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4. Kapitel

Zwischen der Wojewodschaft Trozko und Preußen längs der Grenze, durch weitläufige Waldungen und dichte Wildnisse, durch welche nur Kiemlitsch die Pfade kannte, kamen die Reisenden nach Lyck, oder, wie der Alte es nannte Elyk. Dort erfuhren sie manche Neuigkeit von den Adligen, welche sich mit Weib und Kind vor den Schweden auf kurfürstliches Gebiet geflüchtet hatten.

Die Stadt glich einem Lager, in welchem ein Landtag abgehalten werden sollte. Die Adligen tranken unter den Vorbauen der Gasthäuser preußisches Bier und schwadronierten laut über öffentliche Angelegenheiten. Von Zeit zu Zeit wurde eine Neuigkeit publiziert, die Unterhaltung wurde dann noch lebhafter. Ohne daß er jemanden gefragt hätte, erfuhr Kmiziz, daß Preußen mit seinen mächtigen und reichen Städten fest zu Johann Kasimir stand und entschlossen war, mutig den Feinden entgegen zu treten.

Nachdem er etliche Pferde verkauft und ein Paar neue hinzugekauft hatte, setzte er mit seinen Begleitern den Weg längs der Grenze fort, aber nicht mehr in den Wäldern, sondern der Landstraße folgend nach Schtschutschin zu, welches im äußersten Winkel der Wojewodschaft Masowien lag, die sich zwischen Preußen einer- und der Wojewodschaft Podlachien andererseits hinzog. Schtschutschin selbst wollte Herr Andreas nicht berühren, seit er erfahren hatte, daß dort eine Fahne der Konföderierten unter dem Kommando Wolodyjowskis stand.

Herr Wolodyjowski mußte fast denselben Weg gegangen sein, welchen Kmiziz jetzt verfolgte. Wahrscheinlich hatte er in dem Städtchen für längere Zeit Quartier genommen, weil er von dort aus ein günstiges Operationsterrain hatte, wohl aber auch darum, weil es dort leichter war, Nahrungsmittel für die Leute und Pferde zu erlangen, als in dem ausgeplünderten Podlachien.

Herr Andreas wollte mit dem berühmten Krieger nicht jetzt schon zusammentreffen, weil er fürchtete, daß derselbe, ohne vorhergegangene handgreifliche Beweise, nur durch Worte von seinem Gesinnungswechsel nicht zu überzeugen sein werde. Er bog daher etwa zwei Meilen von Schtschutschin nach Wonsosch zu vom Wege ab, beschloß aber nunmehr, seinen Brief an Herrn Wolodyjowski mit der nächstbesten Gelegenheit zu befördern.

Doch ehe sie noch Wonsosch erreicht hatten, hielt er in einer am Wege liegenden Schenke Rast, und beschloß über Nacht daselbst zu bleiben. Das Nachtquartier versprach anscheinend beste Bequemlichkeit, da außer dem Wirt niemand sich im Hause befand.

Doch kaum hatte Kmiziz mit den drei Kiemlitsch und Soroka sich zum Abendessen niedergelassen, als von außen her das Rollen von Wagenrädern und Pferdegetrappel an ihr Ohr drang.

Da die Sonne noch am Himmel stand, eilte Kmiziz vor die Thür, um nachzusehen, ob nicht etwa eine schwedische Patrouille im Anzuge sei. Aber an Stelle der Schweden erblickte er einen Kutschwagen und zwei Gepäckwagen, umgeben von einer Eskorte bewaffneter Berittener.

Man sah auf den ersten Blick, daß irgend eine hohe Persönlichkeit herangefahren kam. Vor den Kutschwagen waren vier gute preußische Klepper gespannt, mit starkknochigen Beinen und etwas eingebogenen Rücken. Ein Pferdejunge saß auf einem der Leitpferde und hielt zwei schöne Hunde an der Leine. Der Kutscher auf dem Bock und der Leibjäger trugen ungarische Livree und der Herr selbst, auf dem hinteren Sitz des Wagens bequem hingelehnt, war in einen Wolfspelz ohne Aermel gehüllt, welcher vorn mit glänzenden vergoldeten Knöpfen geschlossen war.

Die Gepäckwagen waren hochbeladen und jeder derselben von vier mit Säbeln und Flinten bewaffneten Dienern begleitet.

Der Herr konnte kaum zwanzig Jahre zählen. Er hatte ein gerötetes, pausbackiges Gesicht, überhaupt war ihm anzusehen, daß er einen guten Appetit hatte und Speise und Trank nicht kargte.

Als der Wagen hielt, sprang der Leibjäger vom Bock, um seinem Herrn beim Aussteigen behilflich zu sein, doch dieser winkte, als er Kmiziz erblickte, diesem heranzutreten, indem er gleichzeitig rief:

»Komm einmal her, Freundchen!«

Doch anstatt sich zu nähern, trat Kmiziz in die Schenke zurück, denn die vertrauliche Anrede machte ihn zornig. Er hatte sich noch nicht recht in seine veränderte Lage hineingefunden und weder der graue Pelzrock, noch die Vertraulichkeit des Fremden behagte ihm. Er trat daher zurück an den Tisch und setzte sich wieder zum Essen nieder. Der Fremde folgte ihm auf dem Fuße.

Als er eintrat, zwinkerte er mit den Augen, denn in der Stube war es dämmerig und das Feuer in dem Kamin verbreitete nur eine mäßige Helle.

»Warum kommt denn niemand heraus, wenn ich vorfahre?« frug der fremde Herr.

»Weil der Schenkwirt in die Kammer gegangen ist und wir selbst Reisende sind, wie ihr,« versetzte Kmiziz.

»Ich danke für die Auskunft. Was für ein Reisender seid ihr?«

»Ein Edelmann, der mit Pferden handelt.«

»Und sind eure Begleiter auch Adlige?«

»Sie sind Stellenbesitzer vom Kleinadel.«

»Dann seid mir gegrüßt, meine Herren! Wohin führt Gott euch?«

»Von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, um die Koppel loszuwerden.«

»Wenn ihr hier übernachtet, dann will ich mir vielleicht etwas auswählen. Erlaubt ihr, daß ich mich zu euch setze?«

Der Fremde hatte zwar gefragt, ob es erlaubt sei, aber in einem Tone, als ob es selbstverständlich wäre, daß man seine Gesellschaft als Ehre betrachtete; er irrte auch nicht, denn der junge Pferdehändler antwortete artig:

»Wir bitten Ew. Gnaden ehrerbietig, obgleich wir mit nichts anderem aufzuwarten haben, als mit Erbsen und Bratwurst.«

»Ich führe in meinen Kästen bessere Speisen mit mir,« entgegnete der junge Herr, nicht ohne einen gewissen Hochmut, »aber mein Gaumen ist nicht verwöhnt und Erbsen mit Bratwurst sind, wenn sie gut mit Fett zubereitet sind, für mich die größte Leckerei, die ich kenne.«

Indem er das sagte, – er sprach sehr langsam, obgleich er ein lebendiges, ausdruckvolles Auge hatte – setzte er sich auf die Bank. Als nun Kmiziz aber zur Seite rückte, um ihm einen bequemen Sitz zu schaffen, fügte er herablassend hinzu:

»Bitte, bitte, inkommodiert euch nicht. Unterwegs achtet man weniger auf den Rangunterschied und solltet ihr mich wirklich einmal mit dem Ellenbogen anstoßen, so würde mir auch nicht die Krone vom Kopfe fallen.«

Kmiziz, welcher dem Fremden gerade die Schüssel mit dem Erbsenbrei zuschob und eine solche Behandlung nicht gewöhnt war, hätte dieselbe am liebsten dem aufgeblasenen Menschen an den Kopf geworfen, wenn nicht etwas so kolossal Lächerliches in dieser Selbstüberschätzung gelegen hätte, das jeden Zorn sofort im Keime erstickte. Kmiziz lächelte also und sprach:

»Die Zeiten sind aber jetzt darnach, daß sogar von den vornehmsten Häuptern die Kronen fallen, z. B. unser König Johann Kasimir müßte von rechtswegen zwei Kronen tragen; es ist ihm aber keine von beiden geblieben, statt dessen trägt er eine Dornenkrone ...«

Bei diesen Worten blickte der Fremde Kmiziz scharf an, seufzte und sagte:

»Man spricht über diese Zeiten am besten nicht, höchstens mit vertrauten Personen.«

Nach einer Weile setzte er hinzu:

»Aber ihr habt einen treffenden Vergleich gemacht. Ihr habt wohl viel an Höfen bei feinen Leuten gedient, denn eure Rede zeugt von höherer Bildung, als eure Beschäftigung vermuten läßt.«

»Ich bin mit verschiedenen Menschen zusammengetroffen und habe hier und da manches gehört, aber ich habe niemals bei jemandem gedient.«

»Woher stammt ihr? bitte!«

»Von den Hufenbauern der Wojewodschaft Trozko.«

»Es macht nichts, daß ihr von Hufenbauern stammt, wenn ihr nur geadelt seid. Das ist die Hauptsache. Was hört man in Litauen?«

»Nichts neues! Verräter giebt es überall.«

»Verräter? Wie sagt ihr? Wen nennt ihr Verräter?«

»Alle diejenigen, welche den König und die Republik treulos verlassen haben.«

»Ah, wie geht es dem Fürst-Wojewoden von Wilna.«

»Man sagt, er sei krank. Der Atem geht ihm aus.«

»Gott segne ihn; er ist ein edler Herr!«

»Bei den Schweden gilt er dafür, denn er hat ihnen die Thore der Republik geöffnet.«

»Wie ich höre, seid ihr nicht von seiner Partei?«

Kmiziz merkte, daß der Fremde bei aller anscheinenden Gutmütigkeit sich abmühte, ihn auszuhorchen.

»Was scheert mich aller Parteihader!« antwortete er. »Mögen sich andere damit beschäftigen ... Ich habe nur die eine Sorge, daß die Schweden meine Pferde für sich requirieren könnten.«

»Dann hättet ihr sie an Ort und Stelle verkaufen sollen, denn auch in Podlachien können diejenigen Fahnen, welche gegen den Hetman aufständisch geworden sind, Pferde sehr gut brauchen, es mangelt ihnen an denselben.«

»Davon weiß ich nichts, denn ich verkehrte bisher nicht mit ihnen; aber – da fällt mir ein – ein durchreisender Herr hat mir in Lyck einen Brief an einen der Hauptleute mitgegeben, damit ich ihn gelegentlich bestellen soll.«

»Wie konntet ihr denn eine solche Bestellung annehmen, da ihr doch nicht nach Podlachien reisen wollt?«

»Ich wußte, daß in Schtschutschin eine Fahne der Konföderierten steht, und jener Herr sagte zu mir so: ›Es bleibt sich gleich, ob ihr den Brief selbst abgebt, oder eine andere Gelegenheit für ihn findet, wenn ihr bei der Stadt vorüberkommt‹.«

»Aber das schickt sich vortrefflich, denn ich reise nach Schtschutschin,« sagte der junge Herr.

»So flieht auch ihr vor den Schweden?«

Statt zu antworten, sah der Fremde den Herrn Kmiziz wieder scharf an und frug phlegmatisch:

»Warum sagt ihr denn ›auch‹, wenn ihr doch nicht vor ihnen flieht, sondern sogar gedenkt, in das von ihnen okkupierte Laud zu gehen, um ihnen eure Pferde zu verkaufen, wenn sie euch dieselben nicht vorher wegnehmen?«

Kmiziz zuckte die Schultern.

»Ich sagte ›auch‹,« entgegnete er, weil ich in Lyck viele Edelleute sah, die auf der Flucht vor ihnen waren, und was mich betrifft, nun – möge jeder ihnen so dienen, wie ich ihnen zu dienen gedenke; ich meine, die Republik würde ihnen alsbald zu enge davon werden.«

»Fürchtet ihr euch denn nicht, das auszusprechen?« frug der Fremde erstaunt.

»Nein, denn ich bin nicht furchtsamer Natur, und zweitens, ihr, Herr, reiset nach Schtschutschin. In jener Gegend aber spricht jeder, was er denkt. Helfe Gott, daß die Reden bald zu Thaten werden.«

»Ihr seid für euren Stand sehr scharfsinnig, ja über euren Stand,« wiederholte der Fremde mit Nachdruck. »Wenn ihr nun aber die Schweden verabscheut, warum geht ihr denn dann den Fahnen, welche sich gegen den Hetman empört haben, aus dem Wege? Es muß doch binnen kurzem zwischen ihnen und den Schweden zum Klopfen kommen.«

»Das denke ich auch,« antwortete Kmiziz.

»Na, also! Der Haß gegen die Schweden leuchtet euch aus den Augen! Warum schließt ihr euch nicht den Konföderierten an? Die können jetzt Arme und Säbel brauchen. Ihr kommt aus einer Gegend, wo man die Schweden noch nicht von der rechten Seite kennt; diejenigen, welche sie kennen, wie sie sind, haben die Bekanntschaft schon mit heißen Thränen begossen. In Großpolen werden schon jetzt dem Adel Daumschrauben angesetzt, obgleich er es war, der sich ihnen zuerst ganz freiwillig ergab. Sie requirieren und rauben, was nur fortzunehmen geht. Der General Stenbock hat zwar ein Manifest erlassen, daß alle diejenigen, welche sich ruhig in ihren Besitzungen halten würden, an Leben und Gut geschont werden sollten, aber die Kommandanten thun doch, was sie wollen, und hier bei uns wird es nicht anders kommen.«

»Wie ich merke,« sagte Kmiziz, »wünscht ihr den Schweden gerade soviel Gutes wie ich.«

Der Fremde sah sich erst scheu um, beruhigte sich aber bald und fuhr fort:

»Ich traue eurem ehrlichen Gesicht, darum gestehe ich gern, daß ich den Schweden die Pest an den Hals wünsche. Wollt ihr mich nun an sie verraten, dann werde ich mit meinen Leuten mich zur Wehr setzen und lieber sterben, als mein Wort zurücknehmen.«

»Ihr könnt sicher sein, daß das nicht geschieht. Euer mutiges Auftreten gefällt mir; auch das gefällt mir, daß ihr euer Besitztum verlaßt, denn die Schweden werden nicht verfehlen, an diesem sich für eure Abwesenheit zu entschädigen. Eine solche Vaterlandsliebe ist sehr löblich.«

Ganz wider Willen hatte Kmiziz sich in den Ton eines Protektors hineingeredet, ohne daran zu denken, daß dieser Ton in seltsamem Widerspruch stand mit seinem Aeußern und seinem angeblichen Gewerbe. Doch der junge Herr bemerkte das augenscheinlich nicht, denn er antwortete mit listigem Blinzeln der Augen:

»So dumm bin ich nicht! Bei mir heißt es: erst komme ich, dann andere. Was Gott uns bescheert, das sollen wir ehren. Ich habe mich bis zur Ernte und dem Ausdrusch ganz stille verhalten; erst als ich allen Erntesegen, das Inventar und Wirtschaftsgerät nach Preußen verkauft hatte, da sagte ich mir: jetzt ist es Zeit sich aufzumachen! Jetzt können sie sich meinethalben nehmen, was ihnen gefällt.«

»Ihr mußtet doch aber den Grund und Boden zurücklassen mit den Gebäuden darauf.«

»Bah! Ich habe ja die Starostei Wonsosch nur in Pacht vom Wojewoden von Masowien und mein Kontrakt ist gerade abgelaufen. Die letzte Rate ist noch nicht bezahlt und wird auch nicht bezahlt werden, denn wie ich höre, ist der Herr Wojewode auch zu den Schweden gegangen; dafür soll ihm der letzte Pachtzins verfallen.«

Kmiziz lachte.

»Ihr seid ebenso vorsichtig wie tapfer,« sagte er.

Der Fremde fuhr fort:

»Das muß man auch sein. Vorsicht! das ist die Hauptsache. Doch nicht davon wollte ich euch sprechen. Wenn ihr so schwer das Unglück fühlt, welches auf dem Vaterlande lastet, warum wollt ihr nicht zu jenen Tapferen nach Podlachien gehen? Ihr seht dreist und entschlossen aus und da ihr nicht von gemeiner Herkunft seid, so könnt ihr es zu etwas bringen, besonders wenn Gott reiche Beute giebt. Nur zusammenhalten muß man das seinige, dann quillt der Beutel schnell. Ich weiß zwar nicht, ob ihr eine eigene Stelle habt, aber ihr könntet sie haben.«

Kmiziz kaute an seinem Barte, um nicht laut aufzulachen. Sein Gesicht zuckte halb vor unterdrücktem Lachen, halb vor Schmerzen in der verwundeten Wange.

»Sie werden euch dort mit Freuden aufnehmen und da ihr mir sehr wohlgefallet, so will ich euch in meinen besonderen Schutz nehmen. Ihr könnt meiner Protektion sicher sein.«

Das junge Herrchen richtete sein pausbackiges Gesicht stolz in die Höhe, strich seinen Schnurrbart, dann frug er:

»Wollt ihr mein Kammerdiener werden? Ihr sollt nichts thun, als mir den Säbel nachtragen und die Aufsicht über mein Gesinde führen.«

Jetzt konnte Kmiziz nicht länger an sich halten: er brach in lautes, fröhliches Lachen aus.

»Was habt ihr zu lachen?« frug der Fremde stirnrunzelnd.

»Ich lache vor Freude über den angebotenen Dienst,« lautete die Antwort.

Aber der vornehme junge Herr war wirklich beleidigt.

»Ein Dummkopf hat euch solche Manieren gelehrt,« sagte er. »Seht euch vor, mit wem ihr sprecht, damit ihr nicht zu vertraulich werdet.«

»Verzeiht!« entgegnete Kmiziz heiter. »Ich weiß wirklich nicht, vor wem ich stehe.«

Der junge Herr stemmte die Arme unter und vor Hochmut fast berstend, rief er bombastisch:

»Ich bin Herr Rzendzian aus Wonsosch!«

Kmiziz öffnete schon den Mund, um seinen angenommenen Namen zu nennen, da trat Bilous hastig ein.

»Herr Roman ...«

Er stockte plötzlich, veranlaßt durch den drohenden Blick, welchen Kmiziz ihm zuwarf, und wurde verlegen. Endlich brachte er mit Anstrengung hervor:

»Es kommt eine Truppe Menschen, Herr!«

»Woher?«

»Von Schtschutschin her.«

Kmiziz wurde bekümmert, aber er verbarg seine Besorgnisse, indem er schnell entgegnete:

»Seid auf eurer Hut. Ist die Truppe groß?«

»An die zehn Pferde.«

»Haltet die Büchsen in Bereitschaft. Fort!«

Dann wandte er sich an Herrn Rzendzian aus Wonsosch:

»Sollten es am Ende Schweden sein?«

»Ihr reiset ihnen doch entgegen,« entgegnete Herr Rzendzian, welcher seit dem Lachen den jungen Edelmann mißtrauisch betrachtete, »früher oder später müßt ihr doch mit ihnen zusammentreffen.«

»Die Schweden wären mir auch lieber als anderes Gesindel, welches sich jetzt überall herumtreibt ... Wer Pferde zu Markte führt, der muß stets auf der Hut sein.«

»Wenn es wahr ist, daß Herr Wolodyjowski in Sschtschutschin steht, so wird es wohl eine von ihm ausgeschickte Patrouille sein, die sich überzeugen soll, ob die Gegend sicher ist,« entgegnete Herr Rzendzian.

Als Herr Andreas das hörte, ging er einigemale in der Stube auf und ab, dann setzte er sich in den dunkelsten Winkel derselben, da, wo der Rauchmantel des Schornsteins einen tiefen Schatten über die Tischecke warf.

Unterdessen hörte man Pferdegetrappel und kurze Zeit darauf traten mehrere Männer in die Schenkstube.

Der erste, welcher hereinkam, ein riesenhafter Mann, stampfte mit einem hölzernen Bein laut auf die lose aufliegenden Bretter der Diele. Als Kmiziz ihn erblickte, stockte ihm der Herzschlag.

Es war Jozwa Butrym, genannt Ohnefuß.

»Wo ist der Wirt?« frug der Eingetretene, mitten in der Stube stehen bleibend.

»Hier! Zu dienen!« antwortete der Wirt vortretend.

»Gebt den Pferden Hafer!«

»Ihr findet bei mir nichts davon, es wäre denn, daß diese Herren damit aushelfen wollen.«

Während er das sagte, wies der Wirt mit der Hand auf Rzendzian und den Pferdehändler.

»Wessen seid ihr?« frug Rzendzian.

»Zuerst, wer seid ihr selbst?«

»Der Starost von Wonsosch.«

Man nannte Rzendzian allgemein nach der Starostei, die er in Pacht hatte und bei wichtigen Anlässen that er das selbst.

Jozwa Butrym wurde etwas verlegen, als er hörte, mit welcher hochgestellten Persönlichkeit er es zu thun hatte; er nahm daher die Mütze vom Kopfe, verneigte sich tief und sagte unterwürfigen Tones:

»Verzeihung, gnädiger Herr ... in der Dunkelheit kann man den Rang nicht erkennen.«

»Wessen Leute seid ihr?« wiederholte der Starost seine Frage, indem er die Arme in die Seiten stemmte.

»Wir sind Laudaer, aus der früheren Fahne des Herrn Billewitsch, jetzt des Herrn Wolodyjowski.«

»Mein Gott! So ist Herr Wolodyjowski in Schtschutschin?«

»In eigener Person mit anderen Hauptleuten zusammen, welche aus Smudz herbeigekommen sind.«

»Gott sei Dank! Gott sei Dank!« rief der Starost erfreut aus. »Und wer sind die anderen Hauptleute?«

»Einer war Herr Mirski, aber den hat der Schlag unterwegs getroffen, dann sind da – Herr Oskierko, Herr Kowalski, zwei Herren Skrzetuski ...«

»Welche Skrzetuskis!« rief der Starost. »Ist einer von ihnen der Herr Skrzetuski aus Burschetz?«

»Das weiß ich nicht,« erwiderte Butrym, »ich habe nur gehört, daß der Sbarascher dabei ist.«

»Alle Heiligen! Das ist er, mein Herr!«

In demselben Augenblick besann er sich, wie seltsam ein solcher Ausruf im Munde eines Starosten klingen mußte und er setzte schnell hinzu:

»Mein Herr Gevatter, wollte ich sagen.«

Er log nicht, denn wirklich hatte er den ältesten Sohn Skrzetuskis als Nebenpate mit über die Taufe gehalten.

Unterdessen jagte im Kopfe Kmiziz' immer ein Gedanke den anderen. Zuerst war der Zorn in ihm erwacht; er hatte unwillkürlich nach dem Säbel gegriffen, denn ihm war bekannt, daß Jozwa die Niedermetzelung seiner früheren Kampfgenossen veranlaßt hatte und selbst sein verbissenster Gegner war. Der Kmiziz von früher hätte ihn jetzt ergreifen und vierteilen lassen, der Babinitsch bezwang sich nicht nur, nein, ihn beunruhigte sogar der Gedanke, daß er erkannt werden konnte. War dies der Fall, dann mußten ihm für seine Weiterreise die größten Hindernisse erwachsen und alle seine guten Vorsätze waren gefährdet. Es lag ihm alles daran, unerkannt zu bleiben. Darum rückte er noch tiefer in den Schatten, stemmte die Ellenbogen auf den Tisch, legte den Kopf zwischen die Handflächen und gab vor, zu schlafen.

Gleichzeitig flüsterte er dem neben ihm sitzenden Soroka zu:

»Gehe in den Stall, macht die Pferde marschbereit. Wir reiten die Nacht durch.«

Soroka stand auf und entfernte sich.

Kmiziz that, als schlafe er fest. Während er so dasaß, stürmten Erinnerungen auf ihn ein. Der Anblick dieser Menschen führte ihn zurück in die Lauda, nach Wodockt, in jenes Stückchen Vergangenheit, welches zerronnen war wie ein Traum. Als Jozwa vorhin gesagt hatte, daß sie zu der früheren Billewitschen Fahne gehörten, da hatte ihm das Herz gezittert, beim bloßen Klange dieses Namens. Er mußte denken, daß es eben um diese Abendzeit war, wo er durch seine plötzliche Ankunft, wie von dem Schneesturm hereingeweht, Olenka überrascht hatte, als sie an ebensolchem Kaminfeuer in Wodockt mit den Spinnerinnen in der Spinnstube gesessen, wo er sie zum erstenmal gesehen.

Trotz der geschlossenen Lider sah er das Mädchen auch jetzt deutlich in ihrer sanften Ruhe; – er erinnerte sich an alles, was geschehen war, wie sie sein Schutzengel hatte werden wollen, wie sie sich bemüht, ihn im Guten zu befestigen, vor dem Bösen zu behüten, ihn auf den Weg einer edlen Gesinnung zu führen. O, wenn er ihr doch gefolgt wäre! ... Sie hatte gleich gewußt, auf welcher Seite die Tugend, die Pflicht und das Recht waren – und ach, mit milder Hand hätte sie ihn dorthin geführt, wenn er nur auf sie hätte hören wollen.

Die Liebe zu ihr faßte ihn so gewaltig, durch die Erinnerung genährt, flammte sie in dem Herzen des Herrn Andreas so glühend auf, daß er um ihretwillen selbst diesen Laudaschen Bären an sein Herz gedrückt hätte, ihn, der ihm die Waffengefährten erschlagen um des Namens Willen, den er genannt, um der Süßigkeit der Erinnerung wegen, die er damit geweckt.

Aus dieser Versunkenheit rüttelte ihn endlich der Klang seines eigenen Namens auf, welchen Butrym kurz nacheinander mehreremale nannte. Der Pächter von Wonsosch hatte ihn nach Bekannten gefragt und Jozwa erzählte ihm alles, was in Kiejdan seit jenem denkwürdigen Tage des Vertrages zwischen dem Hetman und den Schweden geschehen war. Natürlich kam in dieser Erzählung der Name Kmiziz wiederholt vor in Verbindung mit der ganzen fürchterlichen Schmach des Verrates. Davon, daß Herr Wolodyjowski, die Skrzetuskis und Sagloba ihm ihr Leben verdankten, davon wußte Jozwa nichts; statt dessen erzählte er folgendermaßen:

Unser Hauptmann hatte diesen Verräter in Billewitsche gefangen, wie den Fuchs in der Grube, und sogleich zum Tode führen lassen. Ich selbst habe ihn geführt und mich darüber gefreut, daß die Hand Gottes ihn erreicht; ich leuchtete ihm mit der Laterne von Zeit zu Zeit in die Augen, um zu sehen, ob ihn die Reue gepackt. Aber nein! er ging dreist den Weg zum Tode und dachte nicht daran, daß er vor Gottes Richterstuhl treten sollte. Und als ich ihm riet, sich wenigstens zu bekreuzen, da antwortete er mir: »Halt's Maul, Knecht! das ist nicht deine Sache!« Wir stellten ihn hinter dem Dorfe unter einen Birnbaum und ich wollte schon »Feuer« kommandieren, da fiel es dem Herrn Sagloba, welcher mit uns gegangen war, ein, seine Taschen zu durchsuchen. Er fand einen Brief darin, welchen er gleich entfaltete. »Leuchte!« befahl er und begann zu lesen. Kaum hatte er angefangen zu lesen, als er plötzlich nach seinem Kopfe langte und schrie: »Jesus, Maria! führe ihn sofort zurück in den Herrenhof!« Herr Sagloba sprang selbst auf das Pferd und ritt voraus, während wir ihm folgten in dem Gedanken, daß der Gefangene gemartert werden sollte, um noch etwas auszusagen. Aber woher denn! Sie ließen den Verräter laufen und es ist nicht meines Amtes, zu erforschen, was sie da herausgelesen haben, aber – ich hätte ihn nicht laufen lassen. »Was hat denn in dem Briefe gestanden?« frug der Pächter von Wonsosch.

»Ich weiß es nicht, aber ich denke mir, daß noch verschiedene Offiziere in den Händen des Wojewoden geblieben sind, die er hätte erschießen lassen, wenn wir ihm den Kmiziz erschossen hätten. Dazu mochte unser Hauptmann mit dem Fräulein Billewitsch Erbarmen haben, sie soll in Thränen zerflossen und ohnmächtig geworden sein, so daß man sie nicht zu sich bringen konnte ... Aber dennoch ... ich darf es ja nicht sagen, aber es war nicht gut, denn Luzifer selbst braucht sich der Schandthaten nicht zu schämen, die dieser Mensch vollbracht hat. Ganz Litauen hat über ihn zu klagen und wer ihn vom Erdboden vertilgt, der erwirbt sich ein Verdienst vor Gott und den Menschen, wie wenn er einen tollen Hund erschlagen hätte.«

Hier wurde das Gespräch wieder auf die Herren Wolodyjowski und Skrzetuski gelenkt und auf die Fahnen, welche in Podlachien standen.

»Es mangelt ihnen an Nahrungsmitteln,« sagte Butrym, »denn die Güter des Hetman sind schon vollständig ausgeplündert; es giebt dort weder für Mann noch Maus etwas zu beißen und der Kleinadel in den Stellen ist arm, wie der bei uns in Smudz. Da haben die Hauptleute beschlossen, die Leute zu teilen und immer hundert Reiter zwei oder drei Meilen von einander zu postieren. Gott weiß, wie wir den Winter durchbringen werden.«

Kmiziz hatte so lange seine Ruhe bewahrt, als von ihm selbst die Rede gewesen. Jetzt, wo es sich um die Hauptleute handelte, machte er unwillkürlich eine Bewegung, wie wenn er aus seinem dunklen Winkel heraus rufen wollte:

»Wenn sie das thun, dann wird der Hetman euch alle einzeln ausnehmen, wie Krebse aus der Reuse.«

In demselben Augenblick aber wurde die Thür geöffnet und in den hellen Lichtschein, welcher vom Kamin aus auf dieselbe fiel, trat Soroka, welchen Kmiziz zuvor hinausgesandt hatte, um die Pferde zu satteln. Die Flamme beleuchtete grell das Gesicht des Wachtmeisters. Jozwa Butrym blickte ihn eine Weile lang scharf an, dann wandte er sich an Rzendzian und frug:

»Gehört dieser Mann zu dem Gefolge Ew. Gnaden? ... Mir deucht, ich sollte ihn kennen!«

»Nein,« antwortete Rzendzian. »Er gehört zu jenen Adligen, welche Pferdehandel treiben.«

»Wohin wollt ihr?« frug Jozwa, sich an die anderen Männer wendend.

»Nach Sobota,« antwortete der alte Kiemlitsch.

»Wo liegt der Ort?«

»Unweit Piontek.«

Wie vordem Kmiziz, so glaubte Jozwa an einen unzeitigen Scherz des Alten und fuhr ihn stirnrunzelnd barsch an:

»Antworte, wenn man dich fragt!«

»Welches Recht hast du zu fragen?«

»Ein gutes, wie ich dir gleich beweisen kann, denn ich bin mit einer Patrouille ausgesandt, um auszukundschaften, ob die Gegend frei von verdächtigen Leuten ist. Mir scheint aber, du gehörst zu denen, welche nicht sagen wollen oder dürfen, weß Weges sie gehen!«

Kmiziz, voll Besorgnis, daß es zu einem Streit kommen könne, mischte sich beschwichtigend in die Rede, indem er sagte:

»Regt euch nicht auf, Herr Soldat! Piontek und Sobota sind zwei kleine Städte, wie andere auch; sie sind berühmt wegen der Pferdemärkte, die dort abgehalten werden. Wenn ihr mir nicht glauben wollt, so fragt den Herrn Starosten, der wird es bestätigen.«

»Ei freilich! Recht gern!« sagte Rzendzian.

»Wenn es so ist,« versetzte Butrym, »dann ist es etwas anderes. Aber wozu wollt ihr nach jenen Städten reisen? Ihr könnt eure Pferde ebensogut hier in Schtschutschin los werden: es fehlen uns viele, denn diejenigen, welche wir in Pilwischki aufgetrieben haben, langen nicht hin und her.«

»Es geht eben jeder dahin, wohin sein Weg ihn führt,« entgegnete Kmiziz, »und wir müssen den unsrigen gehen.«

»Ich weiß zwar nicht, welcher Weg euch der bessere dünkt, mir scheint es aber, daß die Pferde bei uns bleiben, als daß ihr sie den Schweden zuführt und ihnen Spionendienste leistet.«

»Mich nimmt auch Wunder,« mischte sich der Pächter von Wonsosch in das Gespräch, »daß diese Leute auf die Schweden schimpfen und trotzdem es so eilig haben, zu ihnen zu kommen.«

Hier wandte er sich an Kmiziz.

»Und ihr dort, seht mir auch wenig nach einem Pferdehändler aus, denn ich sah recht gut, den kostbaren Ring an eurer Hand. Solche Ringe tragen nur vornehme Kavaliere ...«

»Wenn er euch so gut gefällt, Herr Starost, so kauft ihn mir doch ab; ich habe ihn in Lyck für zwei Thaler erstanden,« versetzte Kmiziz.

»Zwei Thaler? ... Dann kann er nicht echt sein! oder er ist gut nachgemacht ... zeigt ihn mir doch!«

»Da nehmt, Ew. Gnaden.«

»Nun, könnt ihr euch nicht rühren? ... Soll ich zu euch kommen?«

»Laßt mich! ich bin furchtbar müde.«

»Ei, Brüderchen! Man könnte glauben, ihr wolltet euer Gesicht nicht sehen lassen,« rief Rzendzian gereizt.

Ohne ein Wort zu sprechen, stand Jozwa bei diesen Worten auf, schritt auf den Kamin zu, nahm aus demselben einen brennenden Kienspan, ging, denselben hoch emporhebend, geradewegs auf Kmiziz zu und leuchtete ihm damit in das Gesicht.

In demselben Augenblick richtete sich Kmiziz in seiner ganzen Höhe auf. Während einiger Sekunden standen die beiden Männer sich Auge in Auge gegenüber. Plötzlich entfiel der Kienspan der Hand Jozwas, im Fallen tausend Funken versprühend.

»Jesus, Maria!« schrie Butrym, »das ist Kmiziz.«

»Ich bin es!« antwortete Kmiziz, nachdem er gesehen, daß er sich nicht länger verborgen halten konnte.

Im nächsten Augenblick aber hatte Butrym sich von seinem Schrecken erholt.

»Herbei! Kommt herbei!« schrie er seinen im Flur befindlichen Soldaten zu.

Und Kmiziz am Genick packend, redete er in diesen hinein:

»Du also bist es, Höllensohn, Verräter, du Teufel in Menschengestalt. Einmal schon bist du mir entschlüpft, jetzt willst du verkleidet zu den Schweden? Warte, Judas, jetzt halte ich dich fest!«

Auch Herr Andreas hatte seinen Gegner gepackt und Kosmus und Damian, die sogleich von ihren Sitzen aufgesprungen waren und mit ihren struppigen Köpfen fast an die Decke stießen, wandten sich an ihren Vater mit der Frage:

»Zuschlagen, Vater?«

»Zuschlagen!« antwortete der Alte, seinen Säbel ziehend.

Jetzt sprang die Thüre auf; die Soldaten Jozwas stürzten in die Schenkstube, aber ihnen nach drängte auch schon das Gesinde des Kiemlitsch.

Jozwa hielt den Herrn Andreas mit der Linken am Genick fest, während er mit der Rechten sein Rapier zog und dasselbe mit blitzartiger Geschwindigkeit um sich schwang. Aber auch Herr Andreas, obgleich nicht mit so riesenhafter Stärke ausgestattet wie jener, preßte wie mit eiserner Zange den Hals Butryms, daß ihm die Augen zum Kopfe herausquollen. Der Riese bemühte sich, die Hand Kmiziz' mit dem Griff seines Rapiers zu treffen, aber vergebens, denn Herr Andreas schlug mit dem Griff seines Säbels auf den Schädel Butryms los. Die Finger Jozwas, welche das Genick des Gegners hielten, lösten sich plötzlich, der Riese schwankte und taumelte von einem Schlage Kmiziz' getroffen, hintenüber. Kmiziz versetzte ihm noch einen Stoß, um freien Raum zum Zuschlagen zu gewinnen, dann schlug er ihm mit voller Wucht den Säbel in das Gesicht. Wie eine gefällte Eiche stürzte Jozwa rücklings nieder und fiel mit dem Hinterkopf auf die Diele.

»Schlagt zu!« schrie Kmiziz, in welchem durch diesen Angriff wieder die alte Mordlust erwacht war.

Es bedurfte aber dieser Aufmunterung nicht, denn die beiden jungen Kiemlitsch schlugen bald mit den Säbeln, bald stießen sie wie die Stiere mit den Köpfen um sich, mit jedem Stoß einen Mann niederstreckend, während der Alte hinter ihnen stehend nur zwischen den Hieben der Klingen seiner Söhne hindurch mit seinem Säbel Stiche austeilte und Soroka die Gegner hart bedrängte. Die Diener Rzendzians, welche ebenfalls herzugeeilt waren, erhielten auch einen Teil der für die Laudaer bestimmten Schläge, da sie selbst in Ungewißheit, wem sie beistehen und wen sie angreifen sollten, trotz der Zurufe ihres Herrn, bald diese, bald jene Partei angriffen.

Der Widerstand der Laudaer wurde von Minute zu Minute schwächer; der Sturz ihres Anführers und der Name Kmiziz, hatte sie entmutigt. Rzendzian hielt sich vorsichtig dem Kampfe fern; er hatte nur den Wunsch, Kmiziz zu erspähen und ihn fest vor den Schuß zu bekommen, um ihn niederzuschießen, aber in der Dämmerung, die in der Stube herrschte, und in dem Getümmel, entschwand ihm die Gestalt des Gefürchteten immerwährend. Unterdessen hatte der Wirt sich stillschweigend mit einem Eimer voll Wasser zwischen den Kämpfenden durchgeschlichen und das Feuer im Kamin ausgegossen. In der Stube wurde es stockfinster; die Kämpfenden bildeten einen dichten Knäuel und schlugen nur noch mit den Fäusten aufeinander ein. Es wurde plötzlich still, man hörte nur noch schwere Atemzüge und Poltern von Stiefelsohlen. Zuerst sprangen die Leute Rzendzians durch die ausgehobene Thür ins Freie, die Laudaer hinterdrein und zuletzt die Leute Kmiziz'.

Die Verfolgung begann draußen durch den Flur in die Ställe und Remisen. Es fielen einige Schüsse; menschliche Rufe und das Quieken von Pferden wurden laut. Das Gefecht dauerte noch eine kleine Weile um die Wagen Rzendzians herum, da die Leute des Starosten sich unter dieselben verkrochen hatten. Auch die Laudaer hatten Schutz dort gesucht, und hier geschah es, daß die Pferdeknechte ein paar Schüsse auf sie abfeuerten, in der Meinung, es wären alle Feinde.

»Ergebt euch!« schrie der alte Kiemlitsch, indem er mit seinem Säbel zwischen die Speichen eines Rades fuhr und blindlings zustieß.

»Halt! wir ergeben uns!« antworteten einige Stimmen.

Und die Dienerschaft aus Wonsosch warf ihre Säbel und Sturmhaken unter dem Wagen hervor; sie selbst wurden an Armen und Beinen von den Söhnen des Alten darunter hervorgezogen, während der Alte rief:

»Schnell! Zu den Wagen! Nehmt, was ihr könnt!«

Die Jungen ließen sich das nicht zweimal sagen und schon flogen die ersten Beutestücke von den schwerbeladenen Wagen herab, als plötzlich die Donnerstimme Kmiziz's rief: »Halt!«

Und gleichzeitig fielen kräftige Hiebe mit der flachen Klinge auf sie nieder.

Kosmus und Damian sprangen schnell zur Seite.

»Ew. Liebden! ... Dürfen wir nicht!« frug demütig der Alte.

»Wehe euch!« schrie Kmiziz. »Sucht mir den Starosten.«

Sie flogen wie der Wind davon, Kosmus, Damian und hinterdrein der Alte. Nach einer Viertelstunde erschienen sie wieder; sie führten den Starosten, welcher, als er Kmiziz erblickte, sich tief verneigte und sprach:

»Mit Verlaub Ew. Liebden, mir geschieht Unrecht, denn ich habe keinen Streit gesucht und es steht einem jeden frei, seine Bekannten zu besuchen ...«

Kmiziz stand auf seinen Säbel gestützt; er atmete schwer und schwieg still. Also sprach Rzendzian weiter:

»Ich habe weder den Schweden noch dem Hetman ein Unrecht zugefügt, ich reise nur zu dem Herrn Wolodyjowski, denn er ist mein guter Bekannter, wir haben in Reußen gemeinschaftlich gekämpft. Ich habe keine Veranlassung, mir Beulen zu holen ... Auch in Kiejdan war ich nicht und weiß nicht, was dort geschehen ist ... Ich will nur mit heiler Haut fortkommen und das, was mir Gott gegeben hat, in Sicherheit bringen ... denn ich habe nichts gestohlen, sondern was ich besitze, im Schweiße meines Angesichts erworben ... alles andere kümmert mich nichts! Lassen mich Ew. Liebden in Ruhe weiterziehen! ...«

Noch immer atmete Kmiziz schwer und blickte zerstreut auf den Starosten.

»Ich bitte Ew. Gnaden demütig,« begann dieser von neuem. »Ew. Gnaden wissen, daß ich diese Leute nicht kannte und nicht ihr Freund war. Was kann ich dafür, daß dieselben Ew. Gnaden angegriffen haben? Wenn es nicht anders sein kann, so will ich mich und meine Diener loskaufen, obgleich ich nur ein armer Schlucker bin ... ich will jedem eurer Soldaten einen Thaler ... nein, zwei Thaler geben und auch Ew. Gnaden wollen etwas von mir annehmen.«

»Deckt die Wagen zu!« rief plötzlich Kmiziz.

»Ich danke unterthänigst!« sagte der Herr Pächter von Wonsosch.

Da trat der alte Kiemlitsch heran, streckte die Unterlippe mit den Resten seiner Zähne vor und klagte mit jämmerlicher Stimme:

»Ew. Liebden ... das ist unser ... Spiegel der Gerechtigkeit ... unsere Beute.«

Doch Kmiziz maß ihn mit einem einzigen Blick, der den Alten sofort verstummen machte; er krümmte sich fast bis zur Erde und sprach kein Wort weiter.

Die Diener Rzendzians begannen eiligst die Pferde vor die Wagen zu spannen. Kmiziz wandte sich jetzt an den Herrn Starosten:

»Nehmt alle Verwundete und Tote, die sich hier befinden,« sagte er, »bringt sie dem Herrn Wolodyjowski und sagt ihm von mir ... ich sei nicht sein Feind, sondern ein besserer Freund als er denkt ... Aber ich wollte ihn jetzt meiden, weil die Zeit noch nicht gekommen ist, wo wir uns begegnen können ... später vielleicht wird er mir glauben, jetzt nicht, denn ich habe nichts, womit ich ihn überzeugen könnte ... vielleicht später! ... Merkt wohl auf! Erzählt ihm, daß diese Leute mich überfallen haben und ich mich nur gewehrt habe.«

»So war es, nach der Gerechtigkeit,« sagte Rzendzian.

»Wartet noch! Sagt dem Herrn Wolodyjowski noch, sie möchten alle zusammenhalten, Radziwill wird gegen sie zu Felde ziehen, sobald die von Pontus erwarteten Hilfstruppen eingetroffen sein werden. Vielleicht ist er schon unterwegs. Beide, er und Boguslaw, stehen in Unterhandlungen mit dem Kurfürsten, der Aufenthalt an der Grenze ist gefährlich. Vor allem sollen sie alle beisammen bleiben, sonst werden sie elend zu Grunde gehen. Der Wojewode von Witebsk will versuchen, nach Podlachien vorzudringen ... sie mögen ihm entgegen ziehen, damit sie ihm im Falle der Not beispringen können.«

»Ich will getreulich alles berichten, wie wenn ich dafür bezahlt würde,« sagte Rzendzian.

»Sagt ihm,« er möge glauben, obgleich Kmiziz spricht, Kmiziz ist, welcher warnt, »er möge mir glauben. Sie sollen alle zusammenhalten, alle Hauptleute, und bedenken, daß sie alle zusammen eine stärkere Macht ausmachen, wie vereinzelt. Ich wiederhole: der Hetman ist schon unterwegs und ich bin dem Herrn Wolodyjowski kein Feind.«

»Wenn Ew. Gnaden mir ein Beglaubigungszeichen mitgeben wollten, dann wäre es besser,« sagte Rzendzian.

»Wozu das?«

»Weil auch der Herr Wolodyjowski mehr Vertrauen in eure Aussage setzen würde, wenn ihr dieselbe durch ein sichtbares Zeichen bekräftigt.«

»So nehmt diesen Siegelring – obgleich ich meine, daß ich Wahrzeichen in genügender Anzahl auf diesen Köpfen hier zurücklasse, die ihr dem Herrn Wolodyjowski bringen sollt.«

Mit diesen Worten zog er den Ring von seinem Finger, nach welchem Rzendzian bereits hastig die Hand ausgestreckt hatte, und gab ihn dem Starosten.

»Unterthänigsten Dank, Ew. Gnaden,« beeilte Rzendzian sich zu sagen, indem er sich tief verneigte.

Eine Stunde später fuhr er samt seinen Dienern und Gepäck, welches nur wenig in Unordnung geraten war, ruhig nach Schtschutschin zu. Er führte drei Tote und mehrere Verwundete mit sich, unter denen sich auch Butrym mit zerhauenem Gesicht und zerschlagenem Kopfe befand.

Während der Fahrt betrachtete der Herr Pächter von Wonsosch den Ring, dessen Stein im Mondschein gar herrlich funkelte, und sann nach über den seltsamen, schrecklichen Menschen, welcher den Konföderierten so viel Böses gethan, dem Radziwill und den Schweden seine Dienste geweiht und dennoch augenscheinlich die Konföderierten vom Verderben retten wollte.

»Denn, seine Warnung war ehrlich gemeint,« sprach Rzendzian vor sich hin, »es ist immer besser, zusammenzuhalten. Aber warum warnt er sie? Doch wohl aus Zuneigung für den Herrn Wolodyjowski, welcher ihm in Billewitsche das Leben geschenkt hat! Bah! diese Zuneigung kann aber dem Hetman sehr teuer zu stehen kommen. Ein seltsamer Mensch, fürwahr! Er dient dem Radziwill, er will den Konföderierten wohl und ... er geht zu den Schweden ... Das verstehe ein Anderer, nicht ich ...«

Nach einer Weile setzte er hinzu:

»Er ist ein freigebiger Herr ... nur ist es gefährlich, ihm in den Weg zu kommen.«

Ebenso sehr und ebenso resultatlos wie Rzendzian zerbrach der alte Kiemlitsch sich den Kopf; er konnte keine Antwort finden auf die Frage: »Wem eigentlich dient Herr Kmiziz?«

»Er will zum Könige und schlägt die Konföderierten tot, die doch zur Partei des Königs gehören. Was soll das heißen? Den Schweden traut er auch nicht, denn er verbirgt sich vor ihnen ... was soll mit uns werden?«

Als er sich vergeblich nach einer Lösung des Rätsels abgemüht hatte, wandte er sich zornig an seine Söhne:

»Ihr Schelme!« schalt er. »Ihr sollt ohne meinen Segen in die Grube fahren! Konntet ihr nicht wenigstens die Toten durchsuchen?«

»Wir haben uns gefürchtet,« antworteten Kosmus und Damian.

Nur Soroka war zufrieden; er trottete vergnügt hinter seinem Hauptmanne her.

»Der böse Zauber ist gewichen,« dachte er, »der Bann gelöst, da wir diese bezwungen haben. Ich bin begierig, gegen wen wir nun losziehen werden.«

Aber das war ja einerlei; ebenso, wohin der Weg jetzt führen würde.

Es wagte niemand, sich Kmiziz zu nähern, oder ihn nach etwas zu befragen; der junge Hauptmann ritt finster und in sich gekehrt dahin. An ihm nagte der Schmerz, daß er diese Männer hatte töten müssen, an deren Seite zu kämpfen sein größtes Verlangen war. Aber wenn er sich auch auf Gnade oder Ungnade ergeben hätte, was hätte Herr Wolodyjowski von ihm denken sollen, wenn man ihn in dieser Verkleidung als Pferdehändler vor ihn geführt hätte, der im Begriff stand, eine Koppel Pferde in das von den Schweden okkupierte Land zu bringen und Geleitscheine an die schwedischen Kommandanten in der Tasche hatte.

»Ach, die alten Sünden verfolgen mich ...« sagte er sich ... »Ich will vor ihnen fliehen, weit, weit fort und du, mein Gott führe mich!«

Er fing wieder an heiß und inbrünstig zu beten und mit seinem Gewissen Zwiesprache zu halten.

»Wieder geht dein Weg über Leichen und es sind keine Schweden, die du getötet hast,« sagte das Gewissen.

»Gott sei mir gnädig! ...« antwortete ihm Kmiziz. »Ich gehe zu meinem Herrn, dort soll mein Dienst beginnen.«

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