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Studenten und Burschenschaften in Österreich

Mit denen war es eine seltsame Sache, die begreift man heute, wo die Studenten unser Einziges, unser Letztes geworden sind, kaum mehr. Da war Graz, die große Provinzstadt mit einer hochangesehenen Universität, aus aller Herrn Länder besucht. Und wieder spielten die Studenten in den obersten Kreisen keine rechte Rolle. Die Söhne der ersten Häuser wären nie in eine Burschenschaft eingetreten, – die Gesellschaft ging nicht auf den deutschen Techniker-, selten auf den Juristenball, diese schönsten Erinnerungen meiner Mädchenjahre. Das war ein Segen, dieses Losgelösten, diese Sonderstellung durch die Schriftstellerei; ich genoß meine Jugend ganz anders wie die Coteriemädelchen, die immer dahinschnatterten, im gleichen Kreise beisammen hockend mit den gleichen jungen Herren. Wirkliche Jugend pulsierte um meine goldenen Tage der ersten, jungen Erfolge, auf der Bühne, mit Büchern. Die Studenten kannten mich, freuten sich meiner Kühnheit und Schaffenslust. Und auch sonst – ich war ein ganz netter Kerl geworden, hatte Beweise dafür. Es war Maienzeit! Tagsüber lernen und streben, kämpfen und schaffen – abends lustig sein, begeistert im Theater, bei herrlichen Vorträgen, an den heiligen Quellen sitzen, in seelischer Freiheit. Es waren eine Reihe blühender Jahre. Mein Vater so gut, stolz auf mich, viel – zu viel Anerkennung, die verfrüht kam und mein Reifen, meinen Ernst beeinträchtigte. Im Familienleben, durch meine Mutter, Anregung in Fülle, wenn auch oft unheilvolle, und in Graz, der unvergeßlichen Stadt, wie sie damals war, eine Atmosphäre von geistigem Leben, von bedeutenden und liebenswerten Menschen. Von Hamerling, Rosegger allein schon ging eine Welt von Stimmungen, aus. Das Theater, immer sehr gut, ernst, geführt, hatte erste Kräfte, stand im Mittelpunkt des Interesses. Das Musikleben, in den wohlhabenden Bürgerkreisen besonders, stand obenan, Größen sind aus ihm hervorgegangen. Um dieses lichte Bild der schwüle, blitzdurchflackerte, donnerdurchgrellte Rahmen der nationalen, wachsenden Konflikte, im »Umkreis. des innerlichen fortgesetzten Belagerungszustandes.

Die Studenten also kamen wenig in Häuser. Sie waren politischer, als Jugend sein soll, scharf, wachsam. Deutschnational denken aber galt als Hochverrat und Verbrechen. Ich erinnere mich an Unruhen, die der Spanier Prätendentenfamilie des Don Carlos und Don Alfonso galten und von Studenten in Arbeitskreise übergingen, wegen politischer, antideutscher Wühlereien, deren besonders die als grausam bezeichnete Donna Maria bezichtigt wurde. Ich sah ihre Villa belagert, Militär wurde aufgeboten, umgab sie tagelang. Ich entsinne mich des letzten Kaiserbesuches in Graz, bei dem eine große Menge Studenten sich absolut fernhalten wollte zur heftigen Aufregung des Rektors. Bismarck zu sehen waren sie angeströmt. Jetzt leisteten sie Widerstand. Es war eine schlimme Sache –, sie kam dem Kaiser zu Ohren. Er erklärte darauf, Graz nie mehr betreten zu wollen.

Zwischen dem Militär und den Studenten war kaum ein Zusammenhang. Im Gegenteil, der Verkehr wurde ungern gesehen. Das färbte sogar ab im Familienleben. Es zog weite Kreise; die Spaltungen wuchsen. Mein Bruder war ein fleißiger und ziemlich einsamer Student, sehr klug. Er schrieb kühne Dichtungen; wir verstanden uns damals in vielem, obwohl die Bevorzugung, die ich erfuhr, ihn vielleicht gegen mich einnahm. Er war launenhaft, immer reizbar, in allen Ansichten sehr extrem, aber viel begabter als andere. Mein Schwesterchen wuchs reizvoll und lieb, der jüngste Bruder krank und verkürzt heran.

An uns war trotz allem die Sorglosigkeit der geistig beschäftigten, ideal strebenden Jungen. Unsere Innenwelt war bunt, aber reich. Sie war wie diese fröhlich trotzigen, diese streitbaren Studenten.



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