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9. Kapitel

Nach beendetem Gastmahl begehrte Kmiziz den Fürsten durchaus zu sprechen. Man bedeutete ihm, daß derselbe eine geheime Unterredung mit Herrn Suchaniez habe und nicht zu sprechen sei.

Er wiederholte also am anderen Morgen sein Gesuch und wurde sofort vorgelassen.

»Durchlaucht!« sagte er, »ich komme mit einer Bitte.«

»Was kann ich für dich thun?« frug der Fürst.

»Ich halte es hier nicht länger aus. Jeder Tag bringt mir neue Qualen, ich bin in Kiejdan überflüssig. Ich bitte, daß Ew. Durchlaucht mir eine Beschäftigung geben, mich fortschicken; wie ich hörte, sollen einige Schwadronen gegen den Soltarenka ziehen, schickt mich mit ihnen fort.«

»Ist dir denn das Leben hier, an meiner Seite, eine solche Last?«

»Ew. Durchlaucht sind sehr gnädig und dennoch ist mir so elend zu Mute, wie ich's nicht sagen kann. Die Wahrheit zu gestehen, habe ich mir den Verlauf der Dinge anders vorgestellt; ich dachte mir ein Leben, Tag und Nacht im Sattel, im Kugelregen und Pulverdampf. Statt dessen heißt es, in Unthätigkeit versumpfen, lange Dispute anhören und im günstigsten Falle einmal Jagd auf die Unsrigen machen, statt auf den Feind ... Das halte ich nicht länger aus; viel lieber will ich den Tod, als die Qual der Langeweile.«

»Ich kenne den Grund deiner Qualen besser; es ist nichts, als die Liebe. Wenn du einmal älter geworden sein wirst, dann wirst du dich selbst auslachen. Ich habe gestern beobachtet, wie ihr, das Mädchen und du, euch in immer größeren Zorn gegeneinander hineingegrübelt habt.«

»Wir gehen einander nichts mehr an, Was einst war, ist aus.«

»Ist sie nicht gestern ohnmächtig geworden?« – »Ja!«

Der Fürst dachte einen Augenblick nach.

»Ich kann dir nur raten, was ich dir schon einmal riet,« sagte der Hetman dann, »wenn es dir so um das Mädchen geht, nimm sie, ob mit oder ohne ihre Einwilligung. Ich werde euch trauen lassen; es wird etwas Weinen und Wehklagen geben ... Das macht aber nichts! Du nimmst sie nach der Trauung mit in dein Quartier ... und wenn sie am anderen Morgen noch weinen sollte ...«

»Ich bitte Ew. Durchlaucht um Zuweisung einer dienstlichen Verrichtung, nicht um das Ausrichten der Hochzeit,« fiel Kmiziz barsch ein.

»Du willst sie also nicht?«

»Nein! Weder ich sie, noch sie mich! Und sollte mir das Herz darüber springen, ich werde sie nie um etwas bitten. Ich mochte nur fort, je weiter, desto besser, damit ich vergessen lerne, ehe ich den Verstand verliere. Unthätigkeit ist das Schlimmste für ein bekümmertes Herz, sie frißt, wie der Rost das Eisen. Ich erinnere Ew. Durchlaucht, wie übel noch gestern Ew. Durchlaucht zu Mitte war, ehe die guten Nachrichten kamen ... So geht es mir heute, so wird es mir gehen. Soll ich hier mit untergestütztem Kopfe stille sitzen und darüber grübeln, was das für Zeiten sind, in welchen wir leben, was für ein Krieg das ist, den wir führen sollen, dessen Zweck mein Verstand nicht zu ergründen vermag. Gebt mir Arbeit, Durchlaucht, oder ich entfliehe, sammele eine Horde um mich und schlage los.«

»Auf wen?« frug der Fürst.

»Auf wen? Ich werde gen Wilna ziehen und zwicken, wen ich dort finde. Gebt mir meine Fahne, Durchlaucht; ich will den Krieg beginnen.«

»Ich brauche deine Fahne gegen den Feind im Innern der Wojewodschaft.«

»Ach ja, auch das schmerzt mich, daß man hier nichts zu thun hat, als höchstens einen Mann, wie den Herrn Wolodyjowski herumzujagen, einen Mann, den man lieber als lieben Waffenbruder zur Seite haben möchte.«

»Ich will dir Arbeit geben,« sagte der Fürst. »Aber nach Wilna darfst du nicht, auch deine Fahne werde ich dir nicht geben, denn wisse, sobald du auf eigene Faust den Krieg beginnst, dann dienst du mir nicht mehr.«

»Aber ich diene dem Vaterlande.«

»Der dient dem Vaterlande, welcher mir dient. Denke daran, was du mir geschworen hast ... um deinetwillen.«

»Um was handelt es sich also, Durchlaucht?«

»Du wirst eine weite Reise antreten ...«

»Ich bin bereit!«

»Aber auf eigene Kosten, denn ich habe kein Geld. Meine Güter sind zum Teil verwüstet, zum Teil vom Feinde besetzt, andere Einkünfte laufen nicht zur rechten Zeit ein, dazu fallen mir ganz allein die Unkosten der Unterhaltung des ganzen Heeres zur Last. Mein Herr Schatzmeister giebt mir keinen Groschen, einmal darum, weil er nicht will, hauptsächlich aber, weil er nichts hat. Aus öffentlichen Kassen nehme ich zwar, ohne erst zu fragen, was darin ist, aber was macht das aus? Und von den Schweden ist eher alles andere herauszuschlagen als Geld, die zittern vor Gier, bei jedem Schilling, der ihnen zu Gesicht kommt.«

»Ew. Durchlaucht machen sich unnütze Sorgen. Wenn ich reise, dann geschieht es auf eigene Kosten.«

»Du wirst aber viel brauchen, denn es gilt, mit Pomp aufzutreten.«

»Ich werde keine Ausgabe scheuen.«

Das Antlitz des Hetman hellte sich auf. Er war geizig von Natur, überdies hatte er mit seinen Ausführungen recht, denn die Einkünfte von seinen Gütern von Liefland bis Kijow und von Smolensk bis Masowien hatten aufgehört, ihm zuzufließen, während die Ausgaben von Tag zu Tag zunahmen.

»Das gefällt mir!« sagte er. »Du bist anders als Ganhof; jener hätte gleich auf die Geldkiste geklopft. Nun höre, um was es sich handelt.«

»Ich bin ganz Ohr.«

»Du gehst also nach Podlachien! Es wird eine gefahrvolle Reise, denn die Konföderierten halten die Provinz besetzt und gehen gegen mich vor. Wie du an ihnen vorbeischlüpfst, ist deine Sache. Jakob Kmiziz würde dich allenfalls schonen, doch hüte dich vor Horotkiewitsch, Seromski und besonders vor Wolodyjowski mit seiner Laudaer Fahne.«

»Von ihnen fürchte ich nichts.«

»Um so besser! Du trittst in Sabludowo ein, wo Harasimowitsch wirtschaftet. Ueberbringe ihm den Auftrag, daß er alles, was irgend an Geldern aufzutreiben ist, zusammenraffen und mir senden soll, aber nicht hierher, sondern nach Tilsit, wo meine anderen Sachen schon sind. Er soll alle Güter, alles Inventar versetzen und von den Juden nehmen, was zu nehmen geht ... Dann soll er daran denken, die Konföderierten zu vernichten ... Doch, das geht dich nichts an; ich sende ihm besondere Instruktionen. Gieb ihm diesen Brief ab und dann begieb dich eilends nach Tykozin zum Fürsten Boguslaw.«

Hier unterbrach sich der Hetman; er atmete schwer, denn das lange Sprechen strengte ihn an. Kmiziz sah ihn aufmerksam an. Seine ganze Seele verlangte nach der Reise, denn er fühlte, daß dieselbe mit ihren Gefahren Balsam für seinen Kummer sein werde.

Nach einer Weile fuhr der Hetman fort:

»Es ist zum Haarausraufen! Warum sitzt eigentlich Fürst Boguslaw noch in Podlachien? ... Mein Gott! ... er kann mich und sich ins Verderben stürzen. Merke wohl auf das, was ich dir sage, denn, wenn du ihm auch meine Briefe abgiebst, so soll das lebendige Wort meine Auseinandersetzungen unterstützen, sie erläutern und das ergänzen, was sich schlecht schreiben läßt. Erfahre denn, daß die Nachrichten, welche ich gestern empfing, nicht so gute waren, wie ich den Adel glauben machte, ja wie ich selbst zuerst dachte. Zwar haben die Schweden thatsächlich Großpolen, Masowien und Warschau genommen, die Wojewodschaft Sieradz hat sich ergeben, Johann Kasimir wird verfolgt und Krakau wird belagert: das ist heilige Wahrheit. Aber Tscharniezki, dieser neugebackene Senator, verteidigt die Stadt, und ich muß bekennen, – er ist ein ausgezeichneter Soldat. Wer kann voraussehen, was geschieht? ... Die Schweden verstehen es wohl, Festungen einzunehmen, und man hatte nicht Zeit, Krakau genügend zu befestigen, dennoch ... das listige Kastellänchen kann sich immer zwei, drei Monate halten; ... es geschehen oft Wunder, wie uns noch von Sbarasch her in lebendigem Andenken ist ... Wenn er sich also hartnäckig verteidigt, kann der Teufel alles verkehren. Lerne ein wenig das politische Treiben kennen. In Wien sieht man die zunehmende Macht Schwedens mit scheelen Augen an, man kann von dorther Krakau unterstützen. Auch weiß ich bestimmt, daß die Tartaren geneigt sind, dem Könige Johann Kasimir zu Hilfe zu kommen; sie drängen die Kosaken, und Moskau und das Ukrainische Heer unter Potozki wird auch zu Hilfe kommen ... Dem heute verzweifelten Johann Kasimir kann morgen schon die Schale des Glückes sich zuneigen ...«

Wieder mußte der Fürst seiner müden Brust eine kurze Rast gönnen. Eine seltsame Empfindung beschlich den Herrn Andreas, von der er sich nicht sogleich Rechenschaft zu geben vermochte. Er, der Partisane Radziwills und der Schweden, fühlte eine große Freude bei dem Gedanken, daß das Glück sich von den Schweden abwenden könnte.

»Suchaniez sagte mir,« fuhr der Fürst fort, »wie es bei Widawa und Sarnowo zugegangen ist. Beim ersten Treffen hat unsere ... ich wollte sagen: die polnische Vorhut, die Schweden total aufgerieben. Das waren nicht Leute vom allgemeinen Aufgebot ... und die Schweden sind jedenfalls sehr entmutigt worden.«

»Sie siegten doch aber.«

»Das wohl! Die Fahnen Johann Kasimirs verweigerten den Gehorsam und der Adel erklärte, sich nicht schlagen zu wollen. Alles in allem hat sich erwiesen, daß die Schweden von der Kriegführung nicht mehr verstehen, als jeder unserer Stammsoldaten. Laß die Polen ein- oder das anderemal siegen, so findet sich der Mut, und sobald Johann Kasimir Geldmittel von irgendwoher zufließen, aus welchen er den Söldlingen den rückständigen Sold zahlen kann, so werden sie ihm den Gehorsam nicht mehr weigern. Potozki hat kein großes Heer, aber seine Soldaten sind erprobt und bissig wie die Wespen; er wird die Tartaren mitbringen und – uns wird der Kurfürst seine Hilfe versagen.«

»Inwiefern?« frug Kmiziz.

»Wir zählten beide, Boguslaw und ich, darauf, daß er zugleich mit den Schweden mit uns in Verbindung treten werde, doch er ist zu vorsichtig und will jedenfalls den Gang der Ereignisse abwarten, ehe er einen Entschluß faßt. Unterdessen aber kann, wenn die Schweden einmal Unglück haben, Großpolen und Masowien sich gegen sie erheben und wenn dann Preußen sich ihnen anschließen sollte ...«

Der Fürst schüttelte sich, wie entsetzt von dieser Vorstellung.

»Was wäre dann?« frug Kmiziz.

»Dann könnte geschehen, daß kein einziger Schwede die Republik lebend verläßt,« entgegnete der Fürst düster.

Kmiziz runzelte die Brauen und schwieg.

»Dann,« murmelte der Fürst nach einer Pause mit tiefer, veränderter Stimme, »dann sinkt auch unser Glück so tief, als es zuvor gestiegen war.«

Herr Andreas sprang auf und mit blitzenden Augen und geröteten Wangen rief er aus:

»Was soll das heißen, Durchlaucht? ... Wie vereint sich diese Befürchtung mit dem, was Ew. Durchlaucht mir kürzlich sagten, nämlich, daß die Republik verloren sei und sie nur mit Hilfe der Schweden durch Ew. Durchlaucht Person und künftige Regentschaft gerettet werden könne? ... Was soll ich glauben? ... Das, was ich damals hörte, oder das, was ich soeben vernahm? ... Wenn die Dinge so stehen, wie Ew. Durchlaucht jetzt sagten, warum schlagen wir dann nicht lieber auf die Schweden los, statt es mit ihnen zu halten? ... Meine Seele jauchzt bei dem Gedanken, das Schwert gegen sie zu ziehen.«

Radziwill blickte den Jüngling streng an.

»Du bist verwegen!« sagte er.

Doch Kmiziz, fortgerissen von der Entrüstung, brauste auf:

»Wie ich bin, davon später! Jetzt bitte ich Ew. Durchlaucht um Antwort auf das, was ich frage.«

»Die Antwort lautet so:« sagte Radziwill mit Nachdruck, »wenn die Dinge sich so gestalten sollten, wie ich sagte, dann werden wir anfangen, die Schweden zu schlagen.«

Herr Andreas schlug sich vor die Stirn und hörte auf die Nasenflügel zu blähen.

»Ich Dummkopf!« rief er.

»Ich kann leider nicht bestreiten, daß du das bist, und muß noch hinzusetzen, daß du über alle Maßen frech bist. Ich schicke dich fort, damit du den Wechsel des Geschickes kennen lernst. Ich will nur das Glück des Vaterlandes. Das, was ich sagte, sind Vermutungen, welche sich erfüllen können oder nicht. Deshalb ist Vorsicht geboten, denn wer da will, daß der Strom ihn nicht fortreißt, der muß schwimmen können, und wer in einem pfadlosen Walde geht, der muß oft stehen bleiben, um die Richtung zu erkunden ... Verstehst du?«

»Das ist klar, wie die Sonne am Himmel.«

»Wir dürfen zurück, ja wir müssen zurück, wenn das Wohl des Vaterlandes es erfordert, aber es wird uns unmöglich, wenn der Fürst Boguslaw noch länger in Podlachien bleibt. Er muß den Kopf verloren haben oder sonst was. Wenn er dort bleibt, dann muß er Farbe bekennen; entweder muß er sich für die Schweden erklären oder für Johann Kasimir, und das gerade wäre das Schlimmste.«

»Ich bin zu dumm, Durchlaucht: ich verstehe schon wieder nicht.«

»Podlachien ist nahe bei Masowien: entweder okkupieren es die Schweden, oder die preußischen Städte senden Hilfstruppen gegen die Schweden. In beiden Fällen heißt es – wählen.«

»Aber warum soll denn der Fürst Boguslaw nicht wählen?«

»Weil, so lange er nicht wählt, die Schweden Rücksichten auf uns nehmen und uns schmeicheln müssen, ebenso der Kurfürst. Wenn wir zum Rückzug gezwungen werden sollten und uns gegen die Schweden kehren müssen, dann soll er der Vermittler werden zwischen mir und Johann Kasimir ... Er soll mir die Umkehr erleichtern, was unmöglich wäre, wenn er sich vorher für die Schweden erklärt. In Podlachien muß er in kurzem durchaus Farbe bekennen, deshalb soll er fort nach Tilsit in Preußen und dort oben abwarten, was geschieht. Der Kurfürst sitzt in der Mark; Boguslaw wird also die höchste Autorität in Preußen sein, die Preußen für sich gewinnen und eine große Heeresmacht sammeln ... Und dann werden die einen oder anderen geben, was wir fordern, um unseren Beistand zu erhalten, dann kann unser Haus nicht nur nicht sinken, sondern es muß in neuem Glanze erstehen, und das ist die Hauptsache.«

»Ew. Durchlaucht sagten, das Wohl des Vaterlandes sei die Hauptsache.«

»Nimm mich nicht immer beim Worte, wenn ich dir doch sage, daß das ganz dasselbe ist, und höre weiter. Ich weiß sehr wohl, daß Fürst Boguslaw nicht als schwedischer Verbündeter gilt, obgleich er ebenfalls den Vertrag mit den Schweden hier in Kiejdan unterzeichnet hat. Er soll die Nachricht verbreiten – und auch du kannst das unterwegs thun, – daß ich ihn zur Unterschrift gezwungen habe. Die Leute werden das leicht glauben, da es häufiger vorkommt, daß rechte Brüder verschiedenen Parteien angehören. Auf diese Weise kann er mit Konföderierten in Verbindung treten, ihre Hauptleute zu sich laden unter dem Vorwande, mit ihnen zu unterhandeln, und dieselben als Gefangene nach Preußen führen. Das wäre eine würdige und für das Vaterland segensreiche Art, sie unschädlich zu machen, sonst werden jene es ins Verderben stürzen.«

»Ist das alles, was ich zu thun habe?« fragte Kmiziz gewissermaßen enttäuscht.

»Es ist nur ein Teil dessen und zwar nicht der wichtigste. Du wirst vom Fürsten Boguslaw mit den Briefen von mir zu Karl Gustav selbst reisen. Ich kann hier mit dem Grafen Magnus seit der Schlacht bei Klewan zu keinem Resultate gelangen. Er sieht mich fortwährend scheel an und hört nicht auf zu vermuten, daß ich sofort mich gegen die Schweden wenden werde, sobald ihnen das Glück nicht hold sein sollte.«

»Nach dem zu schließen, was Ew. Durchlaucht vorher gesagt haben, vermutet er richtig.«

»Richtig oder nicht: ich will nicht, daß er es thut und mir in die Karten guckt. Zudem ist er mir persönlich mißgünstig und schreibt sicherlich dem Könige über mich Unwahrheiten. Dem will ich vorbeugen. Du wirst meine Briefe dem Könige übergeben und wenn er dich um die Niederlage bei Klewan befragen sollte, so erzähle die Wahrheit, verhehle nichts und setze nichts hinzu. Du kannst auch einfließen lassen, daß ich jene Männer zum Tode verurteilt hatte und du sie losgebeten hast. Dir wird nichts dafür geschehen, im Gegenteil, dein Freimut wird ihm gefallen. Klage den Grafen Magnus nicht direkt bei dem Könige an, denn er ist sein Schwager ... Aber wenn der König so nebenher fragen sollte, was die Leute hier über ihn denken, dann sage ihm, daß man bedauert, daß der Graf Magnus dem Hetman seine treue Freundschaft für die Schweden schlecht lohne, daß der Fürst selbst – nämlich ich – das schmerzlich empfindet. Sollte er weiter fragen, ob es wahr ist, daß die Stammsoldaten mich verlassen haben, so sage, daß es nicht wahr ist; als Beispiel für das Gegenteil führe dich selbst an und nenne dich Hauptmann, denn du bist es ... Sage, wenn Graf Magnus mir ein paar Kanonen und etliche Reiter schicken wollte, wäre ich schnell mit den paar Konföderierten fertig ... das ist die öffentliche Meinung aller. Merke wohl auf alles, was man in der Nähe des Königs spricht und thut, und berichte darüber, nicht mir, nein, aber dem Fürsten Boguslaw, so oft sich Gelegenheit bietet, nach Tilsit in Preußen, vielleicht durch kurfürstliche Soldaten. Ich hörte, daß du deutsch sprechen kannst?«

»Ich lernte es von einem Waffenbruder, einem kurländischen Edelmann, einem gewissen Zend, welchen mir die Laudaer erschlagen haben. Auch hielt ich mich oft in Liefland auf ...«

»Das ist gut!«

»Wo kann ich den König von Schweden finden, Durchlaucht?«

»Dort, wo er sich gerade aufhält. Die Kriegszeiten werden ihn heute dorthin, morgen dahin führen. Wenn er bei Krakau sein sollte, um so besser, denn du wirst auch Briefe mitnehmen an Personen, welche dort in der Gegend residieren.«

»So soll ich noch zu anderen reisen?«

»Ja. Du mußt bis zu dem Herrn Kronenmarschall Lubomirski vordringen; es geht mir sehr darum, daß er unseren Plänen beitritt. Er ist ein reicher Mann und besitzt großen Einfluß in Kleinpolen. Wenn er aufrichtig und offen sich zu den Schweden hielte, dann hätte Johann Kasimir in der Republik nichts mehr zu thun ... Du brauchst vor dem Könige von Schweden nicht zu verbergen, daß ich dich zu ihm sende, um ihn für die schwedische Invasion zu gewinnen ... aber rühme dich nicht direkt damit, plaudere es so nebenbei aus. Das wird mir seine Gunst zuwenden. Wolle Gott, Lubomirski würde der unsrige. Ich weiß, daß er zaudern wird, aber ich denke, daß meine Briefe ihn bestimmend beeinflussen werden, da ein Grund vorliegt, der ihn zwingt, meine Gunst zu erringen. Ich sage dir das alles, damit du weißt, wie du dich zu benehmen hast. Lubomirski buhlt schon lange um meine Gunst und hat mich auszuforschen versucht, ob ich meine einzige Tochter an seinen Sohn Heraklius verheiraten möchte. Sie sind beide zwar noch Kinder, man könnte dennoch einen diesbezüglichen Vertrag schließen, an dessen Zustandekommen dem Herrn Marschall mehr liegen muß als mir, denn eine so reiche Erbin wie meine Tochter, giebt es in der Republik nicht mehr, und wenn zwei so große Vermögen zusammenflössen, dann gäbe das ein unvergleichliches Ganzes ... ein fettes Warmbier ... Nun gar erst, wenn dem Herrn Marschall angedeutet würde, er könne hoffen die Großherzogskrone für seinen Sohn als Mitgift mit meiner Tochter zu erhalten ... Diese Hoffnung nähre in ihm, das wird der beste Versucher für ihn sein, denn so wahr Gott im Himmel ist, ihm liegt der Glanz seines eigenen Hauses viel mehr am Herzen, als das Wohl der Republik ...«

»Was soll ich ihm sagen?«

»Alles das, was sich nicht schreiben läßt ... es gilt, recht geheimnisvoll und fein zu Werke zu gehen. Bewahre Gott, daß du verrätst, daß du von mir gehört hast, mein Sinn strebe nach der Krone; das wäre verfrüht ... Aber erzähle, daß der ganze Smudzer und litauische Adel davon spricht, daß du auch in der Umgebung des Königs davon gehört ... Merke auf, welcher der Höflinge mit dem Herrn Marschall auf vertraulichem Fuße steht, dem flüstere den Gedanken zu: Lubomirski möge zu den Schweden übergehen, zum Lohne dafür die Tochter des Radziwill zur Gemahlin für seinen Sohn begehren, dann möge er den Radziwill zum Großherzog vorschlagen, denn dann erbt Heraklius mit der Zeit die Krone. Nicht genug damit; erwähne auch, daß, wenn Heraklius erst Großherzog von Litauen ist, er damit die erste Anwartschaft auf den polnischen Königsthron hat, und auf diese Weise auf den Häuptern zweier Geschlechter die Doppelkrone sich vereinen werde. Wenn dieser Gedanke die dort nicht in Entzücken versetzt, so sind es kleinliche Menschen. Wer nicht zur Höhe strebt und vor großen Ideen zurückschreckt, der begnüge sich mit einem Stecken, dem Feldherrnstab, oder einer kleinen Starostei, der möge dienen, den Nacken beugen, durch Bedienstete zu Gnaden zu gelangen suchen, denn der ist besseres nicht wert ... Mich hat Gott zu anderem geschaffen, darum strecke ich die Hand aus nach allem, was den Menschen erreichbar ist, um bis dahin zu gelangen, wo Gott der menschlichen Macht ein Ziel gesteckt hat!«

Der Fürst streckte bei diesen Worten die Arme aus, als wolle er thatsächlich nach einer Krone langen, die nur ihm sichtbar vor Augen schwebte. Sein Antlitz flammte wie eine Fackel und vor innerer Erregung schien ihm wieder der Atem auszugehen.

Nach einer Weile beruhigte er sich wieder und sprach in abgerissenen Worten:

»Da ... wenn die Seele ihre Schwingen erhebt ... der Sonne zuzufliegen ... da ruft die Krankheit ... ihr memento ... geschehe, was da wolle ... lieber soll der Tod mich auf dem Throne finden ... als im ... königlichen Vorzimmer ...«

»Soll ich vielleicht den Medikus rufen?« frug Kmiziz.

Radziwill winkte mit der Hand ab.

»Nicht nötig ... nicht nötig ... es ist schon besser ... und das war alles, was ich dir sagen wollte ... außerdem noch ... habe Augen und Ohren offen ... achte auch darauf, was die Potozkis thun. Die halten immer fest zusammen und sind treue Diener des Hauses Wasa ... und sieh den mächtigen ... Koniezpolskis und den ... Sobieskis auf die Finger, von denen man noch nicht weiß, für wen sie Partei ergreifen ... Siehe und lerne ... So, nun ist die Atemnot vorüber ... Hast du verstanden, alles begriffen, was ich dir auftrage?«

»Jawohl! Und wenn ich einen Fehler mache, so bin ich allein schuld.«

»Die Briefe sind zum größten Teil schon geschrieben, nur einige fehlen noch. Wann willst du aufbrechen?«

»Noch heute! Je eher, desto lieber! ...«

»Kann ich dir noch eine Bitte erfüllen?«

»Durchlaucht! ...« begann Kmiziz.

Plötzlich brach er ab. Die Worte wollten ihm nicht über die Lippen, Verlegenheit malte sich in seinen Zügen und ein gewisser Zwang.

»Sprich dreist!« sagte der Hetman.

»Ich bitte,« stammelte Kmiziz endlich, »daß dem Herrn Schwertträger von Reußen und ihr ... kein Ungemach hier widerfahre! ...«

»Dessen kannst du sicher sein. Aber ich bemerke soeben, daß du dieses Mädchen noch liebst.«

»Das kann nicht sein!« sagte Kmiziz. »Weiß ich es denn? ... Bald liebe, bald hasse ich sie ... Der Teufel allein weiß es! ... Es ist alles aus, wie ich schon sagte ... Die Qual allein ist geblieben ... Ich will sie nicht, aber sie soll auch keinen anderen nehmen ... Laßt das nicht zu, Durchlaucht ... Ich weiß selbst nicht, was ich rede ... Fort, nur bald fort ... Achtet nicht auf meine Worte, Durchlaucht. Gott wird mich meinen Verstand wieder finden lassen, sobald ich das Thor hinter mir habe.«

»Ich begreife, daß so lange die Zuneigung noch nicht ganz erloschen ist, der Gedanke dich quält, ein anderer werde sie nehmen. Doch beruhige dich. Ich werde niemand zu ihr lassen und fort von hier dürfen sie nicht. Die Gegend wird bald von fremdem Soldatenvolk wimmeln, die Wege unsicher gemacht werden! Das Beste wird sein, ich sende sie nach Tauroggen hei Tilsit, wo die Fürstin weilt ... Sei getrost, Andrusch! ... Geh', bereite dich zur Reise und dann komme zu mir speisen ...«

Kmiziz verneigte sich und ging. Radziwill atmete tief auf. Er freute sich über die Abreise Kmiziz'. Ihm blieb immer noch die Fahne des Ritters und sein Name als Parteigenosse, die Person desselben war ihm Nebensache. Unterwegs konnte Kmiziz ihm bedeutende Dienste leisten, hier in Kiejdan war er ihm längst lästig und der Hetman fühlte sich sicherer in seiner Abwesenheit, wie wenn er da war. Die zügellose Phantasie und grenzenlose Heftigkeit des Ritters konnten jeden Augenblick in Kiejdan einen Aufruhr und einen für beide Teile sehr gefährlichen Bruch herbeiführen. Die Entfernung beseitigte diese Gefahr.

»Fahre hin, du Teufel, und diene weiter!« murmelte der Fürst, während er seinen Blick auf die Thür heftete, durch welche der Fahnenträger von Orschan hinausgegangen war.

Darauf rief er einen Pagen und befahl ihm, Ganhof herzubitten.

»Du übernimmst die Fahne Kmiziz',« sprach er diesen an, als er erschien, »und das Kommando über die gesamte Reiterei. Kmiziz verreist.«

Die kalten Gesichtszüge Ganhofs überflog ein freudiges Blitzen. Er hatte die Mission an den König nicht erhalten, dafür war ihm eine Rangerhöhung zu Teil geworden. Er verneigte sich schweigend, dann sagte er:

»Ich will Ew. Durchlaucht durch treue Dienste danken.«

Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, blieb er abwartend stehen.

»Hast du noch etwas zu sagen?« frug der Fürst.

»Heute Morgen ist ein Edelmann hier eingetroffen, Durchlaucht, aus Wilkomiersch; er hat die Nachricht gebracht, daß Herr Sapieha mit einer Kriegsmacht gegen Ew. Durchlaucht heranzieht.«

Radziwill erschrak, doch faßte er sich schnell und sagte zu Ganhof: »Du kannst gehen!«

Dann versank er in tiefes Nachdenken.

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