Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

7. Kapitel

Radziwill wäre längst nach Podlachien aufgebrochen, wenn nicht verschiedene Gründe ihn davon zurückgehalten hätten. Zuerst wartete er auf die schwedischen Hilfstruppen, welche ihm zu senden Pontus de la Gardie immer noch zögerte. Obgleich von hoher Geburt und mit dem Königshause verwandt, konnte Pontus sich weder an Glanz und Reichtum, noch an Ansehen mit Radziwill messen, welcher, wenn auch seine Schatzkammer augenblicklich geleert war, doch so große Güter besaß, daß dieselben ausreichend waren, sämtliche schwedische Generäle, wenn diese sich in dieselben teilten, zu reichen Männern zu machen. Jetzt nun, wo die Ereignisse und der Wandel der Zeiten den Fürsten in eine gewisse Abhängigkeit von Pontus gebracht, war es diesem eine nicht geringe Genugthuung, dem litauischen Magnaten diese Abhängigkeit recht fühlbar zu machen.

Zwar hatte Radziwill eigene Streitkräfte in genügender Menge, aber aus eben den Gründen, welche Kmiziz in seinem Briefe an Herrn Wolodyjowski erwähnt, lag ihm doch viel daran, unter der Aegide des Königs von Schweden den Feldzug gegen die aufständischen Hauptleute zu unternehmen, um den Chowanski von einem Angriff auf die vereinigten Truppen abzuhalten. So wartete er denn ungeduldig auf die zustimmende Antwort de la Gardies und die Ankunft wenn auch nur einer einzigen schwedischen Fahne. Wenn die Ungeduld ihn übermannte, pflegte er wohl zuweilen zu seinen Höflingen zu sagen:

»Vor ein paar Jahren hätte Pontus es als unschätzbare Ehre empfunden, wenn er einen Brief von mir erhalten hätte; er hätte denselben seinen Erben als Dokument hinterlassen. Heute nimmt er die Manieren eines Befehlshabers an.«

Darauf hatte ihm endlich einmal einer seiner Höflinge, der sich stets als Maulheld hervorthat, geantwortet:

»Ja, Durchlaucht! ein bekanntes Sprüchwort sagt: wie du dich bettest, so wirst du schlafen.«

Der Fürst war in hellen Zorn ausgebrochen; er hatte den Vorwitzigen in das Turmverließ sperren lassen. Am folgenden Tage schon entließ er ihn jedoch wieder aus dieser Haft und beschenkte ihn, denn man hatte ihm inzwischen gesagt, daß der Edelmann im Besitze von barem Gelde sei, welches der Fürst nun gegen Ausstellung eines Schuldscheines von ihm leihen wollte. Der Edelmann nahm das Geschenk wohl an, behielt aber sein Geld für sich.

Endlich trafen achthundert schwere Reiter bei Radziwill ein. Dreihundert Füsiliere und hundert Mann leichte Reiterei schickte Pontus direkt nach der Veste Tykozin. Die Armee Chowanskis hatte diesen den Weg dorthin frei gegeben, ohne ihnen den mindesten Schaden zuzufügen. Das geschah zu der Zeit, wo die Konföderierten noch verstreut in den Wojewodschaften umherlagen.

Man hatte erwartet, daß Radziwill nach erhaltenem Zuzuge sofort nach Podlachien aufbrechen werde, doch nun zögerte er damit. Es waren nämlich Nachrichten zu ihm gelangt, daß zwischen einigen Hauptleuten der Konföderierten, zwischen Kotowski, Lipnizki und Jakob Kmiziz, Streitigkeiten ausgebrochen waren; er sagte daher:

»Wir wollen ihnen Zeit lassen, sich an den Köpfen zu fassen; sie werden sich gegenseitig totbeißen, ehe wir ihretwegen den Kampf beginnen, und wir können sogleich unsern Angriff gegen Chowanski richten.«

Doch plötzlich nahmen diese Nachrichten eine andere, der ersten widersprechende Gestalt an. Die Hauptleute stritten sich nicht nur nicht, sondern sie versammelten sich allesamt friedlich bei Bialystock, um eine vereinte Heeresmacht zu bilden. Der Fürst zerbrach sich vergebens den Kopf über die Veranlassung dieser Sinnesänderung. Zuletzt drang der Name Saglobas als Regimentarius der vereinigten Fahnen an sein Ohr; er hörte, wie dieser die Armee verproviantierte, wie er ein verschanztes Lager herrichtete und die Geschütze aus Malystock im Dienste derselben verwerten wollte, und von der täglichen Zunahme der Mannschaften durch Zuzüge Freiwilliger. Der Fürst verfiel in einen solchen Wutparoxismus, daß selbst Ganhof, ein so unerschrockener Soldat, nicht wagte, sich ihm zu nähern.

Und nun endlich wurde der Befehl zum Abmarsch ausgegeben. Im Laufe eines Tages war die Division marschbereit. Ein Regiment deutsche Füsiliere, zwei Regimenter Schotten und ein litauisches Regiment zogen aus. Korff erhielt den Oberbefehl über die Artillerie, Ganhof über die Kavallerie. Außer den Dragonern Charlamps und den schwedischen Reitern war auch die Fahne leichter Reiter Niewiarowskis und die Gardereiter des Fürsten vorhanden, über welche letztere als Statthalter der Edele von Schlesien eingesetzt war. Sie waren allesamt in den verschiedenen Feldzügen ergraute Krieger. Mit keiner größeren Armee als dieser hatte der Fürst zur Zeit der ersten Kriege mit Chmielnizki jene Siege errungen, welche seinen Namen mit unsterblichem Ruhme bedeckt hatten; er hatte mit kleinerer Heeresmacht den Halbfürsten Rebaba, die mehrere Tausende zählenden Scharen Krschetschowskis geschlagen, Mosyr, Turow und Kijow eingenommen und in der Steppe den Chmielnizki gezwungen, einen Vertrag mit ihm zu schließen.

Jetzt ängstigten den Fürsten Ahnungen von dem Niedergange seiner Macht. Die Zukunft lag unklar vor seinem Blick. Was frommte es ihm, wenn er die Konföderierten unter den Hufen seiner Rosse zermalmte, diesem verhaßten Sagloba die Haut über die Ohren ziehen ließ? Was weiter? Was sollte dem folgen? Sollte er nochmals den Chowanski angreifen? Ja, das wollte er; er wollte die Niederlage von Zybichow wieder wett machen, sich neue Lorbeerkränze holen. Aber würde es überhaupt dazu kommen können? Hatte er denn nicht gehört, daß die im Norden des Reiches stehenden Eindringlinge, das Wachstum der schwedischen Macht fürchtend, ihre Opposition gegen die Republik aufzugeben gedachten, ja sogar ein Bündnis mit Johann Kasimir einzugehen gewillt seien? Sapieha, welcher sie noch immer angriff, wo er konnte, stand nichtsdestoweniger schon in Unterhandlungen mit ihnen und Herr Gosiewski verfolgte denselben Plan.

Für den Fall, daß Chowanski dem Drängen dieser Beiden nachgab, war für ihn, Radziwill, das Feld weiterer Thätigkeit auf diesem Gebiete abgeschlossen; es war ihm die Gelegenheit genommen, seine Macht zu entfalten. Wenn es Johann Kasimir gelang, mit den bisherigen Gegnern einen Vertrag zu schließen und ihre Streitkräfte gegen die Schweden vorzuschieben, dann konnte die Wagschale des Glückes sich auf jene Seite neigen, d. h. gegen die Schweden, und mit diesen gegen Radziwill.

Aus Kronpolen hatte indessen der Fürst bessere Nachrichten. Dort übertraf das Vorgehen der Schweden alle Erwartungen. Eine Wojewodschaft nach der anderen ergab sich freiwillig; in Großpolen regierten die Schweden wie im eigenen Vaterlande; in Warschau herrschte Radziejowski, Kleinpolen hatte den Widerstand aufgegeben. Krakau mußte in kurzem fallen, der König war verlassen vom Heere und dem Adel, mit dem zerstörten Vertrauen zu seiner Nation im Herzen nach Schlesien geflüchtet, und Karl Gustav selbst war erstaunt über die Leichtigkeit, mit welcher er Herr eines Landes wurde, das bisher im Kampfe mit den Schweden stets Sieger geblieben war.

Aber gerade in dieser Leichtigkeit der Eroberung sah Radziwill die größte Gefahr für sich, denn er fühlte nur zu gut, daß die durch die leichten Errungenschaften bethörten Schweden ihre Rechnung ohne ihn machen würden. Sie würden ihm keinerlei Beachtung schenken, besonders da die jüngsten Ereignisse gelehrt hatten, daß seine Macht in Litauen nicht so groß war, wie alle, er nicht ausgenommen, gedacht hatten.

Würde später der König von Schweden noch gesonnen sein, ihm Litauen oder auch nur das kleinere Reußen zu geben? Würde er den ewig unersättlichen Nachbar nicht lieber mit irgend einem Fetzen im fernen Osten der Republik abspeisen, um ihm für immer die Hände zu binden und freies Spiel für sich selbst in ganz Polen zu gewinnen?

Diese Fragen quälten unaufhörlich die Seele des Fürsten Janusch. Eine fürchterliche Unruhe bemächtigte sich seiner bei Tag und Nacht. Er mußte immer denken, daß Pontus de la Gardie niemals wagen würde, ihn so von oben herab zu behandeln, wenn nicht der König dieses Betragen billigte, oder – was noch schlimmer wäre – ihm bestimmte Instruktionen für sein Verhalten erteilt hatte.

Solange ich noch an der Spitze von mehreren Tausenden Soldaten stehe – dachte Radziwill – solange werden sie mich respektieren. Was aber, – wenn mein Geld ausgeht und die Söldlinge davonlaufen, wenn der Sold ausbleiben muß?

Und gerade jetzt waren zum erstenmal die Einkünfte von den riesengroßen Gütern ausgeblieben. Sie alle, die in Litauen und weit hin, bis in die Niederungen von Kijow, verstreut lagen, waren nur noch Ruinen, und diejenigen in Podlachien waren von den Konföderierten vollständig ausgesogen.

Zuweilen war dem Fürsten zu Mute, als sinke er in einen Abgrund. Das Resultat aller seiner Arbeiten und Grübeleien konnte einst vielleicht einzig und allein die Bezeichnung »Verräter« bleiben – sonst nichts.

Dieses Gespenst, vereint mit einem anderen, ängstigte ihn unablässig. Das andere war der – Tod – welcher ihn nachts aus den Falten seines Himmelbettes angrinste und mit dem Knochenfinger winkte, als wolle er sagen: folge mir in die Finsternis, nach dem jenseitigen Ufer des Styx, jenes unbekannten Flusses ...

Hätte er auf dem Gipfel seines Ruhmes gestanden, ach, dürfte er die so leidenschaftlich ersehnte Großfürstenkrone Litauens auch nur einen einzigen Tag, eine einzige Stunde auf seine Schläfen drücken können, ja dann hätte er unerschrockenen Auges diesem Gespenst entgegengesehen. Doch so? Sollte er jetzt sterben und nichts hinterlassen als Unehre und Verachtung? Er, der stolzer war, als der Teufel selber.

In einsamen Stunden, wo nur sein Astrologe Zutritt zu ihm hatte, stieg diese Angst zur gräßlichsten Verzweiflung. Dann faßte er mit beiden Händen an seine Stirn und rief:

»Es brennt mein Kopf, es brennt mein Hirn!«

In diesem Zustande stand er im Begriff, den Feldzug nach Podlachien anzutreten, als am Tage vor dem Ausmarsch ihm die Meldung gebracht wurde, daß Fürst Boguslaw von Tauroggen her im Anzuge sei.

Auf die bloße Nachricht hin, noch ehe er den Vetter gesehen, fühlte Fürst Janusch sich schon belebt. Brachte Fürst Boguslaw doch seine Jugend und seine unentwegte Zuversicht auf das Gelingen aller ihrer gemeinschaftlichen Pläne mit sich. Sollte doch in ihm die Birzer Linie der Radziwills aufs neue erblühen, arbeitete Fürst Janusch doch mehr nur für ihn.

Als er nun vernahm, daß er unterwegs nach Kiejdan sei, wäre er ihm am liebsten entgegen gefahren. Doch da die Etikette nicht zuließ, daß der ältere dem jüngeren entgegen komme, so sandte er ihm nur seine vergoldete Karosse und die Fahne Riewiarowski und befahl, den Fürsten von den durch Kmiziz errichteten Schanzen und vom Schloßturme aus durch Mörserschüsse zu begrüßen.

Als nach der zeremoniellen Begrüßung die Vettern endlich allein waren, umarmte Janusch den jüngeren nach einmal herzlich und rief gerührt ein über das andere Mal:

»O, meine Jugend, meine Kraft ist mit dir wieder bei mir eingekehrt.«

Fürst Boguslaw betrachtete aufmerksam den älteren und frug:

»Was fehlt Ew. Durchlaucht?«

»Ach, laß doch die Durchlaucht, wenn wir unter uns sind ... Was mir fehlt? Die Krankheit zehrt an mir, bis der morsche Stamm eines Tages zusammenbrechen wird ... Aber das macht nichts! Wie geht es meiner Frau und was macht Maryschka?«

»Sie sind nach Tilsit gefahren,« antwortete Boguslaw. »Beide befinden sich wohl, Marie blüht wie eine rosige Knospe; sie wird wunderschön sein, wenn sie voll aufgeblüht sein wird ... Ma foi! Niemand in der Welt besitzt schönere Füßchen wie sie und ihre Zöpfchen hängen bis auf die Erde herab ...«

»So gut also gefällt sie dir? Das ist mir lieb. Gott hat dich mir hergesandt. Ich fühle mich gleich wohler, wenn ich dich sehe! Aber was bringst du mir für Neuigkeiten? Wie steht es mit dem Kurfürsten?«

»Weißt du, daß er den Bund mit den Städten geschlossen hat?«

»Ja, ich weiß es!«

»Aber sie mißtrauen ihm. Danzig weigert sich, seine Besatzung anzunehmen.«

»Auch das weiß ich. Hast du ihm geschrieben? Was denkt er über uns?«

»Ueber uns?« frug der Fürst zerstreut, während seine Augen im Gemach umherflogen. Dann stand er auf. Fürst Janusch glaubte, sein Vetter wolle etwas suchen, dieser aber schritt auf den Spiegel zu, welcher in einer Ecke des Gemaches hing, richtete ihn für sich bequem zurecht, tastete mit dem Zeigefinger der rechten Hand an seinem Gesichte umher, dann sprach er endlich:

»Die Haut ist mir unterwegs etwas aufgesprungen, aber das ist bis morgen wieder geheilt ... Was der Kurfürst über uns denkt? ... Nun, er schreibt mir, daß er uns nicht vergessen wird.«

»Wenn er das mir wirklich wollte; ich will ja nicht für mich die Großfürstenkrone.«

»Ganz Litauen werden wir nicht gleich herausschlagen können, aber ein gutes Stück wenigstens mit einem Stück Reußen und der Smudz.«

»Und die Schweden?«

»Die Schweden werden froh sein, durch uns vom Osten getrennt zu sein.«

»Du träufelst Balsam in mein Herz ...«

»Balsam! Aha! Da fällt mir ein ... irgend ein Zauberer in Tauroggen wollte mir einen Balsam verkaufen, von dem man sagt, daß derjenige, welcher sich damit einreibt, unverwundbar wird. Ich befahl sogleich die Probe an ihm selber vorzunehmen und ... stelle dir vor ... die Lanze fuhr ihm durch und durch! ...«

Fürst Boguslaw lachte, daß seine elfenbeinweißen Zähne blitzten. Aber Janusch gefielen diese Späße nicht; er lenkte das Gespräch gleich wieder öffentlichen Angelegenheiten zu.

»Ich habe Briefe an den König von Schweden und viele andere hohe Würdenträger abgesandt,« sagte er. »Auch du mußt durch Kmiziz einen Brief von mir erhalten haben.«

»Warte einen Augenblick. Auch diese Angelegenheit trieb mich unter anderem hierherzukommen. Was hältst du von Kmiziz?«

»Er ist ein Heißsporn, ein Tollkopf, ein gefährlicher Mensch, der keine Fessel duldet; aber er ist einer jener Wenigen, die uns treu dienen!«

»Sicherlich!« entgegnete Boguslaw. »Mit mir wenigstens hat er es so ehrlich gemeint, daß er mir fast zur ewigen Seligkeit verhalf.«

»Wieso?« frug Fürst Janusch beunruhigt.

»Man sagt, Herr Bruder, daß du ein galliger Mensch bist und du gleich von der Kolik befallen wirst, wenn man dich an die Leber stößt. Versprich mir, daß du mich geduldig und ruhig anhörst, dann will ich dir etwas von deinem Kmiziz erzählen, das dich besser mit ihm bekannt machen soll, als das bisher der Fall war.«

»Gut! Ich will geduldig sein, aber komme zur Sache.«

»Nur ein Wunder hat mich aus den Händen dieses leibhaftigen Teufels gerettet,« versetzte Fürst Boguslaw. Und nun erzählte er alles, was in Pilwischki geschehen war.

Nun aber geschah ein zweites Wunder – nämlich – Fürst Janusch bekam keinen Anfall von Asthma wie sonst. Dafür aber konnte man glauben, ihm drohe ein Schlaganfall. Er bebte am ganzen Leibe, knirschte mit den Zähnen und bohrte die Fäuste in die Augen. Endlich rief er mit heiserer Stimme:

»So also? ... Nun gut! ... Er vergißt nur, daß sein Liebstes in meiner Hand ist ...«

»Erbarme dich! Um Gotteswillen, nimm dich zusammen und höre weiter!« versetzte Boguslaw. »Ich habe ihn ganz kavaliermäßig ausgezahlt, und wenn ich mich dieser Heldenthat nicht öffentlich rühme, so geschieht es nur darum, weil ich mich schäme, daß ich mich von einem gewöhnlichen Menschen überlisten ließ, wie ein Kind – ich, von dem Mazarin sagte, daß ich von keinem einzigen der französischen Kavaliere an List und politischer Gewandtheit übertroffen werden kann ... Aber das ist für jetzt Nebensache ... Ich war nämlich fest überzeugt, daß ich deinen Kmiziz erschossen habe, da – empfing ich einen Beweis, daß er lebt.«

»Das schadet nichts! Wir finden ihn und sollten wir ihn unter der Erde hervorholen! ... Unterdessen werde ich ihn schmerzlicher treffen, als wenn ich ihn abhäuten ließe.«

»Du wirst ihn gar nicht treffen, sondern nur deiner eigenen Gesundheit schaden, denn höre! Als ich hierher unterwegs war, bemerkte ich einen fremden Knecht auf einem Schecken, welcher sich immer in der Nähe meiner Kalesche hielt; er fiel mir wohl nur eben des Scheckens wegen auf. Ich rief ihn heran und frug, wohin er wollte?« – »Nach Kiejdan« lautete seine Antwort. – »Was willst du dort?« frug ich weiter. – Er antwortete mir: ich soll einen Brief an den Fürst-Wojewoden abgeben. – Ich ließ mir diesen Brief geben und da wir keine Geheimnisse vor einander haben, habe ich ihn gelesen ... Hier ist er!«

Indem er das sagte, reichte er dem Fürsten Janusch den Brief, welchen Kmiziz im Walde geschrieben, ehe er mit dem Kiemlitsch seine Reise angetreten hatte.

Der Fürst überflog die Zeilen wutentbrannt; endlich sagte er:

»Es ist wahr, wahrhaftig wahr! er hat meine Briefe, welche Dinge enthalten, wegen welcher der König von Schweden nicht nur mißtrauisch werden, sondern sich tödlich beleidigt fühlen könnte ...«

In diesem Augenblick fing er an zu schlucken – der gefürchtete Anfall war da. Der weitgeöffnete Mund schnappte nach Atem, während die Hände die Kleider am Halse aufrissen. Fürst Boguslaw klatschte in die Hände und als die Diener erschienen, sagte er:

»Steht eurem Herrn bei und wenn der Anfall vorüber sein wird, bittet ihn, daß er in mein Gemach komme; ich will indessen etwas ruhen.«

Damit entfernte er sich.

Etwa zwei Stunden später pochte Fürst Janusch an die Thüre von Boguslaws Gemach. Seine Augen waren blutunterlaufen, die Lider hingen schlaff herab, das Gesicht hatte eine bläuliche Farbe. Fürst Boguslaw empfing ihn auf dem Lager liegend, das Gesicht mit Mandelmilch eingeschmiert, damit die Haut wieder geschmeidig werde; er sah ohne Perücke und ungeschminkt viel älter aus als sonst, aber der Fürst Janusch bemerkte das nicht.

»Ich habe mir überlegt,« sagte er, »daß Kmiziz die Briefe nicht publizieren kann, denn mit dieser That würde er seinem Mädchen das Todesurteil sprechen. Er wußte recht gut, daß er nur damit meinen Zorn in bestimmte Grenzen eindämmen konnte; aber auch ich darf nicht Rache üben, und das frißt an mir, wie ein wütiger Hund.«

»Wir müssen auf alle Fälle versuchen, die Briefe zurückzuerlangen,« sagte Fürst Boguslaw.

»Aber womit?«

»Du mußt einen geschickten, vertrauten Menschen ausfindig machen, welcher ihn aufsucht, ihm Freundschaft heuchelt und bei der ersten besten Gelegenheit ihm die Briefe abnimmt und ihn niedersticht. Man muß ihm einen hohen Lohn versprechen ...«

»Wer wollte dieses Unternehmen wagen?«

»Wenn wir in Paris lebten, dann könnte ich dir täglich einige geeignete Männer bringen; in diesem Lande aber giebt es selbst solche Ware nicht ...«

»Es müßte aber ein Pole sein, denn gegen Ausländer ist er zu mißtrauisch.«

»Dann überlasse mir die Angelegenheit, vielleicht finde ich Jemanden für diesen Zweck.«

»O, wenn ich ihn doch lebendig in meine Hände bekommen könnte; ich würde ihn dann für alles auszahlen. Die Frechheit und Verwegenheit dieses Menschen kannte keine Grenzen. Ich schickte ihn nur deshalb fort, weil er mir bei jeder Kleinigkeit wie ein Kater in die Augen sprang und mir in allem seinen Willen aufdrängen wollte ... Wie oft schon hatte ich den Befehl auf der Zunge, ihn niederzuschießen ... aber ich konnte, ich konnte es nicht.«

»War er denn wirklich den Kischkows verwandt und uns?«

»Den Kischkows ganz sicher und durch jene auch uns.«

»Das ist eine Sache für sich. Er selbst ist ein Teufel und im vollsten Sinne des Wortes – ein gefährlicher Gegner!«

»O, ob er das ist! Man hätte ihn nach Konstantinopel schicken können, um den Sultan des Thrones zu entsetzen, er hätte sich nicht gescheut, es zu thun. Was hat er nicht alles während des letzten Krieges vollbracht!«

»Er sieht darnach aus. Uns hat er Rache geschworen bis zum letzten Atemzuge, und wir haben uns nichts gutes von ihm zu versehen; ein Glück nur, daß ich ihm gezeigt habe, daß wir nicht leicht zu nehmen sind.«

»Es ist wahr, du hast ihn tüchtig ausgezahlt, dennoch wollte ich, die Geschichte wäre nicht passiert.«

»Und ich wünschte, du wärest vorsichtiger in der Wahl deiner Vertrauten und wähltest solche, die mehr Respekt vor den Radziwills haben.«

»Diese Briefe! diese Briefe!«

Die Vettern verstummten eine Weile.

»Was ist das für ein Mädchen, von dem du sprachst?« begann Boguslaw zuerst wieder.

»Die Billewitsch ist es.«

»Ob Billewitsch oder Mieleschko, das ist einerlei – eine ist so gut wie die andere. Ich frage nicht nach ihrem Namen, sondern ob sie schön ist.«

»Ich achte auf dergleichen Dinge wenig, aber so viel ist sicher, daß selbst die Königin von Polen sich solcher Schönheit nicht zu schämen brauchte.«

»Die Königin von Polen? Maria Ludowika? Zur Zeit des Cinq-Mars war sie vielleicht einmal schön, heute heulen die Hunde bei ihrem Anblick. Wenn die Billewitsch eben so ist, dann behalte sie dir. Ist sie aber wirklich schön, dann gieb sie mir mit nach Tauroggen; dort will ich gemeinschaftlich mit ihr ein Rachestück gegen Kmiziz aussinnen.« Fürst Janusch dachte ein Weilchen nach.

»Nein, ich gebe sie dir nicht,« sagte er endlich. »Du würdest Gewalt gegen sie anwenden und dann veröffentlicht Kmiziz die Briefe.«

»Ich sollte eine von euren Lerchen vergewaltigen? ... Ich will mich nicht rühmen, aber mir sind andere zugeflogen, als solche ... nur einmal that ich es in Flandern ... sie war dumm ... Tochter eines Goldarbeiters ...«

»Du kennst das Mädchen eben nicht. Sie ist vornehmer Herkunft, die personifizierte Tugend, fromm wie eine Nonne.«

»Das kennt man schon.«

»Dazu haßt sie uns, denn sie ist mit Leib und Seele Patriotin ... Sie war es, welche den Kmiziz ablaufen ließ ... Wir haben nicht viele solcher Frauen ... Sie ist klug wie ein Mann und Johann Kasimirs begeisterte Anhängerin.«

»Ich gebe dir also mein Wort, daß ich ihr kein Leid zufügen will, und du weißt, daß ich in Privatangelegenheiten mein Wort immer halte. In politischen Dingen ist das anders. Ich müßte mich vor mir selber schämen, wenn ich sie nicht durch den Zauber meiner Persönlichkeit gewinnen sollte.«

»Das wird dir nicht gelingen.«

»Schlimmsten Falles trage ich eine Ohrfeige davon, und ein Schlag von Weiberhand ist keine Schande ... Du willst nach Podlachien, was soll sie denn hier? Mitnehmen kannst du sie nicht, hierlassen auch nicht, denn die Schweden kommen hierher. In unserer Hand aber muß sie bleiben ... ist es da nicht besser, wenn ich sie nach Tauroggen mitnehme? ... An Kmiziz aber werde ich keinen Meuchelmörder, sondern einen Boten mit einem Briefe senden; ich werde ihm schreiben: Gieb die Briefe, so gebe ich dir das Mädchen!«

»Das könnte gehen!« sagte Fürst Janusch. »Das ist ein guter Gedanke.«

»Wenn ich sie ihm dann nicht in demselben Zustande wiedergebe, wie ich sie erhalten habe, dann ist das unserer Rache Anfang.«

»Du hast mir aber versprochen ...«

»Und ich wiederhole mein Versprechen; ich mußte mich ja schämen ...«

»Dann mußt du aber auch ihren Oheim, den Schwertträger von Reußen mitnehmen, welcher stets bei ihr ist.«

»Das thue ich nicht. Der Edelmann trägt sicherlich nach eurer Manier Stroh in den Stiefeln und das kann ich nicht ausstehen.«

»Allein wird sie nicht mitreisen wollen.«

»Nun, wir wollen sehen. Lade sie heute zum Abendessen ein, damit ich sie kennen lerne und sehe, ob es denn der Mühe lohnt, sich mit ihr zu beschäftigen. Nur erzähle ihr nichts von den letzten Thaten Kmiziz', denn das würde ihn in ihren Augen heben und sie in ihrer Treue bestärken. Und widersprich mir beim Abendessen niemals, was ich auch sagen möge. Du wirst meine Art, sie zu gewinnen, ja sehen und dich in deine eigene Jugend zurückversetzt fühlen.«

Fürst Janusch winkte mit der Hand ab und ging fort. Fürst Boguslaw aber legte die Arme unter den Kopf und begann über seinen Plan nachzusinnen.

.

 << zurück weiter >>