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Bauerntum

Ihr Bauernhöfe mit dem Obstmostgarten, eingebettet in grünen, sauren oder in unergiebigen Bergwiesen; ihr großen Höfe, umsponnen von Wein, dessen Trauben niemals reifen, ihr seid ein Stück meiner Jugendwelt. In eure Dämmerungen hab' ich mich gestohlen, aus dem Schlosse fort, wo es nur anging, wieder und wieder. Eure Menschen waren mein erstes, echtes, wirkliches Stück erlebtes Menschentum.

Ich habe euer Innenleben gekannt in der Schwere der Arbeit, der Festlust eurer Hochzeiten und Taufen. Der feierlichen Sonderbarkeit eurer Totenmahle. Der derben Munterkeit eurer Kegelscheiben- und Schießfeste.

Die Frömmigkeit sah ich und den Aberglauben, das Festhalten an Brauch, die Abneigung gegen Fortschritt und fremde Art, gegen Eisenbahn sogar und Telegraph. Das Herrentum uralter Zeiten, wo trotz allem Robot und Hörigkeitsunfug der Bauernstolz dennoch nicht zu töten war. Aus den Finsternissen der Religions- und Bauernkriege wehte es noch unvergessen gewitterig herüber. Nach außen war die Art wortkarg, trocken, oft spöttisch, leicht ablehnend. Aber wer Vertrauen genoß, sich einpaßte, der wurde mit einer großen Gastlichkeit aufgenommen. Die Moral war streng für die verheiratete Frau, hielt die Ehe überhaupt hoch in Ehren. Der Jungfrauen gab es nicht allzuviele, das uneheliche Kind betrübte weiter nicht. Es lief herum mit den anderen »klean Leiteln« und den Haustieren; es wuchs heran, arbeitete mit. Oft spät, und fast nie aus Neigung wurden die Ehen geschlossen; das Bild des blutjungen Mannes, der mit der ältlichen Bäurin einen Hof erwarb, stand fest. Der Militärdienst ging an den Burschen ziemlich spurlos vorüber, die politische Gesinnung war von großer Gleichgültigkeit. Die Frauen ließen sich von dem Pfarrer leiten und beeinflußten ihre Männer, soweit es anging. Aber es gab kluge, harte und spöttische Eigenbrötler, leise Hetzer auch unter denen. Wortknappe Leute, die den Priester wohl höflich empfingen, ihn lange reden ließen, während die Bäurin auftrug, ihn anblinzelten hinter der Messingbrille, daß er nicht klar wurde, woran er war. Wer zwischen elf und zwölf vormittags durch die Wälderbreiten, die Felder hinging, der hörte aus jedem Bauernhaus ein einförmig rhythmisches Summen und Murmeln. Das war das Tischgebet. Auf dem Brotlaib ein Kreuz, der Weihbrunn an der Türe – das fehlte nirgends. Witzige Bauern gab es auch. Sie redeten jedem nach dem Munde, foppten Gutsherren, Steueramt, Behörden. Ihre Spitznamen waren bekannter als die wirklichen. Taufen, Heiraten, Sterben, Kegelschieben und Schießen war neben der Arbeit ihr Lebensinhalt. Norbert Purschka, der alte Dekan von Waldneukirchen; des Landes großer Erkenner, und Dichter Stelzhamer mit seinen Werken, haben das Wesen des deutschösterreichischen Volkes geoffenbart mit Seheraugen. Seine Heimatliebe, seine Vorurteile, gegen die dieser Priester furchtlos auftrat, sein langsam tastendes Schreiten. Die politische Schwere und Ungeeintheit, die das Aufblühen einer kampffähigen Partei verhinderte. An der Spitze tüchtiger Leute standen immer wieder ungenügende, nicht einwandfreie Elemente, Stadtleute, Advokaten mit Eigeninteressen. Ihnen war die Sache des deutschen Bauernstandes nicht das Wichtigste. Es fehlte als bodenständiger Führer der deutsche Adel des Landes, der gemeinsame Interessen mit dem Bauernstand vertrat. Zusammenhalt, einiges Vorgehen im Daseinskampf um Existenzrechte war nicht zu erzielen. In den entscheidenden achtziger Jahren, vor dem Hereinbrechen der Auflösungen und Zersplitterungen, wurde, aus Verständnislosigkeit, nicht ernst gerüstet. Oberösterreich mobilisierte seine Geister nicht.

So kam es, daß, was an Begabungen, Charakteren und Bestrebungen sich regte, nach fruchtlosen Versuchen hinausging, über die schwarzgelben Pfähle in andere Länder, sich in Deutschland Gelegenheit zum Reifen, zu erfolgreicher Arbeit suchte; aber auch das Heimweh nicht los wurde nach dem Vaterland. Die Bauernfrage, unsere deutsche Volksfrage, hat meinen Vater unermüdlich beschäftigt; wo er konnte, verhinderte er das Zerfallen der Bauerngüter, hemmte den Raubgriff nach den Kleinhöfen, die verständnislose Willkür des Staates Hilflosen gegenüber. Er ging in die Höfe und Versammlungen – zu ihm kamen schwer wuchtenden Schritts die Fragenden: »Was fang i an? – I siach mi nimmer aus, der Bauer kimmt nit drauß mehr!«



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