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8. Kapitel

Diese Gedanken ließen ihn auch in der folgenden Nacht nicht ruhen. Er dachte noch tagelang an das Fräulein Alexandra und fühlte, daß sie ihm sehr ans Herz gewachsen sei. Hatte doch der Laudasche Adel ihn mit ihr vermählen wollen. Zwar hatte sie ihn ohne Bedenken abgewiesen, aber sie hatte ihn damals weder gesehen noch gekannt. Jetzt war das anders. Er hatte sie kavaliermäßig den Händen ihres Vergewaltigers entrissen und sich deswegen in Lebensgefahr begeben; kurz, er hatte sie erobert wie eine Veste ... Wem konnte sie sonst gehören als ihm? Konnte sie ihm irgend etwas, selbst ihre Hand versagen? Wie, wenn er es versuchte? Wenn die Dankbarkeit Liebe bei ihr erzeugte und, wie das so oft in der Welt vorkommt, die Gerettete dem Retter gleich Herz und Hand schenkte? Aber selbst, wenn sie augenblicklich für ihn nichts fühlte, so mußte er um so mehr sich darum bemühen. Ob sie wohl noch an Jenen dachte und ihn liebte?

»Das war nicht möglich!« wiederholte Herr Wolodyjowski für sich. »Wenn sie ihn nicht abgewiesen hätte, würde er sie nicht mit Gewalt geholt haben. Zwar hatte sie ihm ein ungewöhnliches Mitleid erwiesen, aber Mitleid mit Verwundeten zu haben, und sei es selbst ein Feind, ist ja Frauensache.«

Sie ist jung, verwaist; es ist Zeit, daß sie heiratet. Für das Kloster hat sie scheinbar keine Neigung, sonst wäre sie schon dorthin gegangen. Zeit genug war dazu. Ein so schönes Mädchen werden verschiedene Bewerber unaufhörlich belästigen, die Einen ihrer Schönheit, die Anderen ihres Vermögens und noch andere ihrer hohen Geburt wegen. Ei, es sollte ihr lieb sein, einen Schutz zu haben, dessen Wirksamkeit sie mit eigenen Augen zu sehen Gelegenheit hatte.

»Und auch für dich ist es Zeit, vernünftig zu werden, Michael!« sagte Herr Wolodyjowski sich selbst. »Du bist zwar noch jung, aber die Jahre eilen schnell. Vermögen wirst du dir nicht erdienen, eher noch mehr Wunden dir holen, und du machst allen Kourmachereien ein Ende.«

Hier ließ Herr Wolodyjowski die ganze Reihe Mädchen seine Gedanken passieren, die er schon angeseufzt hatte. Es waren unter ihnen auch sehr schöne und hochgeborene, aber angenehmer und edler als Fräulein Alexandra war keine. Wurde doch ihr Geschlecht und sie selbst in der ganzen Gegend gepriesen und aus ihren Augen schaute eine solche Ehrlichkeit, daß keinem eine bessere Frau zu wünschen war. Herr Wolodyjowski fühlte, daß sich ihm hier eine Gelegenheit bot, wie wohl nie wieder, um so mehr, als er dem Fräulein einen so großen Dienst erwiesen hatte.

»Was soll der Aufschub?« sagte er sich. »Was will ich Besseres erwarten? Man muß sich beeilen.«

Bah! aber der Krieg ist vor der Thür; die Hand ist gesund. Es ist eine Schande für den Ritter, auf Freiersfüßen zu gehen, wenn das Vaterland die Hände ausstreckt und Hilfe heischt. Herr Michael war ein edles Soldatenblut, und obgleich er fast vom Knabenalter an diente, obgleich er an allen Kriegen, die während seiner Dienstzeit stattgefunden, Anteil genommen hatte, so wußte er dennoch, was er dem Vaterlande schuldete, und dachte nicht an Ruhe. Und gerade deshalb, weil er nicht aus Eigennutz, um Aemter und Würden, sondern mit ganzer Seele dem Vaterlande diente und in Bezug hierauf ein reines Gewissen hatte, fühlte er seinen Wert und das gab ihm Mut.

»Andere trieben sich umher, ich kämpfte,« dachte er bei sich. »Gott wird es dem Soldaten lohnen und jetzt ihm beistehen.«

Er gelangte jedoch zu der Ueberzeugung, daß, da es jetzt keine Zeit gab zu freien, er schnell handeln und alles auf einen Wurf setzen müsse. Er mußte sich sofort erklären und entweder nach einmaligem Aufgebot sich trauen lassen oder – den Korb einstecken.

»Ich that es schon manchmal, so verschmerze ich es auch jetzt!« brummte Herr Wolodyjowski und zuckte mit dem Bart. »Was wird es mir schaden!«

Es gab jedoch einen Punkt bei diesem plötzlichen Entschlusse, welcher ihm nicht gefiel. Er legte sich die Frage vor, ob er mit seiner Werbung jetzt, sogleich nach der Rettung des Fräuleins, nicht als ein lästiger Gläubiger erscheinen werde, der eine Schuld mit Wucherzinsen sogleich eintreiben wolle.

Vielleicht war das auch nicht Kavalierart?

Bah! Aber wofür hatte man denn Dankbarkeit zu beanspruchen, wenn nicht für geleistete Dienste. Und sollte diese Eile dem Fräulein nicht genehm sein, so konnte man ihr doch sagen: »Gnädiges Fräulein, ich würde ein Jahr lang um euch freien, euch in die Aeuglein blicken, aber ich bin ein Soldat und die Kriegstrompete schmettert!«

»Ja, ich gehe hin!« sagte sich Herr Wolodyjowski.

Nach einer Weile kam ihm wieder ein anderer Gedanke. Wenn sie ihm nun antwortete: »Geh' in den Krieg, Soldat, und wenn du zurückkehrst, dann kannst du ein Jahr lang um mich werben, denn ich gebe einem Menschen, den ich nicht kenne, nicht Leib und Seele.«

Dann wäre alles aus. Und daß es aus sein würde, fühlte Herr Wolodyjowski nur zu gut, denn abgesehen von dem Fräulein, welches während dieser Zeit ein anderer freien konnte, so war sich der Ritter seiner eigenen Treue nicht ganz sicher. Sein Gewissen sagte ihm, daß bei ihm eine Leidenschaft entbrannte wie Stroh, aber auch ebenso schnell erlosch wie Stroh.

Dann war alles aus!

»Dann treibe dich wieder umher, du wandernder Soldat, von Lager zu Lager, von Schlacht zu Schlacht, ohne Dach und Fach, ohne eine verwandte Seele. Und nach dem Kriege schau' dich um nach allen vier Himmelsrichtungen, ohne zu wissen, wo du dein Haupt niederlegen sollst!«

Zuletzt wußte er selbst nicht, was er thun sollte. Es wurde ihm plötzlich zu enge auf dem kleinen Hofe in Pazunel, er nahm die Mütze, um hinauszugehen auf den Weg, die Maisonne zu genießen. An der Schwelle traf er mit einem der Gefangenen zusammen, welcher dem Pakosch Gaschtowt zugefallen war. Der Kosak wärmte sich in der Sonne und klimperte auf der Pandora.

»Was thust du hier?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Ich spiele, Herr!« antwortete der Kosak, indem er sein abgemagertes Gesicht emporhob.

»Woher bist du?« fragte Herr Wolodyjowski weiter, froh, eine Unterbrechung seiner Gedanken zu finden.

»Weit her, Herr, von Wiahla her.«

»Warum bist du nicht entflohen, wie deine Gefährten? O, ihr Hundesöhne! Der Adel schenkt euch in Lubitsch das Leben, um Arbeiter zu bekommen, und ihr flieht, sobald man euch die Fesseln abgenommen.«

»Ich werde nicht fliehen. Hier werde ich krepieren wie ein Hund.«

»Gefällt's dir hier so sehr?«

»Wer es besser im Felde findet, der flieht dorthin; ich habe es hier besser. Ich hatte ein zerschossenes Bein, da verband es mir das Adelfräulein, des Alten Tochter, und sagte mir gute Worte. Ein so rosiges Mädchen sah ich mein Lebtag nicht, wozu also soll ich fortgehen?«

»Welche von den Töchtern hat dir denn so wohl gethan?«

»Maryska.«

»Und du bleibst hier?«

»Wenn ich krepiere, müssen sie mich hinaustragen, anders gehe ich nicht.«

»Willst du denn bei Pakosch um das Mädchen dienen?«

»Das weiß ich nicht, Herr.«

»Er gäbe solch einem armen Wicht eher den Tod als die Tochter.«

»Ich habe rotes Gold im Walde vergraben, zwei Hände voll.«

»Erbeutetes?«

»Erbeutetes, Herr!«

»Und hättest du ein Maß voll, du bleibst ein Bauer, Pakosch ein Edelmann.«

»Ich stamme von einem Bojaren der Pußta.«

»Wenn du ein Bojarensohn bist, so bist du schlechter als ein Bauer, denn du bist ein Verräter. Wie konntest du dem Feinde dienen?«

»Ich habe ihm nicht gedient.«

»Woher hat Kmiziz euch denn genommen?«

»Von der Landstraße. Ich diente beim Herrn Feldhauptmann, aber die Fahne wurde später aufgelöst, weil es nichts zu essen gab. Nach Hause konnte ich nicht zurückkehren, weil mein Haus niedergebrannt ist. Andere gingen auf die Landstraße plündern, da ging ich mit.«

Herr Wolodyjowski war sehr erstaunt. Bisher hatte er geglaubt, Kmiziz habe Olenka mit Leuten überfallen, welche er dem Feinde entlehnt.

»Herr Kmiziz hat euch also nicht von Trubetzki genommen?«

»Die meisten unter uns waren solche, welche vorher bei Trubetzki und Chowanski gedient hatten, aber auch diese waren von dort entlaufen.«

»Aber weshalb ginget ihr mit Herrn Kmiziz?«

»Weil er ein berühmter Attaman ist. Man hat uns gesagt, daß diejenigen, welche er rufe, die Taschen immer voll Geld haben. Nun, Gott hat uns kein Glück gegeben!«

Herr Wolodyjowski schüttelte den Kopf und sann nach. Man hatte den Herrn Kmiziz also über die Maßen angeschwärzt. Dann sah er den blassen Bojaren an und schüttelte wieder den Kopf.

»Du liebst sie also sehr?«

»O sehr! Herr!«

Herr Wolodyjowski ging weiter und im Weitergehen dachte er: »Seht, das ist ein resoluter Mensch. Der macht sich kein Kopfzerbrechen; er hat sich verliebt und bleibt. Das sind die Besten. Wenn er wirklich ein Pußta-Bojar, so ist er von derselben Sorte wie der Klein-Adel. Vielleicht giebt ihm der Alte die Maryska, wenn er seine Goldgulden ausgräbt. Und warum? Weil er sich nicht erst besinnt, sondern sich vorgenommen hat, sie zu freien. Ich will es auch so machen!«

So in Gedanken verloren, schritt Herr Wolodyjowski im Sonnenschein weiter, bald mit gesenktem Blick stehen bleibend, bald die Augen zum Himmel erhebend, dann wieder weiter gehend, bis er plötzlich hoch oben ein Volk wilder Enten fliegen sah.

Da fing er an zu zählen ... reiten – oder nicht reiten? ... Er zählte auf reiten aus.

»Es soll also sein!«

Indem er das sagte, ging er nach dem Hause zurück. Auf dem Wege dahin trat er jedoch noch in den Pferdestall ein, vor dessen Thür seine beiden Diener Würfel spielten.

»Syrutsch,« sagte Herr Wolodyjowski, »ist die Mähne Basiors eingeflochten?«

»Sie ist eingeflochten, Herr Obrist!«

Herr Wolodyjowski trat in den Stall. Basior begrüßte ihn von der Raufe aus. Der Ritter näherte sich ihm, klopfte das Pferd auf den Hals, dann fing er die Zöpfchen der Mähne an auszuzählen: reiten – nicht reiten – reiten! Wieder war die Prophezeiung günstig.

»Sattelt die Pferde und kleidet euch selbst ordentlich an!« kommandierte Herr Wolodyjowski.

Hierauf lief er schnell in das Haus und fing an, sich zu schmücken. Er zog die hohen gelben Reitstiefel mit den Klappen und den vergoldeten Sporen an und die neue rote Uniform. Dazu ein ausgezeichnetes Rapier in stählerner Scheide mit golddurchwirkter Quaste und einen Halbpanzer aus blauem Stahl, welcher nur den oberen Teil der Brust bis an den Hals hinauf deckte. Er besaß eine schöne Bibermütze mit einer prächtigen Reiherfeder geschmückt, da diese aber nur zum polnischen Nationalkostüm paßte, so ließ er sie im Kasten, setzte einen schwedischen Helm mit dem Schiffchen auf und trat dann in den Flur.

»Wo wollen Ew. Gnaden hin?« fragte der alte Gaschtowt, welcher unter dem Vordache saß.

»Wohin ich will? Es ist billig, daß ich bei eurem Fräulein nach ihrem Befinden frage, sie könnte mich sonst für einen Grobian halten.«

»Ihr strahlt ja förmlich, Ew. Gnaden, wie ein Gimpel. Das Fräulein müßte keine Augen haben, wenn sie sich nicht sofort verliebte.«

Eben kamen auch die beiden jüngsten Töchter Gaschtowts vorbei, vom Mittagsgemelke zurückkehrend, jede eine Melkgelte in der Hand. Beim Anblick des Herrn Wolodyjowski blieben sie wie versteinert stehen.

»Ist das der König oder nicht?« sagte Sonia.

»Ew. Gnaden gehen wie zur Hochzeit gekleidet,« setzte Maryska hinzu.

»Vielleicht wird eine Hochzeit daraus,« lachte der alte Pakosch, »denn er reitet zu unserem Fräulein.«

Ehe der Alte aber geendet, entfiel die gefüllte Melkgelte der Hand Maryskas und die Milch ergoß sich in einem Strome bis dicht vor die Füße des Ritters.

»Achte auf das, was du hältst!« rief zornig Pakosch, »sieh', Ziege!«

Maryska antwortete nichts, hob schweigend die Gelte auf und entfernte sich still. Herr Wolodyjowski sprang auf das Pferd, hinter ihm stellten sich die zwei Diener auf, dann sprengten alle Dreie nach Wodockt zu. Der Tag war heiter. Die Sonne spielte auf dem Brustschild und dem Helme des Ritters derartig, daß beides zwischen den Weidenbüschen hindurch wie eine zweite Sonne glänzte, die sich des Weges daher bewegt.

»Ich bin doch neugierig, ob ich mit dem Ringe oder mit einem Korbe hier zurückkehren werde,« sagte der Ritter still für sich.

»Was sagen Ew. Gnaden?« fragte der Bursche Syrutsch.

»Daß du ein Dummkopf bist.«

Der Bursche hielt das Pferd zurück und Herr Wolodyjowski endete sein Selbstgespräch, indem er noch sagte:

»Es ist ein wahres Glück, daß ich nicht zum ersten Mal als Brautwerber reite.«

Dieser Gedanke tröstete ihn ungemein.

Als er in Wodockt anlangte, erkannte ihn Fräulein Alexandra nicht sogleich: er mußte ihr seinen Namen wiederholen. Darauf hieß sie ihn artig, aber zurückhaltend willkommen, man merkte ihr den Zwang etwas an. Er aber präsentierte sich ihr wie einer, der zwar Soldat, kein Höfling, sich dennoch genug an Höfen und unter Menschen bewegt hatte, um seine Sitte zu kennen. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll vor ihr und die Hand aufs Herz legend, sagte er:

»Ich kam, um nach dem Befinden des gnädigen Fräuleins zu fragen, mich zu erkundigen, ob der Schreck euch nicht geschadet hat. Es wäre meine Pflicht gewesen, das schon am folgenden Tage zu thun, aber ich wollte nicht lästig fallen.«

»Es ist sehr schön von Seiten Ew. Gnaden, daß, nachdem ihr mich aus solcher Gefahr gerettet, ihr noch an mich denkt ... Setzt euch, ihr seid mir ein willkommener Gast.«

»Mein gnädiges Fräulein!« entgegnete Herr Michael. »Wenn ich euch vergessen könnte, wäre ich der Gnade nicht wert, welche mir Gott verliehen, indem er mir verstattete, euch zu beschützen.«

»Nicht so! Ich habe Gott zuerst zu danken, euch gebührt der Dank nächst ihm ...«

»Wenn es sich so verhält, so danken wir ihm beide, denn ich habe nichts weiter zu erbitten, als daß Gott mir verstatte, euch auch fernerhin zu schützen, so oft das Noth thut.«

Dies sagend, zuckte Herr Wolodyjowski die gewichsten Bartenden, welche ihm bis über die Nase emporstanden, denn er war zufrieden mit sich, daß er so energisch vorgegangen und seine Neigung fast klar zum Greifen offenbart hatte. Sie aber saß verlegen schweigend da, schön wie ein Frühlingstag. Auf den Wangen schimmerte ein blasses Rot, die Augen waren von den langen Wimpern bedeckt, welche die Wangen beschatteten.

»Diese Verlegenheit ist ein gutes Zeichen,« dachte Herr Wolodyjowski, und nachdem er gehüstelt hatte, sprach er weiter:

»Ihr wißt, gnädiges Fräulein, daß ich nach eurem Großvater die Laudaer Leute anführte?«

»Ich weiß,« entgegnete Olenka, »der verstorbene Großvater konnte den letzten Feldzug nicht mitmachen, war aber sehr erfreut, als er hörte, wem der Fürst Wojewode von Wilna seine Fahne übergeben hatte. Er sagte mir, daß er euren Ruf als berühmter Krieger kenne.«

»So wohlmeinend sprach er von mir?«

»Ich hörte, daß er euer Lob bis zum Himmel hoch pries, und die Laudaer Leute thaten nach dem Feldzuge dasselbe.«

»Ich bin nur ein einfacher Soldat und verdiene so hohes Lob nicht. Dennoch ist es mir lieb, daß ich euch nicht so ganz unbekannt bin, denn nun werdet ihr nicht mehr denken, daß der erste beste Fremdling euch aus den Wolken in euer Haus fiel. Es ist angenehmer, wenn man weiß, mit wem man es zu thun hat, denn es zieht eine Menge Menschen umher, welche sich Würden und Aemter anmaßen, sich Adelige nennen und dennoch, weiß Gott, wer sind.«

Herr Wolodyjowski lenkte absichtlich das Gespräch auf diesen Punkt, damit er erzählen könne, welcher Abstammung er sei, und Olenka sagte auch gleich:

»Ihr steht nicht in einem solchen Verdacht, denn auch hier in Litauen giebt es Adel eures Namens.«

»Dieser aber führt ein anderes Wappen. Wir stammen aus Ungarn von einem der Hofherren Attilas, welcher, vom Feinde verfolgt, der allerheiligsten Jungfrau gelobt hat, sich vom Heidentum zur katholischen Kirche zu bekehren, wenn er mit dem Leben davonkomme. Er hielt das Gelöbnis, nachdem er glücklich drei Flüsse überschritten hatte, dieselben, welche wir im Wappen führen.«

»So stammt ihr also nicht aus der hiesigen Gegend?«

»Nein, gnädiges Fräulein. Ich bin aus der Ukraine, von den reußischen Wolodyjowskis, und besitze bis zu dieser Zeit dort ein Gütchen, welches jedoch der Feind besetzt hält. Aber ich bin von Jugend auf militärisch erzogen, habe fortwährend als Soldat gedient und mich weniger um irdische Güter gekümmert als um die Mißachtung, welche das Vaterland von den Nachbarländern erfährt. Ich diente vom frühesten Knabenalter an dem Wojewoden von Reußen, unserem vielbeweinten Fürsten Jeremias, unter welchem ich auch alle Kriege mitmachte. Ich war mit bei Machnuwka und Konstantinowo, hielt die Hungersnot in Sbarasch aus und nach der Schlacht bei Bereschtez hat mir unser allergnädigster Herr, der König selbst, den Kopf gedrückt. Gott ist mein Zeuge, gnädiges Fräulein, ich kam nicht hierher, mich zu preisen, aber ich möchte, daß ihr erfahrt und wißt, daß ich nicht ein armseliger Brotfresser bin, welcher viel Geschrei von sich macht und sein Blut schont, sondern daß mein Leben in ehrlichem Dienste dahinfloß, in welchem ich etwas Ruhm erklappert und mein Gewissen mit nichts befleckt habe, so wahr mir Gott helfe! Das können übrigens auch würdige Menschen bezeugen!«

»Wenn doch alle euch ähnlich wären!« seufzte das Fräulein.

»Euch steht wohl jener Missethäter vor Augen, welcher die ruchlose Hand gegen euch zu erheben wagte?«

Fräulein Alexandra heftete den Blick an den Boden und antwortete nicht.

»Er hat seinen Lohn,« fuhr Herr Wolodyjowski fort: »obgleich man mir sagte, er würde gesund, so wird er der Strafe doch nicht entgehen. Alle achtbaren Menschen haben ihn verdammt, ja nur zu sehr verdammt, denn man sagt, er habe sich mit dem Feinde verbunden, um Hilfe von ihm zu entnehmen. Das ist aber nicht wahr, weil die Leute, mit welchen er euch überfiel, nicht vom Feinde entnommen, sondern auf der Landstraße aufgelesen waren.«

»Woher wißt ihr das?« fragte lebhaft das Fräulein, indem sie die blauen Augen zu Herrn Wolodyjowski aufschlug.

»Von den Leuten selbst. Dieser Kmiziz ist ein seltsamer Mensch. Denn als ich ihn selbst vor dem Duell des Verrats beschuldigte, verteidigte er sich nicht, obgleich es eine falsche Beschuldigung war; er besitzt einen verteufelten Stolz.«

»Und ihr erzählt es überall, daß er kein Verräter ist?«

»Ich erzählte nichts bis jetzt, denn ich wußte es selbst nicht; aber jetzt will ich es allen erzählen, denn es wäre unwürdig, selbst den größten Feind zu verleumden.«

Die Augen Fräulein Alexandras ruhten zum zweiten Male sympathisch, mit dem Ausdruck der Dankbarkeit auf dem kleinen Ritter.

»Ihr seid ein so braver Herr, ein so selten braver!«

Herr Wolodyjowski zuckte wieder mit dem Barte vor Zufriedenheit.

»Zur Sache, Michael!« sagte er sich im Stillen, darauf laut zu dem Fräulein:

»Ich will euch noch mehr sagen! ... Ich tadele die Art und Weise des Herrn Kmiziz, aber ich wundere mich gar nicht, daß er euretwegen so handelte, euretwegen, welcher Venus selbst als Magd dienen müßte. Die Verzweiflung trieb ihn zu böser That und treibt ihn wohl wieder dazu, sobald sich Gelegenheit findet. Wie wollt ihr mit eurer außerordentlichen Schönheit allein und ohne Schutz bleiben? Es giebt mehr solcher Kmizize auf Erden, ihr werdet immer neue Leidenschaften erwecken, eure Tugend immer neuen Gefahren aussetzen. Gott gab mir die Gnade, daß ich euch befreien durfte, aber schon ruft die Kriegstrompete mich wieder ... Wer wird dann über euch wachen? ... Mein gnädiges Fräulein! Man beschuldigt die Soldaten der Unbeständigkeit, aber mit Unrecht. Mein Herz ist kein Felsen und konnte solch ungewöhnlichen Reizen gegenüber nicht gleichgültig bleiben ...«

Hier kniete Herr Wolodyjowski nieder.

»Mein gnädiges Fräulein!« sagte er knieend. »Ich erbte die Fahne von eurem Großvater, erlaubt mir, auch die Enkelin zu erwerben. Stellt euch unter meinen Schutz, laßt uns die Süßigkeit einer gegenseitigen Neigung kosten, nehmt mich zu eurem dauernden Beschützer und ihr werdet ruhig und sicher werden, denn selbst wenn ich in den Krieg ziehe, wird mein Name allein genügen, euch zu schützen.«

Das Fräulein war aufgesprungen und hörte mit Verwunderung die Rede des Herrn Wolodyjowski. Er aber fuhr fort:

»Ich bin ein armer Soldat, aber ein Edelmann und ein braver Mensch und schwöre euch, daß weder auf meinem Schilde, noch in meinem Gewissen auch nur der kleinste Flecken zu finden ist. Ich fehle vielleicht durch meine Eile, aber ihr werdet begreifen: das Vaterland ruft! Selbst euretwegen darf ich nicht zurückbleiben. Habt ihr keinen Trost für mich? Macht ihr mir keinen Mut? Sprecht ihr kein gutes Wort?«

»Ihr verlangt das Unmögliche von mir, Herr! ... Bei Gott, daraus kann nichts werden!« sagte Olenka erschrocken.

»Es hängt nur von eurem Willen ab ...«

»Eben deswegen sage ich euch direkt: nein!«

Das Fräulein runzelte die Brauen.

»Mein Herr! Ich bin euch viel schuldig, das verkenne ich nicht. Verlangt von mir, was ihr wollt, ich gewähre alles, nur nicht meine Hand.«

Herr Wolodyjowski stand auf.

»Ihr verschmäht mich also, wie?«

»Ich kann nicht anders!«

»Ist das euer letztes Wort?«

»Unwiderruflich das letzte!«

»Vielleicht gefällt euch nur die Eile meiner Werbung nicht! Laßt mir eine Hoffnung.«

»Ich kann nicht, ich kann nicht.«

»So giebt es also auch hier kein Glück für mich, wie es auch anderwärts keins gab. Mein gnädiges Fräulein, bietet mir keinen Lohn für meine Dienste, denn nicht darum kam ich. Und daß ich um eure Hand bat? Die betrachte ich nicht als einen Lohn, sondern als ein freiwilliges Geschenk. Hättet ihr mir gesagt, ich gebe sie euch, weil ich muß, so hätte ich sie ebenfalls nicht angenommen. Wo die Liebe nicht freiwillig sich giebt, dort ist kein Glück. Ihr habt mich verschmäht ... O, daß ihr nicht einen Schlimmeren trefft. Ich verlasse dieses Haus, wie ich es betrat – nur daß ich nicht wiederkehre. Man verachtet mich hier. Sei es auch so. Seid glücklich – und sei es selbst mit diesem Kmiziz. Vielleicht zürnt ihr mir gerade deswegen, daß ich mit dem Säbel zwischen euch hieb. Wenn er euch der Bessere dünkt, so seid ihr in der That nicht für mich.«

Olenka faßte mit den Händen nach der Stirn und wiederholte einige Male:

»O Gott! o Gott! o Gott!«

Aber ihr Schmerz versöhnte Herrn Wolodyjowski nicht. Er schritt, sich verneigend, zornig hinaus, sprang auf sein Pferd und sprengte davon.

»Mein Fuß betritt diesen Ort nicht mehr,« sprach er laut.

Der Bursche Syrutsch, welcher hinter ihm ritt, kam gleich heran.

»Was sagten Ew. Gnaden?«

»Dummkopf!« antwortete Herr Wolodyjowski.

»Das haben Ew. Gnaden mir schon gesagt, als wir hierher ritten.«

Darauf ward es still, bis Herr Michael wieder vor sich hinbrummte:

»Man hat mich mit Undank genährt, meine Neigung mit Verachtung vergolten. Es wird wohl mein Los sein, bis zum Tode als Kavalier zu dienen. Verdammt sei ein solches Los. Wo ich hinkomme, werde ich abgewiesen ... Es giebt keine Gerechtigkeit in der Welt! Was hat sie nur gegen mich eingenommen?«

Hier runzelte Herr Wolodyjowski die Stirn und fing an eifrig nachzudenken. Plötzlich schlug er mit der flachen Hand an das Bein.

»Jetzt weiß ich's!« rief er aus. »Sie liebt Jenen noch ... es kann nichts anderes sein.«

Aber diese Bemerkung hellte ihm das Gesicht nicht auf.

»Um so schlimmer für mich,« dachte er nach einer Weile, »denn wenn sie ihn nach alledem noch liebt, so wird sie auch nicht aufhören, ihn zu lieben. Das Schlimmste, was er thun konnte, that er bereits. Er wird in den Krieg ziehen, sich Ehre einlegen ... und zu alledem wäre es unwürdig, ihn daran zu verhindern, man muß ihm eher noch dazu verhelfen, denn es ist dem Vaterlande zum Nutzen. Ja, das ist es! ... Er ist ein guter Soldat – aber womit hat er sie gewonnen? Wer das wüßte! Andere haben eben das Glück, daß jedes Mädchen, welches sie einmal ansehen, durchs Feuer für sie geht. Wenn man wüßte, wie das zugeht, oder wenn man einen Zauber wüßte, vielleicht glückte es unsereinem auch. Mit dem bloßen Verdienst richtet man bei den Mädchen nichts aus. Herr Sagloba hatte schon recht, daß eine Füchsin und ein Weib die gefährlichsten Geschöpfe in der Welt sind. O, wie leid thut es mir, daß alles vorüber ist! Sie ist ein wunderschönes Weibsbild und tugendhaft, wie man sagt. Aber stolz, zum Kuckuck ... Wer weiß, ob sie ihn heiratet, obgleich sie ihn liebt, denn er hat sie schwer beleidigt und hinter das Licht geführt. Sie wäre imstande, der Ehe vollständig zu entsagen. Ich trage schwer, aber auch sie trägt vielleicht noch schwerer, die Aermste ...«

Hier wurde Herr Wolodyjowski von dem Geschick Olenkas tief gerührt. Er schüttelte den Kopf, schnalzte mit den Lippen, endlich sagte er:

»Möge ihr Gott beistehen. Ich will ihr nicht zürnen. Für mich war es nicht der erste Korb, für sie war es der erste Schmerz. Die Aermste atmet kaum vor Sorgen, und ich habe ihr noch den Kmiziz vorgeworfen und ihren Leidenskelch gefüllt. Es war nicht recht, so zu handeln, und der Schaden muß repariert werden. Daß mich doch Kugeln träfen: ich war ja ein Grobian. Ich werde ihr einen Brief schreiben, daß sie mir verzeihe, und dann werde ich ihr beistehen, wo ich nur kann.«

Weitere Reflexionen des Herrn Wolodyjowski wurden durch den Burschen Syrutsch unterbrochen, welcher wieder heranritt und sagte:

»Ich bitte Ew. Gnaden, dort vom Berge kommt ja Herr Charlamp mit noch jemandem.«

»Wo?«

»Seht, dort!«

»Es ist wahr, man sieht zwei Reiter. Aber Herr Charlamp verblieb doch beim Fürst Wojewoden von Wilna. Woran erkennst du ihn denn von so weit her?«

»Ach, an dem Falben. Den kennt ja das ganze Heer.«

»Wahrhaftig, man sieht einen Falben ... aber es kann doch jemand anders sein.«

»Aber ich erkenne doch seine Gangart. Das ist ganz bestimmt Herr Charlamp.«

Sie trieben die Pferde an und die entgegenkommenden Reiter thaten dasselbe. In kurzem erkannte Herr Wolodyjowski in der That Herrn Charlamp.

Es war dies der Leutnant der Piatyer Fahne der litauischen Stammsoldaten, ein alter Bekannter des Herrn Wolodyjowski, ein alter, guter Soldat.

Einstmals war er mit dem kleinen Ritter hart aneinandergeraten, aber später, im gemeinsamen Dienst, hatten sie sich lieb gewonnen. Herr Wolodyjowski sprengte daher schnell heran und rief, die Hand ausstreckend:

»Wie geht es dir, Nasenkönig, woher kommst du?«

Der Waffenbruder, welcher wegen seiner mächtigen Nase diesen Spottnamen wirklich verdiente, fiel in die Arme des Freundes und nach dieser herzlichen Begrüßung, nachdem er etwas verschnauft hatte, sagte er:

»Ich bin absichtlich zu dir gekommen, mit einem Auftrage und mit Geld.«

»Mit einem Auftrage und mit Geld? Und von wem?«

»Vom Fürst Wojewoden von Wilna, unserem Hetman. Er sendet dir einen Aufgebotsbrief, damit du sogleich das Aufgebot beginnen kannst, und einen anderen Brief an Herrn Kmiziz, welcher sich auch in dieser Gegend befinden soll.«

»Auch für Herrn Kmiziz? ... Wie das, sollen wir denn zu Zweien in einer Gegend Truppen werben?«

»Er soll nach Trocki gehen, du sollst in dieser Gegend bleiben.«

»Woher wußtest du denn, wo ich zu finden sei?«

»Der Herr Hetman selbst zog fleißig Erkundigungen über dich ein, bis ihm die Leute von hier, welche noch dort dienen, sagten, wo du zu finden seiest, und ich dann aufs Sichere losreiten konnte. Du bist dort immer in großen Gnaden. Ich hörte unseren fürstlichen Herrn sagen, daß er keine Erbschaft von dem Wojewoden von Reußen erwartet habe, daß ihm aber der größte Ritter desselben zugefallen sei.«

»Gebe Gott, daß er auch seinen Kriegsruhm erbe. Es ist eine große Ehre für mich, daß ich Truppen aufbieten soll, ich will sogleich damit beginnen. An kriegerisch gesinnten Männern fehlt es hier nicht, wenn nur die Mittel da sind, sie auf Kriegsfuß zu stellen. Bringst du viel Geld mit?«

»Wenn wir nach Pazunel kommen, sollst du es zählen.«

»Du hast also auch schon den Weg nach Pazunel gefunden? Hüte dich, dort giebt es schöne Mädchen, so viel wie Mohn im Garten.«

»Deshalb hat dir der Aufenthalt dort so gut gefallen! ... Warte einmal, ich habe noch einen Privatbrief des Hetman an dich.«

»Gieb her!«

Herr Charlamp zog ein Schreiben mit dem kleinen Siegel der Radziwills hervor, welches Herr Wolodyjowski öffnete und zu lesen anfing:

»Herr Obrist Wolodyjowski!

In Kenntnis Eures Eifers, dem Vaterlande zu dienen, schicke ich Euch einen Aufgebotsbrief, damit Ihr ein Truppenaufgebot vollzieht, aber nicht etwa, wie man das gewöhnlich thut, sondern mit ganz besonderer Eile, denn – Gefahr ist im Verzuge. Wollt Ihr uns erfreuen, so sorgt, daß die Fahne Ende Juli und spätestens in der Mitte des Augustmondes auf Kriegsfuß und marschfähig sei. Große Sorge macht uns die Frage, woher Ihr gute Pferde nehmen werdet, insbesondere, da wir Euch nur knapp Geld schicken können, weil es uns nicht möglich war, dem Herrn Schatzmeister, welcher unser aller Gegner ist, mehr abzuquälen. Die Hälfte dieses Geldes wollt Ihr, Herr Obrist, an Herrn Kmiziz verabfolgen, für welchen Herr Charlamp auch einen Aufgebotsbrief mit sich führt. Wir erwarten von ihm, daß er in dieser Angelegenheit uns treu dienen wird. Da uns aber Nachrichten über seine Ausschreitungen im Upitischen zugegangen sind, so wird es besser sein, Ihr nehmt den für ihn bestimmten Brief von Charlamp an Euch und entscheidet selbst, ob er ihm abzugeben ist. Solltet Ihr bemerken, daß allzu schwere, seine Ehre befleckende Handlungen ihn belasten, so gebt ihm den Brief nicht, denn wir fürchten, daß unsere Widersacher, wie der Herr Schatzmeister und der Herr Wojewode von Witebsk, ein Geschrei erheben werden, daß wir derartige Funktionen unwürdigen Personen anvertrauen. Wenn jedoch nichts von Belang vorliegt, so gebt den Brief ab. Mag Herr Kmiziz sich bemühen, durch unermüdlichen Diensteifer seine Schuld zu tilgen. Auch soll er sich keinerlei Gerichten stellen oder unterwerfen, denn er gehört unter unsere fürstliche Inquisition und wir wollen ihn richten, niemand sonst, aber erst nach vollzogenem Auftrage. Betrachtet diesen Brief gleichzeitig als einen Beweis des großen Vertrauens, welches wir in Euren Verstand und Eure Treue im Dienst setzen.

Janusch Radziwill,
Fürst auf Birz und Dubin, Wojewode von Wilna.«

»Der Herr Hetman sorgt sich fürchterlich wegen der Pferde für dich,« sagte Charlamp, als der kleine Ritter mit dem Lesen zu Ende war.

»Sicherlich wird es schwer damit halten,« antwortete Herr Wolodyjowski. »Der Klein-Adel hier wird in Massen beim ersten Ruf zu den Waffen eilen, aber sie besitzen nur Smudzer Mittelpferde, welche sich nicht sehr zum Kriegsdienst eignen. Zum tüchtigen Werk müßte man ihnen allen andere Pferde geben.«

»Es sind aber gute, ausdauernde und gelenkige Pferde, ich kenne sie schon lange.«

»Bah!« sagte Herr Wolodyjowski, »aber wenig schön, und das Volk hier ist hoch gewachsen. Wenn diese Männer auf solchen Pferden in Reihe und Glied ständen, du würdest sagen: ›Das ist eine Reiterfahne auf Hunden‹ ... Sieh'! das ist auch meine Sorge! ... Nun, ich werde eifrig ans Werk gehen, ich habe es selbst eilig. Gieb mir den Brief an Kmiziz, wie der Herr Hetman befohlen, ich will ihn ihm selbst geben. Er wird ihm sehr gelegen kommen.«

»Warum?«

»Weil er hier nach Tartaren-Art zu wirtschaften anfing und Mädchen entführte. Ihm drohen so viel Prozesse und Termine, wie er Haare auf dem Kopfe hat. Es ist noch keine Woche her, da schlug ich mich mit ihm auf Säbel.«

»Eh!« sagte Charlamp. »Wenn du dich mit ihm schlugst, so liegt er jetzt darnieder.«

»Es geht ihm schon besser. Nach einer bis zwei Wochen ist er hergestellt. Was hört man dort draußen in der Oeffentlichkeit?«

»Nach altem Brauch nur Schlechtes. Der Herr Unterkämmerer Gosiewski ist mit unserem Fürsten ewig im Streit, und wenn die Feldherren nicht einig sind, so fehlt überall die rechte Ordnung. Doch hat sich das etwas gebessert und ich denke, daß, wenn nur Einigkeit herrscht, so werden wir mit dem Feinde schon fertig. Gott gebe, daß wir über ihre Leichen hinweg bis in ihr Reich dringen. An allem trägt der Herr Schatzmeister die Schuld.«

»Andere sagen, daß gerade der Großhetman die Schuld trage.«

»Das sind Lügner. Der Wojewode von Witebsk sagt das, weil er längst mit dem Herrn Schatzmeister unter einer Decke steckt.«

»Der Wojewode von Witebsk ist aber ein hochgeachteter Mann.«

»Stehst auch du denn auf Seiten der Sapiehas gegen die Radziwills?«

»Ich stehe auf Seiten des Vaterlandes, wo alle stehen sollten. Darin liegt ja eben das Schlimme, daß sogar die Soldaten sich in Parteien teilen, anstatt tapfer dreinzuschlagen, und daß der Sapieha ein achtbarer Mann ist, das sage ich dem Fürsten in das Gesicht, obgleich ich unter ihm diene.«

»Ehrenwerte Menschen haben schon versucht, sie zu versöhnen!« sagte Charlamp. »Aber das nützt nichts. Es kommen jetzt Boten über Boten vom Könige zu unserem Fürsten. Man sagt, dort wird etwas ausgeheckt. Wir erwarteten ein allgemeines Aufgebot unter Leitung des Königs – es kam nicht! Es soll anderwärts nötig sein, loszuschlagen.«

»Das könnte nur in der Ukraine sein.«

»Ich weiß es nicht! Nur einmal erzählte der Leutnant Brochwitsch, was er mit eigenen Ohren gehört. Tysenhaus war vom Könige zu unserem Fürsten gekommen. Sie sprachen hinter verschlossenen Thüren lange über etwas, was Brochwitsch nicht erlauschen konnte. Aber als sie hinausgingen, ich wiederhole es, da hörte er deutlich, wie der Hetman sagte: »Daraus kann ein neuer Krieg entstehen!« Wir haben uns alle Kopfzerbrechen darüber gemacht, was das bedeuten könne.«

»Er hat sich wohl verhört. Mit wem sollte denn ein Krieg entstehen? Der Kaiser zeigt uns jetzt größeres Wohlwollen als unseren Feinden und es kommt ihm auch zu, sich als Schützer eines politischen Volkes zu geben. Mit Schweden hat eine Auseinandersetzung noch nicht stattgefunden und die Verträge können auch vor sechs Jahren noch nicht gelöst werden und in der Ukraine helfen uns die Tartaren, was sie ohne Zustimmung der Türkei nicht thun würden.«

»Auch wir konnten nichts ausfindig machen.«

»Weil es nichts ausfindig zu machen gab. Aber ich danke Gott, daß ich eine neue Arbeit vor mir habe. Ich sehnte mich schon nach Kämpfen.«

»Du willst also den Aufgebotsbrief selbst dem Kmiziz bringen?«

»Ich sagte dir doch, daß der Befehl des Herrn Hetman so lautet. Nach Kavaliersbrauch muß ich ohnehin den Kmiziz besuchen, und den Brief in der Hand, werde ich eher Zutritt zu ihm erlangen. Ob ich ihm den Brief aushändige, ist eine andere Sache. Ich muß mir das erst überlegen, denn es ist meinem Willen überlassen.«

»Das ist mir auch ganz recht, denn ich habe es eilig. Ich führe noch einen dritten Aufgebotsbrief mit mir für Herrn Stankiewitsch; darnach soll ich nach Kiejdan, um das Geschütz, welches dorthin gebracht wird, abzunehmen, und dann muß ich nach Birz, nachzusehen, ob im Schlosse alles zur Verteidigung bereit ist.«

»Auch nach Birz?«

»Jawohl.«

»Das wundert mich. Der Feind hat doch keine neuen Siege davongetragen, er hat es also doch weit bis nach Birz an der kurländischen Grenze. Und da, wie ich sehe, neue Fahnen gebildet werden, so sind doch genügend Truppen vorhanden, um selbst diejenigen Länderstrecken zu schützen, welche schon in die Hände der Feinde fielen. Die Kurländer aber denken doch gar nicht an Krieg mit uns. Sie sind gute Soldaten, aber ihrer sind so wenige, daß Radziwill allein sie mit einer Handbewegung erdrücken würde.«

»Auch mich wundert es,« entgegnete Charlamp, »um so mehr, als mir auch hier Eile anbefohlen und die Instruktion ausgegeben wurde, daß, falls ich etwas nicht in Ordnung finden sollte, ich sogleich den Fürsten Boguslaw in Kenntnis setzen und dieser den Ingenieur Peterson hinsenden müsse.«

»Was sollte das bedeuten? Wenn nur nicht etwa wieder ein Bruderkrieg in Aussicht steht. Gott bewahre uns davor! Wo der Fürst Boguslaw seine Hände dazu thut, da hat der Satan seine Freude dran.«

»Sprich nicht so von ihm; er ist ein tapferer Mann!«

»Ich bestreite seine Tapferkeit durchaus nicht. Es steckt aber in ihm eher ein Deutscher oder so ein Stück Franzose als ein Pole. Ihn kümmert die Republik gar nicht, er hat nur Sinn für das Haus Radziwill; dieses zu erhöhen, andere zu zerstören, das ist sein Trachten. Er ist es auch, welcher den Stolz des Wojewoden von Wilna, unseres fürstlichen Herrn, fortwährend aufstachelt, obgleich es ihm ohnedies nicht daran fehlt, und die Zänkereien mit den Sapiehas und Gosiewskis sind auch die Frucht seiner Bemühungen.«

»Du bist ein großer Menschenkenner, lieber Michael. Du solltest sobald als möglich heiraten, damit so ein Verstand, wie der deinige, sich vererbe.«

Herr Wolodyjowski starrte den Gefährten an.

»Heiraten? ... Wie?«

»Natürlich! Vielleicht gehst du auch gar schon auf Freiersfüßen, denn ich sehe dich geschmückt wie zur Parade.«

»Laß mich in Frieden!«

»Ach, bekenne doch ...«

»Mag ein Jeder seine Körbe tragen und nicht nach fremden fragen. Auch du hast die deinen. Gerade jetzt wäre auch die rechte Zeit zum Freien, wo mir das Aufgebot im Kopfe steckt.«

»Wirst du im Juli fertig damit?«

»Zu Ende des Julimondes bin ich fertig und sollte ich die Pferde unter dem Erdboden hervorholen. Gott sei Dank, daß mir diese Arbeit kam, die Schwermut hätte mich sonst aufgezehrt.«

In der That erleichterten die Nachrichten vom Hetman und die Aussicht auf Arbeit das Herz des Herrn Wolodyjowski sehr, und ehe sie noch in Pazunel anlangten, dachte er kaum mehr an den gehabten Aerger. Die Kunde von dem Aufgebotsbrief verbreitete sich schnell in sämtlichen Stellen. Der Adel lief zu Haufen, um zu fragen, was Wahres daran sei, und als Herr Wolodyjowski das Gerücht bestätigte, machte die Thatsache einen gewaltigen Eindruck auf die Männer. Die Kriegslust war im allgemeinen groß, nur waren einige besorgt, daß man gegen Ende des Juli, dicht vor der Ernte, ausmarschieren sollte. Herr Wolodyjowski sandte auch einige Boten nach anderen Gegenden, nach Upit und auf die bedeutenderen Adelshöfe. Am Abend erschienen bereits einige der Butryms, der Stajkanows und Domaschewitsch. Bald wurde die Zahl der Ankömmlinge immer größer, die Kriegslust immer lauter. Man fing an, laute Drohungen gegen die Feinde auszustoßen und von Siegen zu schwärmen. Nur die Butryms allein schwiegen, aber man verdachte es ihnen nicht. War es doch bekannt, daß sie alle bis auf einen Mann sich stellen würden. Am folgenden Tage regte es sich in den Stellen wie in einem Bienenstocke. Die Menschen sprachen weder über Herrn Kmiziz mehr, noch über das Fräulein Alexandra, nur vom bevorstehenden Feldzuge wurde gesprochen. Auch Herr Wolodyjowski schlug sich den Korb Olenkas bald aus dem Sinn, indem er sich damit tröstete, daß es wohl nicht der letzte, aber auch nicht seine letzte Liebe gewesen sein dürfte. Dafür überlegte er, was er mit dem Briefe für Herrn Kmiziz machen solle.

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