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7. Kapitel

Noch in derselben Nacht, kaum zwei Stunden nach dem Abzuge der Abteilung Wolodyjowskis, traf Radziwill selbst an der Spitze einer Schwadron Reiter in Billewitsche ein. Der Fürst hatte befürchtet, Kmiziz könne in die Hände Wolodyjowskis fallen, darum war er zu dessen Entsatz herbeigeeilt. Nachdem er erfahren, was vorgefallen war, trat er, ohne zu rasten, den Rückweg an, indem er den Schwertträger und Olenka mit sich nach Kiejdan nahm.

Der Hetman war auf das äußerste empört, als er durch den Schwertträger vernahm, was geschehen war. Derselbe ließ es sich angelegen sein, die Begebenheiten recht umständlich zu erzählen, um die Aufmerksamkeit des gefürchteten Magnaten von sich abzulenken. Aus demselben Grunde widersetzte er sich auch nicht mehr der Reise nach Kiejdan, zufrieden, daß das Gewitter sich nicht über seinem Haupte entlud, denn obgleich Radziwill den Schwertträger im Verdachte des Einverständnisses mit den Aufständischen hatte, so war er doch zu sehr von Sorgen bedrückt, als daß er in diesem Augenblick daran hätte denken sollen.

Das Entkommen Wolodyjowskis konnte dem Lauf der Dinge in Podlachien eine ganz andere Richtung geben. Horotkiewitsch und Jakob Kmiziz, welche an der Spitze der Konföderierten standen, waren zwar gute Soldaten, genossen aber nicht besonderes Ansehen, daher auch die Konföderation nicht zu Ansehen gelangen konnte. Ganz abgesehen von dem kleinen Ritter selbst, waren dagegen die Genossen, welche mit ihm entkommen waren, wie Mirski, Stankiewitsch und Oskierko, Krieger, welche die allgemeinste Achtung besaßen.

Wohl befand sich der Fürst Boguslaw, welcher mit seinen Leibregimentern gegen die Konföderation vorging, in Podlachien, wo er täglich dem Beistand des großen Kurfürsten entgegen sah. Doch der kurfürstliche Ohm machte Schwierigkeiten, er schien erst gewisse Ereignisse abwarten zu wollen; inzwischen aber schoß die Macht der gegnerischen Verbindung gewaltig in die Höhe und gewann täglich neue Anhänger.

Schon wollte der Hetman selbst nach Podlachien eilen, um mit einem gewaltigen Ansturm den Aufstand zu erdrücken, nur ein Gedanke hielt ihn zurück. Er wußte sehr wohl, daß er nur den Fuß jenseits der Grenzen seiner Besitzungen zu setzen brauchte, um sogleich die Flammen der Empörung in der Smudz hinter sich auflodern zu sehen. Dann aber war sein ganzes Ansehen verloren und er in den Augen der Schweden, seiner Verbündeten, gleich einer Null. Der Fürst dachte sogar daran, Podlachien ganz aufzugeben und den Fürsten Boguslaw zu sich zu berufen. Die Ausführung dieser Idee wurde fast zur zwingenden Notwendigkeit, denn drohende Gerüchte waren ihm von Seiten des Wojewoden von Witebsk zugegangen. Er hatte den Versuch gemacht, sich diesem Herrn zu nähern, ihn für seine Pläne zu gewinnen, aber Sapieha hatte ihm das diesbezügliche Schreiben uneröffnet zurückgesandt. Statt dessen kam dem Hetman bald darauf die Kunde zu Ohren, daß der Wojewode sein bewegliches Hab und Gut an Meistbietende verkaufe, die silbernen Tafelgeschirre und alles goldene Geschmeide einschmelzen lasse, die kostbaren Teppiche den Juden gegen Bargeld verpfände und auf seine Güter Pächter setze, um ein großes Heer sammeln zu können.

Radziwill, von Natur geizig und unfähig, auch nur die kleinsten Geldopfer zu bringen, wollte diesen Gerüchten anfangs keinen Glauben schenken. Ihm schien es unfaßbar, daß jemand so ohne Zaudern sein ganzes Vermögen auf den Altar des Vaterlandes legen könne, doch die Zeit belehrte ihn eines anderen. Die Heeresmacht Sapiehas wuchs von Tag zu Tag; es sammelten sich um ihn die Polen, welche bei den Schweden und anderen Herren gedient, der ansässige Adel, Patrioten und Nichtpatrioten, ja sogar nahe Anverwandte Radziwills, allen voran der Fürst Jägermeister Michael Radziwill, von welchem erzählt wurde, daß er alle Einkünfte seiner noch nicht vom Feinde okkuppierten Güter dem Wojewoden von Witebsk aushändige.

Solcher Weise zerfiel das Fundament des durch Radziwills Hochmut aufgerichteten Baues, welcher dadurch in bedenkliches Schwanken geriet. Er sollte die ganze Republik umfassen und nun erwies sich, daß er zu klein und schwach für die eine kleine Smudz sei.

Die Lage, in welcher der Hetman sich gegenwärtig befand, war eine für ihn bedenkliche. Er konnte wohl schwedische Truppen herbeirufen, um gemeinschaftlich mit ihnen gegen Sapieha loszuziehen, das aber wäre ein Anerkenntnis seiner eigenen Machtlosigkeit gewesen, das durfte um keinen Preis geschehen, um so weniger, da seit der Affäre von Klewan, welche die Findigkeit Saglobas ihm bereitet, trotz aller Auseinandersetzungen und Erklärungen, ein gewisses Mißtrauen und eine große Gereiztheit seitens des schwedischen Heerführers gegen ihn Platz gegriffen hatte.

Radziwill hatte, als er auszog, um Kmiziz zu Hilfe zu eilen, gehofft, nebenbei Wolodyjowski doch noch einzufangen und zu vernichten. Als er sich nun in dieser Hoffnung getäuscht sah, zog er mürrisch und tief verstimmt wieder nach Kiejdan zurück. Es wunderte ihn auch, daß er auf dem Wege nach Billewitsche nicht mit Kmiziz zusammengetroffen war; er konnte freilich nicht wissen, daß dieser, durch Wolodyjowski seiner Mannschaften beraubt, die der kleine Ritter gleich mit sich genommen, vorgezogen hatte, allein die kürzesten Wege auf dem Rückwege aufzusuchen und Plemborg nebst Ejragol zu meiden.

Nachdem der Fürst die ganze Nacht zu Pferde gesessen, kam er am nächsten Tage gegen Mittag wieder in Kiejdan an. Seine erste Frage galt Kmiziz. Man berichtete ihm, daß der Ritter zurückgekehrt sei, aber allein, ohne Soldaten. Der letztere Umstand war dem Fürsten bereits bekannt, doch trug er Verlangen, von Kmiziz selbst den Bericht zu hören, darum ließ er ihn sogleich rufen.

»Es ist dir so wenig geglückt, wie mir,« sagte er, als Kmiziz vor ihm stand. »Der Schwertträger hat mir bereits erzählt, daß du diesem kleinen Teufel in die Hände gefallen bist.«

»So ist es!« antwortete Kmiziz.

»Und mein Brief hat dir zur Rettung verholfen?«

»Welchen Brief meinen Ew. Durchlaucht? Die dort lasen still für sich den Brief, welchen sie bei mir fanden; zum Lohne dafür gaben sie mir denjenigen zu lesen, welchen Ew. Durchlaucht an den Kommandanten von Birz gerichtet hat.«

Das finstere Gesicht Radziwills überzog sich mit einer dunklen Röte. »Du weißt also?«

»Ich weiß!« antwortete Kmiziz heftig. »Wie konnten Ew. Durchlaucht so mit mir verfahren? Jeder gewöhnliche Edelmann würde sich schämen, ein gegebenes Wort nicht zu halten, wie viel weniger ziemt es einem Fürsten und Wojewoden sein Wort zu brechen ...«

»Schweige!« gebot Radziwill.

»Ich werde nicht schweigen, denn ich mußte vor jenen Männern die Augen niederschlagen vor Scham über Ew. Durchlaucht Thun! Sie lockten mich, zu ihnen überzugehen und ich lehnte ihr Anerbieten ab, indem ich ihnen sagte: Ich bleibe im Dienste Radziwills, denn bei ihm steht das Recht, die Tugend! Darauf zeigten sie mir jenen Brief mit den Worten: ›Da siehe, so ist ein Radziwill!‹ – und ich mußte das Maul halten und die Scham hinunterwürgen ...«

Die Lippen des Hetman zuckten in toller Wut. Ein wildes Verlangen, diesem wagemutigen Jünglinge den Hals umzudrehen, schien ihn zu packen, denn schon hob er die Hand, um die Diener herbeizuklingeln. Der Zorn verdunkelte ihm die Augen, der Atem stockte ihm und sicherlich hätte Kmiziz seinen Freimut mit dem Leben büßen müssen, wenn nicht ein Anfall von Asthma den Fürsten in diesem Augenblick befallen hätte. Das Gesicht desselben wurde schwarz; er sprang auf, fuchtelte mit den Armen in der Luft, während sich der Brust ein heiseres Brüllen entrang, aus welchem Kmiziz undeutlich die Worte heraushörte: »Ich ersticke! ...«

Er schlug Alarm, auf welches Zeichen die Dienerschaft und der Leibmedikus herbeieilten. Man bemühte sich, den Fürsten, welcher leblos hingefallen war, wieder zu sich zu bringen. Es währte wohl eine Stunde, ehe der Fürst zu sich kam; als man die ersten Anzeichen des zurückkehrenden Lebens wahrnahm, verließ Kmiziz das Gemach.

Im Korridor traf er auf Charlamp, dessen in dem Gefecht mit den aufrührerischen Ungarn erhaltene Wunden wieder geheilt waren.

»Was giebt es neues?« frug der Schnauzbärtige.

»Er ist wieder zu sich gekommen!« antwortete Kmiziz.

»Hm!« machte Charlamp, »Eines Tages aber wird er nicht wieder zu sich kommen, und dann wird es schlecht um uns bestellt sein, Herr Hauptmann, denn wir werden für seine Thaten büßen müssen. Unsere ganze Hoffnung beruht auf Wolodyjowski, der die alten Waffenbrüder hoffentlich schützen wird. Und darum – setzte er ganz leise hinzu – freue ich mich, daß er entschlüpft ist.«

»War er denn so sehr bedrängt?«

»Bedrängt? In einer Falle war er; denn das Erlengebüsch, in welches wir ihn getrieben, war so dicht von den Unsrigen eingeschlossen, daß kein Wolf daraus entfliehen konnte. Er entschlüpfte uns dennoch. Daß ihn der Kuckuck jage! Wer weiß, wer weiß, ob wir uns nicht noch einmal an seine Rockzipfel hängen müssen, denn es lichtet sich sehr um uns. Der Adel fällt in Mengen von uns ab und man hört sehr oft sagen, daß er es lieber mit den feindlichen Schweden und Tartaren zu thun haben wolle, als mit einem Renegaten. Thatsache ist, daß der Fürst immer mehr Bürger gefangen nehmen läßt. Unter uns gesagt, ist diese Freiheitsberaubung wider alle Völkerrechte, so hat er heute den Herrn Schwertträger von Reußen mitgebracht.«

»So?« frug Kmiziz lebhaft. »Man hat ihn also mitgebracht?«

»Ihn und seine Verwandte. Ein Mädchen, wie eine Mandelblüte! Laßt euch Glück wünschen.«

»Wo hat man sie untergebracht?«

»Im rechten Flügel. Man hat ihnen die besten Gemächer eingeräumt; sie brauchen sich nicht zu beklagen, höchstens darüber, daß eine Wache vor ihren Thüren steht. Wann wird Hochzeit sein, Herr Hauptmann?«

»Die Spielleute sind noch nicht dazu bestellt. – Lebt wohl!« entgegnete Kmiziz, schon im Davoneilen.

Er begab sich in sein Quartier. Die schlaflos verbrachte Nacht, die aufregenden Erlebnisse derselben, hatten ihn so mitgenommen, daß er sich kaum auf den Füßen zu halten vermochte. Und so müde, so von Schmerzen gequält, wie sein Körper, war seine Seele. Die einfache Frage Charlamps: »Wann ist Hochzeit?« hatte ihn tief getroffen. Der eisige Ausdruck der Gesichtszüge Olenkas, ihre zusammengekniffenen Lippen, mit welchen sie das über ihn gefällte Todesurteil bestätigte, sah er in dieser Stunde wieder leibhaftig vor sich. Abgesehen davon, ob das bittende Wort aus ihrem Munde von Wolodyjowski respektiert worden wäre, oder nicht – der ganze, grenzenlose Schmerz, welcher die Seele Kmiziz' zerriß, entsprang der Thatsache, daß sie das erlösende Wort nicht gesprochen. Warum dann hatte sie ihm vorher zweimal das Leben gerettet, ohne sich zu besinnen? So tief also war der Abgrund, der sie beide trennte, daß die Liebe, nein, auch das Gefühl des natürlichen Wohlwollens und der Barmherzigkeit, welches man jedem Fremden entgegen bringt, völlig in ihrem Herzen erloschen schien? Je mehr Kmiziz darüber nachdachte, desto grausamer erschien ihm Olenka, desto mächtiger wurde in seiner Seele das Gefühl des Schmerzes und des tiefsten Verletztseins. Was habe ich denn gethan? frug er sich, daß sie mich wie einen behandelt, den die Kirche und die menschliche Gesellschaft ausgestoßen hat? Wäre es auch wirklich ein Unrecht, in den Diensten Radziwills zu stehen, so fühle ich mich doch insofern unschuldig, da ich nicht um des eigenen Nutzens willen, sondern um dem Vaterlande zu dienen, ihm diene. Warum auch werde ich ungehört verdammt? ... Sei es denn auch so! Gut! Ich will mich nicht von einer Schuld zu reinigen versuchen, die ich nicht begangen habe, und – auch nicht um ihre Barmherzigkeit bitten! ... wiederholte er sich tausendmal.

Trotzdem tobte der Schmerz weiter in ihm. In seinem Quartier angelangt, warf sich Herr Andreas auf sein Lager und versuchte einzuschlafen. Aber trotz seiner großen Ermüdung vermochte er nicht, die Augen zu schließen. Nach einer Weile erhob er sich wieder und begann im Gemach auf und nieder zu gehen. Von Zeit zu Zeit fuhr er sich mit den Händen nach der Stirn und sprach laut vor sich hin: »Sie hat ein Herz von Stein!«

Und dann wieder: »Das hätte ich von dir, Mädchen, nicht erwartet ... Gott lohne dir nicht, was du thust ...«

Unter solchen Erwägungen verfloß eine Stunde um die andere; zuletzt siegte die Müdigkeit über die erregten Nerven – er schlummerte auf dem Bettrande sitzend ein. Doch ehe er noch fest eingeschlafen war, weckte ihn ein Höfling und berief ihn zum Fürsten.

Radziwill fühlte sich wieder wohler, er atmete leichter, aber auf den bleifarbenen Gesichtszügen lag eine große Erschlaffung. Er saß aufrecht in einem großen Lehnsessel, neben ihm stand der Medikus, welcher sich jedoch beim Eintritt Kmiziz' sogleich entfernte.

»Ich stand bereits mit einem Fuß im Grabe ... durch dich ...« sagte er zu Herrn Andreas.

»Nicht durch meine Schuld, Durchlaucht; ich sagte nur, was ich dachte.«

»Laß das künftig bleiben. Sei eingedenk, daß das, was ich dir jetzt vergebe, einem anderen nie vergeben werden würde, und wälze zu all den Lasten, die ich zu tragen habe, nicht eine neue.«

Kmiziz schwieg. Der Fürst begann nach einer Pause aufs neue.

»Wenn ich befahl, jene Männer, welchen ich auf deine Fürbitte in Kiejdan vergeben, in Birz zu erschießen, so geschah das nicht, um dich zu hintergehen, sondern um dir einen Schmerz zu ersparen. Ich willfahrte dir nur scheinbar, denn ich habe eine Schwäche für dich ... Ihr Tod war eine Notwendigkeit ... Bin ich denn ein Henkersknecht, daß du glaubst, ich vergieße nur Blut, um meine Augen am Anblick der roten Farbe zu ergötzen? Du wirst später einmal erkennen, daß derjenige, welcher in der Welt ein hohes Ziel erreichen will, nicht große Dinge kleinlichen Launen opfern darf. Siehe, was nun durch dein Dazwischentreten geschehen ist: Im Lande breitet der Aufruhr immer mehr seine Flügel, das böse Beispiel wirkt ansteckend wie die Pest, das gute Einvernehmen mit den Schweden ist gestört. Nicht genug dessen – ich selbst mußte in eigener Person gegen die Aufständischen ausrücken und eine Schlappe davontragen, du wärest um ein Haar von ihrer Hand gefallen, sie ziehen ungehindert nach Podlachien und werden sich dort an die Spitze der Empörer stellen. Ziehe eine Lehre daraus! Wären sie in Kiejdan exekutiert worden, so wäre das alles vermieden worden. Du handeltest kurzsichtig, nur dem eigenen Impulse Rechnung tragend, – ich sandte sie in den Tod nach Birz, weil ich weiter sehe und aus Erfahrung weiß, daß, wenn einer in seinem Laufe über einen noch so kleinen Stein stolpert, er leicht hinfällt und sich um so schwerer erhebt, je schneller er gelaufen ... Was für Unheil haben diese Männer angerichtet! Gott bewahre mich.«

»Ihr Einfluß fällt doch so schwer nicht ins Gewicht, daß er die Pläne Ew. Durchlaucht zu zerstören vermöchte.«

»Es bedurfte nur des einen Umstandes, Mißtrauen zwischen Pontus und mir zu säen; das hätte genügt, unabsehbaren Schaden anzurichten. Die Sache ist schon aufgeklärt, aber der Brief, welchen Pontus mir geschrieben, bleibt eben geschrieben und das vergesse ich ihm nicht! Pontus ist zwar der Schwager eines Königs, doch ist es fraglich, ob er jemals der meinige hätte werden können, ob nicht die Schwelle des Radziwillschen Hauses zu hoch für ihn gewesen wäre ...«

»Warum verhandelt Ew. Durchlaucht nicht lieber mit dem Könige selbst, anstatt mit seinen Dienern?«

»Ich will es in Zukunft thun. Und wenn mich die Sorgen nicht vorher aufzehren, dann will ich diese Schweden Bescheidenheit lehren. Wie viele Siege habe ich erfochten; wo sind die Offiziere, die mit mir von Sieg zu Sieg flogen? Sie haben mich alle verlassen und ihre Hände wider mich erhoben.«

»Doch nicht alle,« fiel Kmiziz lebhaft ein, »denn es giebt solche, die noch an Ew. Durchlaucht glauben.«

»Die noch glauben ... bis sie aufhören werden, es zu thun?« versetzte Radziwill bitter. »Sie sind sehr gnädig, diese Herren! ... Wolle Gott, daß ihre Güte mich nicht vergiftet. Ihr versetzt mir, einer wie der andere, einen Stich nach dem anderen, ohne euch etwas dabei zu denken.«

»Mögen Ew. Durchlaucht mehr den guten Willen beachten, als die Worte ...« sagte Kmiziz.

»Ich danke für den guten Rat ... ich will von jetzt ab genau Acht geben, was für ein Gesicht mir jeder gemeine Soldat macht ... und mir Mühe geben, allen zu Gefallen zu leben ...«

»Ew. Durchlaucht werden bitter ...«

»Ist das Leben etwa süß? ... Gott hat mich zu großen Dingen geschaffen und – siehe da! – ich muß meine Kräfte in Plänkeleien zersplittern, wie sie ein Edelmann mit dem anderen ausfechten kann. Mit mächtigen Monarchen wollte ich mich messen und muß mich herablassen, auf einen Herrn Wolodyjowski in den Grenzen meiner Güter Jagd zu machen. Anstatt die Welt durch meine Macht in Staunen zu setzen, wundert man sich über meine Machtlosigkeit, statt daß ich die Einäscherung Wilnas mit der Einäscherung Moskaus heimzahle, muß ich dir dafür dankbar sein, daß du Kiejdan mit Schanzchen ausgestattet hast ... Enge ist um mich ... zum Ersticken ... nicht allein das Asthma raubt mir den Atem ... Meine Machtlosigkeit, die Unthätigkeit wirft mich nieder ... Mir ist enge und schwer! ... Verstehst du mich? ...«

»Auch ich habe geglaubt, daß es anders kommen würde! ...« sagte Kmiziz düster.

Radziwill atmete mit Anstrengung. »Ehe ich die andere Krone erreiche, hat man mir eine Dornenkrone aufgesetzt. Ich habe dem Minister Adersow befohlen, in den Sternen zu lesen ... er hat sogleich die Konstellation gefunden ... es steht schlecht um meine Konjunkturen, aber nur vorübergehend. – Unterdessen leide ich Höllenqualen ...; es läßt mich nachts nicht schlafen, es schleicht im Gemach umher, seltsame Gesichter neigen sich über mein Lager, eine empfindliche Kälte verbreitet sich plötzlich ... das bedeutet, daß der Tod an mir vorüberschleicht ... Ich leide Qualen ... Verrat umgiebt mich, denn in meiner Umgebung befinden sich noch welche, die darauf sinnen, von mir abzufallen.«

»Nein, es befindet sich niemand mehr hier, der darauf sinnt,« antwortete Kmiziz. »Wer abtrünnig werden wollte, der ist schon fort.«

»Suche mich nicht zu täuschen, du weißt nur zu gut, daß der Rest meiner polnischen Leute beginnt, rückwärts zu blicken.«

Da fiel Kmiziz das ein, was Charlamp ihm am Mittag gesagt hatte, und er verstummte.

»Es nützt nichts!« sagte Radziwill. »Es ist gräßlich, schwer, aber es muß durchgemacht werden ... Sprich zu niemandem von dem, was du hier von mir gehört hast ... Gut, daß dieser Anfall vorüber ist: er wird sich jetzt nicht wiederholen, und ich brauche meine Kräfte heute. Ich will ein Gastmahl geben, ein heiteres Gesicht zeigen, um meinen Treuen neuen Mut einzuflößen. Auch du sei fröhlich und erzähle niemanden, was ich dir gesagt, denn ich sagte es dir nur, damit nicht auch du mich noch quälst ... Der Zorn hat mich heute übermannt ... Habe Acht, daß sich das nicht wiederholt, denn dein Kopf steht auf dem Spiele ... Für heute habe ich dir verziehen; die Schanzen, mit welchen du Kiejdan umgeben hast, hätte Paterson nicht besser anlegen können. Nun gehe und sende mir den Mieleschko her ... Man hat heute Deserteure aus seiner Fahne eingebracht ... er soll sie allesamt aufhängen ... man muß ein Beispiel statuieren ... Lebe wohl ... Es soll noch heute lustig werden in Kiejdan.«

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