassian, so sprecht doch, was ihr auf der Zunge habt und schlaft nicht wie der Hase in der Furche am Mittag.«

»Ich schlafe nicht, sondern überlege, was zu sagen ist«, antwortete der Greis. »Der Herr Jesus sagte so: Wie Jakob Gott, so Gott dem Jakob! Wir wünschen ja auch dem Herrn Kmiziz nichts Böses, damit er uns wohl will, was Gott geben möge. Amen!«

»Wenn er nur nach unserem Sinne wäre!« setzte Jozwa hinzu. Das Fräulein Billewitsch runzelte ihre Falkenbrauen und sagte mit einer gewissen Würde:

»Bedenket, Herren, daß wir keinen Diener annehmen sollen; er wird der Herr hier sein, und sein Wille soll geschehen, nicht der unsrige. Er muß auch eure Vormundschaft vertreten.«

»Das bedeutet, daß wir uns hier nicht mehr einmengen sollen?« fragte Jozwa.

»Das bedeutet, daß ihr ihm Freunde sein sollt, wie er euch ein Freund sein will. Er wacht doch über sein eigenes Wohl hier und mit diesem schaltet ein jeder nach eigenem Gutdünken. Ist das nicht wahr, Vater Pakosch?«

»Heilige Wahrheit!« antwortete der Greis aus Pazunel.

Und Jozwa wandte sich wieder an den alten Butrym:

»Schlaft nicht, Vater Kassian!«

»Ich schlafe nicht, ich überlege nur.«

»So sprecht, was ihr denkt.«

»Was ich denke? Da, ich denke ... Herr Kmiziz ist einer vom hohen Adel, von vornehmem Blut, und wir sind arme Knechte! Dabei ist er ein ruhmvoller Soldat; er allein hat sich dem Feinde entgegengestellt, als alle die Hände sinken ließen. Gott gebe uns recht viele solcher. Aber seine Gefährten taugen nichts. Nachbar Pakosch, was habt ihr von den Domaschewitsch gehört? Daß es ehrlose Menschen sind, gegen welche Infamien, Proteste, Inquisitionen und Verurteilungen vorliegen. Sie sind Henkersknechte. Sie waren dem Feinde lästig, aber sie sind auch der Bürgerschaft lästig. Sie stifteten Brände, raubten und verübten Gewaltthaten, und wie ist es jetzt? Wenn sie da jemanden zusammenhauen oder niederfahren möchten, so kann das auch einem achtbaren Manne passieren, aber sie verfahren, wie es heißt, vollständig nach Tartarenmanier, und ihre Gebeine würden längst in Turmverließen faulen, wenn nicht die Protektion des Herrn Kmiziz sie schützte, der ein mächtiger Herr ist. Er liebt sie, er beschützt sie, an ihn hängen sie sich, wie im Sommer die Bremsen an die Pferde. Jetzt sind sie hierher gekommen und schon ist allen bekannt, was sie sind. Schon am ersten Abend haben sie aus Pistolen geschossen – und auf wen? Auf die Porträts der verstorbenen Billewitsche, was Herr Kmiziz nicht hätte erlauben dürfen, denn es sind seine Wohlthäter.«

Olenka bedeckte die Augen mit den Händen.

»Das kann nicht sein! Das kann nicht sein!«

»Es kann sein, denn es ist so. Die Bilder der Wohlthäter hat er zu durchlöchern erlaubt, diejenigen, mit denen er in Verwandtschaft treten sollte. Und dann zogen sie die Mägde in die Stube zu Ausschreitungen. Pfui, das ist eine Beleidigung Gottes! Das kam noch nie bei uns vor ... Am ersten Tage schon fingen sie mit Schießen und Ausschweifungen an, am ersten Tage!«

Hier ereiferte sich der alte Kassian und fing an, mit dem Stocke auf den Fußboden zu stoßen; im Gesicht Olenkas stieg dunkle Röte auf und Jozwa meldete weiter:

»Und die Soldaten des Herrn Kmiziz, welche in Upit zurückblieben, sind sie etwa besser? Wie die Offiziere, so sind die Mannschaften. Dem Herrn Sollohub wurde von Unbekannten das Vieh geraubt, man sagt, es seien die Leute des Herrn Kmiziz gewesen; die Bauern aus Mejzagol, welche Pech fuhren, wurden auf der Landstraße geschlagen. Wer war es? Auch sie. Herr Sollohub fuhr zu Herrn Hlebowitsch, sein Recht zu suchen, und jetzt ist in Upit wieder solche Gewalt geschehen! Das alles ist gegen Gottes Willen! Es war still hier wie nirgends, und jetzt muß man nachts die Büchse laden und wachen und warum? weil Herr Kmiziz mit seinen Gefährten zu uns gekommen ist.«

»Vater Jozwa! sprecht nicht so! sprecht nicht so!« rief Olenka.

»Und wie soll ich sprechen? Wenn Herr Kmiziz nicht schuld daran ist, warum hat er solche Leute, warum lebt er mit ihnen? Das gnädige Fräulein mag ihm sagen, daß er sie fortjagt oder sie dem Henker übergiebt, sonst wird nicht Ruhe hier werden. Ist das erhört, nach Bildern zu schießen und die Wollust öffentlich zu treiben? Die ganze Gegend spricht von nichts anderem!«

»Was soll ich thun?« fragte Olenka. »Vielleicht sind es böse Menschen, aber er hat doch den Krieg mit ihnen durchgemacht. Wird er sie auf meine Bitten fortjagen?«

»Wenn er sie nicht forttreibt, ist er selbst wie sie!« brummte Jozwa. Dem Fräulein kochte das Blut vor Aerger über diese Gefährten, Totschläger und Spieler.

»Uebrigens sei es so! Er muß sie fortjagen. Mag er sie oder mich wählen. Wenn das wahr ist, was ihr sagtet – und heute noch werde ich es erfahren, ob es wahr ist, so verzeihe ich ihnen das nicht, weder das Schießen, noch die Ausschweifungen. Ich bin zwar allein eine schwache Waise, sie sind ein bewaffneter Haufen, aber ich fürchte sie nicht.«

»Wir werden dir helfen.«

»Bei Gott!« sagte Olenka immer erregter, »mögen sie thun, was sie wollen, nur nicht hier in Lubitsch ... mögen sie selbst sein, wie sie wollen, das ist ihre Sache, sie stehen mit ihren Hälsen dafür ein, aber sie sollen Herrn Kmiziz nicht aufreden zu Schwelgereien ... Scham! Schande! ... ich glaubte, es seien nur ungeschlachte Soldaten, jetzt sehe ich, daß es nichtswürdige Verräter sind, welche sich selbst und ihn schänden. So ist es! Das Böse sieht ihnen aus den Augen, ich erkannte das nicht gleich, weil ich zu dumm war. Gut! ich danke euch, Väter, daß ihr mir die Augen über diese Judasseelen geöffnet habt ... ich weiß, was mir zu thun obliegt.«

»So! so! so!« sprach der alte Kassian. »Die Tugend spricht aus dir, wir wollen dir helfen.«

»Ihr aber beschuldigt den Herrn Kmiziz nicht, denn, wenn er wirklich etwas gegen die Sitte gefehlt, so ist er noch jung, und sie führen ihn in Versuchung, reden ihn auf, stacheln ihn durch ihr Beispiel zum Bösen und bringen Schande über seinen Namen. So ist es! So wahr ich lebe, das wird nicht lange dauern!«

Der Zorn gegen die Gefährten des Herrn Kmiziz griff immer mehr Platz im Herzen Olenkas, so wie der Schmerz einer frischen Wunde zunimmt. Man hatte in ihr aber auch fürchterlich die Eigenliebe, das frauenhafte Selbstbewußtsein und jenes Vertrauen verletzt, mit welchem sie ihr volles reines Gefühl dem Herrn Andreas entgegengebracht. Sie schämte sich seiner und vor sich selber, und diese Scham, dieser Zorn in ihrem Innern suchte vor allem die Schuldigen.

Die Kleinadeligen aber freuten sich, als sie die Enkelin ihres Hauptmannes so ernst und bereit zum Kriege gegen die Orschaner Raufbolde sahen.

Sie sprach mit feuersprühenden Augen weiter:

»So ist es! Sie sind die Schuldigen und müssen fort; nicht nur aus Lubitsch, sondern aus der ganzen Gegend.«

»Wir beschuldigen auch den Herrn Kmiziz nicht, unser Herzchen,« sagte der alte Kassian. »Wir wissen, daß sie ihn verführen. Wir sind nicht mit Gift und Galle gegen ihn hierher gekommen, nur mit dem Bedauern, daß er diese Schwelger bei sich hält. Es ist ja bekannt, daß die Jugend keine Tugend hat. Auch der Herr Starost Hlebowitsch war in der Jugend nicht weise, und jetzt regiert er uns alle.«

»Und was thut ein Hund?« sagte gerührten Tones der sanfte Greis aus Pazunel. »Gehst du mit dem jungen ins Feld, so wird er närrisch, anstatt hinter dem Wild herzujagen, dir zu Füßen fallen, spielen und an den Rockflügeln dich zerren.«

Olenka wollte etwas sagen, aber plötzlich brach sie in Thränen aus.

»Weine nicht,« sagte Jozwa Butrym.

»Weine nicht! weine nicht!« wiederholten die beiden Alten.

So trösteten sie das Fräulein und vermochten es doch nicht. Nach ihrer Abfahrt blieb die Sorge, die Unruhe und eine gewisse Verstimmung gegen sie und gegen Herrn Andreas bei Olenka zurück. Es schmerzte das stolze Fräulein immer tiefer, daß es notwendig war, ihn zu verteidigen, zu rechtfertigen und zu entschuldigen. Und diese Kumpane! Die kleinen Hände des Fräuleins ballten sich bei dem Gedanken an sie. Sie sah deutlich die Gesichter der Herren Kokosinski, Uhlick, Zend, Kulwiez Hippocentaurus und der übrigen vor sich und sah, was sie vorher nicht gesehen hatte, daß es schamlose Gesichter waren, auf welche Narrheit, Wollust und das Verbrechen ihre Siegel gedrückt hatten. Das ihr bisher fremde Gefühl des Hasses erwachte in ihr wie ein brennendes Feuer.

Aber in diesem inneren Zwiespalt wuchs mit jeder Minute die Verstimmung auch gegen Herrn Kmiziz.

»Scham und Schande!« flüsterte mit bleichen Lippen das Fräulein sich selbst zu. »Jeden Abend kehrte er von mir direkt zu Dienstmägden zurück ...«

Und sie fühlte sich vor sich selbst gedemütigt. Eine unerträgliche Last benahm ihr den Atem in der Brust.

Draußen dunkelte es. Fräulein Alexandra ging mit schnellen Schritten im Gemach auf und ab, in ihrem Innern gährte es noch fortwährend. Sie war keine Natur, welche ruhig Schicksalsschläge über sich ergehen ließ, ohne sich dagegen zu wehren. Ritterblut floß in den Adern dieses Mädchens. So wollte sie den Kampf mit dieser Bande böser Geister sofort aufnehmen, sofort. Was blieb ihr aber zu thun? Sie konnte nur weinen und nichts thun, als Herrn Andreas bitten, daß er diese Schandkumpane in alle vier Winde treibe. Und wenn er das nicht thun wollte? ...

»Wenn er es nicht will ...«

Und sie wagte noch gar nicht darüber nachzudenken.

Dieses Sinnen des Fräuleins unterbrach ein Bursche, welcher einen Arm voll Wachholderholz hereintrug und, nachdem er dasselbe neben dem Kamin niedergelegt, die Kohlen unter der alten Asche hervorzuscharren begann. Olenka faßte einen plötzlichen Entschluß.

»Kostek!« sagte sie, »du setzest dich gleich zu Pferde und reitest nach Lubitsch. Wenn der Herr schon zurück ist, so bitte, daß er hierherkommt; ist er noch nicht da, so mag der Vogt, der alte Znikis, zugleich mit dir aufbrechen und zu mir kommen. Aber schnell!«

Der Bursche warf ein kieniges Scheit auf die Kohlen, legte den trockenen Wachholder darauf und sprang zur Thüre.

Lichte Flammen prasselten und knisterten im Kamin. Olenka fühlte sich erleichtert.

Vielleicht wendet Gott noch alles zum Guten! dachte sie, und vielleicht war es auch so schlimm nicht, wie die Vormünder sagten ...

Nach einer Weile ging sie in die Gesindestube, um nach uraltem Brauch der Billewitsch mit der Dienerschaft zu sitzen, die Spinnerinnen zu überwachen und fromme Lieder zu singen.

Nach zwei Stunden trat der durchfrorene Kostek ein.

»Znikis ist im Flur!« sagte er. »Der Herr ist noch nicht in Lubitsch.«

Das Fräulein sprang lebhaft auf. Der Vogt verneigte sich ihr bis zu Füßen.

»Wie befindet ihr euch, erlauchte Herrin? Gott gebe gut.« Sie gingen hinüber in das Eßzimmer; Znikis blieb in der Thür stehen.

»Was hört man bei euch?« fragte das Fräulein.

Der Bauer winkte mit der Hand.

»Ah! Der Herr ist nicht da.«

»Ich weiß, daß er in Upit ist. Aber was geht im Hause vor?«

»Ach!«

»Höre Znikis, sprich dreist, es fällt dir kein Haar vom Kopfe. Man sagt, daß der Herr gut ist und nur seine Kumpane ausgelassen sind.«

»Wenn es nur das wäre, erlauchtes Fräulein, ausgelassene Menschen.«

»Sprich aufrichtig!«

»Wenn es mir, Fräulein, doch verboten ist ... ich fürchte mich ... sie haben es mir verboten.«

»Wer hat es verboten?«

»Der Herr!« ...

»So?« sagte das Fräulein.

Es entstand eine Pause. Sie ging eilig im Gemach auf und ab mit zusammengepreßten Lippen und gerunzelten Brauen – er folgte ihr mit den Augen.

Plötzlich stand sie vor ihm.

»Wohin gehörst du?«

»Zu den Billewitsch. Ich stamme aus Wodockt, nicht aus Lubitsch.«

»Du kehrst nicht mehr nach Lubitsch zurück, du bleibst hier. Jetzt befehle ich dir, alles zu erzählen, was du weißt.«

Der Bauer sank, so wie er da auf der Schwelle stand, auf die Kniee.

»Erlauchtes Fräulein, ich will auch nicht dahin zurück, dort ist das letzte Gericht angebrochen! ... Das, Fräulein, sind Mörder und Mädchenschänder, dort ist der Mensch keinen Tag, keine Stunde sicher.«

Das Fräulein drehte sich auf dem Fleck um, wie von einer Kugel getroffen. Sie wurde sehr blaß, fragte aber ruhig:

»Ist es wahr, daß sie in der Stube nach den Bildern geschossen haben?«

»Freilich haben sie geschossen, und die Mägde schleppten sie in den Gemächern umher, und alle Tage wiederholen sich diese Ausschweifungen. Im Dorfe ist Weinen und Wehklagen, auf dem Herrenhofe Sodom und Gomorrha! Die Ochsen wandern auf den Tisch, die Böcke wandern auf den Tisch ... die Menschen werden bedrückt ... den Stallknecht haben sie gestern unschuldig durchgehauen.«

»Den Stallknecht durchgehauen?«

»So war's! Aber das größte Leid geschieht den Mädchen. Sie haben deren nicht mehr genug auf dem Hofe, sondern jagen schon im Dorfe auf sie.«

Wieder entstand eine Pause. Heiße Röte stieg in dem Gesicht des Fräuleins auf und schwand nicht wieder.

»Wann erwarten sie den Herrn zurück?«

»Sie wissen es nicht, Fräulein, ich habe nur gehört, wie sie zu einander sprachen, daß morgen die ganze Kompagnie nach Upit aufbrechen müsse. Sie befahlen, die Pferde bereit zu halten und wollen hier bei dem Fräulein eintreten, um Diener und Pulver zu bitten, da es ihnen dort nötig sein könnte.«

»Sie wollen hier eintreten? ... Das ist gut. Gehe jetzt in die Küche Znikis. Du gehst nicht mehr nach Lubitsch zurück.«

»Daß euch Gott Gesundheit und Glück gebe!«

Fräulein Alexandra hatte erfahren, was sie wissen wollte, aber sie wußte nun auch, was sie zu thun hatte.

Der folgende Tag war ein Sonntag. Morgens, noch ehe die Frauen aus Wodockt in die Kirche gefahren waren, kamen die Herren Kokosinski, Uhlick, Kulwiez Hippocentaurus, Ranizki, Rekutsch und Zend an und mit ihnen das Gesinde aus Lubitsch. Bewaffnet und zu Pferde hatten die Kavaliere beschlossen, dem Herrn Kmiziz nach Upit zu Hilfe zu gehen.

Das Fräulein ging ihnen ruhig und stolz entgegen, eine völlig Andere als damals, wo sie dieselben vor einigen Tagen zum ersten Male begrüßte. Die unterwürfigen Verbeugungen erwiderte sie mit einem kaum merklichen Neigen des Kopfes; die Kavaliere aber dachten, daß die Abwesenheit des Herrn Kmiziz das Fräulein so vorsichtig machte, und merkten nichts weiter.

Sogleich trat Herr Jarosch Kokosinski vor und dreister als beim ersten Male sagte er:

»Erlauchtes Fräulein, Jägermeisters Tochter, Wohlthäterin! Wir treten auf dem Wege nach Upit hier ein, um Ew. Gnaden zu Füßen zu fallen und um Hilfe zu bitten, das heißt um Pulver, Schießgewehre und daß Ew. Gnaden den Knechten die Pferde zu besteigen befehle und mit uns zu reiten. Wir werden Upit im Sturme nehmen und den Kleinstädtern etwas zur Ader lassen.«

»Es wundert mich,« antwortete das Fräulein Billewitsch, »daß ihr Herren nach Upit geht, da ich doch selbst gehört habe, daß Herr Kmiziz euch befohlen hat, ruhig in Lubitsch zu sitzen, und ich denke, ihm kommt es zu, zu befehlen und euch, als Untergebene, zu gehorchen.«

Als die Kavaliere diese Worte hörten, sahen sie einander verwundert an. Zend schob die Lippen vor, als wollte er einen Vogelpfiff machen. Kokosinski fuhr sich mit der breiten Hand über den Kopf.

»So wahr ich lebe, gnädiges Fräulein!« sagte er, »man könnte glauben, ihr sprecht zu den Troßknechten des Herrn Kmiziz. Es ist ja wahr, daß wir zu Hause sitzen sollten, aber da der vierte Tag herangekommen ist und Andrusch noch immer nicht da ist, so sind wir zu der Ueberzeugung gekommen, daß dort vielleicht ein großer Tumult entstanden ist, bei welchem auch unsere Säbel von Nutzen sein können.«

»Herr Kmiziz ist nicht zur Schlacht geritten, sondern um seine übermütigen Soldaten zu strafen, was euch ebenso dienlich wäre, wenn ihr seinem Befehle zuwider handelt. Uebrigens könnte eure Anwesenheit dort noch viel mehr einen Tumult und Metzelei hervorrufen.«

»Es hält schwer, mit dem gnädigen Fräulein zu verhandeln. Wir bitten nur um Pulver und Leute.«

»Pulver und Leute gebe ich nicht, ihr hört es!«

»Höre ich recht?« sagte Kokosinski. »Wie, ihr gebt sie nicht? Dem Kmiziz, dem Andrusch zur Rettung wollt ihr sie nicht geben? Wollt ihr lieber, daß ihm etwas Schlimmes widerfährt?«

»Das Schlimmste, das ihn treffen könnte, wäre eure Gesellschaft.«

Ihre Augen schleuderten Blitze, sie erhob den Kopf und ging einige Schritte auf diese Totschläger zu, welche verwundert vor ihr zurückwichen.

»Verräter!« sagte sie, »ihr führt ihn wie böse Geister zur Sünde, ihr redet ihn auf! Aber ich kenne euch, eure Ausschweifungen und schamlosen Thaten schon. Die Gerechtigkeit verfolgt euch, die Menschen wenden sich ab von euch und die Schande? wen trifft sie – ihn! durch euch Geächtete und Infame!«

»He! bei Jesu Wunden! Brüder! hört ihr?« schrie Kokosinski auf. »He! was soll das heißen? Schlafen wir etwa, Brüder?«

Das Fräulein trat noch einen Schritt vor, und auf die Thür weisend rief sie:

»Fort von hier!«

Die Raufbolde wurden leichenblaß, und keiner war eines Wortes mächtig. Sie knirschten nur mit den Zähnen, die Hände zuckten nach den Säbelgriffen und die Augen blitzten zornig. Aber nach einer Weile überfiel ihre Seelen Furcht. Stand doch dieses Haus unter dem Schutze des mächtigen Kmiziz, war doch dieses verwegene Mädchen seine Braut. So unterdrückten sie den Zorn, während sie mit blitzenden Augen noch immer nach der Thür wies.

Endlich sagte Kokosinski mit vor Wut unterdrückter Stimme:

»Da man uns hier so freundlich aufnimmt, so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns von der artigen Wirtin zu verabschieden und zu gehen, indem wir für die Gastfreundschaft danken ...« Dies sagend, griff er mit ironischer Unterwürfigkeit nach der Mütze und verneigte sich fast bis zur Erde, die andern, einer nach dem andern, folgten seinem Beispiel, und sie gingen hinaus. Als die Thür sich hinter dem letzten geschlossen hatte, sank Olenka erschöpft und schweratmend auf einen Stuhl, denn sie hatte mehr Mut als Kraft, sich aufrecht zu halten.

Die Abgewiesenen aber versammelten sich vor dem Gange, Rat zu halten, doch keiner wollte zuerst sprechen.

Endlich sagte Kokosinski:

»Was nun, liebe Lämmer?«

»Was nun?«

»Ist euch das recht?«

»O, wenn Kmiziz nicht wäre! wenn Kmiziz nicht wäre!« sagte Ranizki, konvulsivisch die Hände reibend, »wir würden dem Fräulein hier mitspielen nach unserer Weise! ...«

»Geh', binde mit Kmiziz an!« pipste Rekutsch. »Stelle dich ihm!«

Das Gesicht Ranizkis war wie ein Luchsfell, ganz mit Punkten bedeckt.

»Ich stelle mich ihm und dir Raufbold, wo du willst!«

»Es ist gut!« sagte Rekutsch.

Beide langten nach den Säbeln, aber der riesige Kulwiez Hippocentaurus drängte sich zwischen sie.

»Bei dieser Faust!« sagte er, die wie ein Laib Brot groß schüttelnd, »bei dieser Faust!« wiederholte er, »dem ersten, welcher den Säbel zieht, schlage ich den Schädel ein!«

Er sah, dies sprechend, bald einen, bald den anderen an, als wollte er stumm fragen, welcher es zuerst versuchen wolle; aber die beiden, so eingeschüchtert, beruhigten sich bald.

»Kulwiez hat recht!« sagte Kokosinski. »Meine lieben Lämmer, die Eintracht ist uns jetzt mehr von Nöten als je. Ich möchte raten, so schnell als möglich zu Kmiziz zu eilen, damit sie ihn nicht eher sieht als wir und ihm uns als Teufel malt. Es ist gut, daß Keiner sie beleidigt hat, obgleich mich selbst die Hände und Zunge kitzelten. Auf zu Kmiziz! Soll sie ihn gegen uns aufbringen, so wollen wir lieber ihn gegen sie stacheln. Gebe Gott, daß er uns nicht verläßt. Man würde auf uns hier gleich eine Hetzjagd wie auf Wölfe anfangen.«

»Vorwärts!« sagte Ranizki. »Nichts werden sie uns thun. Es ist Krieg jetzt; giebt es denn nicht viele Menschen, welche ohne Obdach und Brot in der Welt umherlaufen? Wir werden uns eine Partei schaffen, liebe Gefährten, und sollten uns alle Tribunale hetzen. Gieb' die Hand, Rekutsch, ich vergebe dir!«

»Ich hätte dir die Ohren abgehauen,« pipste Rekutsch, »aber vertragen wir uns! eine gemeinschaftliche Blamage hat uns betroffen.«

»Solchen Kavalieren wie wir die Thür zu weisen,« sagte Kokosinski.

»Und mich, in welchem Senatorblut fließt, so zu beleidigen,« setzte Ranizki hinzu.

»Geachtete Menschen, von guter Familie!«

»Verdiente Soldaten!«

»Und Exilierte!«

»Unschuldige Waisen!«

»Ich habe die Stiefeln mit Lohkuchen untersohlt, aber die Füße frieren mir schon,« sagte Kulwiez. »Werden wir wie Bettler vor diesem Hause stehen? Man wird uns kein Warmbier bringen. Was sollen wir hier? Sitzen wir auf und reiten wir. Schicken wir die Diener fort, was sollen sie uns ohne Waffen, und reiten wir allein.«

»Nach Upit!«

»Zu Andrusch, unserem ehrenwerten Freunde. Ihm wollen wir unsere Not klagen.«

»Wenn wir ihn nur nicht verfehlen.«

»Zu Pferde, Gefährten! Zu Pferde!«

Sie saßen auf und ritten stampfend davon, den Zorn und die Scham verbeißend. Hinter dem Thor drehte sich Ranizki, dem die Wut noch den Hals schnürte, um und drohte mit der Faust nach dem Hofe hin.

»Ei, Blut fehlt mir, Blut!«

»Wenn sie sich nur mit Kmiziz veruneinigen möchte,« sagte Kokosinski, »wir kämen dann mit dem Feuerschwamm zurück.«

»Das kann noch kommen.«

»Gott verhelfe uns dazu,« setzte Uhlick hinzu.

»Die Heidentochter, die bissige Birkhenne.«

So erreichten sie, auf das Fräulein fluchend und schimpfend und sich gegenseitig anbrummend, den Wald. Kaum hatten sie die ersten Bäume hinter sich, als eine ungeheure Schar Krähen über ihren Häuptern kreiste. Zend fing gleich an fürchterlich zu krächzen, tausend Stimmen antworteten aus der Höhe. Die Vögel ließen sich so weit herunter, daß sogar die Pferde sich vor ihrem Flügelschlag fürchteten.

»Halte den Mund,« schrie Ranizki den Zend an. »Du wirst noch Unglück herbeikrächzen. Diese Krähenreiher krächzen über uns, wie über einem Aas ...«

Die anderen lachten aber, deshalb krächzte Zend weiter. Die Krähen kamen immer tiefer und so jagten die Kavaliere im Sturm dahin. Die Thoren! sie verstanden die böse Vorbedeutung nicht.

Hinter dem Walde sah man schon Wolmontowitsch, welchem die Kavaliere im Trabe zuritten, denn der Frost war stark und sie waren sehr durchfroren und bis Upit war es noch weit. Aber in dem Dorfe selbst mußten sie den Schritt verlangsamen, der breite Weg des Ortes war mit Menschen angefüllt, wie gewöhnlich des Sonntags. Die Butrymows und ihre Familien kamen zu Fuß und zu Schlitten vom Ablaß aus Mitrun. Die Adligen sahen sich die unbekannten Reiter an, halb erratend, wer sie seien. Die jungen Mädchen hatten schon von den Ausschweifungen in Lubitsch und von den berühmten öffentlichen Sündern, die Herr Kmiziz mitgebracht hatte, gehört; sie sahen sich dieselben um so neugieriger an. Stolz sahen sie aus, in schöner militärischer Haltung, in erbeuteten Sammetröcken und Pelzmützen aus Luchsfell auf tüchtigen Pferden. Man konnte sehen, daß sie Soldaten von Profession waren, mit finsteren, stolzen Gesichtern, die rechte Hand in die Seite gestemmt, die Köpfe aufgerichtet. Sie ritten auch niemandem aus dem Wege, in Reihe und Glied reitend, riefen sie von Zeit zu Zeit: »Aus dem Wege!« Hier und da sah wohl einer der Butryms sie scheel an, aber alle wichen aus.

»Seht einmal, ihr Herren,« sagte Kokosinski, »was es hier für schön gewachsene Männer giebt, einer beim anderen, und alle sehen bissig aus wie die Wölfe.«

»Wäre nicht dieser Wuchs und die Säbel, so könnte man sie für Bauern halten,« sagte Uhlick.

»Seht euch nur diese Säbel an; es sind reine Stahlklingen, so wahr ich Gott liebe!« bemerkte Ranizki. »Ich möchte es wohl mit einem von ihnen versuchen.«

Hier fing Herr Ranizki an mit den bloßen Händen zu fechten.

»Er so! ich so! Er so, ich so! und Schach!«

»Du kannst dir leicht das Vergnügen verschaffen,« bemerkte Rekutsch, »bei ihnen braucht es nicht viel.«

»Ich wollte es lieber mit diesen Mädchen versuchen!« sagte plötzlich Zend.

»Das sind Mädchen wie die Kerzen!« rief Rekutsch feurig aus.

»Was sagt ihr: Kerzen? Tannen sind es. Und ihre Gesichter sind alle wie mit Bleierz gemalt.«

»Bei solchem Anblick wird es schwer, auf dem Pferde auszuhalten!«

Unter diesen Reden waren sie zum Dorfe hinausgekommen und ritten wieder im Trabe. Nach einer halben Stunde Weges kamen sie an eine Schenke, Doty genannt, welche halbwegs zwischen Wolmontowitsch und Mitrun lag. Die Butryms und ihre Töchter und Frauen hielten sich auf dem Rückwege von der Kirche dort gewöhnlich eine Zeit lang zur Zeit des Frostes auf, um auszuruhen und sich zu erwärmen. So erblickten denn die Kavaliere vor der Auffahrt mehrere Schlitten mit Erbsenstroh ausgelegt und ebenso viel gesattelte Pferde.

»Trinken wir einen Branntwein, es ist kalt,« sagte Kokosinski.

»Das kann nicht schaden,« entgegneten alle im Chor.

Sie saßen ab, banden die Pferde an Säulen und gingen in die ungeheure, dunkle Schankstube. Der Klein-Adel saß auf Bänken oder stand in Gruppen vor dem Schankfaß und trank Warmbier; manche auch Krupnik, ein Getränk aus Butter, Honig, Branntwein und Gewürz gekocht. Es waren alle Butryms, große Männer, ernst und so schweigsam, daß fast kein Gespräch in der Stube zu hören war. Alle waren mit Oberröcken von eigenem Gewebe oder reußischem Tuch bekleidet, die, mit Schaffellen gefüttert, mit breiten Ledergürteln zusammengehalten waren, an denen Säbel in schwarzen eisernen Scheiden hingen. Die Einförmigkeit dieser Kleidung gab ihnen einen soldatischen Anstrich. Aber es waren zumeist alte Leute von über sechzig Jahren oder halbwüchsige bis zu zwanzig. Diese hier waren des winterlichen Ausdrusches wegen zu Hause geblieben, während die kampffähigen nach Reußen gegangen waren.

Als die Orschaner Kavaliere eintraten, machten die Butryms ihnen vor dem Schankfaß Platz und betrachteten sie. Die soldatische Montierung gefiel diesem kriegerischen Adel; mitunter ließ auch einer oder der andere ein Wort fallen: »Das sind die aus Lubitsch.«

»Ja, die Kumpane des Herrn Kmiziz.«

»Die sind es!«

»Gewiß!«

Die Kavaliere tranken Branntwein, aber der Krupnik duftete zu schön. Zuerst spürte ihn Kokosinski und ließ sich welchen geben. Sie setzten sich um den Tisch, und als man den dampfenden Grogk brachte, singen sie an zu trinken und mit zwinkernden Augen in der Stube sich um- und die Adligen sich anzusehen. Es war ziemlich düster. Die Fenster hatte der Schnee halb verschüttet und die lange niedrige Oeffnung des Kamins, in welchem ein Feuer brannte, wurde den Blicken ganz entzogen durch Gestalten, welche mit dem Rücken gegen die Stube gekehrt waren.

Als der Krupnik bereits in den Adern der Kavaliere zu kreisen begann und über den ganzen Körper eine angenehme Wärme verbreitete, wurde auch ihre Laune lebhafter, die nach dem Empfang in Wodockt herabgedrückte Stimmung hob sich und Zend fing wieder an zu krächzen, wie eine Krähe, so natürlich, daß alle Gesichter sich ihm zuwendeten.

Die Kavaliere lachten, die Adligen kamen fröhlich näher, besonders die Jungen, mit mächtigen breiten Schultern und Pausbacken. Die vor dem Kamin sitzenden Gestalten drehten sich nach der Stube zu und Rekutsch sah zuerst, daß es Frauenzimmer seien.

Zend schloß die Augen und krächzte, krächzte. Plötzlich hörte er auf und nach einer Weile hörten die Anwesenden den Ton eines vom Hunde gewürgten Hasen. Der Hase winselte in der Agonie immer leiser, schwächer, dann schrie er auf einmal verzweifelt auf und verstummte für ewig. Dafür meldete sich ein Rehbock mit mächtiger Stimme wie zur Brunftzeit.

Die Butryms standen noch verwundert, als Zend schon aufgehört hatte. Sie hofften, noch etwas zu hören, aber unterdessen sprach die Pipsstimme des Herrn Rekutsch:

»Am Kamin sitzen Mägde!«

»Ach, es ist wahr,« sagte Kokosinski, die Hand vor die Augen haltend.

»So wahr ich lebe!« wiederholte Uhlick, »es ist nur so dunkel in der Stube, daß ich es nicht sehen konnte.«

»Ich bin neugierig, was sie dort machen?«

»Vielleicht sind sie zu Tanze gekommen.«

»Wartet, ich werde fragen!« sagte Kokosinski. Und die Stimme erhebend, fragte er: »Liebe Frauen, was thut ihr dort vor dem Kamin?«

»Wir wärmen uns die Füße.«

Jetzt standen die Kavaliere auf und näherten sich dem Feuer. Vor demselben saßen auf einer langen Bank etwa zehn jüngere und ältere Frauen, die entblößten Füße auf einen Klotz vor dem Feuer gestellt. Auf der anderen Seite des Klotzes lagen die vom Schnee durchnäßten Stiefel zum Trocknen.

»Warum wärmt ihr die Füße?« fragte Kokosinski.

»Weil sie durchfroren sind.«

»Sehr schmucke Füßchen!« pipste Rekutsch, sich zu dem Klotz niederbeugend.

»Ach, schert euch fort, Herr!« sagte eines von den adeligen Mädchen.

»Ich möchte gern näher zu euch kommen, nicht fortgehen, da ich ein besseres Mittel gegen kalte Füße habe als das Feuer; dieses Mittel ist folgendes: nur lustig tanzen, so geht der Frost gleich weg.«

»Wenn tanzen, dann tanzen!« sagte Herr Uhlick. »Es bedarf weder der Fidel noch des Basses, ich spiele euch auf dem Hakenstock auf.«

Er nahm aus einer am Säbel hängenden kleinen Lederscheide das von ihm unzertrennliche Instrument, fing an zu spielen und die Kavaliere schoben sich zappelnd nach den Mädchen hin und zogen sie von der Bank. Die Mädchen sträubten sich mehr zum Schein als im Ernst, im Grunde fast gar nicht. Vielleicht hätte der Adel der Reihe nach auch Tanzlust bekommen, denn gegen einen Tanz am Sonntag nach der Messe zur Faschingszeit hätte niemand etwas einzuwenden gehabt, aber die Reputation der »Kumpane« war in Wolmontowitsch schon zu bekannt und so stand Jozwa Butrym, derselbe, welchem ein Fuß fehlte, zuerst von seinem Platze auf, und sich dem Kulwiez Hippocentaurus nähernd, faßte er ihn an die Brust, hielt ihn fest und sagte düster:

»Wenn Ew. Gnaden Lust hat zu tanzen, so versucht es mit mir.«

Kulwiez Hippocentaurus runzelte die Stirn und bewegte den Schnurrbart heftig.

»Ich ziehe es vor, mit den Mädchen zu tanzen,« entgegnete er, »mit euch nachher vielleicht ...«

Eben kam Ranizki mit seinem von Punkten schon wieder bedeckten Gesicht dazu; er spürte schon einen Strauß.

»Was bist du für einer, Wegelagerer?« fragte er, nach dem Säbel greifend.

Uhlick hörte auf zu spielen und Kokosinski schrie:

»Heh! Gefährten! zu Haufen! zu Haufen!« Aber schon standen hinter Jozwa die Butryms, die mächtigen Greise, die riesigen Nachwüchsler; sie sammelten sich ebenfalls, brummend wie die Bären.

»Was wollt ihr, sucht ihr Händel?« fragte Kokosinski.

»Was ist da zu reden! geht fort!« sagte phlegmatisch Jozwa.

Ranizki, welchem es darum zu thun war, Streit anzufangen, stieß mit der Handhabe den Jozwa so vor die Brust, daß die ganze Stube davon widerhallte, und schrie:

»Schlagt zu!«

Die Rappiere blitzten, die Weiber schrieen, die Säbel klirrten, Verwirrung und Lärmen entstand. Da entzog sich der riesengroße Jozwa dem Getümmel, ergriff eine neben dem Tische stehende ungehobelte Bank, und sie wie ein leichtes Brettchen erhebend, schrie er:

»Rum! rum!«

Staubwolken stiegen von der Diele auf und verhüllten die Kämpfenden, aus dem Wirrwarr drang nur Stöhnen ...

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