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Ausklang

Nur drei Monate war ich dann Braut und nochmals in Graz, das mir plötzlich so klein schien. Die äußere Wende in meinem Leben wurde mir nur langsam bewußt. Der Schwall der, einem wütenden Neid entsprossenen, anonymen Briefe, die wir Beide über einander erhielten, war groß. Zahlreich die Stimmen, die hämisch sagten: »Nun hat sie's nicht mehr nötig, im Luxus wird sie untergehen. Jedes Talent verkommt, dem es gut geht.« Mein Verlobter lag aber krank in Wien, ich durfte ihn wochenlang nicht sehen; wiederkehrende Störungen, Folgen der Nervenentzündung meldeten sich. Seine Grüße kamen täglich. Ich saß in der Villa Benedek, dem schönen Hause, vom Park umrauscht, von Kunstschätzen erfüllt, in dem so viele Menschen gestorben waren in den letzten Jahren. Saß an des Feldherrn Schreibtisch und schrieb dort meine langen, inhaltreichen Briefe. Wie still war es in diesem großen Zimmer, und doch wie beseelt von geheimem Leben. Hier, an diesem Schreibtisch hatte der Feldmarschall gesessen in der schrecklichen Schicksalsstunde, als Erzherzog Albrecht vor ihm stand, das Opfer seiner Soldatenehre fordernd, die freiwillige Aufgabe jeder Rechtfertigung über den verlorenen Feldzug, die Schlacht bei Königgrätz. – Im Ofen dort waren die Telegramme der entscheidenden letzten Tage verbrannt worden, die aus Wien geheim ins Hauptquartier unausgesetzt an Unberufene kamen, über den Feldherrn hinweg, eingreifend in seine Befehle! Diese Ankläger mußten aus der Welt geschafft werden. Ein Offizier und Untertan hatte sich zu opfern für seinen Kaiser, der sich hier geliebt wußte, wie von niemandem. An diese Liebe pochte man. Der Mann, der die geschichtliche Schuld auf sich geladen, daß der Vertreter der Dynastie ihm mehr gewesen war, als das Land, hatte nun die Konsequenzen dieser großen, unendlichen Liebe zu tragen. Benedek ist darauf eingegangen. Er gab alle Beweise hin, mit denen er eine Welt hätte in Entrüstung versetzen, sich selber glänzend entsühnen können. – Mein Brief, den ich schreibe, liegt auf einem Tintenfleck. Hier wurde das Tintenfaß von einer zitternden Hand umgestoßen. Hier brach ein Mensch zusammen, um schweigend zu sterben. Viele gab es, die wußten um die Heldengröße seiner Tat.

Ich saß da stundenlang, wie eingesponnen; zwischen hohen Palmen, die leise zitterten, und Veilchen, die duftend in edlen Gläsern standen um mich eine Welt von Schönheit und Leid. Ein fortgesetztes Mahnen: Du mußt wachsen. Wert werden deiner neuen Umwelt. Starke Vorsätze erfüllten mich ganz.

Es war der Wunsch meines Verlobten, daß ich in seinem Hause viele Stunden verbringe. Der alte Diener des toten Feldherrn lebte noch. Die treue Dienerin lebte, die lange Jahre Freude und Schmerzen, Glanz und Fall mitgetragen hatte. Das waren weltfremde Menschen, sie spannen in der Vergangenheit.

Ich aber lernte so, langsam, mit einem unbeschreiblichen inneren Freiwerden, mit einer tiefen Beglückung zu verstehen: Mir wurde hier ein Weg vorgezeichnet, auf dem ich eine Mission erfüllen, meinen Dank abtragen konnte für das Geschenk einer Begabung.

 

Ende des ersten Buches.

 



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