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Wie der Österreicher seine Dynastie sah

Sie hatte in Ischl ihr Hoflager, jahraus, jahrein, in Oberösterreich, aber man muß nicht denken, daß unser Land etwas davon empfand, daß jemals der Kaiser, der Kronprinz, maßgebende Erzherzöge kamen, tiefer hinein in die Provinz, in ihr wirkliches Herz, um die deutschen Landesteile begreifen zu lernen. Das geschah nie! Es war ausgeschlossen. Wie mit einem eisernen Ring war die Ischler Gegend umgeben, abgesperrt von der übrigen Welt. Johann Orth, das erste zersetzende Glied der kaiserlichen Familie, der später verschwand und auf Meeren zugrunde ging, nachdem er, in zu aufrichtigen Worten, böses Blut in die Armee gebracht hatte; – Johann Orth war der einzige Prinz, der die Schlösser bereiste, studierte, über sie ein Buch herausgab. Über seine schwankende Gestalt, degeneriert, schadenfroh gegen das eigene Fleisch wütend, blieben die Meinungen immer geteilt. Als Mensch hatte er Wahrheitstrieb, sympathische Züge. Aber in ihm begann bereits die Verkommenheit des Lumpenlebens, die unseren Verheißungsvollsten, Rudolf, den Kronprinzen, zum Opfer wählte; begann bereits das Sinken des Prestiges, an dem das Erzhaus zugrunde ging. Johann Orth ist eine Erinnerung aus meiner Kindheit. Die Mutter, die, weil sie nicht hoffähig war, den Hof haßte, wollte keinen Erzherzog empfangen, sie legte sich als krank zu Bett bei der Anmeldung seines Besuches.

Wenn ich früh an langen, noch hellen Sommerabenden in meinem Bette lag, draußen der Brunnen rauschte, die Fledermäuse flogen im lindenbestandenen Hof, der Buchenwald hereinatmete, fühlte ich den Pulsschlag meines Landes, das nicht aufblühen wollte oder konnte, das wie gelähmt langsam abwärts ging, trotz prachtvoller Möglichkeiten. Immer wieder kam der Gedanke: So nah ist der Kaiser, mit ihm alle Macht, einem Volke den ihm gebührenden Platz zu geben. Deutsche Herren soll er um sich haben.

Er aber war nur Sommergast in Ischl, und nicht der einheimische Adel, nicht die Intelligenz des Landes waren um ihn, um ihm zu schildern, was wir brauchten. Den Weg zu ihm verstellend, umstanden ihn die Höflinge, die ihn sein Lebtag als Phalanx gegen die Stimmen der Wahrheit umgaben, die Mitglieder eines nur höfischen Adels aus fremdem Blut, an die in Reformationszeiten und später soviel deutscher Grundbesitz verschenkt worden ist, als man die rechtlichen Besitzer vertrieb. Nur Aristokraten umgaben den Monarchen, nur bestimmte, höfisch vollkommen gedrillte Herren, die einer Person, nicht dem Reiche dienten. Die Paars, Grünes, Crenvilles, Becks, Bellegardes, Bombelles, Hoyos; viele Polen, Ungarn, Welsche, Spanier, Portugiesen der Abstammung nach, deutschfremde Böhmen, schufen die Hofatmosphäre in alter Überkommenheit. Von dem wahren Innenleben, den heißen und hilflosen Wünschen seiner deutschen Provinzen wußte der Kaiser nichts. Durch ihr Deutschtum schon erweckten sie sein Mißtrauen. Immer fürchtete man, sie strebten zum Hohenzollernreich.

Aber eine Frau ist in Oberösterreich viel umhergewandert, vor jeder Beachtung zurückschreckend: Elisabeth, die Kaiserin.

Wenn ihre schlanke Mädchengestalt vor mir aufsteht, sehe ich sie im grünen Gebirgsrahmen meiner Heimat, an Almseen stehen, mit ihren traurigen Augen in die Tiefe starrend. Von großer Höh' herabblickend auf ein sehr stilles, noch unerwecktes Land. Sie ahnte etwas von der Seele dieses Landes. Selbst eine Tiefenttäuschte, menschenscheu und menschenfremd, einflußlos, trotz ihrer Stellung sogar als Frau und Mutter, ewig wandernd, heimatlos. Ihr Reiz lag in weit mehr als bloßer Schönheit. Sie war oft in der Gebirgstiefe des Stodder der Steyerling; mit den einfachsten Gebirgsleuten sprach sie ohne Scheu. Dieser Gattin, der man nach einem Jahr einer Liebesehe in eigener Familie grausam den Gatten nahm, ihren Einfluß fürchtend; diese Mutter, die ihren Sohn nicht erziehen durfte (man entriß ihn verderberisch ihrer Hand), war eine deutsche Natur, tief und gedankenvoll, hilflos der Niedrigkeit gegenüber. Wandern und Reiten statt segensreicher Taten füllten schließlich ihre Tage aus. Ihr kluges Auge sah hell in das national verwirrte Leben des Reiches. Zwischen dem Manne, den sie geliebt, und ihr türmten sich Schranken, die nichts mehr niederriß. Sie hatte Wien hassen gelernt, sie mißtraute dem höfischen Adel, und nach dem Tode ihres Sohnes mied sie ihn wie Gift. In die exklusive, lächerlich spanische Hofatmosphäre war das Judentum eingedrungen, ein griechisches Judentum übelster Sorte, in den Baldazzis, Vetscheras, den Händlern aus dem Süden. Nach den Rothschilds, die, die Metternich dem Hof aufdrängte, kamen diese Leute daran, – ihnen fiel der Kronprinz zum Opfer. Juden haben ihn Österreich genommen, dem deutschen Österreich, dessen Zukunft er sich zu widmen träumte, als er noch nicht im Schlamm versunken war, zu dem ein Bombelles und Konsorten ihm die Wege eifrig bahnten.

Ich schrieb als ganz junges Mädchen ein Buch über Ischl nach dortigen Sommereindrücken, ein unkünstlerisches, ungemäßigtes, aber ein wahres Buch aus elementaren Entrüstungen heraus, die mich damals überwältigt haben.

Ischl, das kaiserliche Ischl bestand aus zwei Menschengattungen: Juden und Aristokraten, ich setze die ersteren vor. Es waren die ersten Juden meines Lebens. In der Provinz gediehen keine. Nicht einmal die Hausierer da entstammten Israel. Dort aber, wo allsommerlich das Herz der Monarchie schlug, der Allerhöchste weilte, schloß sich um ihn und die Phalanx seiner Höflinge ein ungeheurer, immer anwachsender Kreis der verschiedensten Semiten, die Börsen- und Finanzwelt, gespeist aus hundert anderen, meist aus trüben Quellen. Ihre Fühler, Einflüsse, Verbindungen hinstreckend in den Hochadel, in eben den. Denn der war der Hof; es galt, unter ihm die Bohrer anzusetzen, die unterminieren sollten, was sechs Jahrhunderte bestanden. Wenn der Adel, die Vertrauensperson des Kaisers, käuflich wurde, war die Regierung, das Heer, war Österreich gekauft. –



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