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Die Juden in Österreich

In Ischl traten sie mir zum ersten Mal entgegen, und zwar in den gewaltigen Namen, die die Börse beherrschten, mit ihrem schäbigeren Hofstaat aus aller Herren Länder, besonders aus Ungarn, Wien, Krakau, Polen, Galizien; auch aus Berlin und aus dem Ausland. Der Kaiser selbst und seine Familie hatten offiziell mit ihnen keinerlei Verkehr. Der Hochadel wurde mit ihnen kaum gesehen; einige Wenige ausgenommen, die als aufgenommen galten. Aber hinter den Kulissen waren sie bereits die Geldgeber und Ehestifter, die entscheidenden Elemente, mit denen schwache, persönlich habgierige Regierungspersonen, Minister, Präsidenten verhandelten, die von Politikern gehört, deren Ansichten vertreten wurden. Gegen sie kämpfte die liberale, deutsche und freigesinnte Ära, aber da sie selber sofort liberal wurden, kamen sie auch in die Reihen ihrer Widersacher; sie kauften ihren Söhnen die höchsten Stellen, die bis jetzt unkäuflich gewesen, ihre Abkommen heirateten in die pekuniär herabkommende Aristokratie, die verarmte, weil sie sich der Zeit nicht anpaßte. In das deutsche Blut stahl sich der fremde Tropfen aus dem Orient, der stärker ist als die edelste Zucht. Kunst, Wissenschaft und Literatur begannen von Amoral, Handelstrieb, Lüsternheit verseucht zu werden. Die Finanz füllte die Theater mit hebräischen Schauspielern, gab Schriftstellern der Rasse das erste Wort. Ein Zentrum ihrer Herrschaft war Ischl. Da herrschte nicht der Hof – da herrschten sie. Die Korruption umschlich den Thron in nächster Nähe, haschte nach der Existenz der Prinzen, der großen, allzu großen kaiserlichen Sippe, mit Versuchungen und Schmeicheleien. Der Jude macht dem, den er fangen will, das Dasein leicht. Alles ist da – er legt dem Opfer die Hände unter die Füße; er schreckt vor nichts zurück, bis eines Tages die Rechnung kommt. Die wird regelmäßig bezahlt mit Überzeugungen, Menschenwürde, Menschheitsgütern. Christliches Empfinden in den Kot zu ziehen ist höchste Lust.

So spannen in Ischl drei Monate lang Millionen Fäden der Weltennetze. Die Welt der Wucherer, Erpresser, Dirnen und Genießer versammelte sich da. Die Einheimischen machten Geschäfte und schwiegen. Ekel regte sich wohl. Der scheinbar unnahbare Adel machte auch seine Geschäfte.

Das Haus Habsburg. Davon wußte der schweigsame Mann Franz Joseph nichts, der in Jägertracht, mechanisch grüßend, die bestimmten Waldwege wandelte, immer von einem unsichtbaren Wächterkreis umgeben. Die Kaiserin wußte wohl. Sie war machtlos. Darum ging sie immer wieder fort, irrte durch die Welt, unruhig, tieftraurig. Ja, die Kaiserin wußte!

Die kaiserlichen Kinder hatten kein sonniges Leben. Die Töchter, im Häßlichen der Mutter so ähnlich, der Erbe, gehörten der Etikette; man sah sie nie ohne einen Zug von Lehrern, Gouvernanten und Priestern. Der kleine Kronprinz versprach sehr viel. Er war ein reizender Junge, gänzlich den Erziehern preisgegeben. Sein Vater hat ihn nie gekannt. Rekrutendrill, der einen tiefen Haß gegen das militärische Wesen erweckte, auf das der Kaiser den Hauptwert legte, übte an dem Knaben der General Graf Gondrecourt; er war von unbarmherziger Härte und erschreckte den Schüler. Die Inhaltlosigkeit des prinzlichen Militärdienstes flößte der feinen Intelligenz Rudolfs Abscheu ein. Er wäre zu einem geistigen Leben bestimmt gewesen, das ihm nicht gegönnt wurde. Er versank im Taumel der Lust, die man ihm bot.

Sehr viele Geschichten kursierten immer in Oberösterreich über Ischl, wie natürlich. Ich war ein kleines Mädchen, als ich schon viel wußte, das durchaus geeignet war, jeden Aufblick zu vernichten. Man hatte Rudolf in Linz sechzehnjährig gesehen, einen reizvollen unschuldigen Knaben, der so hell auflachte im Theater, der alle Herzen für sich gewann. Ein deutscher Junge, mit warmen Augen saß er da, fragte frisch, zeigte Interesse und Verstand. Mein Vater, der als Kämmerer zu den Hoffesten und Empfängen ging, kam ganz bewegt nach Hause. Er sagte: Dieser Kronprinz wird für uns sein, ein Deutscher. – Der Traum war kurz!

Achtzehnjährig erhielt der Erbe seinen selbständigen Hofstaat, wurde er ins Leben eingeführt; die Gewissenlosigkeit stand als Führer und Gelegenheitsmacher an seiner Seite. Er lebte zügellos, weigerte sich in Sachsen, die deutsche Prinzessin zu heiraten, die mit Reizen nicht gesegnet war, und nahm die Belgierin, eines Verbrecherkönigs Tochter, die in Angst und Schrecken unter einem Vater aufgewachsen war, der von seinen Töchtern die Kourverbeugung für seine Kourtisanen forderte, der gleich einem Sklavenhändler Völker verkauft und ausgesogen. Stephanie ist wie eine seelenlose Puppe an der Seite des lebhaften, jungen Mannes mit der gärenden Unruhe im Blut in das kaiserliche Wien, die Blüte der Eleganz, gekommen, und dort anfangs herzlos bespöttelt worden. Sie war geschmacklos, ohne Esprit, nicht elegant. Das Letztere änderte sich. Sie wurde gut angezogen. Wurde eitel und eifersüchtig. Blieb ohne Takt. Rudolf war damals noch ein Mensch von Willen und Interesse, der über das Reich nachdachte, das er regieren sollte, er war populär, was den Kaiser reizte. Die große geistige Welt Österreichs, sie, für die das Reich eben Österreich, nicht Habsburg war, blickte mit Hoffnungen auf diesen Prinzen, dessen Augen aufleuchteten bei ernsten Gesprächen, der fragte, forschte, Wahrheiten hören wollte. Er hing an den deutschen Erblanden. Jeder wußte das. Ein politisches Programm wird ihm von Leuten, die ihn kannten, noch heute nachgesagt: Ein Dreibund Österreich – Frankreich – Rußland. Aber keiner erzog ihn zum Monarchen mit Verantwortungsgefühlen, und, stumpf geworden, begann er neben einer verhaßten Frau zu verkommen. Er wurde Atheist, ohne die Charakterstärke, sich glaubenlos auf ethischen Höhen zu erhalten; der bloße, wüste Lebensgenuß überwältigte ihn. Sein Kammervorsteher tat alles, ihm die Wege der Laster zu weisen. Es durfte dem Kaiser darüber nichts berichtet werden, er selber verlangte nichts zu wissen. Es vollzog sich die Tragödie der Erben, die an Danaergaben ersticken.

Die Landbevölkerung in und um Ischl hing naturgemäß an der kaiserlichen Familie, aber zwanglosen Kontakt gab es nicht, ehrliche Einblicke nahm der Kaiser nicht ins Volksleben. Er sah in diesen, von Fremdenbetrieb berührten Landstrichen großen Wohlstand, heiteres, oft phäakisches Leben; das befriedigte ihn. Und der Adel des Landes war zu indolent, sich gebieterisch die Wege zu seinem Herrn, zu großen Aussprachen zu bahnen. Das tat ein Lamberg, Starhemberg, ein Weißenwolf, Sikkingen, ein Schmiedegg, ein Kaunitz, Sprinzenstein und wie sie alle hießen, durchaus nicht. Österreich ist nur einmal, unter Josef dem Zweiten, das Land des offenen Wortes gewesen. Da ging's übers Ziel hinaus; aber die Luft wehte frisch und stark. Wie sie auf unseren Bergen weht, im Landl. Die Natur redet ihre Sprache. – Der Mensch schweigt.



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