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7. Kapitel

Herr Wolodyjowski, ein berühmter und alter Soldat, obgleich noch jung an Jahren, saß, wie schon erwähnt, in Pazunel bei Pakosch Gaschtowt, dem Patriarchen von Pazunel, welcher als reichster Edelmann unter allen Laudaer Edelbrüdern gerühmt wurde. Hatte er doch die drei Töchter, welche an die Butryms verheiratet waren, freigebig mit gutem Silber ausgestattet, indem er einer Jeden, ohne das Inventar und eine so prächtige Aussteuer, wie sie ein hochadliges Fräulein nicht besser bekam, zu rechnen, hundert blanke Silberthaler mitgegeben. Andere drei Töchter waren noch zu Hause und diese pflegten den Herrn Wolodyjowski, dessen Hand bald zu heilen begann, aber bei kommendem Witterungswechsel ihn wieder heftig plagte. Alle Laudaer interessierten sich für diese Hand, denn sie hatten dieselbe bei Schklow und Sapielow arbeiten sehen, und es herrschte die allgemeine Ansicht, daß in ganz Litauen schwerlich eine tapferere gefunden werden dürfte. Man umgab auch bei jeder Gelegenheit den jungen Ritter mit ungewöhnlichen Ehrenbezeigungen. Die Gaschtowts, die Domaschewitsch, die Gostschiewitsch und Stajkanows und mit ihnen Andere schickten regelmäßig Fische, Pilze und Wild nach Pazunel, Heu für die Pferde und Pech zu den Wagen, damit es dem Ritter und seinen Leuten an nichts fehle. Sobald er sich unwohl fühlte, fuhren sie alle abwechselnd nach Poniewiersch, den Feldscheer zu holen, kurz, sie wetteiferten in seinen Diensten.

Dem Herrn Wolodyjowski war es auch so wohl hier, daß er vorzog, in Pazunel zu bleiben, obgleich er in Kiejdan größere Bequemlichkeit und jeden Augenblick einen berühmten Medikus haben konnte. Und der alte Gaschtowt hielt ihn gern fest und blies ihm jedes Stäubchen weg, denn es gereichte ihm zu ungewöhnlichem Ruhme in der ganzen Lauda, daß er einen so hohen Gast beherbergte, welcher selbst dem Fürsten Radziwill Ehre eingelegt hätte.

Nachdem Kmiziz geschlagen und vertrieben war, ging der in Herrn Wolodyjowski verliebte Kleinadel mit dem Projekte um, ihn mit Fräulein Alexandra zu verheiraten.

»Was sollen wir in der Ferne einen Mann für sie suchen!« sagten die Aeltesten bei der in dieser Angelegenheit veranstalteten Beratung. »Hat jener Verräter sich mit so schändlichen Thaten befleckt, daß er dem Henker gehört, wenn er noch lebt, so muß ihn auch das Fräulein aus dem Herzen gerissen haben, denn so heißt es ja im Testament, in einer besonderen Klausel vermerkt. Mag denn Herr Wolodyjowski sie heiraten. Als Vormünder können wir das gestatten und sie bekommt einen achtbaren Kavalier, wir aber einen guten Nachbar und Führer.«

Als dieser Beschluß endgiltig gefaßt worden war, begaben sie sich zuerst zu Herrn Wolodyjowski, welcher ohne Bedenken in alles willigte, und dann zu dem »Fräulein«, welche, noch weniger sich bedenkend, die Sache sofort entschieden ablehnte.

»Ueber Lubitsch zu verfügen, hatte nur der Verstorbene das Recht,« sagte sie, »und das Vermögen darf dem Herrn Kmiziz nicht eher entzogen werden, bis die Gerichte ihn zum Tode verurteilt haben. Was aber meine Verehelichung betrifft, so bitte ich euch, niemals wieder einer solchen Erwähnung zu thun. Ich bin zu schmerzzerrissen, als daß ich an so etwas denken könnte. Jenen habe ich aus meinem Herzen verbannt und diesen, und wäre er selbst der Allerwürdigste, bringt nicht erst hierher, denn ich würde ihn gar nicht empfangen.«

Auf diese entschiedene Erklärung gab es nichts einzuwenden. Der Klein-Adel kehrte betrübt nach Hause zurück. Weniger betrübte sich Herr Wolodyjowski deswegen und noch weniger die jungen Gastwirtstöchter Terka, Maryska und Sonia. Sie waren großgewachsene, rotwangige Mädchen, hatten Haare wie Flachs, Augen wie Vergißmeinnichte und breite Rücken. Die Pazulnerinnen standen überhaupt im Rufe großer Schönheit. Wenn sie Sonntags scharenweise zur Kirche gingen, sahen sie aus wie Wiesenblumen! Dazu hatte der alte Gaschtowt für ihre Erziehung nichts gespart. Der Organist aus Mitrun hatte ihnen die Lesekunst beigebracht, sie Kirchenlieder gelehrt und die Aelteste, Terka, sogar im Lautenspiel unterwiesen. Da sie alle Dreie ein gutes Herz hatten, so pflegten sie sorgsam den Herrn Wolodyjowski, indem es immer eine der anderen zuvorthat in der Wachsamkeit und Sorge. Von Maryska hieß es, daß sie in den jungen Ritter verliebt sei, aber es lag in diesem Gerede nicht die ganze Wahrheit, denn nicht sie allein, sondern alle drei Mädchen waren zum Sterben in ihn verliebt. Er hatte sie auch über die Maßen gern, besonders Maryska und Sonia, denn Terka hatte die Gewohnheit, über die Untreue der Männer allzu sehr zu klagen.

Es geschah zuweilen, daß an den langen Winterabenden, wenn der alte Gaschtowt, nachdem er sich am Krupnik gesättigt, sich schlafen gelegt hatte, die Mädchen mit Herrn Wolodyjowski am Kaminfeuer zusammen saßen, die liebliche Terka am Rocken spinnend, die süße Maryska Federn schleißend und Sonia das Garn von den Spindeln auf die Weise wickelnd.

Wenn dann der Ritter zu erzählen begann von den Kriegen, die er mitgemacht, oder von den Wundern, die er in den verschiedenen Häusern der Magnaten gesehen, da ruhte gar bald die Arbeit, die Mädchen blickten ihn unverwandt an und stießen abwechselnd Rufe der Verwunderung aus: »Ach! ich lebe nicht mehr in der Welt! Ihr meine Geliebten!« und die Andere antwortete darauf: »Die ganze Nacht schließe ich kein Auge!«

In dem Maße aber wie seine Gesundheit fortschritt und er ab und zu den Säbel bequem schwingen konnte, nahm Herrn Wolodyjowskis Heiterkeit und Erzählungslust zu. So saßen sie auch eines abends wie gewöhnlich vor dem Rauchmantel, unter dem hervor ein helles Licht bis in die finstere Stube fiel. Anfangs kampelten sie hin und her, denn die Mädchen verlangten eine Erzählung und Herr Wolodyjowski bat Terka, ihm zur Laute etwas zu singen.

»Singt euch selbst etwas!« entgegnete sie, das Instrument fortschiebend, welches Herr Wolodyjowski ihr hinhielt, »ich habe Arbeit. Ihr müßt auf euren Fahrten durch die Welt manches schöne Lied erlernt haben.«

»Gewißlich habe ich das. Heute nun mag es so sein: ich werde zuerst singen und ihr nach mir. Die Arbeit läuft nicht davon. Wenn ein Weißkopf (Mädchen) euch so bitten möchte, ihr würdet euch nicht zieren, aber einem Manne seid ihr stets gegen den Willen.«

»Weil die Männer es verdienen!«

»Verachtet ihr mich denn auch so sehr?«

»Ei, woher denn! Singt nur lieber, Ew. Gnaden.«

Herr Wolodyjowski klimperte auf der Laute, stimmte sie, steckte eine pfiffige Miene auf und setzte darauf mit einem ganz falschen Tone ein:

»An einen solchen Ort ich kam,
Wo kein Mädchen gern mich nahm!«

»O! das ist eine Ungerechtigkeit!« unterbrach ihn Maryska, indem sie rot wurde wie eine Himbeere.

»Das ist ein Soldatenlied, welches wir stets im Unmut fangen,« sagte Herr Wolodyjowski. »Es sollte bewirken, daß irgend eine gute Seele sich unserer erbarme.«

»Ich hätte mich zuerst erbarmt.«

»Ich danke euch, Mamsell. Wenn es so ist, dann ist mein Gesang ferner zwecklos, ich lege daher die Laute in würdigere Hände.«

Dieses Mal schob Terka das Instrument nicht zurück, denn das Lied des Herrn Wolodyjowski, welches mehr List als Wahrheit enthielt, hatte sie gerührt. Sie griff in die Saiten und hob mit zugespitztem Munde also zu singen an:

Geh' nicht zum Walde, unter den Hollunder,
Trau' keinem Burschen, 's wär' ein Wunder,
Steckt nicht in ihm der Falschheit Eiter.
Wenn er dich liebt, sprich: »Geh' nur weiter!«

Herr Wolodyjowski lachte so herzlich, daß er sich die Seiten hielt, und rief fröhlich:

»Sind denn alle Burschen Verräter? Auch die Soldaten, mein Fräulein?«

Fräulein Terka spitzte den Mund noch mehr und sang mit verdoppelter Energie:

»Viel schlimmer sind sie als die Hunde.«

»Achtet nicht auf Terka, Ew. Gnaden, sie ist immer so!« sagte Maryska.

»Wie kann ich das überhören?« sagte Herr Wolodyjowski, »wenn sie das ganze Heer so häßlich beschimpft, daß ich vor Scham nicht weiß, wohin ich blicken soll.«

»Ew. Gnaden wollen, daß ich singe, und verspotten und höhnen mich nachher,« sagte Terka beleidigt.

»Ich greife ja den Gesang nicht an, sondern nur den Sinn der Worte, welcher einem Soldaten so fürchterlich ist,« entgegnete der Ritter. »Was den Gesang betrifft, so bekenne ich, daß ich selbst in Warschau so vorzügliche Töne nicht gehört habe. Euch fehlen nur die Pluderhosen und ihr könntet in der Kathedrale zum heiligen Johann singen, in welcher die königliche Familie ihre Sitzplätze hat.«

»Und warum müßte man sie in Pluderhosen stecken?« fragte Sonia, die Jüngste, neugierig gemacht durch die Erwähnung Warschaus und der Majestäten.

»Weil dort im Chore Mädchen nicht singen, sondern nur Männer und Jünglinge; die einen mit tiefen Stimmen, so tief, wie tiefer kein Auerochse brüllt, die anderen so hoch, wie selbst die Geigen nicht klingen. Ich habe sie oft gehört, als wir mit unserm großen und unvergleichlichen Wojewoden von Ruthenen zur Wahl unseres jetzigen königlichen Herrn in Warschau waren. Das ist wunderschön, die Seele erhebt sich zu überirdischen Höhen! Es giebt dort eine Menge Musikanten, da sind: Forster, berühmt durch die Zartheit seines Gesanges, und Kapula und Dsan Baptist und Elert, der Lautenschläger, und Markus und Mielschewski, welche ganz artig komponieren. Wenn diese allesamt in der Kirche losmusizieren, so glaubt man seraphinische Chöre zu hören.«

»Das will ich glauben, so wahr ich lebe,« sagte Maryska, die Hände faltend.

»Und habt ihr den König oft gesehen, Ew. Gnaden?« fragte Sonia.

»Ich habe mich mit ihm unterhalten wie mit euch, Fräulein. Nach der Not bei Bereschtez drückte er meinen Kopf zärtlich. Er ist ein so tapferer und liebenswürdiger Herr, daß ihn ein Jeder lieben muß, der ihn nur einmal sah.«

»Wir lieben ihn, ohne ihn gesehen zu haben! ... Hat er denn immer die Krone auf dem Kopfe?«

»Er wird doch nicht täglich die Krone tragen, er müßte denn ein eisernes Haupt haben. Die Krone ruht in der Kathedrale, was den Respekt vor ihr erhöht, und der König trägt einen schwarzen, mit Brillanten geschmückten Hut, deren Glanz das ganze Schloß bestrahlt.«

»Man sagt, daß das königliche Schloß sogar prächtiger ist als das Schloß in Kiejdan.«

»In Kiejdan? Das ist ein Spielzeug dagegen. Das königliche Schloß ist ein grausam großes Gebäude, ganz gemauert, da ist kein Stückchen Holz zu sehen. Ringsum ist eine Doppelreihe von Zimmern, eines herrlicher als das andere. Da drinnen könnt ihr verschiedene Schlachten und Siege sehen, welche mit dem Pinsel auf den Wänden dargestellt sind, als da: die Streitigkeiten zwischen Sigismund III. und Wladislaus. Man kann sich nicht satt sehen, denn es scheint alles zu leben, und man wundert sich nur, daß die, welche sich dort bekämpfen, sich nicht regen und nicht schreien. Aber das kann niemand darstellen, selbst nicht der beste Maler. Einige Zimmer sind ganz vergoldet; die Schemel und Bänke sind mit Perlenstickerei und Goldtuch bedeckt, die Tische von Marmor und Alabaster. Und was für Raritäten, Bestecke und Uhren es dort giebt, welche Tag und Nacht die Zeit angeben, das ist auf keine Kuhhaut zu schreiben. Der König und die Königin gehen in diesen Gemächern umher und freuen sich ihres Reichtums und abends haben sie zu noch größerer Zerstreuung ihr Theater ...«

»Was ist das, ein Theater?«

»Wie soll ich euch das nur erklären ... das ist ein Ort, wo Komödie gespielt und geheime italienische Sprünge und Künste getrieben werden. Der Ort ist ein Gemach, so groß wie manche Kirche, ganz mit Säulen umgeben. An einer Seite sitzen diejenigen, welche sich unterhalten wollen, auf der anderen sind die Künste aufgestellt. Diese heben sich und senken sich, andere werden mittelst Schrauben nach verschiedenen Seiten gedreht; bald wird Dunkelheit mit Wolken gezeigt, bald angenehmes Licht, oben das Firmament mit der Sonne oder den Sternen, unten ist zuweilen die fürchterliche Hölle zu sehen ...«

»O Jesus!« riefen die Pazulnerinnen.

»Mit den Teufeln. Zuweilen das unendliche Meer, darauf Schiffe und Sirenen. Einige Personen lassen sich vom Himmel herab, andere steigen aus der Erde empor.«

»Nur die Hölle möchte ich nicht sehen,« rief Sonia aus. »Ich wundere mich nur, daß die Menschen bei diesem fürchterlichen Anblick nicht davonlaufen.«

»Sie laufen nicht nur nicht davon, sondern klatschen in die Hände vor Freude,« antwortete Herr Wolodyjowski, »denn das alles ist nur nachgemacht, nicht wirklich da und verschwindet nicht, wenn man sich bekreuzigt. Das sind keine Vorspiegelungen böser Geister, sondern menschliche Erfindung. Es kommen sogar die Bischöfe und andere Würdenträger mit den Majestäten dort hin, welche nachher, vor dem Schlafengehen, mit dem Könige speisen.«

»Was thun sie am Morgen und tagsüber?«

»Das hängt von ihrer Laune ab. Wenn sie früh aufgestanden sind, nehmen sie ein Bad. Es giebt im Schlosse ein Zimmer, welches keinen Fußboden hat, sondern nur eine zinnerne Vertiefung, die wie Silber glänzt und mit Wasser angefüllt ist.«

»Wasser im Gemach? ... habt ihr so etwas gehört?«

»So ist es ... und man kann es verringern oder vermehren, nach Belieben. Man kann auch kaltes oder warmes Wasser in die Vertiefung lassen, denn dort sind Röhren mit Hähnen, welche dieses und jenes zuführen. Dreht man einen Hahn, so strömt so viel Wasser herbei, daß man darin schwimmen kann wie in einem See. Kein König hat ein solches Schloß wie unser allergnädigster Herr, das ist bekannt, denn selbst die auswärtigen Gesandtschaften sagen das, und kein König herrscht über ein so edles Volk. Obgleich es viele herrliche Nationen in der Welt giebt, so hat Gott in seiner Barmherzigkeit die unsrige doch ganz besonders ausgezeichnet.«

»Wie glücklich ist unser König!« seufzte Terka.

»Gewiß wäre er glücklich, wenn es keine öffentlichen Streitigkeiten, keine unglücklichen Kriege gäbe, welche die Republik für unsere Sünden und unsere Unverträglichkeit heimsuchen. Das alles lastet auf den Schultern des Königs und oft genug bekommt er wegen unserer Ausschreitungen Vorwürfe vom Landtage zu hören. Was kann er denn aber dafür, daß niemand ihm gehorchen will. Schwere Zeiten sind über unser Vaterland gekommen, so schwere, wie sie noch niemals waren. Selbst die unscheinbarsten Feinde behandeln uns verächtlich, uns, die wir bisher mit dem türkischen Kaiser so glücklich gekämpft haben. So straft Gott den Uebermut. Er sei gepriesen, daß meine Hand schon wieder leichter sich in ihren Bändern bewegt, denn es ist hohe Zeit, zur Verteidigung des Vaterlandes ins Feld zu ziehen. Eine Sünde wäre es, in dieser Bedrängnis zu ruhen.«

»Denkt nur nicht an die Abreise, Herr!«

»Das kann nichts helfen. Mir ist so wohl hier unter euch, aber je wohler mir ist, desto schlimmer für mich. Mögen die Weisen im Landtage Rat halten, der Soldat sehnt sich ins Feld. So lange das Leben währt, so lange ruft der Dienst. Gott, welcher die Herzen kennt, lohnt diejenigen am besten, die nicht der Beförderung wegen, sondern aus reiner Hingebung dem Vaterlands dienen und – wie es heißt, werden derer immer weniger, deshalb kam die schwere Zeit über uns.«

Die Augen Maryskas wurden feucht, bis sie endlich mit Thränen sich füllten, welche über die rosigen Wangen herabrieselten.

»Ew. Gnaden werden gehen und vergessen und wir hier werden umkommen. Wer wird uns vor den Ueberfällen der Händelsüchtigen schützen?«

»Ich werde gehen, aber die Dankbarkeit euch bewahren, denn selten findet man so brave Menschen wie in Pazunel! ... Ihr fürchtet noch immer diesen Kmiziz?«

»Gewiß fürchten wir ihn. Die Mütter schrecken ihre Kinder mit seinem Namen, wie mit dem eines Wolfsverschlingers.«

»Er kehrt nicht mehr zurück, und wenn er zurückkehrte, würde er nicht mehr jene Ausgelassenen mit sich führen, welche nach dem, was die Leute sagen, schlimmer waren als er. Es ist sehr zu bedauern, daß ein so guter Soldat so seine Ehre befleckt und sein Vermögen vergeudet hat.«

»Und seine Braut.«

»Und seine Braut. Man spricht viel Gutes von ihr.«

»Die Aermste weint jetzt ganze Tage lang ...«

»Hum!« sagte Herr Wolodyjowski, »sie weint doch wohl nicht dem Kmiziz nach?«

»Wer kann das wissen?« meinte Maryska.

»Um so schlimmer für sie, denn der kehrt nimmer zurück. Der Hetman hat einen Teil der Laudaer Leute entlassen, es giebt hier also Soldaten und wir würden ihn ohne vorhergegangenen Urteilsspruch in Stücke hauen. Er muß das wissen und deshalb seine Nase nicht hierherstecken.«

»Die Unsrigen sollen aber bald wieder fort, sie erhielten nur für kurze Zeit Urlaub.«

»Eh!« sagte Herr Wolodyjowski, »der Hetman entließ sie, weil kein Geld in der Schatzkammer ist. Es ist zum Verzweifeln! Wenn die Leute am nötigsten sind, müssen sie fortgeschickt werden ... Aber – gute Nacht, Mamsells, es ist Zeit zur Ruhe. Und möge euch Herr Kmiziz mit dem Feuerschwert auch im Traume fern bleiben ...«

Indem er das sagte, stand Herr Wolodyjowski auf und schickte sich zum Fortgehen an. Kaum hatte er aber den ersten Schritt zum Alkoven hin gethan, als plötzlich Lärmen im Flur entstand und eine Stimme hinter der Thür gräßlich zu schreien anfing:

»He da! um Gottes Barmherzigkeit, öffnet, schnell, schnell! ...«

Die Mädchen erschraken heftig, Herr Wolodyjowski sprang zum Alkoven nach dem Säbel, aber er war noch nicht zurück, als schon Terka die Thür geöffnet hatte und ein unbekannter Mensch hereinstürmte und dem eben eintretenden Ritter zu Füßen fiel.

»Rettung, gnädigster Obrist! Das Fräulein ist geraubt!«

»Welches Fräulein?«

»In Wodockt ...«

»Kmiziz!« rief Herr Wolodyjowski.

»Kmiziz!« schrieen die Mädchen.

»Kmiziz!« wiederholte der Bote.

»Wer bist du?« fragte Wolodyjowski.

»Der Vogt aus Wodockt.«

»Wir kennen ihn!« sagte Terka, »er brachte uns Theriak für Ew. Gnaden.«

Jetzt kroch ganz verschlafen der alte Gaschtowt hinter dem Ofen hervor und in der Thür erschienen die zwei Diener des Herrn Wolodyjowski, welche der Lärm herbeigelockt hatte.

»Sattelt die Pferde!« befahl Herr Wolodyjowski. »Der eine von euch reitet zu den Butryms, der andere bringt mir mein Pferd.«

»Bei den Butryms war ich schon,« sagte der Vogt, »ich hatte dorthin am nächsten. Sie schickten mich hierher.«

»Wann wurde das Fräulein geraubt?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Eben jetzt ... Sie streiten sich noch mit dem Gesinde herum ... ich sprang aufs Pferd.«

Der alte Gaschtowt rieb sich die Augen.

»Was, das Fräulein geraubt?«

»So ist es!« ... »Kmiziz hat sie geraubt!« sagte Herr Wolodyjowski, »wir eilen zu Hilfe!«

Indem er das sagte, wandte er sich dem Boten zu:

»Eile zu den Domaschewitsch,« sagte er, »sie sollen mit Büchsen kommen.«

»Und ihr Ziegen!« schrie plötzlich der Alte die Töchter an. »Auf! Laufet ins Dorf, sie sollen die Säbel ziehen! Das Fräulein hat Kmiziz geraubt? wie? ... Gott verzeih'! Der Mörder, Händelmacher ... wie?«

»Gehen auch wir die Leute wecken,« sagte Wolodyjowski. »Es geht dann schneller. Kommt! Ich höre, die Pferde sind da.«

Einen Augenblick darauf saßen sie zu Pferde, mit ihnen die Reitknechte, Ogarek und Syrutsch. Alle eilten den Weg zwischen den Hecken der Stellenbesitzer dahin, an Thüren und Fenster schlagend und schreiend:

»Zum Säbel! Zum Säbel! Das Fräulein in Wodockt ist geraubt, Kmiziz ist hier!«

Infolge dieses Rufes stürzte, wer laufen konnte, aus den Hütten, um zu sehen, was geschehe, und nach Kenntnisnahme dessen, was passiert war, sich selbst den Schreienden anzuschließen:

»Kmiziz ist in der Gegend! Das Fräulein geraubt!«

So schreiend stürmte ein jeder zum Stall, das Pferd zu satteln, oder in das Haus, im Dunkeln das Schwert an der Wand zu ertasten. Immer mehr Stimmen wiederholten:

»Kmiziz ist hier!«

Es wurde lebendig in den Stellen, Lichter leuchteten auf, das Weinen der Weiber wurde hörbar, und das Gebell der Hunde. Endlich sprengte der Kleinadel hinaus, den Weg lang, teils zu Pferde, teils zu Fuß. Ueber den Köpfen blitzten im Schatten die Säbel, die Piken, die Wurfspieße, ja sogar eiserne Gabeln.

Herr Wolodyjowski überblickte diese Schar. Bald sendete er mehrere nach verschiedenen Richtungen aus, er selbst marschierte mit den übrigen vorwärts.

An der Spitze zogen die Berittenen, die Fußgänger folgten. Alle wanderten nach Wolmontowitsch zu, um sich den Butryms anzuschließen. Es war zehn Uhr abends, die Nacht hell, obgleich der Mond noch nicht aufgegangen war. Diejenigen, welche der Großhetman eben beurlaubt hatte, schlossen sich in Reihe und Glied, andere, besonders die zu Fuß, gingen weniger geordnet, mit den Waffen klirrend, laut plaudernd und gähnend und zuweilen den Kmiziz verfluchend, welcher sie der süßen Ruhe beraubte. So erreichten sie Wolmontowitsch, wo ihnen bereits eine bewaffnete Schar entgegenkam.

»Halt! Werda!« riefen von dort aus einige Stimmen.

»Die Gaschtowts!«

»Wir sind die Butryms. Die Domaschewitsch sind auch schon hier.«

»Wer kommandiert euch?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Jozwa Ohnefuß, zu dienen, Herr Obrist.«

»Habt ihr Nachrichten?«

»Er hat sie nach Lubitsch entführt. Sie durchwateten die Sümpfe, um nicht nach Wolmontowitsch zu kommen.«

»Nach Lubitsch?« fragte verwundert Herr Wolodyjowski. »Gedenkt er sich etwa dort zu verteidigen? Lubitsch ist doch keine Veste.«

»Er pocht ersichtlich auf seine Kraft. Es sind an zweihundert Leute bei ihm. Gewiß will er auch seine Reichtümer von Lubitsch mitnehmen; sie haben Wagen mit und eine Menge Handpferde. Er mag nichts von unserer Rückkehr vom Heere gehört haben, denn er treibt es dreist.«

»Das ist gut für uns,« sagte Herr Wolodyjowski. »So entkommt er uns nicht. Wie viel Büchsen habt ihr?«

»Bei uns Butryms sind etwa dreißig, bei den Domaschewitsch zweimal so viel.«

»Gut! Fünfzig von euren Leuten mit Büchsen mögen unter eurer Obhut den Uebergang durch die Sümpfe besetzen – schnell! Der Rest geht mit mir. Haltet die Aexte bereit!«

»Zu Befehl!«

Es entstand eine Bewegung: die kleine Abteilung unter Jozwa Ohnefuß trabte den Sümpfen zu.

Unterdeß kehrten einige der Butryms zurück, welche vorher ausgeschickt waren.

»Wo sind die Gostschiewitsch?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Ah! das seid ihr, Herr Obrist! Gelobt sei Gott!« riefen die Neuangekommenen. »Die Gostschiewitsch sind in der Nähe – man hört sie schon im Walde. Ew. Gnaden wissen, daß er sie nach Lubitsch gebracht hat?«

»Ich weiß. Er wird nicht weit mit ihr kommen.«

In der That hatte Kmiziz bei seiner dreisten That einen Umstand nicht in Betracht gezogen. Er wußte nicht, daß ein bedeutender Teil des Kleinadels vom Heere nach Hause zurückgekommen war, und glaubte die Stellen öde und verlassen wie zur Zeit seiner ersten Anwesenheit in Lubitsch. Nun waren aber, die Gostschiewitsch mitgerechnet, ohne die Stajkanows, welche nicht pünktlich zur Stelle sein konnten, an dreihundert kriegsgeübte Säbel unter Herrn Wolodyjowski versammelt.

Immer mehr Menschen kamen in Wolmontowitsch zusammen. Endlich waren auch die Gostschiewitsch da und Herr Wolodyjowski ordnete seine Abteilung. Das Herz lachte ihm beim Anblick dieser Männer, welche mit Leichtigkeit seinen Anordnungen folgen konnten. Man sah auf den ersten Blick, daß dies Soldaten seien, nicht ungeschickte Bauern. Herr Wolodyjowski freute sich, daß er sie bald vorwärts führen werde.

Sie sprengten also nach Lubitsch durch denselben Wald, durch welchen Kmiziz einst gejagt war. Es war schon gut um Mitternacht. Der Mond war voll aufgegangen und beleuchtete den Wald, den Weg und die darauf hinziehenden Krieger, brach sich blaß an den Schneiden der Piken und den blitzenden Säbeln. Die Männer unterhielten sich leise über das Ereignis, welches sie aus den Federn getrieben.

»Es sind verschiedene Menschen hier herumgestreift,« sagte einer der Domaschewitsch, »wir glaubten, es seien Deserteure, es waren also Spione.«

»Und fast täglich kamen fremde Bettler nach Wodockt, sie bettelten scheinbar,« entgegnete ein anderer.

»Was sind das für Soldaten, die bei Kmiziz sind?«

»Das Gesinde in Wodockt sagt, es seien Kosaken. Gewiß hat Kmiziz sich mit Chowanski und Soltarenka verständigt. Bisher war er nur ein Mordbrenner, jetzt ist er ein Verräter.«

»Wie hätte er aber die Kosaken bis hierher bringen können?«

»Eine so große Abteilung ist nicht so leicht durchzubringen. Jede erste beste Fahne der Unsrigen hätte ihn ausgehalten.«

»Erstens konnte er durch die Wälder gehen, zweitens treiben sich genug Herren mit ihren Hofkosaken umher. Wer konnte sie und den Feind unterscheiden? Gewiß gaben sie sich auf Befragen für Hofbedienstete aus.«

»O, er wird sich wehren,« sagte einer der Gostschiewitsch, »denn er ist ein tapferer und resoluter Mensch, aber unser Obrist wird sich zu raten wissen.«

»Die Butryms haben sich auch verschworen, daß er ihnen nicht entgehen soll, und wenn sie alle über Haufen fallen sollten. Sie haben es besonders auf ihn abgesehen!«

»Bah! und wenn wir ihn totschlagen, an wem werden sie ihre Niederlage rächen? Es wäre besser, ihn lebendig zu fangen und der Gerechtigkeit auszuliefern.«

»Daran ist jetzt nicht zu denken, wo alle den Verstand verloren haben. Ist euch denn nicht bekannt, was die Leute sagen, daß auch die Schweden uns mit Krieg bedrohen?«

»Gott bewahre uns! Die russische Gewalt und Chmielnizki! Es fehlen nur noch die Schweden, um der Republik den Garaus zu machen.«

In diesem Augenblick wandte sich der vorausreitende Herr Wolodyjowski zurück und sagte:

»Stille dort!«

Die Männer schwiegen, denn Lubitsch kam in Sicht. Nach einer Viertelstunde waren sie auf ein Gewände Entfernung dem Schlosse nahegeschlichen. Alle Fenster waren erleuchtet, das Licht fiel bis auf den Hof, auf welchem allerhand bewaffnete Menschen und Pferde sich befanden. Nirgends fanden sich Wachen, nirgends ein Zeichen der Vorsicht; man sah, Herr Kmiziz vertraute allzu sehr seiner Macht. Als sie noch näher kamen, erkannte Herr Wolodyjowski auf den ersten Blick Kosaken, mit denen er so viel zu Lebzeiten des großen Jeremias und später unter Radziwill gekämpft hatte. Er brummte vor sich hin:

»Wenn das fremde Kosaken sind, so hat dieser Raufbold alles Maß überschritten!«

Er blickte genauer um sich, nachdem er der ganzen Abteilung Halt geboten. Im Hofe war ungeheures Leben. Die einen leuchteten mit Fackeln, andere liefen nach verschiedenen Seiten, in das Haus und wieder zurück, trugen Sachen heraus, packten sie auf die Wagen. Wieder andere führten Pferde und Vieh aus den Ställen: überall, von allen Seiten tönten Rufe, Befehle und Geschrei durcheinander. Der Glanz der Fackeln beleuchtete ein Bild, welches aussah wie der Johannisumzug eines Pächters, der von einer Pacht auf eine neue Besitzung geht.

Krystof Domaschewitsch, der Aelteste der Domaschewitsche, schlich sich an den Herrn Wolodyjowski heran.

»Ew. Gnaden!« sagte er, »sie wollen ganz Lubitsch auf die Wagen packen.«

»Aber sie werden sie nicht fortfahren,« entgegnete Herr Wolodyjowski, »nicht nur die Wagen nicht, sondern auch das eigene Fell nicht. Ich erkenne jedoch Kmiziz, den erfahrenen Soldaten, nicht wieder; er hat keine einzige Wache aufgestellt!«

»Weil er sich sicher fühlt. Mir scheint, es sind über dreihundert Leute bei ihm. Wären wir nicht zufällig beurlaubt, er hätte am hellen Tage die Wagen durch die Stellen hindurchfahren können.«

»Gut!« sagte Herr Wolodyjowski. »Nicht wahr, es führt nur dieser eine Weg zum Hofe?«

»Nur dieser. Nach hinten zu liegen Teiche und Sümpfe.«

»Das ist gut! Absitzen!«

Dem Befehl gehorsam waren die Adligen gleich aus dem Sattel, hatten sich bald darauf zu einer langen Linie formiert und fingen an, das ganze Gehöft zu umzingeln.

Herr Wolodyjowski rückte mit der Hauptabteilung gerade auf den Eingang vor.

»Wartet auf das Kommando!« rief er leise. »Schießt nicht vorher!«

Nur wenige Schritte trennten sie noch vom Thor, als sie endlich vom Hofe her wahrgenommen wurden. Mehrere Männer kamen gleichzeitig an die Zäune, bückten sich über dieselben, indem sie angestrengt in das Dunkel blickten, und drohende Stimmen fingen an zu rufen:

»He, wer seid ihr?«

»Halt!« rief Herr Wolodyjowski, »Feuer!«

Aus allen Büchsen, welche die Adligen besaßen, blitzte es auf; aber noch war das Echo des Knalls nicht verhallt, als schon wieder die Stimme des Herrn Wolodyjowski ertönte:

»Im Laufschritt!«

»Schlagt! schlagt tot!« erwiderten die Landaer und stürmten vorwärts wie ein Wolkenbruch.

Die Kosaken erwiderten die Schüsse, hatten aber nicht Zeit, von neuem zu laden. Eine Menge Adliger stürmte zum Thor herein, welches sogleich unter dem Druck der Drängenden zusammenbrach. Der Kampf begann im Hofe, mitten zwischen Wagen, Pferden und Gepäck. Zuerst drangen die mutigen Butryms vor, welche im Handgemenge von grausamer Stärke und die erbittertsten Feinde des Herrn Kmiziz waren. Sie stürmten vorwärts wie eine Heerde Wolfshunde, die durch eine junge Schonung jagt, alles niedertretend, brechend, vernichtend in blinder Wut; dicht hinter ihnen die Domaschewitsch und Gostschiewitsch.

Die Leute des Herrn Kmiziz wehrten sich tapfer hinter den Wagen und Gepäckstücken. Jetzt kamen auch Schüsse aus allen Fenstern des Hauses und vom Dache, aber vereinzelt, denn die niedergetretenen Fackeln erloschen, man konnte schwer Freund und Feind unterscheiden. Nach einer Weile waren die Kosaken vom Hofe in das Haus und die Ställe gedrängt. Rufe um Barmherzigkeit wurden laut. Die Landaer triumphierten.

Aber sobald sie allein auf dem Hofe zurückblieben, wurden die Schüsse vom Wohnhause her zahlreicher. Alle Fenster strotzten von Büchsenläufen und ein Kugelregen fiel auf den Hof.

»An die Mauern, an die Thüren!« rief Herr Wolodyjowski.

Thatsächlich konnten die Schüsse aus den Fenstern und vom Dache dicht unter den Mauern keinen Schaden anrichten. Immerhin war die Situation der Belagerer schwierig. Von einem Sturm auf die Fenster konnte keine Rede sein, dort hätten sie das Feuer direkt in das Gesicht bekommen. Herr Wolodyjowski befahl also, die Thüren einzuschlagen.

Aber auch das war nicht leicht, denn diese waren mit einem Vorlegeeisen, aus kreuzweise übereinandergelegten Querbalken hergestellt, versehen und mit riesengroßen Nägeln beschlagen, an deren mächtigen Köpfen sich die Aexte abstumpften, ohne das Holz zu treffen. Die stärksten Männer stemmten von Zeit zu Zeit ihre Schultern dagegen, aber umsonst. Die Thüren alle hatten auch von innen eiserne Vorlegestäbe und waren zum Ueberfluß noch mit Stangen verrammelt. Die Butryms hieben wie toll daraus los. Die Küchenthür und die Speicherthür stürmten die Domaschewitsche und Gostschiewitsche.

Nach einer Stunde vergeblicher Mühe lösten sich die Männer mit den Aexten ab. Einige Querbalken waren herausgehauen, an ihrer Stelle erschienen Büchsenläufe. Wieder knallten Schüsse. Zwei von den Butryms stürzten mit durchschossener Brust zu Boden. Die anderen hieben, statt dadurch verwirrt zu werden, desto verbissener drein.

Auf Befehl des Herrn Wolodyjowski verstopfte man die Oeffnungen mit den Kapuzen. Eben ertönte ein neues Kriegsgeschrei vom Wege her. Die Stajkanows eilten ihren Brüdern zu Hilfe, hinter ihnen, dicht auf dem Fuße, folgten die bewaffneten Bauern aus Wodockt.

Die Ankunft dieser Hilfstruppen wirkte ersichtlich beängstigend auf die Belagerten, denn bald darauf ertönte eine Donnerstimme hinter der Thür:

»Halt da! Laßt die Aexte ruhen! Hört! ... Stille doch, bei hundert Teufeln! ... Verständigen wir uns!«

Wolodyjowski befahl, innezuhalten, und fragte:

»Wer spricht dort?«

»Der Fahnenträger von Orschan, Kmiziz!« lautete die Antwort. »Mit wem habe ich es zu thun?«

»Mit dem Obristen Michael Georg Wolodyjowski.«

»Seid mir gegrüßt!« lautete die Antwort.

»Wir haben keine Zeit, Begrüßungen auszutauschen ... Was wollt ihr?«

»Es käme mir zu, zu fragen, was ihr wollt. Ihr kennt mich nicht, ich kenne euch nicht ... weshalb überfallt ihr mich?«

»Verräter!« rief Wolodyjowski. »Mit mir sind sämtliche Männer der Lauda, welche aus dem Kriege heimgekehrt sind, und diese wollen abrechnen mit euch wegen des Mordes, des unschuldig vergossenen Blutes und wegen dieses Fräuleins, welches ihr jetzt geraubt habt! Wißt ihr, was das heißt, ein Mädchenraub? Ihr müßt das mit eurem Halse büßen?«

Eine Pause trat ein.

»Ihr würdet mich nicht zum zweiten Male Verräter nennen,« begann Kmiziz wieder, »wenn diese Thür uns nicht trennte.«

»So öffnet sie ... ich wehre es euch nicht!«

»Vorher soll noch mancher laudaische Hund die Beine strecken. Lebendig bekommt ihr mich nicht.«

»So wollen wir euren Leichnam an den Haaren herausziehen. Es ist uns alles einerlei!«

»Hört einmal zu, Herr, und merkt euch gut, was ich sage. Wenn ihr nicht von uns absteht, so habe ich hier noch ein Fäßchen Pulver und eine glimmende Lunte. Ich sprenge das Haus, mich selbst und alles, was im Hause ist, in die Luft, so wahr mir Gott helfe! Nun holt mich!«

Jetzt dauerte die Pause etwas länger. Herr Wolodyjowski suchte vergeblich nach einer Antwort. Die Adeligen sahen einander erschreckt an. Es lag so viel wilde Entschlossenheit in den Worten Kmiziz', daß alle an die Drohung glaubten. Der ganze Sieg konnte mit einem Pulverkorn in die Luft fliegen, das Fräulein Billewitsch auf ewig verloren gehen.

»Bei Gott!« brummte einer der Butryms, »er ist ein wahnwitziger Mensch! Er ist im Stande, das zu thun!«

Plötzlich kam dem Herrn Wolodyjowski, wie ihm selbst schien, ein guter Gedanke.

»Es giebt ein anderes Mittel, die Sache auszugleichen!« rief er. »Kommt heraus, Verräter, wir beide wollen unsere Säbel an uns versuchen. Besiegt ihr mich, so habt ihr freien Abzug.«

Eine Zeit lang kam keine Antwort. Die Herzen der Laudaer schlugen unruhig.

»Auf Säbel also?« fragte endlich Kmiziz. »Das kann geschehen.«

»Das wird geschehen, wenn euch nicht vorher das Kanonenfieber befällt.«

»Auf Ehrenwort, habe ich freien Abzug?«

»Auf Ehrenwort!«

»Das darf nicht geschehen!« schrieen einige unter den Butryms.

»Still dort, bei hundert Teufeln!« fuhr Herr Wolodyjowski sie an. »Wenn nicht, so mag er sich und euch dazu in die Luft sprengen.«

Die Butryms verstummten; nach einer Weile sagte einer von ihnen:

»Sei es, wie Ew. Gnaden wollen ...«

»Was giebt es?« fragte Kmiziz spöttisch. »Willigen die Grauröcke ein?«

»Sie schwören auf ihre Schwerter, wenn ihr es verlangt.«

»So mögen sie schwören.«

»Hierher! Zu Haufen!« rief Herr Wolodyjowski dem Kleinadel zu, welcher, an die Mauer lehnend, das ganze Haus umgab.

Im Augenblick waren alle vor der Hauptthür versammelt; bald war die Kunde, daß Kmiziz sich in die Luft sprengen wolle, allgemein bekannt gemacht. Wie in Stein verwandelt standen alle die Männer vor Grausen. Unterdeß tönte Herrn Wolodyjowskis erhobene Stimme durch die Grabesstille:

»Euch alle anwesende Adelige nehme ich zu Zeugen, daß ich Herrn Kmiziz, Fahnenträger von Orschan, zum Zweikampfe fordere und ihm verspreche, daß, wenn er mich schlägt, er von euch unbehindert freien Abzug erhält. Das sollt ihr, die Hand am Säbelgriff, ihm schwören, bei dem höchsten Gotte und dem heiligen Kreuze.«

»Wartet einmal!« rief Kmiziz, »freien Abzug samt allen meinen Leuten und unter Mitnahme des Fräuleins.«

»Das Fräulein bleibt hier!« entgegnete Herr Wolodyjowski, »die Leute bleiben die Gefangenen des Adels.«

»Das kann nicht sein.«

»So sprengt euch in die Luft! Das Fräulein haben wir schon verschmerzt, und was die Leute betrifft, so fragt sie, was sie vorziehen ...«

Wieder trat Schweigen ein.

»Sei es denn!« sagte nach einer Weile Kmiziz. »Nehme ich sie heute nicht mit, so hole ich sie nach einem Monat. Ihr könnt sie nicht unter die Erde verbergen! Schwört!«

»Schwört!« wiederholte Herr Wolodyjowski.

»Wir schwören beim höchsten Gotte und dem heiligen Kreuz. Amen!«

»Nun kommt, kommt heraus!« sagte Herr Wolodyjowski.

»Habt ihr so große Eile ins Jenseits?«

»Schon gut, nur macht schnell!«

Die eisernen Stäbe, welche die Thür von innen hielten, begannen zu klirren.

Herr Wolodyjowski mit dem Adel trat zurück, um Platz zu schaffen. Bald wurde die Thür geöffnet; in ihrem Rahmen erschien Herr Andreas, hoch und schlank wie eine Pappel. Es dämmerte schon und die ersten Streiflichter des beginnenden Tages fielen auf sein stolzes, ritterliches und junges Gesicht. Dreisten Auges blickte er auf die Schar Adeliger und sagte:

»Ich vertraute euch ... Gott weiß, ob ich Recht gethan damit, aber das ist Nebensache! ... Wer von euch ist Herr Wolodyjowski?«

Der kleine Obrist trat vor.

»Ich bin es!« antwortete er.

»Oho! Ihr seht nicht wie ein Riese aus,« sagte Kmiziz, den kleingewachsenen Ritter betrachtend. »Ich erwartete, eine ansehnlichere Figur zu finden, obgleich ich bekennen muß, daß ihr ein erfahrener Soldat zu sein scheint.«

»Ich kann von euch das Gleiche nicht behaupten, denn ihr versäumtet, Wachen aufzustellen. Wenn ihr den Säbel nicht besser zu führen versteht als das Kommando, so werde ich leichte Arbeit haben.«

»Wo stellen wir uns auf?« fragte Kmiziz lebhaft.

»Hier ..., der Hof ist eben wie ein Tisch.«

»Einverstanden! Bereitet euch zum Tode!«

»So sicher fühlt ihr euch?«

»Man sieht, daß ihr noch nicht im Orschanschen waret, da ihr daran zweifelt. Ich fühle mich nicht nur sicher, sondern bedaure euch herzlich, da ich von euch immer nur als von einem tapferen Soldaten gehört habe. Deshalb sage ich zum letztenmal: laßt mich! Wir kennen uns nicht, weshalb sollen wir uns die Wege verlegen, weshalb verfolgt ihr mich? Das Mädchen gehört mir laut Testament, ebenso das Gut, und Gott ist mein Zeuge, daß ich nur das Meinige fordere. Es ist wahr, daß ich die Adeligen in Wolmontowitsch ausgehauen habe; aber Gott allein mag richten, wer hier zuerst Böses that. Ob meine Offiziere Taugenichtse waren oder nicht, das ist Nebensache, genug, sie haben hier niemandem etwas Böses zugefügt; dennoch hat man sie allesamt erschlagen wie Hunde, dafür, daß sie im Wirtshause mit den Mädchen tanzen wollten. So mußte Blut um Blut fließen. Dann hat man mir auch meine Soldaten erschlagen. Bei den Wunden Jesu schwöre ich, daß ich ohne jegliche böse Absicht in diese Gegend kam, wie aber hat man mich empfangen? ... Aber Bosheit ist mit Bosheit gezahlt ... Es sei genug! Ich will das Meinige thun, den Schaden ersetzen, nachbarlich. Lieber will ich es so, als anders ...!«

»Was sind das für Mannschaften, die mit euch gekommen, woher habt ihr sie genommen?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Woher ich sie nahm, mag euch nicht kümmern. Nicht gegen das Vaterland habe ich sie geworben, sondern um meine Privatangelegenheiten zu ordnen.«

»So also seid ihr? ... Also um Privatangelegenheiten halber verbindet ihr euch mit dem Feinde? Und womit gedenkt ihr ihm diesen Dienst zu zahlen, wenn nicht mit Verrat? ... Nein, Brüderchen, ich würde euch nicht daran hindern, Verhandlungen mit diesen Adligen zu beginnen, aber den Feind zu Hilfe zu rufen, das ist doch eine andere Sache. Ihr macht mir keinen Wind vor. Macht euch nur bereit oder ich behaupte, ihr seid ein Hasenfuß, obgleich ihr euch für den Meister der Fechtkunst im Orschanschen ausgebt.«

»Ihr wollt es!« sagte Kmiziz, sich in Kampfpositur stellend.

Aber Herr Wolodyjowski hatte es nicht eilig, den Säbel zu ziehen; er besah erst ringsum das Firmament. Der Morgen graute eben. Im Osten zog eben der erste leuchtend gelbe Streifen herauf, wie ein Lichtband; auf dem Hofe dagegen war es noch dunkel und namentlich vor dem Hause lagen noch tiefe Schatten.

»Der Tag fängt gut an,« sagte Herr Wolodyjowski, »aber die Sonne geht noch so bald nicht auf. Vielleicht wünscht ihr, daß man uns leuchtet.«

»Das ist mir einerlei.«

»Meine Herren!« rief Herr Wolodyjowski, sich zu seinen Gefährten wendend, »springt doch nach Strohwischen und Kien, damit es heller werde zu diesem Orschaner Tanz.«

Die Adligen, welchen der scherzhafte Ton des jungen Obristen Mut eingeflößt hatte, liefen eilig nach der Küche. Einige sammelten die während des Gefechts ausgetretenen Fackeln und in kurzer Zeit leuchteten nahezu fünfzig Lichter durch die Morgendämmerung. Herr Wolodyjowski wies sie Herrn Kmiziz mit dem Säbel.

»Seht, der leibhaftige Leichenzug!«

Und Kmiziz entgegnete sofort:

»Es giebt einen Obristen zu beerdigen, da darf es an Pomp nicht fehlen!«

»Ein grausamer Drache seid ihr!«

Unterdeß hatten die Adligen einen Kreis um die Ritter gezogen. Alle hielten die Lichter hoch und hinter ihnen plazierten sich die Neugierigen und Unruhigen. Mitten drinnen maßen sich die Gegner mit den Augen. Unheimliche Stille umfing alles, nur kleine Feuerfunken fielen knisternd zu Boden. Herr Wolodyjowski war vergnügt wie ein Stieglitz am heiteren Morgen.

»Legt aus!« sagte Kmiziz.

Das erste Klirren tönte in den Herzen aller Zuschauer wieder. Herr Wolodyjowski holte nachlässig aus, Herr Kmiziz parierte den Schlag, gab den Hieb zurück, welchen nun Herr Wolodyjowski parierte. Das rasselnde Klirren wurde immer schneller hörbar. Alle hielten den Atem an. Kmiziz machte wütende Ausfälle, Herr Wolodyjowski dagegen stand still, den linken Arm über den Rücken gelegt, und bewegte sich nur nachlässig, fast unmerklich. Es sah aus, als wollte er sich nur decken und gleichzeitig den Gegner schonen – zuweilen trat er einen kleinen Schritt zurück, zuweilen vor, ersichtlich bemühte er sich, die Fertigkeit des Gegners zu prüfen. Jener erhitzte sich, dieser blieb kühl, wie der Meister, der den Schüler prüft, und immer kühler. Endlich begann er zum großen Erstaunen der Umstehenden zu sprechen:

»Wir wollen plaudern,« sagte er, »und uns damit Kurzweil schaffen ... Aha! Das also ist Orschaner Methode? ... Man merkt, daß ihr dort selbst eure Erbsen dreschen müßt, denn ihr schlagt zu wie mit dem Dreschflegel. Ihr macht euch ja ganz marode. Seid ihr denn wirklich der beste Schläger dort? Dieser Hieb ist mir bei den Knechten des Tribunals gebräuchlich ... Dieser in Kurland ... er genügt, einen Hund sich vom Leibe zu halten. Achtet auf die Spitze eures Säbels, Herr ... beugt die Faust nicht so, denn seht, was geschieht ... Hebt auf!«

Die letzten Worte sprach Herr Wolodyjowski mit Nachdruck; gleichzeitig beschrieb er einen Halbkreis, zog die Faust mit dem Säbel an sich, und ehe noch die Zuschauenden begriffen, was das »Hebt auf« bedeuten solle, flog schon der Säbel des Herrn Kmiziz wie eine ausgefädelte Nähnadel über Herrn Wolodyjowskis Kopf hinweg und fiel hinter ihm nieder. Er aber sagte:

»Das heißt man: den Säbel ausschulen.«

Kmiziz stand bleich, mit irren Blicken, schwankend; ebenso verwundert sah der Laudasche Adel drein. Der kleine Obrist aber trat seitwärts, und auf den am Boden liegenden Stahl deutend, wiederholte er:

»Hebt ihn auf!«

Einen Augenblick schien es, als wollte Kmiziz sich mit bloßen Händen auf den Gegner werfen. Schon war er zum Sprunge bereit, schon hielt Herr Wolodyjowski mit an die Brust gedrückter Faust ihm die Spitze des Säbels entgegen, aber Herr Kmiziz stürzte nach seinem Säbel und sprang mit diesem wieder dem furchtbaren Gegner entgegen.

Lautes Geräusch erhob sich im Kreise der Schauenden, der Kreis verengerte sich immer mehr, hinter ihm bildete sich ein zweiter und dritter. Die Kosaken des Herrn Kmiziz steckten ihre Köpfe zwischen den Schultern der Adligen hindurch, als hätten sie stets in bestem Einvernehmen gelebt. Wider Willen entrissen sich Kampfeszurufe ihren Lippen, zuweilen auch erschallte ein unbändiges, nervöses Gelächter, alle erkannten den Meister der Meister. Dieser aber spielte grausam, wie die Katze mit der Maus, und schwang scheinbar den Säbel immer nachlässiger. Die linke Hand hatte er hinter dem Rücken fortgenommen und in die Hosentasche gesteckt. Kmiziz schäumte, ächzte, endlich stieß er heisere Worte zwischen den Zähnen hervor:

»Macht ein Ende, spart die Schande! ...«

»Gut!« sagte Wolodyjowski.

Ein kurzes Sausen wurde hörbar, ein gräßlicher, gedämpfter Schrei darauf, und gleichzeitig breitete Kmiziz die Arme aus, der Säbel fiel ihm aus der Hand und er stürzte auf das Antlitz vor die Füße des Obristen.

»Er lebt!« sagte Wolodyjowski, »er fiel nicht rücklings.«

Und indem er einen Zipfel vom Rocke des Herrn Kmiziz faßte, wischte er seinen Säbel damit ab.

Ein Gebrause erhob sich unter den Adligen und immer deutlicher lösten sich aus demselben einzelne Rufe:

»Schlagt den Verräter vollends tot! Erschlagt ihn! Haut ihn in Stücke!«

Und einige der Butryms liefen mit gezogenen Säbeln herbei. Plötzlich geschah etwas Wunderbares. Man hätte meinen sollen, der kleine Herr Wolodyjowski wachse zusehends. Der Säbel des ihm zunächst stehenden Butrym flog aus der Hand desselben, ähnlich demjenigen des Herrn Kmiziz, als hätte ein Sturmwind ihn weggefegt. Herr Wolodyjowski aber schrie mit blitzenden Augen:

»Weg da! ... Weg da! ... Jetzt ist er mein, nicht euer ... Fort!«

Alles schwieg, den Zorn dieses Mannes fürchtend. Er aber fuhr fort:

»Eine Schlächterei kann ich hier nicht brauchen! ... Ihr, die ihr von Adel seid, müßtet doch Kavalierbrauch verstehen und wissen, daß man Verwundete nicht erschlägt. Das thut man selbst dem Feinde nicht, geschweige denn dem im Zweikampfe besiegten Gegner.«

»Er ist ein Verräter!« brummte einer der Butryms, »den muß man erschlagen.«

»Wenn er ein Verräter ist, dann muß er dem Hetman ausgeliefert werden, damit er, ein Beispiel für andere, seine Strafe erdulde. Uebrigens, ich sagte euch schon: er gehört mir! Wird er gesund, so dürft ihr eure Schadloshaltung bei den Gerichten nachsuchen und dort dürfte auch der Lebende besseren Ersatz bieten können als der Tote. Wer kann einen Verband anlegen?«

»Kschych Domaschewitsch. Er versieht seit langem alle in der Lauda.«

»Er soll ihn gleich verbinden, dann auf ein Lager betten, und ich werde gehen, dieses unglückselige Mädchen zu trösten.«

Indem er das sagte, schob Herr Wolodyjowski seinen kleinen Säbel in die Scheide und schritt durch die zertrümmerte Thür in das Haus. Die Adligen fingen nun die Leute des Herrn Kmiziz, welche von jetzt ab den Acker der Stellenbesitzer pflügen sollten, ein, und banden sie mit den Säbelschnüren. Sie ergaben sich alle widerstandslos, nur einige, welche aus den hinteren Fenstern des Hauses nach den Teichen entfliehen wollten, wurden dort von den wartenden Stajkanows aufgefangen. Gleichzeitig beraubten die Adligen die Wagen, auf denen sich reiche Beute fand; einige rieten auch, das Haus zu plündern, aber man fürchtete Herrn Wolodyjowski, und die Gegenwart des Fräuleins hielt selbst die Dreistesten zurück. Ihre Gefallenen, unter denen sich drei derer von Butrym und zwei von den Domaschewitsch befanden, legten die Adligen auf die Wagen, um ihnen ein christliches Begräbnis auszurichten; für die erschlagenen Feinde ließen sie ein Grab hinter dem Garten graben.

Herr Wolodyjowski durchsuchte nach dem Fräulein das ganze Haus und fand sie endlich in der Schatzkammer, in einer Ecke des Hauses gelegen, zu welcher eine kleine, schwere Thür aus dem Schlafzimmer führte. Sie war ein kleines, im Quadrat gebautes Gemach mit schmalen, dicht vergitterten Fenstern und von so dickem Mauerwerk, daß Herr Wolodyjowski sofort erkannte, daß für den Fall, Kmiziz hätte sein Vorhaben ausgeführt, dieses Gemach vom Pulver verschont geblieben wäre. Das gab ihm eine bessere Meinung von Kmiziz. Das Fräulein saß auf einem Kasten nahe der Thür. Sie hielt den Kopf gesenkt, das Gesicht war fast ganz von dem herabhängenden Haar verdeckt und sie erhob ihn auch nicht, als sie die Schritte des eintretenden Ritters vernahm. Sie glaubte sicher, es sei Kmiziz selbst oder einer seiner Leute. Herr Wolodyjowski blieb in der Thür stehen, nahm die Mütze ab, hüstelte ein um das andere Mal, und als er sah, daß das nichts nutzte, sagte er:

»Gnädiges Fräulein, ihr seid frei!«

Da blickten unter dem wirren Haare hervor zwei himmelblaue Augen auf den Ritter, dann tauchte aus demselben ein schönes, bleiches Gesicht, welches jedoch ganz verstört aussah. Herr Wolodyjowski erwartete Danksagungen, einen Ausbruch der Freude. Aber unbeweglich, mit irrem Blick, saß das Fräulein da und der Ritter sprach daher wieder:

»Kommt zu euch, gnädiges Fräulein. Gott wachte über der Unschuld ... Ihr seid frei und könnt nach Wodockt zurückkehren.«

Diesmal lag in ihrem Blick etwas mehr Verständnis. Sie stand auf, schüttelte das Haar aus dem Gesicht und fragte:

»Wer seid ihr?«

»Michael Wolodyjowski, Dragoner-Obrist des Wojewoden von Wilna.«

»Ich hörte einen Kampf, Schüsse ... Sprecht, Herr!«

»So ist es. Wir kamen zu eurer Rettung.«

Jetzt kam das Fräulein Billewitsch völlig zur Besinnung.

»Ich danke euch, Herr!« sagte sie eilig mit leiser Stimme, durch welche eine tödliche Unruhe herausklang. »Und was geschah mit jenem? ...«

»Mit Kmiziz? Fürchtet nichts, gnädiges Fräulein, er liegt entseelt auf dem Hofe, und – ich habe das, ohne mich rühmen zu wollen, vollbracht.«

Wolodyjowski sagte das mit einem gewissen Stolz, aber wenn er Bewunderung erwartet hatte, so täuschte er sich grausam. Das Fräulein entgegnete kein Wort, dagegen schwankte sie, suchte mit den Armen eine Stütze, dann fiel sie schwer auf denselben Kasten nieder, von welchem sie vor einem Augenblick aufgestanden war.

Der Ritter sprang ihr zu Hilfe:

»Was fehlt euch, gnädiges Fräulein?«

»Nichts ... nichts ... Wartet einmal ... Erlaubt ... Ihr also habt Kmiziz erschlagen?«

»Was kümmert mich der Herr Kmiziz!« unterbrach sie Wolodyjowski, »hier handelt es sich um euch!«

Da kehrten ihr plötzlich die Kräfte zurück, denn sie erhob sich wieder, und ihm fest in die Augen blickend, rief sie zornig, ungeduldig, verzweifelt:

»Beim lebendigen Gotte, sprecht! Ist er tot?«

»Herr Kmiziz ist verwundet,« entgegnete verwundert Herr Wolodyjowski.

»Lebt er?«

»Er lebt!«

»Gut! Ich danke euch ...«

Und wankenden Schrittes wandte sie sich der Thür zu. Wolodyjowski stand einen Augenblick den Schnurrbart drehend und kopfschüttelnd da; endlich brummte er für sich:

»Ob sie mir wohl dafür dankt, daß Kmiziz verwundet ist, oder dafür, daß er lebt?«

Dann ging er ihr nach. Er fand sie inmitten des Schlafgemaches wie zu Stein geworden dastehen. Vier von den Adligen trugen eben Herrn Kmiziz herein: die beiden ersten, seitwärts schreitend, erschienen in der Thür. Zwischen ihren Armen hing schlaff der bleiche Kopf des Herrn Andreas herab, mit geschlossenen Augen und Stücken geronnenen Blutes in den Haaren.

»Langsam dort!« sagte der hinter ihnen kommende Kschych Domaschewitsch, »langsam über die Schwelle. Haltet ihm den Kopf in die Höhe. Langsam!«

»Womit sollen wir ihn halten, wenn wir die Hände nicht frei haben,« erwiderten die vorne.

In diesem Augenblick näherte sich Fräulein Alexandra, ebenso bleich wie Kmiziz, und legte ihm beide Hände unter das leblose Haupt.

»Es ist das Fräulein!« sagte Kschych Domaschewitsch.

»Ich bin es,« antwortete sie leise, »vorsichtig.«

Herr Wolodyjowski sah zu und drehte krampfhaft am Schnurrbart.

Man hatte Kmiziz auf das Lager gelegt. Kschych Domaschewitsch wusch ihm den Kopf mit Wasser, darauf legte er das bereitgehaltene Pflaster auf die Wunde und sagte:

»Laßt ihn jetzt nur ruhig liegen ... Das ist ein eiserner Kopf, da er von solchem Hiebe nicht mitten entzwei sprang. Vielleicht wird er gesund, er ist noch jung. Aber gut hat er es abbekommen ...«

Dann wandte er sich an Olenka.

»Erlaubt, Fräulein, daß ich euch die Hände wasche ... Hier ist Wasser. Ihr habt ein mitleidiges Herz, da ihr wegen dieses Menschen euch nicht scheutet, die Hände blutig zu machen.«

Während er das sagte, trocknete er ihre Hände mit einem Tuche ab. Sie wurde zusehends bleicher. Wieder sprang Wolodyjowski ihr zu.

»Das ist nichts für euch, Fräulein! Ihr habt eure Barmherzigkeit dem Feinde erwiesen, jetzt kehrt zurück in euer Haus.«

Er reichte ihr den Arm, sie aber würdigte ihn keines Blickes, sondern wandte sich an Kschych Domaschewitsch und sagte:

»Führt mich hinaus, Herr Krystof!«

Beide gingen hinaus, Herr Wolodyjowski schritt hinterdrein. Bei ihrem Anblick fingen die Adligen auf dem Hofe an, Vivatrufe auszustoßen. Olenka aber schritt bleich, wankend, mit aufeinander gepreßten Lippen und sprühenden Augen vorwärts.

»Es lebe unser Fräulein! Es lebe unser Obrist!« riefen mächtige Stimmen.

Eine Stunde später kehrte Herr Wolodyjowski an der Spitze der Laudaer zu den Stellen zurück. Die Sonne war schon aufgegangen, der Morgen ein fröhlicher, wahrhafter Frühlingsmorgen. Die Laudaer trotteten in ungeordneten Haufen die Straße lang und plauderten von den Vorfällen der verflossenen Nacht, indem sie die Thaten des Herrn Wolodyjowski bis zum Himmel erhoben, während er selbst schweigsam und gedankenvoll daherritt. Ihm wollten diese Augen, welche hinter den herabhängenden Haaren hervorgeschaut, diese schlanke, majestätische und doch so schmerzgebeugte Gestalt nicht aus dem Sinn.

»Sie ist wunderschön,« murmelte er für sich, »eine leibhaftige Fürstin. Hm! ich rettete ihre Tugend und auch wohl ihr Leben, denn hätte auch das Pulver die Schatzkammer nicht zerstört, so wäre sie aus purer Angst gestorben ... Sie sollte dankbar sein ... Wer könnte aber aus so einem Weiberkopfe klug werden ... Sie sah mich an wie einen Bediensteten ... war es aus Stolz oder in der Verwirrung?«

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