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11. Kapitel

Kowno und das ganze Land am linken Ufer der Wilia nebst allen Wegen und Stegen waren vom Feinde besetzt; darum konnte Herr Kmiziz auf seiner Reise nach Podlachien nicht die große Landstraße verfolgen, welche von Kowno über Grodno nach Bialystock führte, sondern er mußte auf Nebenwegen von Kiejdan dem Lauf des Niewiersch entlang in südlicher Richtung bis zum Niemen gehen. Nachdem er den letzteren überschritten hatte, befand er sich in der Wojewodschaft Troki.

Diesen ganzen, nicht zu großen Teil des Weges hatte er in Ruhe und ungehindert zurücklegen können, gleichsam unter der schützenden Hand Radziwills.

Die kleinen Städte und hier und da auch die Dörfer, waren von Leibfahnen des Hetman besetzt, oder mit kleinen Abteilungen schwedischer Reiter, welche der Hetman absichtlich so weit vorgeschoben hatte, um die dicht am anderen Ufer der Wilia stehenden Scharen Soltarenkas zum Angriff zu reizen.

Soltarenka hätte auch gern den Krieg mit den Schweden begonnen, aber merkwürdigerweise wollten diejenigen, deren Helfer er war, nichts davon wissen, wenigstens bemühten sie sich, den Kampf so lange als möglich aufzuschieben. Er hatte strengen Befehl, den Fluß nicht zu überschreiten, und für den Fall, daß Radziwill selbst mit den Schweden vereint ihm zu Leibe gehen sollte, den Rückzug anzutreten.

Aus diesem Grunde herrschte auf dem rechten Ufer der Wilia der tiefste Friede; nichtsdestoweniger konnte, da sich die Radziwillschen und die Soltarenkaschen Vorposten so nahe gegenüberstanden, ein einziger unvorsichtiger oder unbedacht abgegebener Musketenschuß den Krieg entfachen.

Darum hatten sich die Einwohner bei Zeiten in sichere Verstecke geflüchtet und das Land war nicht nur ruhig, sondern auch wüst und menschenleer. Ueberall traf Herr Andreas auf verlassene Städte und Wohnstätten, die Fensterläden der Gutshöfe waren geschlossen, die Häuser wie ausgestorben.

Auch die Felder waren kahl: man hatte dieses Jahr keine Getreideschober aufstellen können. Das Volk war in die unergründliche Tiefe der Wälder geflohen und hatte alles zur Ernährung Notwendige mitgenommen; der Adel hatte sich nach dem, bisher von den Kriegsunruhen noch ganz verschont gebliebenen, benachbarten Kurpreußen begeben. Nur auf den Wegen und auf den Waldpfaden der Wildnis herrschte ungewöhnliche Bewegung, denn die große Zahl der Flüchtlinge wurde noch durch diejenigen vermehrt, welchen es gelang, den Bedrückungen Soltarenkas auf dem linken Ufer des Flusses zu entschlüpfen.

Die Zahl dieser war sehr groß. Besonders waren es Bauern, welche ihr Leben nebst Hab und Gut zu retten suchten. Die Adligen, welchen es nicht gelungen war, schon früher zu entkommen, wurden alle in Gefangenschaft geführt oder mußten ihr Leben auf der Schwelle ihrer Wohnung lassen.

So begegnete Herr Andreas überall großen Haufen Bauern mit Weibern und Kindern, welche ihre Viehherden vor sich hertrieben. Dieser Teil der Wojewodschaft Troki, welcher dicht an Preußen stieß, war fruchtbar und reich, darum hatten die Menschen auch etwas zu retten. Der nahende Winter schreckte die Flüchtlinge, sie zogen vor, denselben in Mooshütten im Dickicht des Waldes unter Schnee und Eis zu verbringen, als in den heimatlichen Dörfern den Tod durch Feindeshand zu erwarten.

Kmiziz näherte sich gern den Haufen Flüchtender, oder den Feuern, welche nachts durch das Dickicht des Waldes leuchteten. Ueberall, wo er auf Menschen vom linken Ufer der Wilia, von Kowno oder weiterher, traf, hörte er von den Greuelthaten Soltarenkas und seiner Verbündeten erzählen, welche alles mordeten, raubten und brandschatzten, was ihnen in den Weg kam. Sie töteten nicht nur die Menschen, noch schlimmer, sie trieben viele durch die entsetzlichsten Quälereien in den Wahnsinn, ließen sie dann laufen, und diese in der Irre umherrennenden Unglücklichen erfüllten die Wälder mit gräßlichem Geschrei. Oft streckten solche Wahnsinnige Kmiziz und seinen Reitern die Arme entgegen und flehten um Erbarmen und Rettung, da der Feind ihnen auf den Fersen sei.

Kmiziz begegnete auch vielen adligen Kutschwagen, mit Greisen, Frauen und Kindern besetzt, denen andere Wagen mit Dienerschaft, Mobiliar, Nahrungsmitteln und anderem Hab und Gut folgten. Alle befanden sich auf der Flucht, gejagt von Angst und Schrecken.

Herr Andreas tröstete diese Unglücklichen so gut er konnte, indem er versicherte, daß die Schweden bald den Fluß überschreiten und den Feind in die Ferne treiben würden. Und immer streckten sich ihm flehend Hände entgegen und lebende Lippen sprachen die Worte:

»Gott segne den Fürst-Wojewoden dafür, daß er dieses tapfere Volk zu unserem Schutze herbeigerufen hat. Wenn die Schweden drüben einziehen, wollen wir wieder zu unserem Herd zurückkehren ...«

Die Segenswünsche für den Fürsten, das Lob der Schweden flog von Mund zu Mund. Man nannte Radziwill einen Gideon, Simson, und lobte die Ritterlichkeit und Bescheidenheit der Schweden im Umgange mit den Menschen.

Alle diese Lobeserhebungen befestigten seinen Glauben an den Fürsten. Er sagte sich immer wieder:

»Einem solchen Herrn diene ich! Ich will ihm blindlings folgen, denn wenn er zuweilen auch gräßlich und schwer zu begreifen ist, so ist er doch klüger als die anderen, und weiß, was dem Vaterlande not thut.«

Dieser Gedanke erleichterte ihm das Herz und erfüllte ihn mit Trost. Seine Seele teilte sich in das Gefühl der Sehnsucht nach Kiejdan und in das Nachsinnen über den unglückseligen Zustand des Vaterlandes. Die Sehnsucht trat dabei immer stärker in den Vordergrund. Er hatte das rote Bändchen nicht hinter sich geworfen, auch das Herdfeuer im ersten Nachtquartier nicht ausgegossen, denn er wollte und konnte nicht vergessen.

»Ach, wenn sie hier wäre, wenn sie dieses Weinen und Wehklagen sehen und hören könnte, würde sie nicht mehr Gott bitten, daß er mich bekehre, und nicht klagen, daß ich verblendet bin. Doch, über lang oder kurz wird sie sich selbst überzeugen, daß sie irrte, und dann, wer weiß, was Gott bestimmt hatte.«

Mit der wachsenden Sehnsucht befestigte sich in ihm die Ueberlegung, daß er nicht auf Irrwegen, sondern den rechten Weg wandle. Charlamp hatte Recht behalten; die Reise war das beste Mittel gegen drückenden Gram und Sorgen. Trotzdem hatte er einen harten Kampf mit der Sehnsucht zu bestehen. Er sah fortwährend Olenka vor sich weinend und zitternd in seinen Armen liegen; kehre um! – rief es in ihm.

Dann wieder huschte vor seinem Blick die ernste, düstere Gestalt des Hetman vorüber, und je undeutlicher und entfernter er sie sah, desto teurer, verehrenswerter erschien sie ihm. Bisher hatte er sich vor Radziwill gebeugt, jetzt fing er an ihn zu lieben. Aus der Ferne gesehen, wuchs die große Gestalt des Wojewoden zu gigantischer Höhe empor.

Am dritten Reisetage hatten die Reiter den Niemen weit hinter sich, sie befanden sich in einem Landstrich, welcher noch dichter bewaldet war, als der erste Teil ihres Weges. Immer zahlreicher wurden die Scharen der Flüchtenden, welche sich nach Preußen zu retten suchten, verfolgt von dem raubgierigen Gesindel Soltarenkas, welches hier nicht mehr von den an der Wilia stationierten Leuten Radziwills aufgehalten werden konnte und den Flüchtenden bis dicht an die Grenze Preußens folgte.

Etwas weiter dann, in Pilwischki, an dem Flüßchen Scheschupa, fand Kmiziz das Land viel ruhiger; dort wohnte die Bevölkerung noch ruhig in ihren Ansiedelungen. Man erzählte ihm aber, daß erst vor wenigen Tagen eine größere Abteilung Soltarenkas die Gegend bedroht hatte, und dieselbe ihre Befreiung nur einer, wie vom Himmel herabgekommenen Schwadron Soldaten verdankte.

»Wir hatten unsere Seelen schon Gott befohlen,« erzählte der Pächter des Wirtshauses, wo Herr Andreas eingekehrt war, »da sandten uns die Heiligen eine Fahne zu Hilfe. Anfangs hielten wir dieselbe auch für Feinde, aber es waren Unsrige. Sie warfen sich sofort auf die Soltarenkaschen Vagabunden, und innerhalb einer Stunde waren dieselben mit unserer Hilfe hingestreckt.«

»Was war das für eine Fahne?« frug Herr Andreas.

»Gott segne sie! ... Sie sagten uns nicht, wer sie seien, wir aber wagten nicht, sie darum zu fragen. Sie fütterten ihre Pferde, nahmen etwas Heu und Brot mit und ritten davon.«

»Woher kamen sie, wohin sind sie gegangen?« forschte Kmiziz weiter.

»Sie kamen von Koslowa-Ruda und zogen nach dem Süden. Wir wollten auch sogleich in die Wälder flüchten, doch der Herr Starost hielt uns davon zurück, indem er meinte, daß nach einem solchen Empfange der Feind nicht sobald wiederkommen werde.«

Kmiziz war durch diese Mitteilung sehr interessiert, deshalb frug er weiter: »Wißt ihr nicht, wer die Fahne führte?«

»Nein, aber wir haben den Hauptmann gesehen. Er war jung, klein und zierlich wie eine Nähnadel; er sieht gar nicht so kriegerisch aus, wie er ist ...«

»Wolodyjowski!« rief Kmiziz aus.

»Ob Wolodyjowski oder nicht,« entgegnete der Pächter. »Gott segne seine Hand und lasse ihn zum Range eines Hetman emporsteigen.«

Herr Andreas wurde sehr nachdenklich. Er zog also desselben Weges, welchen vor einigen Tagen Wolodyjowski mit den Laudaer Leuten gegangen war. Das war ganz natürlich, denn beide wollten sie nach Podlachien. Dabei fiel ihm ein, daß, wenn er so eilig weiter reiste wie bisher, er leicht in die Hände des kleinen Ritters fallen konnte, dann mußten alle Briefe Radziwills ebenfalls von den Konföderierten konfisziert werden, seine ganze Mission mißglücken und der Sache Radziwills konnte ein großer Schaden geschehen. Kmiziz beschloß daher, ein paar Tage in Pilwischki zu bleiben, damit die Laudaer Fahne so weit wie möglich vorauskommen konnte.

Er war mit seinen Leuten von Kiejdan aus mit kurzen Unterbrechungen bis hierher gereist, darum konnte er diesen und den Pferden schon ein paar Tage Ruhe gönnen.

Schon am nächsten Tage hatte er Gelegenheit sich zu überzeugen, wie klug und überlegt er gehandelt hatte, denn kaum hatte er am anderen Morgen Zeit gehabt, sich anzukleiden, als schon der Gastwirt vor ihn hintrat.

»Ich habe Ew. Liebden eine Neuigkeit zu melden,« sagte der Mann.

»Eine gute?« beeilte Herr Andreas sich zu fragen.

»Sie ist weder gut noch schlecht. Wir haben Gäste bekommen. Ein glänzendes Hoflager ist frühzeitig angekommen und hat im Schlosse des Starosten Quartier genommen. Ein ganzes Regiment Fußsoldaten und so viele Reiter, Kutschwagen und Dienerschaft! ... Die Leute dachten zuerst, der König selbst sei gekommen.«

»Welcher König?!«

»Es ist wahr, wir haben jetzt zwei Könige; aber es ist keiner von beiden, sondern nur der Fürst-Stallmeister.«

Kmiziz sprang mit beiden Beinen zugleich auf.

»Wer? Der Fürst-Stallmeister? Fürst Boguslaw?«

»Er selbst, Ew. Liebden, der Vetter des Fürst-Wojewoden von Wilna.«

Herr Andreas schlug vor Verwunderung die Hände zusammen.

»Wir begegnen uns also hier!« rief er aus.

Der Gastwirt, welcher Kmiziz für einen Bekannten des Fürsten Boguslaw hielt, verneigte sich tiefer als vorher und verließ das Gemach, während Kmiziz sich eiligst umzukleiden begann. Eine Stunde später befand er sich schon vor dem Hause des Starosten.

Das ganze Städtchen wimmelte von Soldaten. Die Füsiliere stellten soeben ihre Musketen auf dem Marktplatze zusammen, während die Reiter aus den Sätteln sprangen und Quartiere suchten. Offiziere und Hofschranzen standen vor den Thüren der Häuser und unterhielten sich oder spazierten in den Straßen auf und nieder. Die Offiziere sprachen französisch und deutsch. Nirgends war ein polnischer Soldat zu sehen, die Musketiere und Dragoner trugen seltsame Uniformen, so ganz andere, wie sie Kmiziz selbst in Kiejdan bei den ausländischen Truppengattungen gesehen hatte, denn es waren französische. Die schönen imponierenden Gestalten der Soldaten, von welchen jeder für einen Offizier gehalten werden konnte, entzückten das Auge Kmiziz'. Doch auch er erregte Aufsehen, denn er hatte sich festtäglich geschmückt; in Sammet und Gold und seine sechs Leute in neue Farben gekleidet, begleiteten ihn.

Im Schloßhofe des Starosten liefen die Bediensteten hin und her. Sie waren alle nach französischer Mode gekleidet, die Pagen trugen Federbaretts, die Pferdeknechte sammetene Jacken, die Stallmeister langschäftige schwedische Stiefeln mit Sporen.

Wie es schien, hatte der Fürst nicht die Absicht, lange in Pilwischki zu verweilen. Die Kutschwagen waren nicht in die Remisen gebracht worden und den Pferden wurde im Warten das Futter aus Drahtsieben gereicht.

Kmiziz erklärte dem wachthabenden, vor dem Hause postierten Offizier, wer er sei und was er bringe, worauf dieser sogleich ging, dem Fürsten Bericht zu erstatten. Bald darauf kehrte er eilig zurück mit der Nachricht, daß der Fürst den Sendboten des Hetman sofort zu empfangen wünsche, und Kmiziz den Weg weisend, schritt er ihm voran in das Haus.

Nachdem sie den Flur durchschritten hatten, traten sie in das Eßzimmer, wo mehrere Höflinge mit lang ausgestreckten Beinen auf Stühlen saßen und schlummerten; augenscheinlich mußten sie sehr früh im letzten Nachtquartier aufgebrochen sein. Vor der Thür des anstoßenden Gemaches hielt der Offizier an, und sich vor dem Herrn Andreas verbeugend, sagte er in deutscher Sprache: »Dort ist der Fürst!«

Herr Andreas trat ein, blieb aber auf der Schwelle stehen. Der Fürst saß vor einem Spiegel, welcher in einer Ecke des Gemaches aufgestellt war und betrachtete darin aufmerksam sein soeben frisch gepudertes und geschminktes Gesicht, sodaß er den Eintretenden nicht bemerkte. Zwei Kammerdiener knieten vor ihm und waren beschäftigt, die Schnallen der hohen Reisestiefel auf dem Fußblatt zuzuknöpfen, er selbst fuhr sich mit den Fingern durch sein üppiges, auf der Stirn zu einer kleinen Mähne verschnittenes goldgelbes Haar. Man konnte nicht erkennen, ob er eine Perücke trug oder sein eigenes Haar.

Der Fürst war noch jung; er zählte fünfunddreißig Jahre, sah aber aus wie ein höchstens Fünfundzwanzigjähriger. Obgleich Kmiziz ihn schon kannte, betrachtete er ihn doch neugierig, einmal seines Ruhmes als Kriegsheld wegen, als welcher er hauptsächlich der vielen Duelle wegen, die er mit fremden Magnaten ausgefochten hatte, galt, zweitens wegen seiner auffallenden Persönlichkeit, die man nie wieder vergaß, sobald man ihn einmal gesehen hatte.

Der Fürst war groß und breit gebaut, aber auf den breiten Schultern saß ein Kopf so klein, als wäre derselbe von einem anderen Körper genommen. Das Gesicht war außerordentlich schmal und von fast knabenhafter Form; trotzdem war auch dieses ohne Gleichmaß, denn in demselben ragte eine große römische Nase hervor. Die Augen waren sehr groß, von unaussprechlicher Schönheit und herrlichem Glanz, der Blick der des Adlers. Neben diesen Augen und dieser Nase, welche zudem von langen, dichten, gewellten Haaren umgeben waren, verschwand der übrige Teil des Gesichtes fast ganz. Der Mund war der eines Kindes, aus der Oberlippe wuchs ein dünnes, dieselbe kaum deckendes Bärtchen, dazu der feine Teint. Die Schminke und der Puder gaben dem Gesicht etwas mädchenhaftes, während der Ausdruck von Dreistigkeit und Stolz in demselben nicht vergessen ließ, daß er jener chercher de noises war, wie man ihn in Frankreich nannte, welcher ebenso schnell mit dem Säbel zur Hand war, als mit einem harten Worte.

In Deutschland, Holland und Frankreich erzählte man sich die seltsamsten Dinge von seinen Kriegsthaten, seinen Händeln, Abenteuern und Zweikämpfen. Er war es, welcher sich in Holland mutig mitten im wildesten Schlachtgetümmel in die unvergleichlichen spanischen Regimenter gedrängt und mit eigener Hand die Fahnen und Geschütze derselben erobert haben sollte; er hatte am Rhein, an der Spitze der französischen Musketiere, die im dreißigjährigen Kriege bewährten deutschen Regimenter vernichtet, in Frankreich im Zweikampfe den berühmtesten französischen Fechtmeister, den Fürsten Fremouille und den ebenso berühmten Baron Goetz besiegt; er hatte den Baron Grot verwundet und dafür von seinem Vetter Janusch die bittersten Vorwürfe bekommen, weil er seine fürstliche Würde vergaß, indem er sich mit Leuten so niederen Ranges herumschlug. Endlich hatte er angesichts des ganzen Pariser Hofes auf einem Balle im Louvre dem Comte de Rieux, dafür, daß er ihn häßlich genannt, eine Ohrfeige appliziert. Die kleinen Duelle, incognito in kleinen Städten und Schänken ausgefochten, ließen sich nicht aufzählen.

Der Fürst war ein Gemisch von weiblicher Weichlichkeit und unbeugsamen Mannesmut. Während seiner kurzen Besuche im Vaterlande vergnügte er sich mit Raufereien, die er dem Geschlecht der Sapiehas aufdrängte und mit der Jagd. Dann mußten ihm die Jäger Bären stellen, welche Junge hatten, weil diese die wütendsten waren, und solche Bestien griff er an, nur mit einem Speer bewaffnet. Er langweilte sich im Vaterlande und besuchte dasselbe, wie schon erwähnt, selten, meist in Kriegszeiten, wo er sich in den Schlachten bei Berestetsch, Mohilew und Smolensk als Sieger ausgezeichnet hatte. Der Krieg war sein Element, obgleich sein scharfer und biegsamer Verstand ebensoviel Lust und Vergnügen an Intriguen fand.

Hierbei entwickelte er eine Ausdauer und Geduld, viel größer, wie bei seinen unzähligen Liebesaffairen, welche die Geschichte seines Lebens vervollständigten. Der Fürst war an den Höfen, wo er verweilte, der Schrecken aller Ehemänner die schöne Frauen hatten; deshalb war er selbst auch noch unvermählt, obgleich seine hohe Geburt und sein großer Reichtum ihn zu den begehrtesten Partieen des Landes, nein, ganz Europas machten. Das französische Königspaar, die Königin Maria Ludowika von Polen, der Fürst von Oranien und sein kurfürstlicher Oheim in Brandenburg hatten sich bisher vergebens bemüht, ihn zu verheiraten: er zog vor, frei zu bleiben.

Auf diese Weise war er fünfunddreißig Jahre alt geworden.

Während Kmiziz auf der Schwelle stand, betrachtete er neugierig das Gesicht des Fürsten, welches sich im Spiegel wiederspiegelte, eine Weile; endlich, nachdem Herr Andreas mehreremale gehüstelt hatte, frug dieser, ohne jedoch den Kopf zu wenden:

»Wer ist da? Ist es der Bote des Fürst-Wojewoden?«

»Kein Bote, aber ich komme vom Fürst-Wojewoden!« antwortete Herr Andreas.

Der Fürst wandte den Kopf herum; sah jetzt erst den Jüngling in glänzenden Gewändern und erkannte nun, daß er es nicht mit einem gewöhnlichen Diener zu thun hatte.

»Verzeiht, Herr Kavalier,« sagte er höflich. »Ich sehe, daß ich mich in der Charge der Person geirrt habe. Euer Gesicht ist mir bekannt, nur kann ich mich auf euren Namen nicht besinnen? Ihr seid ein Hofschranze des Fürst-Hetman?«

»Ich heiße Kmiziz,« antwortete Herr Andreas, »und bin kein Hofschranze, sondern Hauptmann meiner eigenen Fahne, welche ich dem Fürst-Hetman zugeführt habe.«

»Kmiziz!« rief der Fürst. »Derselbe, welcher im letzten Kriege dem Chowanzki so viel Schaden zugefügt und später den Krieg auf eigene Faust fortgesetzt hat? ... O, ich habe viel von euch gehört!«

Während er das sagte, betrachtete er Kmiziz aufmerksamer und mit augenscheinlichem Wohlgefallen, denn nachdem, was er gehört, hielt er ihn für einen Menschen nach seinem eigenen Zuschnitt.

»Setzt euch, Herr Kavalier,« sagte er. »Ich möchte euch näher kennen lernen. Was giebt es in Kiejdan neues?«

»Da, hier ist ein Brief vom Fürsten Hetman,« antwortete Kmiziz. Die Kammerdiener waren inzwischen mit dem Zuschnallen der Stiefeln fertig geworden und entfernten sich nun. Der Fürst erbrach das Siegel des Schreibens und las. Nach einer Weile warf er dasselbe mit gelangweilten und unwilligen Geberden unter den Spiegeltisch.

»Nichts neues,« sagte er. »Der Fürst-Hetman rät mir, nach Tilsit oder Tauroggen in Preußen zu gehen, was, wie ihr seht, ich zu thun eben im Begriff bin. Ma foi! ich verstehe den Herrn Vetter nicht ... er teilt mir mit, daß der Kurfürst der Schweden wegen nicht aus der Mark Brandenburg nach Preußen kommen kann, und macht mir gleichzeitig Vorwürfe, daß ich mich nicht beeile, mich mit ihm zu vereinigen oder zu verständigen. Wie soll ich denn das bewerkstelligen? Wenn sich der Kurfürst nicht durch die Schweden durchschlagen kann, wie soll ich es dann, oder gar ein einzelner Bote? Ich bin in Podlachien geblieben, weil ich nichts Besseres vorhatte. Ich muß gestehen, ich habe mich gelangweilt wie der Teufel bei der Buße; alle Bären in der Umgegend Thkozins habe ich ausgerottet ...; die Mädchen in jener Gegend riechen allesamt nach Schafpelzen, und den Geruch kann meine Nase nicht vertragen ... Aber! ... Herr Kavalier, versteht ihr französisch oder deutsch?«

»Ich kann deutsch!« sagte Kmiziz.

»Gott sei Dank! ... Dann will ich deutsch sprechen, denn von eurer Sprache platzen mir die Lippen.«

Indem er das sagte, schob der Fürst die Unterlippe vor und berührte dieselbe leicht mit den Fingern, als wollte er sich überzeugen, ob sie nicht schon aufgesprungen war. Dann sah er in den Spiegel und fuhr fort:

»Man hat mir erzählt, daß in der Gegend von Lukow ein Edelmann, ein gewisser Skrzetuski, eine Frau von wunderbarer Schönheit besitzt. Es ist weit bis dahin ..., dennoch habe ich Leute ausgesandt, sie zu entführen und mir zu bringen ..., aber, denkt euch, man fand sie nicht daheim!«

»Das war ein Glück,« sagte Herr Andreas, »denn sie ist die Gemahlin eines sehr edlen Ritters, des Sbarascher Helden, welcher trotz aller Wachsamkeit der Truppen Chmielnizkis sich durchstahl.«

»War der Mann in Sbarasch belagert, so hätte ich sein Weib in Tykozin belagert ... Glaubt ihr, daß sie sich ebenso hartnäckig verteidigt hätte, wie er?«

»Ew. Durchlaucht benötigen bei einer derartigen Belagerung weder meines Rates, noch meiner Meinung,« entgegnete Kmiziz barsch.

»Ihr habt Recht! Schade um die Zeit, darüber zu plaudern,« versetzte der Fürst. »Kommen wir zur Sache! Habt ihr noch andere Briefe?«

»Was für Ew. Durchlaucht bestimmt war, habe ich abgegeben; außerdem habe ich noch Briefe an den König von Schweden. Vielleicht können Ew. Durchlaucht mir sagen, wo ich ihn suchen soll?«

»Ich weiß nichts. Was soll ich wissen? In Tykozin ist er nicht, daß kann ich euch versichern; denn steckte er dorthin nur einmal seine Nase, dann müßte er auf die Regierung in der Republik für immer verzichten. Warschau ist zwar in den Händen der Schweden, wie ich euch bereits geschrieben, doch auch dort findet ihr Se. Majestät nicht. Er muß in oder bei Krakau sein, wenn er nicht etwa schon nach Königspreußen aufgebrochen ist. Nach meiner Ansicht darf Karl Gustav die Städte Preußens nicht schutzlos lassen. Wer hätte wohl gedacht, daß zur Zeit, wo die ganze Republik ihren Herrn verläßt, der gesamte Adel sich zu den Schweden schlägt, wo eine Wojewodschaft nach der anderen kapituliert, die Städte Preußens, die Deutschen und Protestanten nichts von den Schweden wissen wollen und ihnen Widerstand leisten. Sie wollen ausdauern, wollen der Republik und Johann Kasimir zu Hilfe eilen. Als wir dieses Stück Arbeit ins Werk setzten, dachten wir es uns anders; wir glaubten, daß vor allen sie uns helfen würden, den Laib Brot zu verkleinern, den ihr eure Republik nennt. Aber nicht daran zu denken! Glücklicherweise hat der Kurfürst ein wachsames Auge dort; er hat ihnen seine Unterstützung gegen die Schweden angeboten, aber die Danziger trauen ihm nicht und meinen, daß sie allein stark genug sind ...«

»Das haben wir in Kiejdan schon gehört.«

»Wenn sie dennoch nicht stark genug sein sollten, so haben sie wenigstens eine gute Nase,« fuhr der Fürst lachend fort, »denn dem Kurfürstlichen Oheim liegt so viel an der Republik wie mir und dem Fürst-Wojewoden von Wilna.«

»Durchlaucht gestatten, daß ich widerspreche,« fiel Kmiziz hastig ein. »Dem Fürst-Wojewoden liegt alles an der Republik; er ist bereit, seinen letzten Atemzug und seinen letzten Tropfen Blut für dieselbe hinzugeben.«

Der Fürst lachte wieder. – »Ihr seid noch jung, Kavalier; man merkt es. Doch das macht nichts. Dem Kurfürstlichen Oheim geht es darum, den Schweden das sogenannte Königspreußen abzujagen, und deshalb liegen sie sich in den Haaren, denn die Schweden halten das okkupierte Terrain mit scharfen Zähnen fest. Sobald sie es ihm abtreten, hören die Feindseligkeiten zwischen ihnen auf.«

»Ich höre mit Staunen, was Ew. Durchlaucht sagen!«

»Ich dachte, der Teufel müßte mich in Podlachien holen, als ich so lange Zeit unthätig dort sitzen mußte,« sagte der Fürst ... »Aber was sollte ich thun? Es ist zwischen dem Fürst-Wojewoden und mir ein Vertrag geschlossen worden, nach welchem ich mich nicht eher als Partisane der Schweden erklären soll, bevor die Verhältnisse in Preußen sich nicht geklärt haben werden, und das ist auch richtig, denn nur so bleibt uns eine Hinterthür offen. Ich habe sogar einen geheimen Boten an Johann Kasimir geschickt, mit der Erklärung, daß ich bereit bin, ein öffentliches Aufgebot in Podlachien zu erlassen, wenn er mir das Manifest dazu giebt. Der König, vertrauensselig wie er ist, hätte sich fast hinter das Licht führen lassen, aber die Königin scheint mir nicht zu trauen. Ja, wenn die Weiber nicht wären, dann stände ich heute an der Spitze des gesamten Adels in Podlachien, und den Konföderierten, welche gegenwärtig die Güter des Fürsten Janusch verwüsten, bliebe nichts anderes übrig, als unter mein Kommando zu gehen. Ich würde mich öffentlich zu Johann Kasimir bekennen, heimlich aber mit den Schweden unterhandeln. Aber dieses Weib hört das Gras wachsen und errät die geheimsten Gedanken der Menschen. Sie sollte König sein, nicht Königin; sie hat mehr Verstand im kleinen Finger, als Johann Kasimir im Kopfe.«

»Der Fürst-Wojewode,« begann Kmiziz.

»Der Fürst-Wojewode,« unterbrach ungeduldig Fürst Boguslaw, »kommt mit seinen Ratschlägen immer zu spät; er schreibt in jedem Briefe: ›mach' das und das,‹ nachdem ich gerade ›das‹ schon längst gemacht habe ... Zudem verliert er den Kopf ... Denn hört nur, Herr Kavalier, was er von mir verlangt ...«

Der Fürst nahm den Brief auf und begann laut zu lesen:

»Ihr selbst, Durchlaucht, seid auf der Hut und bemüht Euch vor allen Dingen die Konföderierten zu zerstreuen und zu verhindern, daß sie zum Könige gelangen. Sie ziehen nach Sabludowo und dort ist das Bier stark. Wenn sie sich betrunken haben, dann sollt Ihr sie alle totschlagen, jeder Wirt seine Quartierleute, denn sie sind nichts Besseres wert, und wenn die Häupter der Konföderation beiseite geräumt werden, zerfällt diese selbst ganz allein.«

Hier warf Fürst Boguslaw den Brief auf den Tisch.

»Habt ihr gehört, Herr Kmiziz?« sagte er dann. »Ich soll also nach Preußen gehen, zu gleicher Zeit ein Blutbad in Sabludowo anrichten, gleichzeitig als Parteigenosse Johann Kasimirs auftreten und diejenigen totschlagen, welche den König und das Vaterland nicht verraten wollen. Hat das einen Sinn? Läßt sich das in Uebereinstimmnng bringen? Ma foi! Der Fürst-Hetman ist nicht bei Sinnen. Ich bin soeben erst noch auf dem Wege hierher einer solchen Bande Aufwiegler begegnet, die nach Podlachien ziehen. Am liebsten hätte ich allen die Bäuche aufgeschlitzt, aber, so lange ich noch nicht öffentlich mich als Partisane der Schweden bekennen darf, so lange bleibt mir nichts übrig, als mit diesen Banditen zu politisieren, wie sie mit mir, da sie keine anderen Beweise meines Einverständnisses mit dem Hetman haben, als ihren Verdacht.«

Der Fürst legte sich bequem in den Sessel zurück, streckte die Beine aus und die Arme unter den Kopf:

»O, es ist ein Elend in dieser eurer Republik, ein Elend!« rief er aus. »... in der ganzen Welt giebt es so etwas nicht wieder! ...«

Darauf schwieg er eine Weile; es schien ihn ein Gedanke zu beschäftigen, denn er klopfte sich auf die Perücke, zuletzt frug er: »Werdet ihr nach Podlachien reisen?«

»Ei freilich!« sagte Kmiziz. »Ich muß ja, denn ich habe einen Brief vom Fürsten Hetman an Harasimowitsch, den Starosten von Sabludowo; er enthält Instruktionen.«

»Aber, mein Gott!« sagte der Fürst, »Harasimowitsch ist hier mit mir. Er transportiert die Sachen des Hetman nach Preußen, denn wir befürchteten, sie könnten den Konföderierten in die Hände fallen. Wartet; ich lasse ihn rufen.«

Der Fürst rief einen Diener herbei, welchen er befahl, den Starosten zu holen, er fuhr dann fort:

»Wie sich das gut schickt! Ihr spart euch einen Weg ... obgleich ... wer weiß, vielleicht ist es schade, daß ihr nicht nach Podlachien geht, denn unter den Häuptern der Konföderation befindet sich ein Namensvetter von euch, vielleicht hättet ihr den für unsere Sache gewinnen können?«

»Dazu hätte mir die Zeit gefehlt,« entgegnete Kmiziz, »denn ich habe Eile, zu Herrn Lubomirski und zum Könige von Schweden zu kommen.«

»Ah, ihr habt Briefe auch an den Herrn Kronenmarschall? Ich errate, um was es sich handelt ... Der Herr Marschall gedachte einstmals sein Söhnchen mit der Tochter Janusch's zu versprechen ... Sollte der Hetman jetzt in feiner Weise darauf zurückkommen wollen?«

»Es handelt sich eben darum!«

»Sie sind ja beide noch Kinder! ... Hm! das ist eine heikle Mission, denn es schickt sich nicht, daß der Hetman sich anbietet. Ueberdies! ...«

Der Fürst runzelte die Stirn.

»Ueberdies wird nichts daraus ... Die Tochter des Fürst-Hetman ist nicht für Heraklius. Ich sage das! Der Fürst-Hetman muß darauf bedacht sein, das Vermögen der Radziwills bei den Radziwills zu lassen.«

Kmiziz blickte den Fürsten, welcher mit schnellen Schritten im Gemach hin und her zu laufen begann, verwundert an. Plötzlich blieb er vor Herrn Andreas stehen.

»Gebt mir euer Ehrenwort, daß ihr auf meine Fragen der Wahrheit gemäß antworten wollt,« sprach der Fürst.

»Durchlaucht!« entgegnete Kmiziz, »nur diejenigen lügen, welche jemanden zu fürchten haben; ich fürchte niemanden.«

»Hat der Fürst-Wojewode euch befohlen, die Botschaft an Herrn Lubomirski vor mir geheim zu halten?«

»Wenn Se. Durchlaucht das hätte, so würde ich den Namen des Herrn Marschalls gar nicht erwähnt haben.«

»Er könnte euch doch entschlüpft sein! Euer Ehrenwort!«

»Auf Ehre!« sagte Kmiziz, indem er die Stirn runzelte.

»Ihr habt eine Last von mir genommen; ich glaubte schon, der Fürst-Wojewode wolle auch mit mir ein doppeltes Spiel treiben.«

»Ich verstehe Ew. Durchlaucht nicht.«

»Wißt ihr, warum ich in Frankreich die Hand der Prinzessin Rohan und eines halben Schock anderer Prinzessinnen ausgeschlagen habe?«

»Nein, wie sollte ich?«

»Weil zwischen dem Fürst-Wojewoden und mir ein Vertrag geschlossen worden ist, daß sein Mädchen und sein Vermögen für mich heranwachsen. Als ein treuer Diener der Radziwills dürft ihr das wissen.«

»Ich danke für das Vertrauen ... aber Durchlaucht irren ... ich bin kein Diener der Radziwills.«

Boguslaw riß die Augen weit auf.

»Ich bin des Hetman Hauptmann, nicht Titularhauptmann des fürstlichen Hofes, dazu ein Verwandter des Fürst-Wojewoden.«

»Ein Verwandter?«

»Ja, denn ich bin den Kischkows verwandt und des Fürsten Mutter war eine Kischkow.«

Der Fürst Boguslaw sah Kmiziz eine Weile an. Herr Andreas errötete leicht. Plötzlich streckte der Fürst die Hand aus und sagte:

»Verzeihung, Herr Vetter, ich gratuliere zur Verwandtschaft ...«

Die letzten Worte waren mit einer gewissen nachlässigen Artigkeit gesprochen, die für Kmiziz etwas geradezu Verletzendes hatten und dieser, noch tiefer errötend als vorher, wollte soeben den Mund öffnen, um heftig etwas zu erwidern, als die Thüre geöffnet wurde und Harasimowitsch eintrat.

»Es ist ein Brief für euch da,« wandte sich der Fürst sogleich an ihn.

Harasimowitsch verneigte sich zuerst vor dem Fürsten, dann vor dem Herrn Andreas, welcher ihm den Brief reichte.

»Lest vor!« befahl der Fürst.

Harasimowitsch begann: »Herr Harasimowitsch! Die Zeit ist jetzt da, zu zeigen, daß ihr ein guter, wohlgesinnter Diener eures Herrn seid. Ihr könnt etwas Geld sammeln – ihr in Sabludowo und Herr Pschynski in Orla ...«

»Den Herrn Pschynski in Orla haben die Konföderierten verhauen, deshalb nimmt der Herr Harasimowitsch Reißaus,« unterbrach der Fürst.

Der Starost verbeugte sich und las weiter: »... und Herr Pschynski in Orla, sei es an öffentlichen Abgaben, an Zinsen, Pacht ...«

»Die haben schon die Konföderierten genommen,« unterbrach Fürst Boguslaw wieder.

»... sendet mir sobald als möglich, was ihr zusammenkriegen könnt,« las Harasimowitsch weiter, »vielleicht könnt ihr den Nachbaren oder Städtern ein Paar Güter verpfänden, indem ihr möglichst viel Gelder aufnehmt, und gebt euch Mühe, so viel als möglich zu bekommen, die ihr mir sofort sendet. Die Pferde und Sachen, alles, was zu transportieren geht, auch den großen Kronleuchter in Orla, alle Bilder und sonstigen Hausrat bringt nach Tauroggen, vor allem aber die Geschütze, welche im Gange bei Sr. Durchlaucht dem Fürsten Boguslaw stehen, damit sie den Räubern nicht in die Hände fallen ...«

»Wieder ein verspäteter Ratschlag, denn wir führen die Geschütze schon mit uns!« sagte der Fürst.

»... Sollten dieselben mit den Lafetten zu schwer zu transportieren sein, so laßt die Lafetten stehen und legt die Rohre auf Wagen, doch deckt sie gut zu, damit man nicht erkennt, was auf den Wagen liegt. Hütet euch besonders vor denjenigen Aufständischen, welche, nachdem sie in meinem Heere den Aufstand veranlaßt haben, jetzt meine Starosteien verwüsten ...«

»O! und wie hausen sie dort! Sie quetschen sie aus wie Quark!« unterbrach der Fürst wieder.

»... meine Starosteien verwüsten, sich anschicken, über Sabludowo zu gehen, um zum Könige zu stoßen. Sich gegen ihren Ueberfall zu verteidigen wäre zwecklos, denn es sind ihrer ganze Haufen; aber laßt sie ein, bewirtet sie, macht sie trunken und schlagt sie nachts, wenn sie schlafen tot – jeder einzelne Wirt kann das mit seiner Einquartierung machen, – oder vergiftet das Bier, oder seht, wie ihr mit ihnen fertig werdet ...«

»Also nichts neues!« sagte Fürst Boguslaw. »Ihr könnt mit mir weiter reisen, Herr Harasimowitsch ...«

»Es steht noch etwas hier,« antwortete der Starost und las weiter:

»... Wenn man die Weine nicht fortbringen kann – bei uns hier bekommt man keine mehr – so verkauft sie schleunigst für bares Geld ...«

Hier unterbrach sich Harasimowitsch selbst. Er fuhr sich in die Haare und rief verzweifelt:

»Um Gotteswillen! Die Weintonnen sind eine halbe Tagereise weit mit den Wagen hinter uns zurück. Sie sind sicher der Fahne Aufständischer in die Hände gefallen, welcher wir begegnet sind. Das ist ein Schaden von etwa tausend Goldgulden. Ew. Durchlaucht müssen mir bezeugen, daß ich auf Ew. Durchlaucht Befehl so lange warten mußte, bis die Wagen beladen waren.«

Das Entsetzen des Starosten wäre noch größer gewesen, wenn er Herrn Sagloba gekannt und gewußt hätte, daß dieser Ritter sich in jener Fahne befand. Fürst Boguslaw aber lachte und sagte: »Möge er ihnen gut bekommen! Lest weiter!«

»... Wenn sich kein Käufer finden sollte ...«

Jetzt mußte der Fürst sich vor Lachen die Seiten halten.

»Er hat sich schon gefunden,« sagte er, »nur werden wir ihm borgen müssen.«

»... wenn sich kein Käufer finden sollte,« las Harasimowitsch mit weinerlicher Stimme, »dann vergrabt den Wein, aber ganz geheimnisvoll, so daß höchstens zwei Personen davon wissen. Eine oder zwei Tonnen von den besseren süßen Sorten können in Sabludowo oder Orla liegen bleiben, damit sie lüstern darauf werden. Diese vergiftet mit starken Giften, damit die Offiziere und Hauptleute davon krepieren, das Gesindel zerstreut sich dann von selbst. Um Gotteswillen, steht mir treu bei in dieser Angelegenheit und geht heimlich zu Werke! ... Verbrennt alles, was ich schreibe sorgfältig, und sollte einer oder der andere eingeweiht werden müssen, den schickt nachher zu mir.«

Der Starost hörte auf zu lesen; er blickte den Fürsten an, als erwarte er von ihm Befehle.

»Ich mache die Wahrnehmung, daß mein Herr Vetter sich sehr mit den Konföderierten beschäftigt,« sprach nun der Fürst. »Schade nur, daß es zu spät ist! ... Wäre er eine Woche früher auf den Einfall gekommen, vielleicht hätte man es versuchen können. Nun, geht mit Gott, Harasimowitsch, wir brauchen euch nicht mehr.«

Harasimowitsch verbeugte sich und ging hinaus.

Der Fürst Boguslaw trat vor den Spiegel und betrachtete angelegentlich seine Gestalt, wobei er bald vorwärts, bald rückwärts schritt, den Kopf bald nach rechts, bald nach links bog, dann die Lockenperücke schüttelte und mit den Augen schielte, ohne dabei Kmiziz zu beachten, welcher mit dem Rücken dem Fenster zugekehrt im Schatten saß.

Hätte er jedoch nur einen einzigen Blick auf den jungen Gesandten geworfen, so hätte er bemerken müssen, daß mit diesem etwas Außergewöhnliches vorging. Sein Gesicht war sehr bleich, der Schweiß rann ihm in dichten Tropfen von der Stirn herab und die Hände zuckten konvulsivisch. Einmal stand er auf, setzte sich aber wieder, wie jemand, der einen schweren Kampf mit sich kämpft und einen Ausbruch der Verzweiflung oder der Wut zu unterdrücken sich bemüht. Endlich glättete sich sein Gesicht, die Züge schienen sich zu versteinern; er hatte sich jetzt vollkommen in der Gewalt und war ganz ruhig.

»Durchlaucht!« begann er. »Das Vertrauen, mit welchem mich der Fürst-Hetman beehrt, ist der beste Beweis, daß er kein Geheimnis vor mir hat. Ich habe mich mit Leib und Leben seinem Dienste geweiht; mit seinem und Ew. Durchlaucht Glück hängt auch das meinige zusammen. Darum, wo ihr hingeht, gehe auch ich hin ... Ich bin bereit, alles für euch zu thun. Doch, obgleich ich überall und in allen Angelegenheiten zu Diensten bin, kann ich doch nicht alles verstehen und mit meinem schwachen Verstande begreifen.«

»Was möchtet ihr also wissen, Herr Kavalier, oder vielmehr, schöner Herr Vetter?« frug der Fürst.

»Ich bitte um Aufklärung, denn es wäre beschämend für mich, wenn ich bei so großen Politikern nichts lernen sollte. Ich weiß nicht, ob Ew. Durchlaucht geneigt wären, mir offen und ehrlich zu antworten?«

»Das wird von der Frage abhängen, die ihr stellen wollt, und von meiner Laune,« antwortete Boguslaw, indem er seine Studien im Spiegel fortsetzte.

Es blitzte in Kmiziz' Augen auf, doch er zwang sich zur Ruhe.

»Also es verhält sich so,« sprach er vollkommen ruhig. »Der Fürst-Wojewode von Wilna behauptet, daß alle seine Handlungen nur zum Wohle der Republik dienen. Das Wort Republik schwebt fortwährend auf seinen Lippen; er spricht es täglich unzählige Male. Wollen Ew. Durchlaucht mir aufrichtig sagen: ob er das nur zum Schein thut, oder ob ihm das Wohl des Vaterlandes wirklich so am Herzen liegt.«

Boguslaw warf einen schnellen, durchdringenden Blick auf Kmiziz.

»Und wenn ich euch nun sagte, daß es nur zum Schein geschieht, würdet ihr ihm weiter helfen?«

Kmiziz zuckte nachlässig die Schultern. »Bah! ich sagte schon, mein Glück ist mit demjenigen der Radziwills verknüpft. Wenn ich nur zu Reichtum gelange – das andere ist mir gleichgültig!«

»Dann prophezeihe ich euch eine große Zukunft. Aber warum hat denn der Vetter noch niemals offen mit euch gesprochen?«

»Vielleicht, weil er zu vorsichtig ist, vielleicht auch, weil sich keine Gelegenheit dazu bot.«

»Ihr habt einen klaren Verstand, Kavalier; es ist wahr, er ist mißtrauisch und zeigt niemals seine wahre Haut, es sei denn, die Umstände zwingen ihn. Das liegt eben in seiner Natur. Macht er es mit mir doch ebenso, denn wenn er sich einmal vergißt, schmückt er seine Rede immer mit schönen Worten über Vaterlandsliebe. Erst, wenn ich ihm ins Gesicht lache, besinnt er sich wieder auf sich selbst. Ihr habt recht! ...«

»So ist das alles wirklich nur Schein?« frug Kmiziz wieder.

Der Fürst drehte einen Stuhl herum, setzte sich rittlings darauf, legte die Arme über die Lehne, schwieg eine Weile, als überlege er, dann sprach er:

»So höret, Herr Kmiziz! Wenn wir Radziwills in Spanien, Frankreich oder Schweden lebten, wo die Thronfolge, abgesehen von inneren Parteistreitigkeiten und dem Erlöschen eines Geschlechtes, Fälle, die sehr selten vorkommen, vom Vater auf den Sohn vererbt wird und von Gottes Gnaden besteht, dann würden wir auch dem Könige dienen und uns mit hohen Aemtern begnügen, die uns durch Geburt, Verdienst und Glück zukommen. Aber hier, in diesem Lande, wo das Königtum nicht von Gottes Gnaden besteht, sondern durch den Adel kreiert wird, wo alles in liberis suffragis geschieht, haben wir uns mit Recht die Frage vorgelegt: warum soll ein Wasa und nicht ein Radziwill regieren? ... Ja, bliebe es noch bei einem Wasa; wer aber garantiert uns, daß nach ihm, der immer noch von königlicher Herkunft ist, nicht eine Laune des Adels einen Harasimowitsch, einen Mieleschko oder Pieglaschewitsch aus Pschiewolki auf den Thron erhebt. Tfu! Wer weiß, wen sonst noch? ... Und wir, die Fürsten Radziwill, müßten dann, gemäß der alten Sitte, hinzutreten, um Sr. Pieglaschewitschschen Majestät huldigend die Hand zu küssen? ... Tfu! Herr Kavalier, bei allen gehörnten Teufeln, es ist Zeit, der Sache ein Ende zu machen! ... In Deutschland sind viele kleine Fürsten regierende Herrscher, die an Reichtum und Gütern sich kaum mit einem unserer Starosten messen können. Sie alle haben den Vortritt vor uns, weil sie eine Krone tragen, während sie doch von Rechtswegen unsere Mantelschleppen tragen sollten. Schon mein Vater hat daran gedacht, dieser Sache ein Ende zu machen.«

Der Fürst hatte sich heiß geredet; er stand auf und begann hin und her zu gehen.

»Es wird nicht ohne Schwierigkeiten und Kämpfe abgehen,« fuhr er fort, »denn die Radziwills aus Olyzko und Nieswiersch wollen uns nicht beistehen. Ich weiß, daß der Fürst Michael dem Vetter Janusch geschrieben hat, wir möchten lieber nach einem härenen Bußgewande für uns streben, wie nach dem Königsmantel. Mag er das mir selbst thun, mag er auf dem Aschesack sitzen und sich von den Jesuiten das Fell gerben lassen, wenn er mit seinem Truchseßtitel zufrieden ist. Er kann ja, wenn er Lust dazu hat, während seines ganzen tugendhaften Lebens, bis an sein tugendhaftes Ende, tugendhaft Kapaune vorschneiden! Wir werden ohne ihn fertig und jetzt ist die Zeit zum Handeln gekommen. Der Teufel muß die Republik holen, denn sie ist schon so sehr auf den Hund gekommen, daß sie sich nicht mehr wehren kann. Alles kriecht in ihre Grenzen, denn der Zaun, der sie umgab, ist eingerissen. Was mit und durch die Schweden hier geschehen ist, könnte nirgendwo in der ganzen Welt geschehen. Wir, Herr Kavalier, können mit Recht singen: Tedeum laudamus! Denn das Unerhörte, nie Dagewesene ist geschehen ... Ein fremdes Volk bricht in die Grenzen des Reiches, ein Volk, bekannt wegen seiner Raubgier; es findet nicht nur keinen Widerstand, sondern – alles, was da lebt, verläßt den alten Herrn und wendet sich dem neuen zu – Magnaten, Adel, das Heer, die Schlösser, Städte und Dörfer, alles huldigt ihm, alle! ... Ohne Ehre, Scham und Schande! ... Hat die Weltgeschichte in ihren Annalen wohl je etwas Derartiges aufzuweisen? ... Tfu! Tfu! Herr Kavalier! Dieses Land nährt Kanaillen, ohne Gewissen und Stolz! ... Und solch ein Land sollte nicht zu Grunde gehen müssen? Sie bauen auf die Gnade der Schweden! Nun, ihr werdet ja Gnade erleben! In Großpolen legen die Schweden dem Adel schon Daumschrauben an ... Und so wird es überall geschehen, denn es kann nicht anders kommen, diese Nation muß untergehen, sie muß mißachtet und zu Dienern der Nachbarstaaten gemacht werden! ...«

Kmiziz wurde immer bleicher; mit dem letzten Aufgebot seiner Kraft drängte er den Ausbruch toller Wut zurück, die sich seiner immer mehr bemächtigte, während der Fürst, ganz vertieft in den Gegenstand seiner Rede, von den eigenen Worten berauscht, den Hörer nicht beachtend, fortfuhr:

»In diesem Lande ist es Sitte, Herr Kavalier, daß die Verwandten eines Sterbenden diesem in dem letzten Kampfe das Kopfkissen fortziehen, um ihm das Sterben zu erleichtern. Der Fürst-Wojewode von Wilna und ich, wir haben beschlossen, der Republik diesen letzten Liebesdienst zu erweisen, und da eine ganze Anzahl raubgieriger Hände sich nach dem Erbteil der Sterbenden ausstrecken, so wollen wir uns den möglich größten Teil derselben in Sicherheit bringen, da wir das Ganze doch nicht erlangen können. Als Verwandte haben wir das größte Anrecht darauf. Wenn dieser Vergleich für euren Verstand aber nicht deutlich genug sein sollte, so erkläre ich mich gern näher. Stellt euch die Republik als ein rotes Stück Tuch vor, an welchem die Schweden, Chmielnizki, die Hyperboräer, die Tartaren, der Kurfürst und wer weiß wer sonst noch, herumzerren. Wir, der Fürst-Wojewode und ich, sagen uns nun, daß von diesem Stück Tuch auch für uns ein so großes Stück in den Händen bleiben muß, daß es zum Königsmantel reicht. Darum stören wir nicht allein die Zerrenden nicht, sondern wir helfen dabei. Mag Chmielnizki die Ukraine behalten, die Schweden mit dem Brandenburger sich um Kurpreußen und Großpolen streiten, mag Rakotschy Kleinpolen nehmen, oder einer der noch größere Rechte darauf zu haben glaubt, Litauen muß für den Fürsten Janusch bleiben und mit seiner Tochter – mir!«

Kmiziz erhob sich plötzlich. »Ich danke Ew. Durchlaucht,« sagte er, »ich wollte das nur wissen.«

»Wollt ihr fort, Herr Kavalier?« frug der Fürst.

»Jawohl!«

Jetzt erst sah der Fürst den Ritter aufmerksamer an und gewahrte dessen Blässe und Aufregung.

»Was ist euch, Herr Kmiziz?« frug er. »Ihr seht aus wie Petrus am Feuer.«

»Die Mühsale der letzten Zeit haben mich schwach gemacht, mir schwindelt. Ich muß hinaus, doch vor meiner Abreise komme ich noch, mich verabschieden.«

»Da müßt ihr euch sputen, denn ich reise Nachmittag auch ab.«

»In spätestens einer Stunde bin ich wieder da.«

Indem er das sagte, verbeugte sich Kmiziz und ging hinaus. Im Vorzimmer erhoben sich die Kammerdiener bei seinem Anblick, doch er sah niemanden; er taumelte hinaus wie ein Trunkener. Auf der Schwelle des Vorzimmers faßte er mit beiden Händen nach dem Kopfe und stöhnte jammervoll:

»Jesus von Nazareth, König der Juden! Jesus, Maria, Josef.«

Taumelnd durchschritt er den Hof, an der Wache, welche von sechs Hellebardieren gehalten wurde, vorüber. Hinter dem Kehrrad standen seine Leute mit dem Wachtmeister Soroka.

»Mir nach!« sagte Kmiziz.

Und er rannte durch das Städtchen dem Gasthause zu.

Soroka, seit Jahren in Kmiziz's Diensten, kannte seinen jungen Hauptmann zu genau, um nicht sofort zu erraten, daß ihn Außergewöhnliches beschäftige.

»Habt Acht!« flüsterte er seinen Leuten zu. »Wehe dem, welchen jetzt sein Zorn trifft.«

Die Soldaten beeilten ihre Schritte, denn Kmiziz lief nicht, nein, er rannte vorwärts, während er mit den Armen fuchtelte und abgerissene Worte vor sich hin sprach.

Soroka hörte nur einige, wie: Giftmischer, Verräter ... Verbrecher und Verräter ... Einer wie der andere.

Dann wieder rief er die Namen seiner toten Kumpane. Die Namen: Kokosinski, Kulwiez, Ranizki, Rekutsch und andere fielen schnell nacheinander. Ein paarmal rief er auch Wolodyjowski. Das alles hörte Soroka mit wachsender Unruhe und Verwunderung und dachte bei sich:

»Es giebt ein Blutvergießen hier oder sonst was ...«

Mittlerweile waren sie im Gasthofe angelangt. Kmiziz schloß sich in seine Stube ein und gab eine Stunde lang kein Lebenszeichen von sich.

Ohne daß sie Befehl erhalten hätten, sattelten die Soldaten die Pferde und schnallten das Gepäck auf.

Soroka hatte gemeint, das schade nichts, man müsse immer bereit sein ...

Es erwies sich auch bald, wie gut Soroka seinen Hauptmann kannte, denn plötzlich erschien Kmiziz im Flur ohne Mütze und Oberrock, in Hemdsärmeln.

»Satteln!« schrie er. – »Ist schon gesattelt.«

»Das Gepäck aufschnallen!« – »Ist schon geschehen!«

»Für den Kopf einen Dukaten!« rief der junge Hauptmann, welcher trotz der großen Erregung, in der er sich befand, sich freute, daß die Soldaten im Augenblick seine Gedanken erraten hatten.

»Wir danken, Herr Hauptmann!« antworteten sie im Chor.

»Zwei Mann reiten sofort mit den Lasttieren aus der Stadt, den Weg nach Dembowo zu. Ihr reitet durch die Stadt langsam, hinter der Stadt laßt ihr die Pferde galoppieren und haltet erst in den Wäldern an.«

»Zu Befehl!«

»Die vier anderen laden ihre Büchsen mit gehacktem Blei. Für mich werden beide Pferde gesattelt, sie müssen beide in Bereitschaft sein.«

»Ich wußte ja, daß es etwas geben wird!« murmelte Soroka.

»Und jetzt, Wachtmeister, zu mir,« befahl Kmiziz.

Und wie er da war, nur in Hose und aufgeknöpftem Hemd, trat er aus dem Flur und schritt zum grenzenlosen Staunen des ihm folgenden Soroka durch den Hof bis zu dem in der Mitte desselben befindlichen Ziehbrunnen. Hier hielt er an, und indem er auf den Eimer am Schwengel deutete, sagte er:

»Gieße mir Wasser über den Kopf.«

Der Wachtmeister wußte aus Erfahrung, daß es gefährlich war, noch einmal nach einem Befehl zu fragen; er langte also nach der Stange am Schwengel, tauchte dieselbe mit dem Eimer in das Wasser und zog ihn schnell herauf. Darauf schöpfte er mit den hohlen Händen Wasser daraus und goß dieses über den Kopf des Herrn Andreas, welcher anfing zu sprudeln wie ein Walfisch, seine nassen Haare mit den Handtellern festpatschte und rief: »Noch mehr!«

Soroka wiederholte die Douche noch mehreremale und pantschte mit dem Wasser, als wolle er ein Feuer löschen.

»Genug!« sagte Kmiziz endlich. »Komme mit mir und hilf mich ankleiden!«

Beide gingen nach dem Gasthause zurück.

Im Thorwege trafen sie die beiden Leute, welche mit den Lasttieren vorausritten.

»Langsam durch die Stadt, hinter der Stadt, was die Pferde laufen können,« wiederholte Kmiziz mahnend.

Er trat in seine Stube.

Eine halbe Stunde später erschien er wieder; er war völlig reisefertig, trug hohe kalbslederne Stiefeln und ein Koller von Elenhaut, welches mit einem Ledergurt festgehalten wurde, hinter dem eine Pistole steckte.

Die Soldaten bemerkten noch, daß unter dem Kaftan der Rand eines Ringelpanzers hervorlugte, als wolle er zum Kampfe ausreiten. Auch der Säbel war hochgeschnallt, damit der Griff schneller zu erreichen war. Das Gesicht des Hauptmanns war ruhig, aber ernst und streng.

Nachdem er einen Blick auf die Soldaten geworfen, um zu sehen, daß sie reisefertig und gehörig bewaffnet waren, sprang er auf sein Pferd, warf dem Wirt einen Dukaten zu und ritt zum Thore hinaus.

Soroka ritt neben ihm, die drei anderen hinterdrein; sie führten das zweite Pferd des Hauptmanns mit sich. Bald befanden sie sich auf dem Marktplatze, welcher mit den Soldaten Boguslaws angefüllt war. Es ging schon recht lebhaft dort zu; jedenfalls war bereits der Befehl ausgegeben, zum Aufbruch zu rüsten. Die Reiter zogen die Säbelgurte fest und zäumten die Pferde auf, die Füsiliere verteilten die zusammengestellten Musketen und die Wagen wurden eingespannt. Kmiziz richtete sich plötzlich auf, wie wenn er aus einem Traume erwache.

»Höre, Alter!« sagte er zu Soroka. »Führt der Weg aus der Stadt an der Starostei vorbei weiter, oder muß man wieder über den Marktplatz zurück?«

»Wohin wollen wir, Herr Hauptmann?«

»Nach Dembowo.«

»Dann müssen wir vom Marktplatz aus an der Starostei vorbei, die Stadt bleibt hinter uns.«

»Gut!« sagte Kmiziz.

Dann murmelte er halblaut vor sich hin:

»O, wenn jene jetzt lebten! Wir sind zu wenige zu einem solchen Unternehmen!«

Sie hatten den Marktplatz bereits hinter sich und ritten um eine Wegbiegung der Starostei zu, welche ein und ein halbes Gewände weiter an der Landstraße lag.

»Halt!« gebot Kmiziz plötzlich.

Die Soldaten hielten ihre Pferde an, während er zu ihnen gewendet fragte:

»Würdet ihr bereitwillig euer Leben in die Schanze schlagen?«

»Jawohl!« antworteten die Orschaner Krieger wie aus einem Munde.

»Wißt ihr noch, wie wir dem Chowanski in den Rachen gelaufen sind, ohne daß er uns aufgefressen hat ... wißt ihr noch?«

»Freilich wissen wir's.«

»Es gilt heute ein großes Wagnis ... Gelingt es, dann wird unser allergnädigster König euch alle zu Herren machen ... dafür stehe ich ein! ... Mißlingt es, dann wandern wir alle auf den Pfahl!«

»Was sollte uns nicht gelingen!« sagte Soroka, dessen Augen zu leuchten begannen, wie die eines alten Wolfes.

»Es muß gelingen!« wiederholten die drei anderen: Bilous, Zawratynski und Lubieniez.

»Wir müssen den Fürst-Stallmeister entführen!« sagte Kmiziz.

Er verstummte, um den Eindruck zu prüfen, den seine wahnsinnige Idee auf die Soldaten machte. Auch sie verstummten und blickten ihn fest an, nur ihre Bärte zuckten hin und her und die Gesichter nahmen einen drohenden Ausdruck an.

»Der Pfahl ist näher als die Belohnung!« sagte Kmiziz.

»Wir sind zu wenige!« murmelte Zawratynski.

»Das wird schlimmer, wie bei Chowanski!« setzte Lubieniez hinzu.

»Die Mannschaften sind alle auf dem Marktplatze; in der Starostei befinden sich nur die Wachen und etwa zwanzig Hofschranzen, von denen keiner etwas ahnt und keiner eine Waffe bei sich hat.«

»Ew. Liebden setzen euren Kopf auf's Spiel, warum sollten wir das nicht auch thun,« entgegnete Soroka.

»Dann hört!« sagte Kmiziz. »Wenn wir ihn nicht mit List nehmen, dann geht es anders nicht ... Merkt auf! Ich werde mich in das Gemach des Fürsten begeben und nach einer Weile mit ihm zurückkommen ... Besteigt der Fürst mein Pferd, so besteige ich das andere und wir reiten los ... Wenn wir etwa hundert bis zweihundert Schritte weit fort sind, dann fassen zweie von euch den Fürsten unter den Armen und fort dann, was die Pferde ausgreifen können!«

»Zu Befehl!« sagte Soroka.

»Kommen wir nicht heraus,« fuhr Kmiziz fort, »und hört ihr drinnen einen Schuß fallen, dann schießt ihr die Wache nieder und stellt mein Pferd so zurecht, daß ich hinaufspringen kann, so wie ich aus der Thür stürze.«

»So soll es geschehen!« sagte Soroka.

»Vorwärts!« kommandierte Kmiziz.

Eine Viertelstunde später hielten sie vor dem Kehrrade des Starostenhofes. Bei demselben standen wie schon vorher sechs Hellebardiere Wache, vier andere bewachten die Hausthüre. Im Hofe waren um die Kutsche des Fürsten ein paar Stallmeister und etliche Pferdeknechte beschäftigt, welche von einem Hofmeister beaufsichtigt wurden, der allem Anschein nach ein Ausländer war.

Weiterhin, bei den Remisen, spannte man Pferde vor zwei Kaleschen, die von starken Knechten mit Gepäck beladen wurden. Diese Arbeit beaufsichtigte ein Mann, ganz schwarz gekleidet, dessen Gesicht aussah, wie das eines Medikus und Astrologen.

Kmiziz ließ sich, wie schon beim ersten Besuch, beim Fürsten durch den dienstthuenden Offizier melden; er wurde sogleich vorgelassen.

»Wie geht es euch, Kavalier?« redete der Fürst ihn frohgelaunt an. »Ihr verließet mich so plötzlich, daß ich schon glaubte, euch nie mehr zu Gesicht zu bekommen, weil euch bei meinen Auseinandersetzungen Skrupel aufgestiegen sein mochten.«

»Wie hätte ich abreisen sollen, ohne mich vorher bei Ew. Durchlaucht zu verabschieden!« sagte Kmiziz.

»Nun, ich dachte dann wieder, daß der Fürst-Wojewode doch sicherlich gewußt hat, wen er mit einer so vertraulichen Mission aussenden konnte. Auch ich will eure Gefälligkeit in Anspruch nehmen, denn ihr sollt einige Briefe von mir an verschiedene hochgestellte Persönlichkeiten und den König von Schweden mitnehmen. Aber, wozu habt ihr euch denn so bewaffnet, als ginge es zur Schlacht?«

»Ich gehe zwischen die Konföderierten und habe im Städtchen gehört, daß unlängst eine Fahne derselben hier gewesen ist, welche einen Haufen Gesindel des Soltarenka vom Rauben und Morden abgehalten hat. Ew. Durchlaucht haben selbst bestätigt, sie gesehen zu haben. Diese Fahne wird von einem berühmten Soldaten geführt.«

»Wer ist das?«

»Herr Wolodyjowski. Es befinden sich bei ihm auch Herr Mirski, Herr Oskierko und zwei Herren Skrzetuski, von denen einer der berühmte Sbarascher Held ist, dessen Gemahlin Ew. Durchlaucht in Tykozin belagern wollten. Diese alle haben sich gegen den Fürst-Wojewoden aufgelehnt, und das ist schade, denn sie alle sind tüchtige Krieger. Es läßt sich aber nicht ändern; es giebt eben in dieser Republik noch so dumme Menschen, die nicht an dem roten Tuche mit den Kosaken und Schweden zerren wollen.«

»Die Dummen sterben nicht aus, und besonders nicht in diesem Lande,« sagte der Fürst. »Hier sind die Briefe, und solltet ihr Se. schwedische Majestät bald zu sehen bekommen, so erzählt ihr im Vertrauen, daß ich im Grunde meiner Seele ebenso eifrig sein Parteigänger bin, wie mein fürstlicher Vetter, daß ich aber vorläufig noch simulieren muß.«

»Wer müßte nicht simulieren!« entgegnete Kmiziz. »Jeder simuliert, besonders, wenn er etwas Großes erlangen will.«

»So ist es! Führt euch gut, Herr Kavalier, so will ich euch dankbar sein; ich werde mich im Eifer, zu belohnen, nicht vom Fürst-Wojewoden von Wilna übertreffen lassen.«

»Wenn Ew. Durchlaucht so gnädig sein wollten, würde ich gleich um eine Belohnung bitten.«

»Da haben wir's! Der Fürst-Wojewode hat euch wohl nicht besonders reichlich für die Reise versehen? Bei ihm bewacht eine Schlange den Geldkasten.«

»Gott bewahre mich! Geld habe ich weder vom Fürst-Hetman verlangt, noch verlange ich solches von Ew. Durchlaucht. Ich reise auf eigene Kosten.«

Der Fürst sah den jungen Ritter verwundert an.

»Ei, so ist es also wahr, daß die Kmiziz nicht zu denjenigen gehören, welche anderen in die Hand sehen. Um was handelt es sich also, Herr Kavalier?«

»Die Sache verhält sich so. Ich habe unbedachter Weise in Kiejdan ein edles Rassepferd mitgenommen, um mich damit vor den Schweden zu brüsten. Ich übertreibe sicherlich nicht, wenn ich sage, daß es ein besseres in den Kiejdaner Ställen nicht giebt. Das bedauere ich jetzt, denn ich fürchte, daß das Tier unterwegs unter den Unbequemlichkeiten der Reise leiden und verderben wird; doch das nicht allein – es kann in Feindeshand fallen, z. B. diesem Herrn Wolodyjowski, welcher mich so sehr haßt. Da habe ich mir gedacht – Ew. Durchlaucht könnten es in Gewahrsam nehmen und es mit benutzen.«

»So verkauft es mir doch!«

»Nein, das kann ich nicht; das wäre, als wollte ich mich meines besten Freundes entäußern. Das Tier hat mich schon wiederholt aus den größten Gefahren gerettet, denn es besitzt die Tugend, während der Schlacht die Feinde zu beißen.«

»Wie, ein so edles Tier ist es?« frug der Fürst lebhaft interessiert.

»Na und ob! Wenn ich nicht fürchten müßte, Ew. Durchlaucht zu beleidigen, würde ich hundert Goldgulden wetten, daß Ew. Durchlaucht kein einziges solches Pferd besitzen.«

»Und ich würde die Wette vielleicht eingehen, wenn es heute nicht an der Zeit mangelte, dieselbe auszutragen. Ich will das Pferd gern in Gewahrsam behalten; vielleicht gelingt es mir, euch später für den Verkauf zu gewinnen. Wo befindet sich denn das Wundertier?«

»Vor dem Kehrrade auf der Landstraße halten es meine Leute. Ew. Durchlaucht haben Recht; – es ist ein Wundertier, der Sultan selbst würde mich darum beneiden, denn es ist ein echter Natolier und würde selbst in Natolien seinesgleichen finden.«

»Gehen wir, es anzusehen.«

»Zu dienen, Durchlaucht?«

Der Fürst nahm den Hut und sie gingen.

Vor dem Kehrrade hielten die Leute Kmiziz's zwei aufgezäumte, vollständig gesattelte Pferde, von denen das eine thatsächlich ein edles Tier war. Es war kohlschwarz, hatte eine schmale Blässe an der Stirn und ein kleines weißes Büschelchen am linken Vorderfuß. Beim Anblick seines Herrn wieherte es leicht.

»Es ist dieses! ich errate!« sagte der Fürst. »Ich weiß nicht, ob das Tier ein solches Wunder ist, wie ihr behauptet, aber – es scheint von edler Rasse.«

»Führt es einmal hin und her!« befahl Kmiziz. »Oder nein! wartet, ich reite es selbst vor!«

Die Soldaten führten ihrem Hauptmann das Roß vor und nachdem er aufgestiegen, begann er um das Kehrrad herumzureiten. Unter dem gewandten Reiter erschien das Pferd doppelt schön. Es gewann an Geschmeidigkeit, die Augen glänzten feurig und die weitgeöffneten Nüstern schienen Funken zu sprühen, während der Wind durch die Mähne wehte. Herr Andreas ritt einen Kreis um den anderen, ließ die Gangart wechseln, zuletzt ritt er so dicht an den Fürsten heran, daß die Nüstern des Pferdes kaum einen Schritt weit von dem Gesicht desselben entfernt waren, und rief: »Halt!«

Das Pferd stemmte alle vier Beine gegeneinander und stand wie angewurzelt.

»Nun?« fragte Kmiziz.

»Wie gesagt: Augen und Beine wie ein Reh, der Gang wie der des Wolfes, die Nüstern wie Lachsfleisch und die Brust wie die eines Weibes!« sagte der Fürst Boguslaw. »Alles ist da. Versteht es deutsches Kommando?«

»Ein Kurländer, mein Freund Zend, hat es zugeritten.«

»Ist es schnellfüßig?«

»Wie der Wind! Kein Tartar entkommt ihm.«

»Der Bereiter muß ein sehr geschickter gewesen sein, denn ich sehe, das Pferd ist vortrefflich zugeritten.«

»Ew. Durchlaucht können sich nicht vorstellen, wie fein es dressiert ist. Es geht im Gliede so ausgezeichnet, daß, wenn Galopptempo eingeschlagen wird, man es mit verhängtem Zügel laufen lassen kann, ohne daß es um halbe Kopfeslänge den anderen vorkommt. Wenn Ew. Durchlaucht sich überzeugen wollen, – wenn das Pferd nach zwei Gewänden weit auch nur um halbe Kopfeslänge den anderen vorkommt, dann schenke ich es Ew. Durchlaucht.«

»Das wäre das Höchste, was man in der Pferdedressur je erreicht hat, wenn ein Pferd mit verhängtem Zügel nicht vorauseilen sollte.«

»Es ist zum Verwundern, und wie bequem; man hat immer beide Hände frei. Oft genug schon hielt ich in der einen Hand den Säbel, in der anderen die Pistole, während das Pferd frei rannte.«

»Bah! und wenn das Glied eine Schwenkung machen muß?«

»Dann wendet es mit, ohne das Glied in Verwirrung zu bringen.«

»Das ist unmöglich!« rief der Fürst. »Das macht kein Pferd. Ich habe in Frankreich die Pferde der Königsmusketiere gesehen, welche ausgezeichnete Dressur haben, um bei Hoffesten nicht die Ordnung zu stören, doch sie alle mußten im Zügel gehalten werden.«

»Dieses Tier hat Menschenverstand ... Wollen Ew. Durchlaucht wirklich nicht einmal versuchen?«

»Gebt her!« sagte nach kurzem Besinnen der Fürst.

Kmiziz hielt ihm selbst den Steigbügel. Der Fürst sprang leicht in den Sattel und klopfte den Rappen auf den glänzenden Hals.

»Merkwürdig!« sagte er dabei. »Die besten Pferde lassen im Herbst die Haare, dieses hier ist wie aus dem Wasser gezogen. Wohin wollen wir?«

»Wir werden zuerst im Gliede reiten und – wenn Durchlaucht erlauben, nach dieser Seite dem Walde zu. Der Weg ist dort breit und gerade, während uns in den Straßen der Stadt die Wagen im Wege sind.«

»Sei es denn, dem Walde zu!«

»Zwei Gewände weit, ohne vorzukommen! Bitte die Zügel los lassen, Durchlaucht, und dann fort im Galopp ... Zwei Mann zu jeder Seite, ich selbst bleibe ein klein wenig zurück.«

»Stillgestanden!« sprach der Fürst.

Das Glied formierte sich in der Richtung nach dem Walde zu, der Fürst in der Mitte.

»Los!« kommandierte er. »Im Galopp! Marsch! ...«

Das Glied bewegte sich vorwärts und in der nächsten Minute befand es sich im vollen Jagen. Eine Staubwolke verhüllte die Reiter den Blicken der neugierig herzugeeilten Höflinge. Schon hatten die gut geschulten Rosse im wildesten Galopp mehr als ein Gewände weit zurückgelegt, ohne daß der fürstliche Renner thatsächlich auch nur einen Zoll vorgekommen wäre, obgleich die Zügel lose herabhingen. Auch das zweite Gewände war durchrannt, da wandte sich Kmiziz um, und als er sah, daß nur dichte Staubwolken hinter ihnen lagen, durch welche kaum noch der Starostenhof zu erkennen war, geschweige denn die davorstehenden Menschen, schrie er plötzlich mit gräßlicher Stimme: »Packt ihn!«

In demselben Augenblick packten Bilous und der riesengroße Zawratynski den Fürsten bei beiden Armen, und während sie nun ihren Pferden die Sporen gaben, hielten sie dieselben wie mit eisernen Klammern umfaßt, daß die Glieder knackten.

Der Rappe blieb fest im Gliede, indem er weder vorkam noch zurückblieb. Staunen, Schrecken und die Luftströmung, welche ihnen entgegenkam, beraubten den Fürsten im ersten Augenblick der Sprache. Dann versuchte er sich durch ein paar kräftige Rucke frei zu machen, aber umsonst; er bereitete sich dabei nur unerträgliche Schmerzen, denn seine Arme wurden fast ausgerenkt.

»Was soll das heißen? Spitzbuben! ... Wißt ihr nicht, wer ich bin? ...« vermochte er endlich zu rufen.

»Ja, wir wissen es,« antworteten die Reiter.

Da traf ihn der Lauf von Kmiziz' Pistole im Rücken zwischen die Schulter.

»Wehrt euch nicht! Stille halten, sonst schieße ich euch eine Kugel in den Rücken!« schrie Kmiziz.

»Verräter!« rief der Fürst.

»Und was bist du?« entgegnete Kmiziz.

Und weiter ging es in wildem Jagen.

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