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6. Kapitel

Die Briefe des Herrn Wolodyjowski, welche alle Hauptleute von dem geplanten Feldzuge Nadziwills in Kenntnis gesetzt hatten, waren von Erfolg gewesen. Einige der Herren hatten ihre Fahnen bereits in kleine Abteilungen geteilt, um sie leichter durch den Winter zu bringen, andere ihre Leute in Privatquartiere gelegt, so daß bei der Fahne oft nur einige Offiziere und eine kleine Anzahl Gemeine verblieben. Die Hauptleute hatten diese Einrichtung zum Teil aus Furcht vor Hunger, zum Teil darum getroffen, weil die Disziplin unter den verwilderten und leicht zur Opposition geneigten Mannschaften schwer aufrecht zu erhalten war, da die zur Unthätigkeit gezwungenen Leute ihre Zeit höchstens mit dem Beschießen einiger kleiner Schlösser ausfüllen konnten.

Diese Unthätigkeit war auch die Ursache, daß viele der Leute desertierten, eigene Banden bildeten und Raubzüge auf eigene Rechnung unternahmen. So kam es, daß jenes Heer, auf welches der König seine ganze Hoffnung setzte, dennoch für ihn verloren ging, obgleich es weder mit den Schweden, noch mit den Septentrionären gemeinschaftliche Sache machte.

Die Zersplitterung der Fahnen in kleine Abteilungen vollendete den Zerfall derselben. Freilich war es schwierig um die Ernährung, wenn sie alle beisammen blieben, aber die Furcht vor dem Hunger war auch teilweise übertrieben; es war Herbst, die Ernte war gut ausgefallen und glücklich eingebracht worden – besonders da diese Wojewodschaften noch nicht vom Feinde heimgesucht waren und nur eben jene Banden allerdings wesentlichen Schaden anrichteten.

Es war ein eigentümliches Zusammentreffen der Ereignisse, daß der Feind diese Fahnen in Frieden ließ. Die Schweden, welche das Land vom Westen nach dem Süden zu bezogen, waren noch nicht in diesen Winkel vorgedrungen, welcher sich zwischen Masowien und Litauen hinzog und Podlachien hieß. Andererseits standen die Truppen Chowanskis, Trubetzkis und Srebenys in den von ihnen besetzten Ländereien fest, ohne zu wissen, was sie thun sollten. Dagegen jagten in Reußen Buturlin und Chmielnizki nach wie vor auf allerhand Wild; sie hatten soeben erst bei Grodeck eine Hand voll Soldaten getötet, welche der Kronenhetman, Herr Potozki, dem Könige zuführen wollte. Litauen aber stand unter schwedischem Protektorat. Dieses Land zu verwüsten oder auch nur anzugreifen, war gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung (wie auch Kmiziz in seinem Briefe erwähnt hatte) gegen die die ganze Welt in Schrecken setzenden Schweden. So war es gekommen, daß diese gefährlichen Widersacher augenblicklich Ruhe und Frieden hielten. Erfahrene Menschen prophezeiten sogar, daß die Septentrionäre binnen kurzem als Verbündete des Königs von Polen und der Republik gegen die Schweden auftreten würden, um zu verhindern, daß seine Macht durch die Einnahme der Republik in Europa eine fast unüberwindliche werden könne.

Es herrschte also Friede und Ruhe in dieser Gegend unter allen Parteien, aber diese Ruhe rieb die Konföderierten auf. Da erweckten die Briefe Wolodyjowskis mit der Nachricht von dem drohenden Anzuge Radziwills die Hauptleute aus ihrer Lethargie und Unthätigkeit. Sie begannen schleunigst ihre Fahnen zusammenzuziehen, unter Androhung schwerer Strafen für diejenigen, welche dem Rufe nicht Folge leisteten. Der Erste, welcher ungesäumt nach Bialystock aufbrach, war Schyromski, welcher der angesehenste der Hauptleute war und seine Fahne am besten imstande hatte. Eine Woche später traf Jakob Kmiziz dort ein; allerdings nur mit einhundertzwanzig Mann. Ihm folgten schnell nach einander Kotowski, Lipnizki und andere bald in ganzen Abteilungen, bald vereinzelt, Freiwillige, der Kleinadel aus den benachbarten Stellen, wie die Sientschinkows, Swiderskis, Jaworski, Rzendzian, Masowiezkis, ferner die Karwowskis und Turows aus der Wojewodschaft Lublin, von Zeit zu Zeit auch ein Magnat mit einer starken Begleitung bewaffneter Diener. Man sandte Deputationen auf Requisitionen aus, um Geld und Nahrungsmittel gegen Quittungen und Anweisungen einzutreiben. Ueberall herrschte reges Leben, Vorbereitungen zum Feldzuge, und als Herr Wolodyjowski mit seiner Laudaer Fahne anrückte, da standen schon einige tausend Mann unter den Waffen, ihres Kommandanten harrend.

Zwar waren sie alle noch nicht ausgebildet, ohne militärische Ordnung und Schick, aber es befand sich doch keiner unter ihnen, der nicht schon Pulver gerochen und seine Prise Tabak geschnupft hatte, ausgenommen die ganz Jungen. Ein Jeder hatte es schon entweder mit den Kosaken, Tartaren oder Türken zu thun gehabt. Alle aber wurden an Erfahrung und Redekunst von dem Herrn Sagloba überragt. Er selbst fühlte sich wohl unter diesem zusammengelaufenen Soldatenwirrwar, in welchem nicht mit trockenem Halse Rat gehalten wurde.

Er übertraf mit seinen Reden alle anderen älteren Hauptleute. Die Laudaer Leute erzählten von ihm, daß, wenn er nicht gewesen wäre, die Herren Wolodyjowski, Skrzetuski, Oskierko und Mirski längst in Birz erschossen lägen. Doch auch er selbst verheimlichte seine Verdienste nicht; er ließ seinen Thaten volle Gerechtigkeit widerfahren, damit ein Jeder wisse, wen er vor sich habe.

»Ich rühme mich nicht gern,« pflegte er zu sagen, »und spreche nicht gern von früheren Thaten, aber ich erzähle auch nichts, was nicht geschehen ist, denn die Wahrheit geht mir über alles, das kann mein Schwestersohn bezeugen.«

Damit wandte er sich jedesmal an Roch Kowalski, welcher stets hinter dem Rücken des Herrn Sagloba vortrat und mit Nachdruck rief:

»Der Ohm ... lügt nicht!«

Seine Augen flogen dabei von einem der Anwesenden zum anderen, als wollten sie den Frechen erspähen, der die Behauptung anzutasten wagte. Aber es widersprach niemand. Sie waren alle stumm vor Staunen. Der Ruhm und gute Ruf Saglobas erfüllten die Hörer mit größter Bewunderung für den alten Krieger. Man riß sich um seine Gesellschaft und konnte sich nicht genug thun im Preisen seiner Umsicht und Tapferkeit.

Man war eben jetzt zu einer wichtigen Beratung zusammengetreten. Es waren zwar Boten an den Herrn Wojewoden von Witebsk abgesandt worden, mit der Bitte, den Oberbefehl zu übernehmen, doch, da niemand wußte, wo der Wojewode sich gegenwärtig befand, so waren auch die Sendboten bald spurlos verschwunden und es mußte angenommen werden, daß sie den Soltarenkaschen Truppen in die Hände gefallen und gefangen gehalten werden mußten.

Die Hauptleute beschlossen daher, einen Regimentarius zu wählen, welcher bis zu der Ankunft des Herrn Sapieha das Regiment über die Fahnen bei Bialystock übernehmen sollte. Es versteht sich von selbst, daß bei dieser geplanten Wahl, den Herrn Wolodyjowski ausgenommen, jeder der Herren Hauptleute zuerst an sich dachte.

Man suchte Partei für sich zu machen, Stimmen für sich zu sammeln. Das Heer erklärte, sich bei der Wahl beteiligen zu wollen, und das nicht nur durch Wahldeputationen, sondern in plenum

Wolodyjowski hatte nach einer kurzen Beratung mit seinen Waffenbrüdern den Herrn Schyromski in Vorschlag gebracht, welcher ein tugendhafter, ernster Mann war und dazu auch durch seine schöne vornehme Erscheinung imponierte. Schyromski hinwieder schlug aus Dankbarkeit den Herrn Wolodyjowski zur Kandidatur vor, doch widersetzten sich dem Kotowski, Lipnizki und Jakob Kmiziz, indem sie betonten, daß man unmöglich den jüngsten der Hauptleute zum Regimentarius wählen könne, da eine solche Würde nur von einem älteren und von den Soldaten hochverehrten Manne bekleidet werden könne.

»Also, wer ist hier Aeltester?« riefen zahlreiche Stimmen.

Nach einer längeren Pause rief plötzlich Herr Rochus Kowalski mit einer Stimme, die die Blicke aller auf ihn lenkte:

»Der Ohm ist der älteste!«

»Schade nur, daß er keine eigene Fahne hat,« entgegnete Jachowitsch, ein Offizier aus der Fahne Schyromskis.

Aber andere riefen dazwischen:

»Was schadet denn das? Sind wir denn durchaus gezwungen, einen Hauptmann zu wählen? ... Das hängt doch nur von uns ab! ... Sind wir denn nicht Wähler in liberis sufragiis? Es ist ja erlaubt, einen Edelmann zum Könige zu wählen, warum sollte nicht auch ein solcher Regimentarius werden können? ...«

Da ergriff Herr Lipnizki, welcher eine Abneigung gegen Schyromski hatte, und auf jeden Fall die Wahl dieses Mannes verhindern wollte, das Wort.

»Jawohl!« sprach er. »Ihr habt das Recht, zu wählen, wen ihr wollt. Und wenn ihr nicht Lust habt, einen der Hauptleute zum Regimentarius zu wählen, um so besser; dann kann keiner sich zurückgesetzt fühlen.«

Da entstand ein wildes Lärmen. Viele Stimmen riefen: »zur Sache! zur Sache!« – andere wieder: »Wer wäre hier ruhmbedeckter, als Herr Sagloba? Wer ein größerer Ritter, ein an Erfahrung reicherer Soldat? Wir bitten den Herrn Sagloba ... Es lebe Herr Sagloba, unser Regimentarius!«

»Er lebe, er soll leben!« schrieen immer mehr Stimmen aus vollem Halse.

»Nieder mit den Widerspenstigen!« ... brüllten wiederholt die hitzigsten Köpfe.

»Es giebt keine Widerspenstigen, wir sind einig!« antwortete die Menge.

»Er lebe hoch! Er hat den Gustav Adolf geschlagen. Er hat den Chmielnizki durchgebläut!«

»Und die Hauptleute vom Tode gerettet!«

»Und die Schweden bei Klewan besiegt!«

»Vivat! Vivat! Sagloba dux! Vivat! Vivat!«

Und die Menge warf die Mützen hoch; ein großes Gedränge entstand, denn man rannte hin und her, den Herrn Sagloba zu suchen.

Herr Sagloba wurde sehr bestürzt und verlegen, als er das Resultat der Wahl erfuhr, denn er strebte nicht nach Rang und Würden; er hatte sie für Johann Skrzetuski gewünscht und niemals an eine solche Wendung der Dinge gedacht.

Als nun die mehrere Tausende zählende Menge seinen Namen ausrief, ging ihm der Atem aus und das Blut stieg ihm zu Kopfe.

Schon umringten ihn die Soldaten, welche in der Begeisterung alles Gute von diesem ihren Erwählten hofften, denn, als sie seine Verlegenheit bemerkten, riefen sie:

»Seht nur; er errötet wie eine Jungfrau! Seine Bescheidenheit ist so groß wie seine Tapferkeit! Er soll leben und uns zum Siege führen!«

Unterdessen waren auch die Hauptleute herbeigekommen. Sie mußten, ob gern oder nicht, dem neuen Regimentarius gratulieren. Manche von ihnen waren sogar froh, daß dieser und nicht einer der Hauptleute gewählt worden war. Herr Wolodyjowski allein, welcher nicht minder bestürzt war als Sagloba, zuckte nur mit dem Bart, während Rzendzian mit weit aufgerissenen Augen und offenem Munde den Alten ungläubig anstierte. Bald aber wandelte sich dieses Staunen in Achtung, denn Sagloba war allmählich zu sich gekommen. Er stemmte die Arme in die Seiten, reckte den Kopf in die Höhe und begann die Glückwünsche mit der nötigen Würde in Empfang zu nehmen.

Zuerst sprach Herr Schyromski im Namen der Hauptleute, dann ein Soldat von der Fahne Kotowski, zuletzt Herr Schymirski, indem er die Maximen verschiedener Weiser zitierte.

Sagloba hörte aufmerksam zu; zuweilen nickte er mit dem Kopfe, endlich, nachdem der Redner geendet, begann er wie folgt:

»Meine Herren! Wollte man die wahrhafte Tugend auch in den unergründlichen Tiefen des Ozean versenken, oder sie unter die hoch in die Lüfte ragenden Gipfel der Karpaten vergraben, sie kommt immer wieder zum Vorschein, wie das Oel, welches immer auf der Oberfläche des Wassers schwimmt, oder aus der Tiefe der Erde an das Tageslicht emporquillt und spricht: ›Da bin ich, die das Licht nicht scheut, die Gerechtigkeit nicht fürchtet, ihren Lohn erwartet!‹ Aber, wie der edle Stein erst an Ansehen gewinnt, wenn die goldene Fassung ihn umgiebt, so wird die wahre Tugend erst ihre wahre Wertschätzung finden, wenn sie von Bescheidenheit begleitet wird. Ich frage euch Anwesende nun: Habe ich mich mit meinen Verdiensten jemals vor euch gebrüstet? Habe ich mich um die Würde, mit welcher ihr mich jetzt ehrt, etwa bemüht? Ihr allein habt meine Vorzüge erspäht und ich bin eben noch Willens sie zu verleugnen und euch zu sagen: es giebt Bessere als ich bin, große, edle Kavaliere, die den Helden des Altertums gleichkommen ... Warum habt ihr mich und nicht einen von ihnen gewählt? Noch ist es Zeit ... Nehmt die Würde von meinen Schultern und legt sie solchen auf, die ihrer würdiger sind als ich!«

»Das geht nicht! nein, das darf nicht geschehen!« riefen tausend Stimmen durcheinander.

»Nein, nein, das darf nicht geschehen!« riefen auch die Hauptleute, welche das Lob, das der Alte ihnen zollte, schmeichelte und die gleichzeitig ebenso bescheiden erscheinen wollten, als er.

»Dann sehe ich, daß es wirklich nicht anders geht,« sagte Sagloba, »euer Wille geschehe, meine Herren! Ich danke von Herzen und denke, daß mit Gottes Hilfe das Vertrauen, welches ihr in mich setzt, nicht getäuscht wird. Ich verspreche mit euch zu stehen, wie ihr zu mir stehet, sei es im Siege, oder im Verderben, welches ein unglückliches Geschick uns bereiten könnte.«

Ein Beifallssturm brach nun los, der kein Ende nehmen wollte; dem Herrn Sagloba standen die dicken Schweißtropfen auf dem kahlen Schädel. Seine Begeisterung machte sich in weiteren Worten Luft.

»Wir wollen bei unserem rechtmäßigen Könige und bei dem Vaterlande beharren!« rief er. »Für sie leben und sterben wir! Zeigen wir ihnen, daß sie nicht umsonst unsere Hilfe erwarten und darum: – so wie ihr von mir Tapferkeit, Opferwilligkeit und Treue erwartet, so verlange ich von euch Zucht und Gehorsam. Wenn wir in Einigkeit zusammenstehen und durch unser Beispiel denjenigen die Augen öffnen, welche der Feind bethört hat, dann wird bald die halbe Republik herbeieilen, um sich uns anzuschließen, und welcher Feind wäre dann wohl stark genug, uns zu widerstehen.«

»Er spricht wie Salomon!« schrieen verschiedene Stimmen. »Es ist wahr, so muß es kommen!«

Und ein paar tausend Säbel blitzten in der Luft, die Menge umringte Herrn Sagloba, sich drängend und stoßend, während immer von neuem die Rufe ertönten:

»Führe uns, unser Feldherr!«

Die Wahl hatte am Morgen stattgefunden, am Nachmittage besichtigte Sagloba die Truppen. Alle Fahnen mußten auf der Ebene von Horoschtschan ordnungsmäßig aufmarschieren und nacheinander Aufstellung nehmen. An der Spitze jeder Fahne stand ihr Hauptmann, neben ihm der Fähnrich mit der Fahne, während der Herr Regimentarius unter dem Roßschweif, den vergoldeten Feldherrnstab in der Hand und die Reiherfeder an der Mütze, die Front abritt. Er sah aus, wie einer, der das Kommandieren gewohnt ist. Er besichtigte jede Fahne einzeln und genau, wie der Hirt seine Herde, und den Soldaten schwoll das Herz beim Anblick dieser imposanten Gestalt. Jeder Hauptmann ritt ihm der Reihe nach entgegen; er sprach mit jedem, hatte hier etwas zu loben, dort zu tadeln; selbst diejenigen, welche die Wahl nicht billigten, mußten zugeben, daß der neue Kommandeur mit den dienstlichen Angelegenheiten sehr vertraut war und das Befehlen nicht zum erstenmale ausübte.

Nur dem Herrn Wolodyjowski zuckte es verräterisch um den Bart, als der Regimentarius ihn angesichts der anderen Hauptleute wohlwollend auf die Schulter klopfte und sagte:

»Herr Michael, ich bin zufrieden mit euch; ihr habt eure Fahne in Ordnung wie keiner. Fahret so fort, und ihr könnt sicher sein, daß ich eurer nicht vergessen werde!«

»Wahrhaftig!« flüsterte Herr Wolodyjowski dem Herrn Skrzetuski zu, als sie von der Besichtigung heimkehrten, »der Hetman selbst hätte die Sache nicht besser machen können.«

Noch an demselben Tage sandte Sagloba Patrouillen aus, dorthin, wo es nötig war, aber auch dorthin, wo es nicht nötig schien. Nach ihrer Rückkehr am anderen Morgen hörte er aufmerksam ihre Berichte, dann begab er sich in das Quartier Wolodyjowskis, welcher mit Skrzetuski zusammenwohnte.

»Ich muß vor der Armee notwendig die Würde wahren,« sagte er gnädig, »aber wenn wir allein sind, können wir die frühere Vertraulichkeit beibehalten ... Hier bin ich der Freund, nicht der Vorgesetzte. Ich will auch euren Rat nicht entbehren, obgleich ich auch nicht auf den Kopf gefallen bin, denn ich weiß, ihr habt Erfahrung wie wenige Soldaten in der Republik.«

Die Freunde begrüßten ihn daher wie früher und die alte Vertraulichkeit war bald wieder aufgenommen, nur Rzendzian wagte nicht in der alten Weise mit ihm zu scherzen; er setzte sich auch auf den äußersten Rand der Bank.

»Was gedenkt ihr zu thun, Vater?« frug Johann Skrzetuski.

»Vor allen Dingen will ich Ordnung und Ruhe herstellen und den Soldaten Arbeit geben, damit sie vor Faulheit nicht schimmelig werden. Ich habe ganz gut gehört, daß ihr wie eine Wespe summet, Herr Michael, als ich Patrouillen auch nach jenen Gegenden ausschickte, von woher wir nichts zu befürchten haben, aber ich mußte das thun, um die Leute an den Dienst zu gewöhnen; sie haben ganz steife Glieder vom Faulenzen. Einmal das! zweitens aber – wißt ihr, was uns fehlt? An Menschen mangelt es nicht, denn es haben sich genug eingefunden und es werden noch mehr kommen. Menschen und Säbel haben wir genug, nur Nahrungsmittel fehlen uns, und ohne etwelche Vorräte hält es keine Armee im Felde aus. Ich habe nun die Idee, den Mannschaften, welche ich patrouillieren schicke, zu befehlen, alles hierher zu führen, was ihnen unter die Hände kommt. Rindvieh, Schafe, Schweine, Getreide und Heu, d. h. aus dieser Wojewodschaft und aus der Masowischen, welche ebenfalls noch nicht vom Feinde geplündert ist und alles in Hülle und Fülle besitzt.«

»Aber der Adel wird Zeter schreien,« bemerkte Skrzetuski, »wenn ihr ihm das Getreide und das Vieh fortnehmt.«

»Die Armee ist mir mehr wert, als der Adel. Laßt sie zetern! Uebrigens verlange ich nichts umsonst; ich gebe Anweisungen aus, von denen ich schon eine so große Menge geschrieben habe, daß man die halbe Republik damit requirieren könnte. Wohl wahr! ich habe kein Geld, aber nach dem Kriege, wenn wir die Schweden hinausgetrieben haben, wird die Republik sie bezahlen. Redet mir nicht dagegen! Der Adel fährt viel schlechter, wenn die hungrigen Soldaten seine Güter überfallen und plündern. Auch die Wälder gedenke ich zu besuchen. Dorthin sind die Bauern in Menge geflohen und haben alle ihre Vorräte mitgenommen.«

»Ihr seid ein weiser Herr, Ew. Gnaden, das ist wahr!« sagte Rzendzian.

»Heh! nicht wahr!« erwiderte Sagloba von dem Lobe erfreut. »Aber auch dein Verstand ist nicht umnachtet; warte nur, ich mache dich zum Statthalter, sobald eine Vakanz eintritt.«

»Ich danke Ew. Gnaden unterthänigst,« antwortete Rzendzian.

»Seht! das sind meine Pläne!« fuhr Sagloba fort. »Erst Fourage ansammeln, soviel, als sollten wir eine Belagerung aushalten, dann das Lager befestigen, und dann mag Radziwill kommen; ich bin ein Schelm, wenn wir ihm nicht ein zweites Sbarasch entgegenstellen.«

»Wirklich, der Plan ist nicht übel,« rief Wolodyjowski aus, »nur woher wollen wir Kanonen nehmen?«

»Herr Kotowski besitzt zwei Haubitzen, bei Kmiziz Fahne steht ein Mörser, in Bialystock sind vier Achtpfünder, welche in das Schloß nach Tykozin gebracht werden sollten – ihr wißt wohl nicht, daß Herr Wieschiolowski Bialystock dem Radziwill zur Verproviantierung Tykozins verschrieben hat. Man hat die Geschütze noch vom vorjährigen Zinsertrage angekauft; das sagte mir Herr Stempalski. Er sagte mir auch, daß zu jedem derselben hundert Schuß Pulver vorhanden sind. Wir werden uns schon zu helfen wissen. Unterstützt mich nur redlich! Vorläufig aber vergeßt mir die leiblichen Bedürfnisse nicht; ich bin sehr durstig.«

Wolodyjowski befahl, etwas zu trinken zu bringen und bald wurde bei den Gläsern die Unterhaltung fortgesetzt.

»Ihr dachtet wohl, einen gemalten Regimentarius zu bekommen,« sagte Sagloba, indem er bedächtig von dem alten abgelagerten Met schlürfte. – » Nunquam! Ich habe mich nicht um die Ehre gerissen, aber da ihr mich einmal gewählt habt, so soll auch Disziplin und Ordnung herrschen! Ich weiß, was eine solche Würde für Pflichten hat und ihr sollt sehen – ich wachse schon in dieselben hinein. Ein zweites Sbarasch will ich hier errichten und Radziwill soll sich daran den Kopf einrennen, samt den Schweden! Met her, Herr Michael?«

Wolodyjowski schenkte ein, Sagloba trank das Glas in einem Zuge aus, dann runzelte er die Stirn, als wollte er sich auf etwas besinnen und sprach:

»Von was sprach ich denn? Was wollte ich denn? ... Aha! Met, Herr Michael.«

Wieder goß Herr Michael ein.

»Man erzählt sich,« sagte Herr Sagloba, »daß auch Herr Sapieha einen Trunk nicht verschmähte. Kein Wunder! Jeder edle Mann liebt den Wein, nur die Verräter, welche sich fürchten, im Rausche etwas auszuplaudern, meiden ihn. Radziwill trinkt nur Birkensaft, nach seinem Tode wird er Theer trinken. Ich errate im voraus, daß wir mit dem Herrn Sapieha gute Freunde werden, denn wir sind uns ähnlich, wie ein Pferdeohr dem andern, oder ein Stiefel dem andern. Es lastet so viel auf meinem Kopfe, aber was hilfts! Immer zerbrich dir den Kopf, alter Sagloba, solange du atmest. Das Schlimmste ist, daß ich keine Kanzlei habe.«

»Was sollte euch eine Kanzlei, Vater?« frug Skrzetuski.

»Wozu hat denn der König seinen Kanzler? Wozu ist denn bei jedem Heere ein Regimentsschreiber? Ich werde doch in eine Stadt schicken müssen, um mir ein Petschaft zu bestellen.«

»Ein Petschaft? ...« wiederholte Rzendzian voll ungeheucheltem Staunen, indem er den Herrn Sagloba ehrerbietig anblickte.

»Was wollt ihr denn stempeln?« frug Wolodyjowski.

»In so vertraulicher Weise dürft ihr mich nur hier in dieser Gesellschaft ansprechen, verstanden? Nicht ich werde siegeln, sondern mein Kanzler ... das merkt euch!«

Dabei sah er so ernst und hochmütig auf die Anwesenden herab, daß Rzendzian von der Bank aufsprang und Herr Stanislaus Skrzetuski vor sich hinmurmelte:

» Honores mutant mores

»Was mir eine Kanzlei soll? So hört denn!« sagte Sagloba. »Zuerst wisset, daß alles Elend im Vaterlande, nach meiner Meinung, von den Ausschweifungen, dem Uebermut und dem Luxus herrührt – gebt Met, Herr Michael – vom Luxus sage ich, welche wie die Pest an uns zehren – einmal! – Zweitens von den Abtrünnigen, die ...«

»Er hat Recht!« fielen ihm die Ritter einstimmig ins Wort, »die zum Feinde übergegangen sind.«

» Exemplum der Großhetman von Litauen!«

»Und wollt ihr noch wissen, woher ich Geld für die Armee nehmen werde?« frug mit triumphierender Miene Sagloba. »Ich konfisziere sämtliche Güter Radziwills und erkläre sie als das Eigentum der Armee.«

»Haben wir denn dazu das Recht?« warf Wolodyjowski ein.

»So wie die Zeiten jetzt sind, hat der das Recht, der einen Säbel führt. Was für Rechte haben denn die Schweden und alle diejenigen, welche in den Grenzen der Republik hausen?«

»Es ist wahr!« sagte Herr Michael überzeugt.

»Nicht genug damit!« rief Sagloba, sich in immer größere Erregung hineinredend. »Ein Rundschreiben an den Adel der Wojewodschaft Podlachiens und aller derjenigen Teile der angrenzenden Wojewodschaften, welche sich noch nicht in Feindeshand befinden, soll erlassen werden. Der Adel soll sein Gesinde bewaffnen, damit es uns an Fußsoldaten nicht mangelt. Ich weiß es – manch einer würde gern mitgehen, er wartet nur auf eine Aufforderung, auf die leitende Hand. Gut, sie sollen Beides haben.«

»Ihr habt wahrhaft so viel Verstand, wie ein Reichskanzler!« rief Wolodyjowski.

»Met her, Herr Michael! ... Noch ein Schreiben soll an Chowanski abgehen. Er soll sich zum Kuckuck scheeren, anders räuchern wir ihn aus den Städten und Schlössern hinaus. Zwar verhält er sich in Litauen augenblicklich ganz still, aber die Kosaken Soltarenkas plündern in Haufen von tausend bis zweitausend Reitern die Dörfer und Schlösser; er soll sie davon zurückhalten, sonst werden wir es thun.«

»Das können wir,« sagte Johann Skrzetuski. »Die Soldaten würden dann nicht müßig umherlungern.«

»Ich habe schon daran gedacht, heute eine Patrouille bis Wolkowysk vorzuschicken, aber – et haec facienda, et haec non omittenda ... Ein drittes Schreiben will ich an unseren König, unseren guten Herrn senden, um ihn in seinem Kummer zu trösten, ihn wissen zu lassen, daß es noch Männer giebt, die ihn nicht verlassen haben, deren Herzen und Säbel seines Winkes harren. Er soll in der Fremde wenigstens einen Trost haben, unser Vater, unser geliebter Herr aus dem Blute der Jagiellonen entsprossen, der heimatlos ... heimatlos ...«

Hier hüstelte Sagloba, denn er war schon etwas angetrunken, und plötzlich brach er aus Gram über das traurige Geschick des Königs in lautes Weinen aus. Herr Michael stimmte bald in dasselbe ein, wenn auch mit etwas höherer Stimme, während Rzendzian ebenfalls that, als ob er schluchzte und die beiden Skrzetuski mit in die Hände gestützten Köpfen ernst und schweigend dasaßen.

Eine Zeit lang verstummten alle. Plötzlich verfiel Herr Sagloba in heftigen Zorn. Auch an den Kurfürsten werde ich schreiben und ihm ans Herz legen, daß er bald über die Grenze kommt und mit uns vereint gegen die Schweden loszieht.

»Mutter Gottes!« rief Rzendzian begeistert. »Ew. Gnaden scheuen sich selbst vor gekrönten Häuptern nicht.«

»Ich werde sogleich schreiben und du, Rzendzian, sollst das Schreiben zum Kurfürsten bringen, willst du?«

»Das will ich!« sagte der Pächter von Wonsosch, erfreut durch die Auszeichnung, die ihm werden sollte.

Doch ehe man noch dem alten Herrn Feder, Tinte und Papier bringen konnte, drang von außen her lautes Geschrei in das Gemach und vor den Fenstern des Hauses drängte sich eine Menge Soldaten. Die einen schrieen: »Vivat!« andere »Allah!« nach Tartarenweise. Die Herren beeilten sich, nachzusehen, was es gab.

Es stellte sich heraus, daß man soeben die Achtpfünder angefahren brachte, welche Herr Sagloba vorher erwähnt hatte. Der Anblick der Geschütze hatte die Soldaten in so große Begeisterung versetzt.

Herr Stempalski, der Gouverneur von Bialystock, trat an Sagloba heran und sprach zu ihm:

»Erlauchter Herr Regimentarius! Es wird mir leicht sein, nachzuweisen, daß ich seit jener Zeit, wo der verstorbene Herr Marschall des Großfürstentums Litauen, seligen Andenkens, die Ländereien Bialystocks zur Verproviantierung Tykozins verschrieben hat, als Gouverneur der Güter treu und ehrlich meines Amtes gewaltet und die Erträge derselben zum Nutzen dieses Schlosses verwendet habe. Ich kann jeden Augenblick meine Register vorlegen und vor der ganzen Republik Rechnung legen. Während ganzer zwanzig Jahre habe ich es für meine heiligste Pflicht gehalten, jeden Groschen dahin abzuliefern, wohin der Erblasser seligen Andenkens ihn zu liefern bestimmt hat. Aber da im Wechsel der Zeiten die Veste Tykozin eine der festesten Stützen der Feinde des Vaterlandes in dieser Wojewodschaft geworden ist, sagen mir Gott und mein Gewissen, daß ich ihr weiterhin keine Hilfskräfte zuführen darf und bin gekommen, den diesjährigen Zinsertrag in Ew. Gnaden Hände zu legen ...«

»Das ist eure Pflicht! ...« unterbrach ihn Sagloba ernst.

»Ich bitte auch nur um eines. Ew. Gnaden wollen mir in Gegenwart der ganzen Armee mündlich und auch schriftlich das Zeugnis ausstellen, daß ich nichts zu meinem eigenen Nutzen verwendet, sondern alles der Republik, zu Händen Ew. Gnaden, als dem Stellvertreter derselben, niedergelegt habe.«

Sagloba nickte zustimmend mit dem Kopfe und begann sogleich die Register zu durchblättern, die ihm Stempalski aushändigte.

Da zeigte sich, daß außer den Achtpfündern, noch dreihundert deutsche Musketen, zweihundert moskauer Streitäxte zur Verteidigung der Mauern für die Fußsoldaten und sechstausend Gulden bares Geld aufgespeichert waren.

»Das Geld kann unter die Soldaten verteilt werden,« sagte Sagloba, »was die Musketen und Streitäxte betrifft ...«

Er sah sich im Kreise um.

»Herr Oskierko!« sagte er. »Die nehmt ihr und formiert eine Abteilung Fußsoldaten ... Ein paar desertierte Füsiliere aus Radziwills Fahnen sind schon hier, was noch fehlt, wird aus den Müllergesellen ausgesucht.«

Dann wandte er sich an alle Anwesenden:

»Ihr seht, meine Herren! Wir haben Geld, Geschütze, Waffen, auch die Infanterie und der Proviant wird sich finden ... Das ist der Anfang meiner Regierung.«

»Vivat!« schrieen die Soldaten.

»Und jetzt sollen alle Junggesellen schnell in die Dörfer springen. Schafft mir Spaten, Grabscheite und Spitzhacken herbei; wir wollen Schanzen bauen, ein Lager herstellen, ein zweites Sbarasch. Und dann, ob Offizier oder Gemeiner, – es schäme sich keiner der Arbeit. Auf zu den Spaten, zur Arbeit!«

Nachdem er so gesprochen, begab sich der Herr Regimentarius in sein Quartier, begleitet von den Zurufen der Soldaten.

»Wahrhaftig, der Mensch hat den Kopf auf dem rechten Fleck,« sagte Wolodyjowski zu Skrzetuski. »Die Ordnung beginnt einzukehren.«

»Wenn uns nur Radziwill nicht zu schnell über den Hals kommt,« versetzte Stanislaus Skrzetuski, »denn der ist ein Feldherr, wie kein zweiter in der Republik und unser Herr Sagloba taugt wohl zum Verproviantieren eines Lagers, aber kann sich mit diesem nicht messen.«

»Das ist wahr!« antwortete ihm Johann Skrzetuski. »Wenn es zu einer Schlacht kommen sollte, werden wir ihn mit unserem Rate unterstützen, denn er versteht nicht viel vom Kriegshandwerk. Uebrigens wird seine Herrschaft ja ein Ende nehmen, sobald Herr Sapieha ankommt.«

»Bis dahin aber kann er viel Gutes schaffen,« sagte Herr Wolodyjowski.

Es war gut, daß die Armee einen Oberbefehlshaber bekommen hatte, wenn es auch nur Herr Sagloba war, denn von dem Tage seiner Wahl an herrschte Ruhe und Ordnung im Lager. Schon am nächsten Tage hatte man begonnen, Wälle um die Bialystocker Teiche aufzuschütten. Herr Oskierko, welcher viel im Auslande gedient hatte, und die Kunst, Schutzwälle zu bauen, gründlich verstand, leitete die Arbeit. So war innerhalb dreier Tage eine mächtige Schanze aufgebaut worden, die insofern der Sbarascher ähnlich war, als sie rückwärts und an den Seiten von den Teichen geschützt war. Der Anblick dieses Werkes erhöhte den Mut der Soldaten; sie fühlten wieder sicheren Boden unter sich. Noch größer aber wurde das Gefühl der Behaglichkeit in der Armee, als die Transporte mit Lebensmitteln ankamen, welche jetzt täglich von den zahlreichen Patrouillen eingebracht wurden. Ochsen, Schafe, Schweine füllten täglich von neuem die für sie in der Schanze bearbeiteten Ställe und täglich langten Wagen mit Stroh, Getreide und Heu beladen an. Aber auch der Zufluß von Menschen wurde immer stärker. Viele Leute vom Kleinadel, größere Grundbesitzer und Männer aus dem Walde kamen herbei, als sich erst die Kunde verbreitet hatte, daß die Armee unter einem Regimentarius stand; das Vertrauen auf diese Hilfstruppe nahm von Tag zu Tag zu. Anfangs schien es den Landbewohnern unmöglich, eine ganze Division zu ernähren, aber Sagloba machte sich nichts aus ihren Bedenken, und sie überzeugten sich bald von selbst, daß es besser war, freiwillig die eine Hälfte ihres Besitztums den Vaterlandsverteidigern zu geben und die andere in Ruhe zu verzehren, als alles durch die umherziehenden Räuberbanden zu verlieren, die nichts verschonten und die Sagloba jetzt streng verfolgen ließ.

Sagloba selbst wurde sehr unruhig, wenn er an das Kommen Radziwills dachte. Er erinnerte sich an alle Siege des Fürsten, und dann nahm die Gestalt des Hetman etwas Schreckliches, Gespensterhaftes für ihn an und er sagte sich:

»Ach! wer vermöchte diesem Ungeheuer zu widerstehen! ... Ich sagte wohl, daß er mich erwürgen würde, aber er wird mich verschlingen, wie der Wels eine Ente.«

Da schwor er sich, dem Hetman keine offene Schlacht zu liefern.

»Wir lassen uns belagern,« dachte er, »Das läßt sich in die Länge ziehen, oder wir versuchen, ihn durch den Vorschlag eines Vertrages hinzuhalten, bis Sapieha herankommt. Im Notfalle will ich mich an die Ratschläge Johann Skrzetuskis halten, denn ich weiß, daß der Fürst Jeremias ihn als Offizier hoch schätzte und seine kriegerische Befähigung pries.

»Ihr, Herr Michael,« sagte Sagloba einmal zu Wolodyjowski. »Ihr seid zur Attacke wie geschaffen. Auch das Patrouillieren versteht ihr ausgezeichnet; man könnte euch gut auch eine größere Abteilung anvertrauen. Aber im Falle einer Schlacht eine ganze Armee zu dirigieren – nein, nein! – dazu seid ihr doch nicht gut genug beschlagen, da müßte mir schon Johann seinen Kopf leihen, für den Fall, daß mein Verstand nicht ausreicht.«

Ueber den Kriegszug Radziwills drangen verschiedene Gerüchte in das Lager. Die einen lauteten, daß er durch Kurpreußen den Weg genommen, andere, daß er mit einer großen Heeresmacht den Chowanski geschlagen und sich in Grodno festgesetzt habe. Einige wollten behaupten, es sei gar nicht Radziwill, sondern Sapieha, welcher den Chowanski im Verein mit dem Fürsten Michael geschlagen habe. Die Patrouillen konnten auch nichts näheres in Erfahrung bringen, ausgenommen den einen Umstand, daß eine zu dem Soltarenka gehörende Truppe von etwa zweitausend Kriegern bei Wolkowysk stehe und die Stadt bedrohe; die ganze Gegend dort stehe fast schon in Flammen.

Den Tag nach dem Eingange dieser Nachrichten langten auch schon Flüchtlinge an, welche dieselben bestätigten und zugleich erzählten, daß die Einwohner eine Abordnung an Soltarenka geschickt haben, mit der Bitte um Mitleid und Erbarmen für die Stadt. Sie hätten darauf die Antwort bekommen, daß die Brandschatzer eine freie Bande seien, mit welcher er und seine Leute nichts gemein hätten. Er hatte ihnen den Rat gegeben, daß sie sich freikaufen sollten, aber die armen Leute wären seit dem letzten Brande aller Mittel entblößt.

Die Flüchtlinge baten nun um Barmherzigkeit und Rettung bei dem Herrn Regimentarius, ehe es zu spät werde.

Herr Sagloba wählte etwa anderthalbtausend Mann aus, darunter die Laudaer Fahne, rief Wolodyjowski herbei und sprach zu ihm:

»Nun, Herr Michael, die Zeit ist da, zu zeigen, was ihr könnt. Ihr werdet nach Wolkowysk gehen und das Gesindel ausrotten, welches die Stadt bedroht. Ein solcher Zug ist euch nichts neues, und ich hoffe, daß ihr es als eine Gunst betrachtet, wenn ich euch die Rettung der bedrängten Städter anvertraue.«

Und sich zu den anderen Hauptleuten wendend, sagte er:

»Leider muß ich selbst im Lager bleiben, denn einmal ruht die ganze Verantwortung auf meinen Schultern, zweitens schickt es sich nicht für mich, gegen solches Gesindel zu Felde zu ziehen. Laßt einmal den Radziwill kommen, dann sollt ihr sehen, wer ein besserer Kämpfer ist, der Hetman oder der Regimentarius ...«

Wolodyjowski war erfreut durch den Auftrag, denn er langweilte sich im Lager und sehnte sich nach einer Beschäftigung; auch die abkommandierten Fahnen zogen fröhlich, mit Gesang aus dem Lager und der Regimentarius stand zu Pferde auf dem Walle, während sie abzogen, indem er sie segnete und das Zeichen des Kreuzes über sie machte, zur nicht geringen Verwunderung etlicher, welche es unnütz fanden, mit solcher Feierlichkeit zu Werke zu gehen. Aber Sagloba erinnerte sich, daß auch Solkiewski und andere Heerführer ihre in den Kampf ziehenden Fahnen immer gesegnet hatten; außerdem liebte er es, jede Handlung mit einer gewissen Feierlichkeit zu umkleiden, um die Achtung vor seiner Würde zu erhöhen.

Kaum aber waren die Fahnen im Dämmerlicht der Entfernung seinen Blicken entschwunden, als er auch schon um sie zu bangen begann.

»Johann!« sagte er. »Könnte man dem Wolodyjowski nicht noch eine Handvoll Menschen nachschicken?«

»Laßt das lieber, Vater,« antwortete Skrzetuski. »Dem Wolodyjowski wird eine solche Aufgabe nicht schwerer, als wenn er eine Schüssel voll Rührei verzehren sollte. Mein Gott, er hat ja das ganze Leben lang nichts anderes gethan, als gegen Feinde losgeschlagen.«

»Ja, aber, wenn er eine große Ueberzahl der Feinde dort antrifft? ... Nec Hercules contra plures

»Ein solcher Soldat wie er, laßt sich nicht leicht überrumpeln; er kundschaftet erst alles sorgfältig aus, ehe er dreinschlägt. Sieht er, daß ihrer zu viele sind, dann zwickt er ihnen ab, was er kann und kommt zurück, oder bittet von selbst um Hilfe. Seinetwegen könnt ihr ruhig schlafen, Vater.«

»Wenn du meinst. Ich sage dir, dieser kleine Ritter ist mir sehr ans Herz gewachsen. Außer dem seligen Podbipienta und dir, habe ich nie jemanden so geliebt, wie ihn.«

Nun waren drei Tage seitdem verflossen.

Es wurden immer neue Proviante in das Lager gebracht, auch neue Freiwillige waren angekommen, nur von Herrn Michael sah und hörte man nichts. Die Unruhe Saglobas wuchs von Stunde zu Stunde. Trotz der Versicherung Skrzetuskis, daß Wolodyjowski noch nicht zurück sein könne, sandte er doch hundert Reiter von den Petyhor-Reitern aus, um nach dem kleinen Ritter zu forschen.

Aber wieder verflossen mehrere Tage, ohne daß jener oder diese zurückkamen.

Endlich am siebenten Tage – es dämmerte bereits – kamen die nach Grünfutter auf die Wiesen von Bobrownik ausgeschickten Pferdejungen eiligst in das Lager zurück, mit der Nachricht, daß sie gesehen hatten, wie eine Menge Soldaten aus dem Walde von Bobrownik herauskamen.

»Herr Michael!« rief Sagloba erfreut.

Doch die Jungen bestritten das. Sie waren den Ankömmlingen eben deshalb nicht entgegengeritten, weil dieselben Feldzeichen trugen, die sie nicht kannten. Dazu waren ihrer auch viel mehr, als mit Herrn Wolodyjowski ausgezogen waren; die Zahl konnten die Jungen nicht näher angeben.

»Ich will ihnen mit zwanzig Reitern entgegenreiten,« sagte der Herr Rittmeister Lipnizki.

Gesagt, gethan!

Eine, zwei Stunden verflossen. Endlich meldeten die Vorposten, daß die Patrouille nicht zurückkomme, dafür aber eine ganze fremde Armee anrücke.

Und ohne daß jemand zu sagen wußte, warum, erscholl es plötzlich im ganzen Lager: »Radziwill kommt, Radziwill ist da!«

Wie ein elektrischer Funke durchflog dieser Ruf das Lager. Die Soldaten stürzten auf die Wälle, in vielen Gesichtern malte sich Schrecken, die Ordnung war gestört und nur Oskierko nahm mit seinen Leuten die ihm zugewiesene Position ein. Unter den Volontariern herrschte große Verwirrung. Die verschiedensten Berichte flogen von Mund zu Mund, wie: »Radziwill hat die Abteilung Wolodyjowskis und die Petyhors vollständig vernichtet,« erzählten die einen, während andere hinzusetzten: »es ist keiner von ihnen entkommen« und »auch Herr Lipnizki ist verschwunden.« »Wo ist der Regimentarius? wo ist er?«

Da kamen aber auch schon die Hauptleute herbeigeeilt, um Ordnung zu schaffen, und da außer den wenigen Volontariern der größte Teil der Armee aus altgedienten Soldaten bestand, so war dieselbe auch bald hergestellt. Jetzt konnte man der Dinge harren, die da kommen sollten.

Herr Sagloba war im ersten Augenblick sehr bestürzt, als ihm die Rufe: »Radziwill kommt« ins Ohr drangen. Er wollte es nicht glauben. Was sollte denn da mit Wolodyjowski geschehen sein? Sollte man ihn denn so umgangen haben, daß auch nicht ein Warner entkommen war? Und die zweite Patrouille, und Lipnizki?

»Es ist nicht möglich!« wiederholte Sagloba immer wieder, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Wenn dieser feurige Drachen wirklich schon hier ist, dann hat unsere letzte Stunde geschlagen!«

Er sprang plötzlich auf und rannte schnurstracks in das Quartier Skrzetuskis.

»Rette, Johann! Hilf! Es ist höchste Zeit!« rief er schon im Eintreten.

»Was ist geschehen?« frug Skrzetuski.

»Radziwill kommt! Ich überlasse dir alles, denn der Fürst Jeremias sagte einst von dir, du seiest zum Feldherrn geboren. Ich will gern die Oberaufsicht führen, doch du kommandiere und rate!«

»Das kann Radziwill nicht sein,« sagte Skrzetuski. »Von weicher Seite kommt denn das Heer?«

»Von Wolkowysk her. Man sagt, Wolodyjowski und der zweite Vortrab, den ich nachgeschickt habe, sind umzingelt und gefangen worden.«

»Das hätte Wolodyjowski geduldet? Da kennt ihr ihn schlecht, Vater. Er selbst ist es, der dort kommt, kein anderer.«

»Wenn sie aber doch sagen, daß es ein gewaltiges Heer ist,« versetzte Sagloba.

»Dann, Gott sei Dank! Dann ist es Herr Sapieha mit seiner Armee.«

»Bei Gott! Was sprichst du da? Man hätte das doch gemeldet; Lipnizki ist ihm entgegengeritten.«

»Der beste Beweis also, daß es nicht Radziwill ist. Man hat erkannt, wer die Anrückenden sind, will sich mit ihnen vereinigen und zurückkehren. Gehen auch wir dorthin!«

»Habe ich es doch gleich gesagt!« rief Sagloba. »Alle waren bekümmert, nur ich wollte nicht an Radziwills Ankunft glauben! Ich habe es gleich gedacht! Kommen wir, kommen wir schnell!«

Sie eilten hinaus auf die Wälle, welche schon dicht mit Soldaten besetzt waren. Während sie längs derselben hinschritten, strahlte das Gesicht Saglobas; er blieb von Zeit zu Zeit stehen und sprach so laut, daß die Umstehenden es hören mußten:

»Meine Herren! Wir bekommen Gäste! Wenn es Radziwill sein sollte, so will ich ihm die Wege zurück nach Kiejdan schon weisen! Verliert nur ja nur den Mut nicht.«

»Wir wollen ihm den Weg zeigen!« fielen die Soldaten ein.

»Brennt Holzstöße auf den Wällen an! Wir wollen uns nicht verstecken! Sie sollen uns sehen, wir sind bereit! Zündet an!« rief es durcheinander.

Bald waren Holzbündel auf den Wällen zusammengetragen, eine Viertelstunde später flammten die Feuer auf und der Himmel färbte sich rosig, wie beim Aufgange der Sonne. Die Soldaten wandten den Feuern ihre Rücken und blickten angestrengt hinaus in die Finsternis nach jener Seite zu, wo Bobrownik lag. Manche von ihnen glaubten, Waffengeklirr und Pferdegetrappel zu hören.

Da plötzlich ertönte in der Ferne eine Gewehrsalve. Aengstlich klammerte Sagloba sich an den Rockzipfel Skrzetuskis.

»Sie beginnen das Feuer!« sagte er.

»Zum Willkomm!« entgegnete Herr Johann.

Der Salve folgten Freudenrufe. Es war kein Zweifel mehr; ein paar Augenblicke später kamen auf schaumbedeckten Pferden mehrere Reiter angesprengt, welche schon von Ferne riefen:

»Herr Sapieha ist da, der Wojewode von Witebsk!«

Kaum hatten die Soldaten das vernommen, da liefen sie von den Wällen herab und stürmten den Ankommenden entgegen mit einem Geschrei, daß man glauben konnte, die Bewohner einer ganzen Stadt würden niedergemetzelt.

Sagloba stieg auf das Pferd und ritt an der Spitze der Hauptleute vor die Wälle. Er war bekleidet mit allen Abzeichen seines Amtes und seiner Würde – unter dem Roßschweif, den Feldherrnstab in der Rechten, die Reiherfeder an der Mütze.

Endlich ritt der Wojewode an der Spitze seiner Offiziere in den Lichtkreis. An seiner Seite ritt Herr Wolodyjowski. Der Wojewode war ein Mann in vorgerücktem Alter, von mittlerer Gestalt; sein Gesicht war nicht schön, aber Gutmütigkeit vereint mit Klugheit war in den Zügen desselben ausgeprägt. Der bereits ergraute Schnurrbart war über der Oberlippe gerade verschnitten, ebenso der kleine Kinnbart, was ihm das Aussehen eines Ausländers gab, obgleich er nach polnischer Sitte gekleidet war. Wiewohl er sich mancher Heldenthat zu rühmen hatte, sah er doch eher aus wie ein Staatsmann als wie ein Krieger, und diejenigen, welche den Herrn Wojewoden kannten, behaupteten, daß der Ausdruck seines Gesichtes mehr der Minerva als dem Mars ähnlich sei, aber überwiegend von einer seltenen Güte zeugte, die aus der Tiefe des Herzens kommend sich in seinen Augen widerspiegelte wie die Sonne im Wasser. Man mußte auf den ersten Blick erkennen, – das ist ein edler und gerechter Mann.

»Wir haben ihn erwartet wie einen Vater!« riefen die Soldaten.

»So ist er endlich gekommen, unser Führer!« sagten andere mit gerührter Stimme.

»Vivat! Vivat!«

Herr Sagloba sprengte ihm mit den Hauptleuten entgegen, hielt sein Pferd vor dem Wojewoden an und grüßte, indem er seine Luchspelzmütze abnahm und schwenkte.

»Erlauchter Wojewode!« begann er seine Ansprache. »Wenn ich die Rednergabe des Cicero oder des Demosthenes hätte, könnte ich die Freude schildern, welche sich beim Anblick Ew. Erlaucht Person unser bemächtigt. Mit uns freut sich die ganze Republik. Wir begrüßen in Ew. Erlaucht Person den klügsten Staatsmann und den besten Sohn des Vaterlandes. Wir standen auf diesen Wällen mit den Waffen in der Hand, nicht um zu begrüßen, nein, sondern um zu kämpfen. Wir waren darauf gefaßt, Waffengeklirr und nicht Freudenrufe zu hören und anstatt der Freudenthränen unser Blut zu vergießen! ... Als nun die tausendzüngige Fama uns zutrug, daß der Verteidiger des Vaterlandes nahe und nicht der Verräter, der Wojewode von Witebsk und nicht der Großhetman von Litauen, Sapieha und nicht Radziwill ...«

Aber Herr Sapieha mußte es eilig haben, in das Lager zu kommen, denn er winkte plötzlich mit der Hand ab und sagte in gutmütigem, aber gleichgültigem, etwas herablassendem Tone: »Radziwill kommt auch! In zwei Tagen wird er hier sein!«

Herr Sagloba wurde verlegen. Erstens hatte er den Faden seiner Rede verloren, zweitens machte die Nachricht von der nahe bevorstehenden Ankunft Radziwills einen großen Eindruck auf ihn. Einen Augenblick noch stand er verblüfft, dann gewann er seine Fassung wieder. Eingedenk dessen, was in Sbarasch geschehen war, erhob er seinen Feldherrnstab und fuhr feierlichen Tones zu sprechen fort:

»Die Armee hat mich zu ihrem Führer erwählt, doch ich lege dieses Abzeichen meiner Würde in würdigere Hände; ich will der jüngeren Generation ein Beispiel geben, daß man pro publico bono den höchsten Ehren entsagen soll.«

Die Soldaten ließen Zurufe laut werden, Herr Sapieha aber lächelte nur und sagte:

»Herr Bruder! Daß euch nur Radziwill nicht verdächtigt, aus Furcht vor ihm das Regiment niedergelegt zu haben. O, wie würde ihn das freuen!«

»Er kennt mich schon,« entgegnete Sagloba; »er wird mich nicht der Furcht vor ihm verdächtigen, da ich in Kiejdan der erste war, der ihm entgegengetreten ist und durch sein Beispiel die anderen zur Nachahmung angespornt hat.«

»Wenn es sich so verhält, dann führt uns in das Lager,« sagte Sapieha. »Wolodyjowski hat mir unterwegs schon erzählt, daß ihr ein ausgezeichneter Wirt seid, daß es bei euch etwas zu beißen giebt, und wir sind müde und hungrig.«

Indem er das sagte, gab er dem Pferde die Sporen, die anderen folgten ihm und nun zogen sie, begleitet von den Freudenrufen der Soldaten, in das Lager ein. Erst jetzt fiel es dem Herrn Sagloba ein, daß man sich von Herrn Sapieha erzählte, er liebe Gastmähler und Trinkgelage gar sehr. Er beschloß daher, den Tag seiner Ankunft würdig zu begehen; er ließ ein Mahl herrichten, wie man es bisher im Lager noch nicht gehabt. Man aß und trank. Beim Glase erzählte Wolodyjowski, wie es ihm in Wolkowysk ergangen, wie Soltarenka durch eine große Anzahl Hilfstruppen, die er den Seinigen schnell gesandt, ihn umzingelt hatte, wie er kaum noch gehofft, sich durchzuschlagen, als er plötzlich durch die heranziehende Heeresmacht Sapiehas aus seiner verzweifelten Lage befreit worden und sie gemeinschaftlich einen glänzenden Sieg erfochten.

»Wir haben ihnen eine Lehre gegeben,« sagte er, »daß sie das Wiederkommen vergessen werden.«

Dann kam das Gespräch auf Radziwill. Der Herr Wojewode von Witebsk hatte ganz neue Nachrichten. Durch Vertraute war er von allem unterrichtet, was in Kiejdan vorging. Herr Sapieha erzählte, daß der Großhetman einen gewissen Kmiziz mit Briefen an den König von Schweden ausgeschickt habe, mit der Bitte, gleichzeitig mit ihm die Polen anzugreifen, damit sie von zwei Seiten in Podlachien einfallen könnten.

»Es ist zum Verwundern!« rief Herr Sagloba. »Denn wäre nicht eben dieser Kmiziz, so wären wir heute hier noch nicht beisammen und Radziwill könnte uns einzeln aufspeisen wie Siedlezer Brezeln.

»Das hat mir Herr Wolodyjowski alles schon ausführlich erzählt,« sagte Herr Sapieha. »Ich schließe daraus, daß er für euch eine ganz besondere Zuneigung gefaßt hat; schade, daß er für das Vaterland verloren ist. So ist es aber; Menschen, die außer sich nichts sehen, dienen auch niemandem treu und sind schnell bereit zum Verrat, wie in diesem Falle Kmiziz an Radziwill.«

»Aber unter uns giebt es keinen Verräter,« warf Schyromski ein. »Wir sind allesamt bereit, mit Leib und Leben zu Ew. Erlaucht zu stehen!«

»Ich glaube gern, daß ich es nur mit edlen Männern hier zu thun habe,« entgegnete der Wojewode. »Niemals hätte ich erwartet, eine solche Ordnung hier vorzufinden. Daher danke ich dem Herrn Sagloba ganz besonders.«

Der alte Herr strahlte vor innerer Befriedigung; denn bisher hatte ihm geschienen, daß der Wojewode ihn wohl gnädig behandelte, aber doch mit der Anerkennung kargte, auf welche der Herr Ex-Regimentarius ein gutes Recht sich erworben zu haben glaubte. Nun war er zufrieden; er erstattete Bericht über alle Einrichtungen, die er getroffen hatte, und erzählte auch nicht ohne ein wenig Ruhmredigkeit von den Briefen, die er an den flüchtigen König, an Chowanski und den Kurfürsten geschrieben hatte.

Der Wojewode, welcher eine heiter angelegte Natur war und dem der Met etwas zu Kopfe gestiegen schien, lächelte ironisch und frug:

»Herr Bruder, habt ihr nicht auch an den deutschen Kaiser geschrieben?«

»Nein!« antwortete Sagloba verwundert ob dieser Frage.

»Das ist schade,« versetzte der Wojewode, dann hätte der Gleiche zum Gleichen gesprochen.

Die Hauptleute brachen in ein schallendes Gelächter aus. Doch Herr Sagloba faßte sich schnell und dachte bei sich: »wenn Herr Sapieha eine scharfe Sense hat, so soll er bei mir auf einen harten Stein stoßen.«

»Erlaucht!« antwortete er. »Ich durfte mir als Edelmann, welcher berechtigt ist, bei der Königswahl seine Stimme abzugeben, wohl erlauben, an einen Kurfürsten zu schreiben, aber mit Kaiserlichen Majestäten korrespondiere ich nicht, weil ich Gefahr laufen würde, auf mich dasselbe gewisse Sprüchwort angewendet zu hören, das ich in Litauen oft zu hören Gelegenheit hatte ...«

»Was ist das für ein Sprüchwort?« frug der Herr Wojewode von Witebsk.

»Es lautet: Er spricht, als wäre er ein Narr aus Witebsk,« erwiderte Sagloba furchtlos.

Die Hauptleute erschraken heftig und blickten schüchtern den Wojewoden an. Doch dieser stemmte die Arme in die Seiten, lachte aus vollem Halse und sagte:

»Das war gut abgetrumpft! ... Laßt euch dafür umarmen! ... Ich werde mir nächstens eure Zunge zum Rasieren borgen!«

Das Mahl währte bis spät in die Nacht. Es wurde erst unterbrochen, als mehrere Adlige aus der Gegend von Tykozin anlangten, welche die Kunde brachten, daß der Vortrab der Truppen Radziwills bereits in der Veste angelangt sei.

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