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Rastlosigkeit

Die alte Gräfin Hoyos war gestorben, eingeschlafen, in politisch sehr finsterer Zeit. Lang saß ich allein bei ihrer kleinen, schmalen Leiche, sie lag da wie ein Kind. Mit ihr starb mir eine ganze Welt. Zerfielen die Beziehungen mit geistigen Menschen. Es war ein unersetzlicher Verlust. Durch meine Mutter, die mich literarisch auf bestimmten Wegen noch immer anspornte – war ich in eine wachsende Korrespondenz mit einem Berliner Literaten gekommen, der sich für die verschiedensten Autoren zu interessieren, Beziehungen zu Verlegern zu haben schien. Er war Dr. Philosophiae, gebildet und unterrichtet, eine Natur von merkwürdigem Widerstreit. Was er selber schrieb, blieb Mittelmaß nur, die Arbeit feinsinnigen Denkens. Er selbst machte davon kein Wesen. Sein Traum war die Gründung eines Blattes in der neuen Berliner Literatur.

Durch die Artikel über den »Meier im Baumgarten« auf mich aufmerksam geworden, begann er zuerst mit meiner Mutter über mich die Korrespondenz; sie breitete sich aus, er kam hierauf einmal zu Ostern nach Graz. Ein kleiner, stiller Mann, äußerlich eher scheu; wenn er auftaute eine extreme Natur.

Es war sehr sorglos von mir, so viel Unterweisung und Vermittlung anzunehmen, seine Zeit nicht zu schonen. Damals bedachte ich das nicht. Er hatte keine gefestigte Existenz und stand schwankend im Daseinskampfe. Das Interesse, das er mir zeigte, war stark. Er trieb mich dazu, meinen ersten Roman » Die Exklusiven« zu veröffentlichen. Das hätte in der Form, die das Buch damals hatte, nie geschehen dürfen. Es waren österreichische, vor allem Grazer Zustände gezeichnet, die durchaus der Wahrheit entsprachen. Geschildert wurde Korruption, Unmoral, Bemäntlung von Verbrechen. Führende Persönlichkeiten wurden angegriffen. Geheime Tragödien nahmen lebendige Form an. Der Roman erschien zuerst in einem Grazer Blatt. Es war eine tollkühne, eine sinnlose Tat, und die Aufregung in der ganzen Stadt ungeheuer. Doch konnte man den Autor nicht recht fassen. Das war geschickt gemacht. In meiner Unbekümmertheit lachte ich der Sache. Mein neuer Mentor bestärkte mich in meinem Tun. Er verschaffte mir den ersten deutschen Verleger, der das Buch herausbrachte. Es machte Aufsehen, aber nicht gerade künstlerisches. Er trieb mich weiter auf dieser ungesunden Sensationsbahn, und ich erkannte den ungeheuren Haß gegen den Adel, der in ihm loderte; ich begann dunkel zu ahnen, daß ich ihm nur ein Werkzeug werden könnte. Dagegen revoltierte meine Seele, in der die Sehnsucht nach geistigem Aufstieg und edlerem Schaffen zutiefst lebendig blieb. Von meinem ersten Honorar habe ich ihm, dem Vermittelnden, damals wiederholt Teile angeboten, im Wunsche, ihm frei, nur geschäftlich, gegenüberzustehen. Er nahm nichts an. Er sagte: »Sie werden das später und anders bezahlen. Wir arbeiten zusammen.« Er dachte zweifellos an die Gründung des Blattes, zu der mein kleines Vermögen auch helfen konnte. Ich wollte ja nach Berlin. Er mahnte: Kommen Sie, es ist Zeit. Immer drängender wurde das alles; auch gegen ihn wuchsen meine Verpflichtungen, denn er arbeitete für mich. Eine persönliche Note kam in den schriftlichen Verkehr, ich hätte sie ein für allemal zurückweisen müssen. Da war wieder in mir das Spielerische, Unverantwortliche, das schwer zu Tadelnde. – Ich schwankte in inneren Konflikten, und er glaubte mich gewonnen. Es war ein Unrecht, dessen ich heute noch mit harter Selbstanklage gedenke, ein schwerer Erziehungsfehler in unserer Art. – Zu spät und auf wenig schöne Weise habe ich endlich Schluß gemacht. Das Gefühl einer unbezahlten Schuld ist auf mir haften geblieben. So häßlich später die Art der Rache war, ich habe Strafe verdient. Das Verantwortlichkeitsgefühl gegen den Mitmenschen ist in Österreich niemals genügend stark und gewissenhaft ausgebildet worden; deutsche Art muß da unbedingt einsetzen. Die merkwürdige Psyche solcher Literaturförderer in den damaligen stürmischen Umwälzungszeiten bedarf noch verschiedener Klarstellungen, auf die ich später zurückkomme. –



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