Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

4. Kapitel

Als sie sich dem Dorfe näherten, verlangsamten sie ihren Schritt und erblickten bald eine breite Straße, welche so hell erleuchtet war, daß man eine Stecknadel am Boden hätte liegen sehen. Zu beiden Seiten derselben brannten mehrere Hütten lichterloh, andere fingen bereits Feuer, da der Wind ziemlich stark wehte und die Funken umherflogen, ja bald sogar ganze Feuergarben gleich feurigen Nägeln durch die Luft flogen und auf die daneben liegenden Dächer niederfielen. Die Flammen beleuchteten größere und kleinere, sich in den Straßen hin- und herbewegende Menschengruppen. Mit dem Geläut der Glocken des unter Bäumen versteckten Kirchleins mischte sich das Geschrei der Leute, das Brüllen des Viehes, das Gebell der Hunde und einzelne Schüsse.

Nachdem die Reiter des Herrn Wolodyjowski noch näher an das Dorf gekommen waren, sahen sie eine geringe Anzahl Reiter in spitzen Hüten. Einige von ihnen schlugen sich mit den in Haufen gesammelten Bauern herum, die, mit Mistgabeln und Dreschflegeln bewaffnet, aus alten Pistolen auf die Reiter schossen und sie aus den Hütten zu drängen versuchten. Andere trieben mit ihren Rapieren das Vieh aus den Ställen und wieder andere hatten sich derartig mit Federvieh behangen, daß man sie kaum vor Federn sah. Einige hielten die Pferde, ein jeder zu zwei oder drei, welche den mit dem Plündern der Hütten beschäftigten Gefährten gehörten.

Der Weg zog sich etwas bergabwärts, zwischen einem Birkenwäldchen hin, so daß die Laudaer, ohne selbst gesehen zu werden, den Ueberfall des Dorfes wie ein vom Feuer beleuchtetes Bild vor sich sahen, auf dessen glänzendem Grunde man deutlich die Gestalten der fremden Soldaten, der Dörfler, der von den Reitern fortgeschleppten Weiber und die ordnungslosen Haufen sich wehrender Männer unterscheiden konnte. Alles dies bewegte sich mit der größten Lebhaftigkeit gleich schreienden, fluchenden und lamentierenden Puppen.

Das Feuer im Dorfe stieg in hohen Garben in die Höhe und knisterte immer furchtbarer.

Herr Wolodyjowski befahl, langsamer zu reiten, als er sich dem weit aufstehenden Dorfgatter näherte. Er konnte zwar mit einem Anlauf den Feind überfallen, welcher einen solchen Ueberfall nicht erwartete. Der kleine Ritter aber wollte die Schweden erproben – wie er sagte – deshalb ließ er ihnen Zeit, ihn wahrzunehmen und sich ihm im offenen Gefecht zu stellen.

Ein paar Reiter, welche zunächst dem Gatter standen, erblickten zuerst die heranziehende Fahne. Einer von ihnen sprengte zum Offizier, welcher mit gezogenem Rapier mitten auf dem Wege vor einer Gruppe Reiter stand, und sagte etwas zu ihm, indem er mit der Hand nach der Richtung wies, von welcher her Herr Wolodyjowski mit seinen Leuten kam. Der Offizier legte die Hand schützend über die Augen, blickte einen Augenblick dorthin, dann winkte er und bald darauf übertönte der Ton der Trompete all das Geschrei der Menschen und Tiere.

Und nun konnten die Ritter die Geschicklichkeit der schwedischen Soldaten bewundern, denn kaum war der erste Trompetenton erklungen, als auch die Reiter, welche mit Plündern beschäftigt waren, eiligst alle geraubten Gegenstände von sich warfen, aus den Hütten stürzten, die Ochsen und Schafe laufen ließen und zu den Pferden liefen. Im nächsten Augenblick standen sie fertig in Reihe und Glied, was das Herz des kleinen Ritters mit Bewunderung erfüllte, besonders weil die Leute alle auserlesen waren. Sie waren alle starke, hochgewachsene Leute in Kaftans mit ledernen Streifen über den Achseln und gleichfarbigen schwarzen Hüten mit an der linken Seite emporgekrempelter Krempe. Alle ritten ganz egale braune Pferde, welche wie die Mauern standen, hielten das blanke Rapier an die Schulter gedrückt und blickten scharf, doch ruhig nach der Seite des Weges zu.

Der Offizier jedoch löste sich samt dem Trompeter von den Gliedern los, augenscheinlich in der Absicht, nachzufragen, was das für Mannschaften seien, die so langsam heranzogen.

Er glaubte jedenfalls, daß es irgend eine von den Fahnen Radziwills sei, von der er nichts zu befürchten hätte. Er winkte daher fortwährend mit dem Rapier, während der Trompeter das Signal blies, welches um eine Unterredung bat.

»Brennt ihm doch eins aus der Muskete auf,« sagte der kleine Ritter, »damit er sieht, was er von uns zu erwarten hat!«

Der Schuß knallte, das Geschoß erreichte jedoch der Entfernung wegen sein Ziel nicht. Der Offizier schien noch an ein Mißverständnis zu glauben, denn er rief ihnen etwas laut zu und schwenkte den Hut.

»Gebt ihm noch eins!« rief Herr Wolodyjowski.

Nach dem zweiten Schuß wandte der Offizier sich wieder langsam den Seinen zu, welche ihm eilig entgegensprengten.

Jetzt ritt das erste Glied bereits durch das Gatter.

Der schwedische Offizier rief den sich nähernden Leuten etwas zu. Die Rapiere, welche bis jetzt an den Schultern der Reiter lagen, senkten sich und blieben in den Degengehenken hängen. Dafür zogen plötzlich alle die Pistolen aus den Halftern und legten sie, die Läufe nach oben gerichtet, auf die Sattelknöpfe.

»Prächtige Kerls!« murmelte Wolodyjowski, als er die Schnelligkeit und das Gleichmaß ihrer Bewegungen gewahrte.

Während er das sagte, sah er sich nach seinen Leuten um, ob die Glieder in Ordnung seien, rückte sich im Sattel zurecht und kommandierte:

»Vorwärts!«

Die Laudaer neigten den Oberkörper den Hälsen der Pferde zu und sausten wie der Wind heran.

Die Schweden ließen sie dicht herankommen, feuerten dann plötzlich ihre Pistolen ab. Die Salve richtete jedoch unter den von den Pferdeköpfen verdeckten Laudaern nicht viel Schaden an; nur wenige ließen die Trense fallen und fielen hinten über, andere eilten herbei und trafen auf die Schweden Brust gegen Brust.

Die litauische leichte Reiterei trug als Waffe zwar noch Lanzen, aber Herr Wolodyjowski, welcher ein gedrängtes Gefecht bereits vorausgesehen hatte, hatte befohlen, die Lanzen am Wege in die Erde zu stoßen, es kam also sogleich zum Gefecht mit Säbeln.

Der erste Stoß vermochte die Schweden nicht zu zersprengen, drängte sie aber zurück, so daß sie, sich wehrend, zurückwichen, während die Laudaer wütend auf sie eindrangen und sie die Dorfstraße entlang vor sich hertrieben. Bald fielen die Toten dicht. Das Gedränge wurde immer größer, das Klirren der Säbel verscheuchte die Bauern aus der breiten Straße, in welcher die Hitze immer unerträglicher wurde, obgleich die brennenden Häuser vom Wege durch umzäunte Gärten getrennt waren.

Die immer mehr bedrängten Schweden zogen sich langsam, aber in Ordnung zurück. Es würde ihnen auch schwer geworden sein, sich zu zerstreuen, da von beiden Seiten feste Zäune ihnen den Weg versperrten. Von Zeit zu Zeit versuchten sie festen Fuß zu gewinnen, aber es gelang ihnen nicht.

Es war das ein sonderbarer Kampf, da auf einem verhältnismäßig engen Raume ausschließlich nur die ersten Glieder fechten konnten, während die folgenden nur nachdrängen mußten. Dadurch eben verwandelte sich die Schlacht in ein wütendes Gemetzel.

Nachdem Wolodyjowski zuvor die älteren Offiziere und Herrn Johann Skrzetuski gebeten hatte, bei der Attacke auf seine Leute zu achten, hatte er im ersten Gliede nach Herzenslust mitgekämpft. Es purzelte denn auch alle Augenblicke ein Schwedenhut vor seine Füße, welcher im Gedränge verschwand, als sei er in die Erde versunken. Zuweilen flog ein Rapier, über die Glieder hinaussausend, durch die Luft und gleichzeitig ertönte ein gräßlicher Schrei, worauf wieder ein Hut verschwand. Ein Zweiter, ein Dritter trat in die Lücke ein, doch Herr Wolodyjowski drang unaufhaltsam vorwärts; seine kleinen Aeuglein blitzten unheilvoll; er regte sich nicht auf, geriet nicht in Leidenschaft und schlug nicht mit dem Säbel wie mit dem Dreschflegel drein. Zuweilen, wenn er auf Säbellänge niemand vor sich hatte, wandte er das Gesicht und die Klinge etwas nach rechts oder links und hatte mit einer scheinbar bedeutungslosen Bewegung stets einen Reiter aus dem Sattel geworfen. Seine blitzschnellen kleinen Bewegungen waren gräßlich, fast unheimlich.

Wie das Weib, welches Hanf rauft, ganz in demselben verschwindet und dennoch eine deutlich sichtbare Spur zurückläßt, so verschwand auch er momentan in der Menge der hohen Männer, doch dort, wo sie unter der Sense des mähenden Schnitters am dichtesten fielen, war er zu finden. Herr Stanislaus Skrzetuski und Jozwa Butrym, genannt Ohnefuß, waren dicht hinter ihm.

Endlich begannen die letzten Glieder der Schweden sich hinter den Zäunen auf den breiteren Raum vor der Kirche und dem Glockenturm hervorzudrängen; ihnen nach die vorderen. Das Kommando des Offiziers ertönte und im Augenblick breitete sich das rechtwinklige Dreieck aus und formierte sich zu einer langen Linie. Der Offizier bemühte sich ersichtlich, mit einemmale alle seine Leute ins Gefecht zu bringen und dem Feinde die Stirn zu bieten.

Aber Johann Skrzetuski, welcher über den allgemeinen Verlauf des Gefechtes wachte und die Spitze der Fahne bildete, folgte diesem Beispiele nicht. Dafür rückte er stürmisch in geschlossener Kolonne vor, durchbrach die schwedische Aufstellung an ihrer schwächsten Stelle im Augenblick und wandte sich raschen Laufes der Kirche nach rechts hin zu, indem er mit dieser Bewegung dem einen Teil der Schweden in den Rücken fiel, während den anderen Mirski und Stankiewitsch, welche einen Teil der Laudaer, sowie alle Dragoner Kowalskis unter sich hatten, aufs Korn nahmen.

Jetzt entbrannte ein Doppelgefecht, welches jedoch nicht lange währte. Der linke Flügel, auf den Skrzetuski gestoßen war, vermochte nicht mehr, sich zu formieren, und ward zuerst zersprengt. Der rechte, bei welchem sich der kommandierende Offizier selbst befand, hielt länger Stand, doch da er zu sehr ausgedehnt war, wurde er durchbrochen, verwirrt, bis er endlich das Schicksal des anderen teilte.

Der Kirchhof war geräumig, aber unglücklicherweise von allen Seiten hoch eingezäunt und das gegenüberliegende Thor hatte der Kirchendiener, welcher sah, was vorging, verschlossen und verrammelt.

So rannten denn die zerstreuten Schweden im Kreise umher und die Laudaer hinterdrein. Hier und da schlug man sich in größeren Haufen auf Säbel und Rapiere; an anderen Orten hatte sich die Schlacht in eine Reihe von Zweikämpfen verwandelt, Mann stand gegen Mann, Rapier klang gegen Säbel, zuweilen fiel ein Schuß. Hier rannte ein Schwede, welcher eben einem Säbelhiebe entronnen, direkt unter eine zweite Klinge, dort kroch ein Schwede oder Litauer unter dem gefallenen Pferde hervor, um sogleich einem Säbelstreich zum Opfer zu fallen.

Zwischendurch in der Mitte des Kirchhofs rannten die reiterlosen Pferde mit wehender Mähne und von der Angst weit geöffneten Nüstern umher; die einen sich beißend, die anderen blindlings und wutschnaubend, indem sie mit den Hinterfüßen in die Haufen der Kämpfenden schlugen.

Herr Wolodyjowski, der nebenher einen Reiter nach dem anderen aus dem Sattel warf, suchte mit den Augen den Offizier auf dem ganzen Kirchhofe; endlich erblickte er ihn. Er wehrte sich gegen zwei Butrym und Herr Wolodyjowski sprengte sogleich ihm zu.

»Zur Seite!« rief er den Butrym zu. »Zur Seite!«

Die gehorsamen Soldaten wichen zur Seite. Der kleine Ritter aber sprengte heran und traf mit dem Schweden zusammen, daß die Pferde sich auf die Hinterfüße setzten.

Der Offizier wollte ersichtlich den Gegner mit einem Stich aus dem Sattel heben, Herr Wolodyjowski jedoch hielt ihm den Griff seines Dragonersäbels entgegen, drehte denselben dann mit Blitzesschnelle herum und das Rapier flog dem Schweden aus der Hand. Der Offizier langte nach den Halftern, bekam aber in demselben Augenblick einen Hieb über die Wange und ließ die Zügel aus der Linken fahren.

»Nehmt ihn lebendig!« rief Wolodyjowski den Butrym zu. Die Laudaer faßten den Verwundeten, stützten den Schwankenden im Sattel, während der kleine Ritter in der Tiefe des Kirchhofes unter den Reitern wieder verschwand, dieselben herunterputzend wie Lichter.

Aber auch im allgemeinen begannen die Schweden den im Handgemenge geschickteren Adligen zu unterliegen. Die Einen streckten den Gegnern das umgekehrte Rapier entgegen, andere warfen ihnen die Waffen vor die Füße. Das Wort »Pardon« tönte immer öfterer über das Schlachtfeld.

Aber man achtete nicht darauf, denn Herr Michael hatte befohlen, nur Einige zu schonen, und jene rafften sich, als sie das sahen, wieder zum Kampfe auf und starben, wie es tapferen Soldaten zukommt, nach verzweifelter Gegenwehr, ihr Blut teuer verkaufend.

Eine Stunde später war auch der Rest ausgehauen.

Die Bauern stürmten den Weg vom Dorfe her auf den Kirchhof, um die Pferde einzufangen, die Verwundeten zu töten und die Toten zu berauben.

So endete das erste Zusammentreffen der Litauer mit den Schweden.

Unterdessen hatte Herr Sagloba, welcher seitwärts in den Birken mit dem Wagen hielt, auf welchem Herr Rochus lag, die Vorwürfe desselben anhören müssen, daß er als Verwandter so unwürdig an ihm gehandelt habe.

»Ihr habt mich vollständig zu Grunde gerichtet, Ohm,« sagte er, »denn es wartet meiner in Kiejdan nicht nur eine Kugel, sondern die ewige Schande, welche auf meinem Namen bleibt. Von jetzt ab kann ein jeder, der Lust hat, sagen: Ein Narr macht das so! Rochus Kowalski!«

»Und es werden sich nicht Viele finden, die dagegen protestieren möchten,« entgegnete Sagloba. »Der beste Beweis dafür ist, daß du dich selber wunderst, daß ich dich so überlistet habe, ich, welcher den Chan in der Krim aufzog wie eine Uhr. Was hast du Narr nur gedacht, als du glaubtest, ich würde mich in Gesellschaft so edler Männer, der edelsten Männer der Republik, von dir nach Birz, den Schweden in den Rachen führen lassen?«

»Ich habe ja doch nicht aus eigenem Willen die Herren dorthin bringen wollen.«

»Aber du hast dich zum Henkersknecht hergegeben und dessen muß sich ein Adliger schämen, weil es eine Schande ist, die du wieder auslöschen mußt, sonst stoße ich dich aus dem Geschlecht der Kowalskis aus. Ein Verräter ist schlechter als ein Racker, aber der Helfershelfer jemandes zu sein, der schlechter ist als ein Racker, das ist das Letzte!«

»Ich diente dem Hetman!«

»Und der Hetman dient dem Teufel! Da hast du es ... Du bist dumm, Rochus; ein- für allemal merke dir das und lasse dich in keinen Disput mit mir ein, sondern halte dich an meinen Rockschoß fest, dann wirst du noch ein Mann. Du mußt nämlich wissen, daß ich schon manchem durchgeholfen habe.«

Weiter kam er nicht. Das Gefecht im Dorfe begann soeben, das Knallen der Schüsse unterbrach ihn. Später verstummten die Schüsse, aber Geschrei und Lärmen dauerten fort und drangen bis in den stillen Winkel im Birkenwäldchen.

»Herr Michael arbeitet dort schon,« sagte Herr Sagloba. »Er ist nicht groß, aber bissig wie ein Insekt. Sie pellen dort diese überseeischen Teufel aus wie Bohnen. Ich wollte lieber dort sein als hier; deinetwegen muß ich nur von weitem zuhören. Ist das deine Dankbarkeit? Ist das die Handlungsweise eines Verwandten?«

»Wofür soll ich denn dankbar sein?«

»Dafür, daß man mit dir nicht umspringt wie mit einem Ochsen, weil du zum Ackern am anstelligsten bist, denn du bist dumm und gesund, verstehst du? ... Ei, es wird immer heißer dort ... Hörst du's? Das sind gewiß die Schweden, die dort blöken wie die Kälber auf der Weide.«

Hier wurde Herr Sagloba ernst und etwas unruhig. Plötzlich sah er dem Herrn Rochus scharf in die Augen und sagte:

»Wem wünschest du den Sieg?«

»Natürlich den Unseren.«

»Da siehst du's! Warum nicht den Schweden lieber?«

»Weil ich selbst sie tüchtig bläuen möchte. Die Unseren bleiben die Unseren!«

»Das Gewissen erwacht in dir ... Wie konntest du nur dein eigenes Blut den Schweden überliefern wollen?«

»Weil ich Befehl hatte.«

»Aber jetzt hast du keinen Befehl mehr.«

»Das ist wohl wahr!«

»Jetzt ist Herr Wolodyjowski dein Vorgesetzter, niemand sonst!«

»Nun ... wahrscheinlich!«

»Und du sollst das thun, was Herr Wolodyjowski dir befiehlt.«

»Weil ich muß.«

»Er befiehlt dir also, dem Radziwill zu entsagen und nicht mehr ihm, sondern nur dem Vaterlande zu dienen.«

»Wie so?« fragte Herr Rochus, sich am Kopfe kratzend.

»Es ist Befehl!« rief Sagloba.

»Ich gehorche,« antwortete Herr Rochus.

»Das ist gut. Bei erster Gelegenheit wirst du die Schweden durchbläuen!«

»Wie es befohlen wird,« antwortete Kowalski und holte tief Atem, als wäre ihm eine große Last von der Brust gefallen.

Sagloba war ebenfalls zufriedengestellt, denn er hatte eine bestimmte Absicht mit Herrn Rochus. Sie horchten jetzt einträchtig auf die vom Schlachtfelde herüberkommenden Töne und horchten wohl eine Stunde lang noch immer, bis alles still geworden war.

Sagloba wurde immer unruhiger.

»Sollte es ihnen schlecht gegangen sein?«

»Ihr seid ein alter Soldat, Ohm, und könnt solchen Unsinn schwatzen! Hätte man sie zersprengt, so würden sie in Haufen hier vorbeigekommen sein ...«

»Das ist wahr! ... Ich merke, dein Witz reicht doch zu etwas aus.«

»Hört ihr die Hufschläge, Ohm? Sie kommen langsam. Die Schweden müssen besiegt sein.«

»O! ob es auch die Unsrigen sind? Ich will sie beschleichen.«

Indem Herr Sagloba das sagte, ließ er den Säbel ins Gehenk fallen, nahm die Pistole in die Faust und eilte vorwärts. Bald sah er eine dunkle Masse vor sich, die sich langsam auf dem Wege fortbewegte. Gleichzeitig drang der Lärm sprechender Stimmen zu ihm.

An der Spitze ritten mehrere Männer, welche sich laut unterhielten, und bald erkannte Sagloba die ihm wohlbekannte Stimme des Herrn Michael, welcher sagte:

»Es sind tüchtige Burschen! Ich weiß nicht, wie es um ihre Fußsoldaten bestellt ist, die Reiterei ist vortrefflich!«

Sagloba gab dem Pferde die Sporen.

»Wie geht es euch? wie geht es euch? Mich packte schon die Ungeduld; ich wollte ins Gefecht eilen ... Ist auch keiner verwundet?«

»Wir sind, Gottlob, alle wohlauf!« entgegnete Herr Michael, »haben aber einige zwanzig Mann gute Soldaten verloren.«

»Und die Schweden?«

»Wir haben sie alle niedergestreckt.«

»Herr Michael, ihr habt dort wohl euch gütlich gethan wie der Hund im Brunnen. War es denn recht, mich Alten hier als Wache zurückzulassen? Die Seele brannte mir nach den Schweden. Ich hätte sie lebendig gefressen!«

»Ihr könnt sie sogar geschmort bekommen, denn dort am Feuer braten etliche.«

»Mögen sie den Hunden zum Fraß werden. Habt ihr Gefangene gemacht?«

»Der Rittmeister und sieben Reiter sind gefangen.«

»Was wollt ihr mit ihnen thun?«

»Ich möchte sie aufhängen lassen, denn sie haben wie Räuber ein schuldloses Dorf überfallen und die Menschen gemordet ... Aber Johann sagt, das geht nicht an.«

»Hört, meine Herren, was mir inzwischen eingefallen ist. Das Aufhängen nützt uns nichts, im Gegenteil, entlaßt sie schleunigst nach Birz.«

»Warum das?«

»Ihr kennt mich nur als Soldaten; jetzt sollt ihr in mir den Diplomaten kennen lernen. Lassen wir die Schweden laufen, aber sagen wir ihnen nicht, wer wir sind. Erzählen wir ihnen, wir seien Radziwills Leute und hätten auf seinen Befehl ihre Abteilung niedergehauen, werden das auch ferner thun, so oft wir auf schwedische Truppen stoßen, da der Hetman nur vorgeblich zu den Schweden überging. Sie werden sich dort wohl bei dieser Nachricht am Kopfe kratzen und wir untergraben den Kredit des Hetman dadurch bedenklich. Wahrhaftig, wenn dieser Gedanke nicht mehr wert ist, als euer Sieg, so soll ich einen Pferdeschwanz statt des Säbels tragen. Denn bedenkt nur, diese Nachricht wird sowohl die Schweden als Radziwill tief treffen. Von Kiejdan bis Birz ist es weit und Radziwill von Pontus noch weiter getrennt. Ehe sie sich darüber verständigen können, was und wie es geschehen, kommt es zu Klopfereien zwischen ihnen. Wir wollen den Verräter mit unseren Feinden verzürnen – und wer sollte dabei besser fahren als die Republik?«

»Das ist ein artiger Rat und wohl des Gelingens wert, so wahr ich lebe!« sagte Stankiewitsch.

»Ihr habt den Verstand eines Kanzlers,« setzte Mirski hinzu. »Das bringt Verwirrung unter sie, mehr als gewiß.«

»Wir wollen das auch bestimmt thun,« sagte Herr Michael. »Gleich morgen will ich die Gefangenen entlassen, nur heute nicht mehr, denn ich bin entsetzlich marode ... Dort auf der Straße war es heiß wie in einem Backofen ... Puh! meine Hände sind ganz matt geworden ... Zudem könnte der Offizier heute nicht mehr fort, denn er hat einen Hieb über das Gesicht bekommen.«

»Auf welche Weise sollen wir ihnen das alles aber beibringen? Was ratet ihr, Vater?« fragte Johann Skrzetuski.

»Auch darüber habe ich bereits nachgedacht,« entgegnete Sagloba. »Kowalski hat mir gesagt, daß unter seinen Dragonern zwei Preußen sich befinden, welche gut deutsch plappern und besonnene Menschen sind. Sie mögen den Schweden, die ohne Zweifel deutsch verstehen, nachdem sie jahrelang in Deutschland Krieg geführt, das sagen. Kowalski gehört zu uns mit Leib und Seele. Er ist ein vortrefflicher Kerl; ich werde noch meine Freude an ihm erleben.«

»Gut denn,« sagte Wolodyjowski. »Einer der Herren mag die Güte haben, sich dieser Angelegenheit anzunehmen, denn mir versagt vor Müdigkeit bereits die Stimme. Ich habe den Leuten schon bekannt gemacht, daß wir hier in diesem Birkenwäldchen bis zum Morgen bleiben. Aus dem Dorfe werden Lebensmittel herbeigeschafft und jetzt wollen wir schlafen! Die Wachen wird mein Obrist kontrollieren. Wahrhaftig, ich sehe euch nicht mehr, die Augen fallen mir zu ...«

»Meine Herren,« sagte Herr Sagloba, »gleich hinter den Birken steht ein Heuschober, gehen wir dorthin, dort wollen wir schlafen wie die Ziesel und morgen weiter ziehen ... Hierher kehren wir nicht mehr zurück, es wäre denn mit Herrn Sapieha gegen Radziwill.«

.

 << zurück weiter >>