Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Aus Mehemed Alis Reich
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Khartum

Noch nicht fünf Minuten seit meiner Installierung im Hause waren verflossen, als der Militärgouverneur der Stadt und Befehlshaber Mehemed Alis regulärer Truppen im Sudan, der General Mustapha Bey, mit einem zahlreichen Gefolge eintrat und, nachdem er mich zweimal zärtlichst umarmt hatte, auf der mit Teppichen belegten Ottomane aus getrockneter Erde neben mir Platz nahm. Er soll einer der besten Offiziere des Vizekönigs sein und hatte ein kriegerisches, dezidiertes Wesen, das ihm wohl anstand. Demungeachtet befand er sich jetzt in einer untergeordneten Stellung, da er früher Gouverneur des Königreichs Kordofan gewesen war, wo er indes, wie man behauptete, sein Amt etwas zu gut genutzt und sich damit ein großes Vermögen erworben hatte. Eine Viertelstunde später kam Korschud Pascha selbst mit noch größerem Pomp als der General und beehrte mich mit derselben doppelten Umarmung. Wie fast alle ägyptische Große ist auch Korschud Pascha ein Mann von vornehmen Manieren und gewinnender Höflichkeit, hatte aber, vom Klima leidend, ein sehr hinfälliges und krankes Aussehen. Wie ich später erfuhr, ist er hier zwar gefürchtet, aber keineswegs geliebt wegen seines unerbittlichen Geizes, mit dem er in den 10-12 Jahren seines Gouvernements über eine Million spanischer Piaster zusammengescharrt haben soll. Man bezeigte ihm indes äußerlich fast noch mehr Ehrfurcht als selbst Mehemed Ali in Kahira, und sein Leibarzt, der schon früher erwähnte italienische Renegat, der Oberstenrang hat, wagte es nie, wenn der Pascha ihm erlaubte zu sitzen, sich anderswo als auf die Matten des Bodens niederzulassen. Nur der General saß heute auf dem Sofa neben mir und dem Pascha; alle übrigen mußten mit ausgezognen Schuhen um uns her stehen, die Vornehmsten oben auf dem Diwan, die von minderem Grade auf der Matte und die Geringsten etwas entfernter auf dem begossnen, noch ganz nassen Erdboden.

Unsere Unterhaltung war nur kurz, und nachdem die Herren mich verlassen, erschien der Haushofmeister des Gouverneurs mit einer langen Reihe Diener, alle mit den verschiednen Gegenständen einer türkischen Mahlzeit beladen, die zwar sehr kopiös, aber herzlich schlecht war. Zugleich mit ihnen fand sich ein sizilianischer Jude ein, der mich mit einer schmählichen Sorte sauern Rheinweins versorgte, für den ich ihm 80 Piaster (8 Gulden) für die Bouteille bezahlen mußte. Dieser Mann, der mit allem möglichen europäischen Auswurf, aber immer zu ähnlichem Tarif, Handel trieb, war zugleich Gouvernementsapotheker und das Los der armen Soldaten nicht wenig zu beklagen, die im Lazarett von den Medikamenten aus seiner Teufelsküche gezwungnermaßen Gebrauch machen mußten. Da er mich ohne Zweifel als eine besonders willkommne Extrabeute ansah, ward er später so zudringlich, daß ich ihn zur Türe hinauswerfen lassen mußte. Es ist leider nur zu wahr, daß alles, was man in diesen entfernten Ländern von dort etablierten Europäern antrifft, in der Regel ganz zu demselben Schlage gehört.

Gegen Abend machte ich dem Pascha meine Gegenvisite und wurde zwar von ihm mit allem bei der Gelegenheit aufzubietenden barbarischen Glanz, aber in keinem bessern, obwohl ungleich größeren Lokal empfangen, als das mir angewiesene Gebäude war. Sowohl bei dieser Zusammenkunft als während einiger später gemachten Besuche teilte mir der Pascha mehrere nicht unwichtige Notizen über die südlicheren unbekannten Gegenden mit. Besonders interessant war mir die Erzählung eines Streifzugs, den er selbst vor einigen Jahren mit 2000 Mann Truppen, wie er versicherte, bis zweiunddreißig Tagereisen weit (die Tagereise zu 6-8 Stunden gerechnet) stromaufwärts des Bahr-el-Abiad (weißen Nils) teils auf dem Flusse, teils längs desselben zu Lande unternommen hatte. Er fand die Gegenden, durch die sein Weg führte, fast durchgängig von fruchtbarem Boden, voll Wälder mit den höchsten Bäumen (Adansonien und auch Kokospalmen nach der Beschreibung) und nur zuweilen von hohen und steilen Bergen eingefaßt, doch überall sehr wenig Kultur, und je weiter er kam, immer wildere und kriegerischere Bewohner, von denen selbst Lebensmittel nie anders als durch Kampf und mit Gewalt zu erlangen waren. Er schilderte diese als große, sehr kräftige und schön gewachsene kohlschwarze Neger, die ganz nackt gehen, selbst ohne Schurz, und durchaus keine Religion haben sollen, das heißt indes wahrscheinlich nur: weder Muselmänner noch Juden oder Christen seien. Männer und Weiber rasieren bei einigen Stämmen ihr Haar und bedecken dennoch den Kopf nicht gegen die glühende Sonne. Wenige hatten einen Bart. Im Winter ist es in den bergigen Landesteilen sehr kalt, dann pflegen die Eingebornen große Feuer anzuzünden und sich rund umher in den gewärmten Sand einzugraben. «Oft», sagte der Pascha lachend, «wenn wir sie unversehens überraschten, sahen wir sie wie Erdmäuse auf allen Seiten sich aus dem Boden herausarbeiten.» Ihre Waffen und Verteidigungsmittel bestehen aus Schilden, Bogen, Wurfspießen und Pfeilen, die letzteren zuweilen mit einem so heftigen Gifte versetzt, daß alle Wunden davon sich stets als tödlich erwiesen. Keiner ließ sich seine Waffen vor dem Tode entreißen, und der Pascha konnte nicht genug die heroische Tapferkeit und Todesverachtung rühmen, mit der diese Wilden ihren Grund und Boden verteidigten.

Das Wasser des Flusses fand man, so weit man kam, überall reichlich und meistens tief, ohne sichtliche Minderung, obgleich der Strom sich häufig in viele Arme teilte, die unzählige, zum Teil dicht bewaldete Inseln umflossen. Zweimal traf es sich jedoch, daß man, einem solchen Arme folgend, ihn so weit in der Plaine ausgetreten fand, daß die Schiffahrt darauf zu ungewiß und gefährlich ward und man daher wieder zurückkehren und einen andern besser begrenzten Arm aufsuchen mußte. Dies hatte die Folge, daß man im ganzen gegen fünfzig Tage brauchte, ehe man die Rückkehr wieder antrat. Einer dieser Arme oder Zuflüsse des weißen Nils (denn wahrscheinlich sind mehrere der angegebnen Arme das letztere) hatte ungleich besser kultivierte Ufer als die übrigen, und eine Menge Dörfer waren zwischen den fruchtbaren Fluren verteilt, die Einwohner derselben aber ebenso wild als die übrigen, weshalb man, wie der Pascha kaltblütig sagte, «sich gezwungen sah» (auf gut Türkisch), den größten Teil dieser Orte zu verbrennen und die Einwohner als Sklaven fortzuführen. Der Gouverneur behauptete, kurz vor dem Punkte, wo er die Rückkehr antrat, Taïphafan genannt, im Lande der Tengar oder Tongar zwei Pyramiden, eine auf jeder Seite des Flusses, angetroffen zu haben, an Bauart ganz denen von Dschiseh gleich, wenn auch nicht so hoch, auch weit weniger breit in der Basis und oben mit stumpfer Spitze, wie zur Aufstellung von Statuen bestimmt. Beide, versicherte er, hätten sich vom Grunde aus bedeutend südlich geneigt, so daß sie dem Auge ganz schief erschienen wären, ohne daß er angeben könne, ob sie absichtlich so gebaut worden oder durch ein Erdbeben diese Richtung erhalten hätten. Die Blöcke, aus denen sie bestanden, wären von derselben Steinart als die umliegenden Berge und stufenweise übereinander gelegt gewesen, so daß man ziemlich bequem hinaufsteigen konnte.

Obgleich man auf dergleichen Nachrichten nicht sehr fest bauen kann, so ist es doch kaum wahrscheinlich, daß der gravitätische Türke in seinen Verhältnissen zu mir und in Gegenwart so vieler Personen – von denen mehrere seiner Expedition beigewohnt hatten und seine Angaben teils bestätigten, teils häufig berichtigten – mir vor seinem versammelten Hofe ein bloßes Märchen aufgebunden haben sollte, noch weniger kann er und seine Begleiter sich bei so spezieller Auskunft über die Natur der Sache selbst gröblich geirrt haben. Ist seine Nachricht aber gegründet, so muß der Umstand einst bei näherer Untersuchung gewiß für die Geschichte dieser Länder und ihrer Vergangenheit wichtige Resultate liefern. Drang vielleicht Ramses-Sesostris in seinen erobernden Zügen bis dorthin vor und errichtete daselbst nach seiner Weise als ewige Landmarke der wundervollen Unternehmung jene ungeheuren Monumente an beiden Seiten des geheimnisvollen Stromes, dessen Quellen unerreichbar schienen – oder lebte im grauen Altertume hier wirklich ein Volk, dessen noch rohe, aber schon mit dem Kolossalen spielende Kunst die später veredelte Nachahmung in Ägypten fand? Leicht mögen diese Bauwerke, wenn sie eine Realität haben, darüber vollkommeneren Aufschluß geben. Von den halb fabelhaften Mondbergen konnte Korschud Pascha, ungeachtet er seiner Beschreibung nach wenigstens bis über den achten Breitengrad vorgedrungen sein muß, keine Auskunft geben, er sah und hörte nichts, was deren Existenz in dieser Richtung, wo die Karten sie angeben, vermuten lassen könnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach muß dies Gebirge, wenn es ein solches gibt, südlicher und mehr östlich weit hinter Abessinien in Verbindung mit dessen ohnedies schon sehr hohem Berglande liegen. Dies letztere war die Meinung Korschud Paschas, und schon Mehemed Ali äußerte gegen mich etwas Ähnliches in Kahira, als wir von Bruce sprachen; nämlich daß die wahren Quellen des Nils gewiß ferner als Abessinien in hohen Gebirgen entsprängen. Obgleich man seit vier Jahrtausenden diese Quellen des Nils vergeblich gesucht hat, so bin ich doch nach allen eingezognen Nachrichten und nach der etwas genauern Bekanntschaft mit diesen Ländern überzeugt, daß gerade jetzt dieser Entdeckung durchaus keine so unübersteiglichen Hindernisse entgegenstehen, als man gewöhnlich glaubt, wenn man nur die rechten Mittel dazu anwendet, und hier kann ich mich nicht genug darüber verwundern, daß noch nie weder ein europäisches Gouvernement noch einer jener vielen überreichen Engländer, die doch im allgemeinen so viel Interesse an dergleichen Gegenständen nehmen und selbst so viel reisen, Leute, denen es nur eine kleine Entbehrung kosten würde, ein paarmal hunderttausend Taler oder mehr auf einen solchen Zweck zu verwenden – nie den Gedanken gefaßt haben, sich hier auf so leichte Weise einen unsterblichen Namen zu erwerben. Wenn ein solcher Mann oder eine Regierung sich gegen den Vizekönig bereit erklärte, die Kosten der Expedition tragen zu wollen, und hinlänglich dartäte, daß man nur wissenschaftliche Zwecke im Auge habe, so würde gewiß mit nur einigem savoir-faire die reellste Unterstützung des ägyptischen Gouvernements leicht erlangt werden, ohne welche allerdings die Ausführung des Unternehmens sehr schwer sein möchte.Wir kennen nun mit Gewißheit, wenn auch noch nicht die Quellen, doch wenigstens den Lauf des Bahr-el-Abiad bis nahe seinem Ursprung sowie die wirkliche Lage der Gebirge (die Mondberge, wenn man sie so nennen will), aus denen der weiße Nil entspringt, nur fand man diese viel südlicher und viel weiter östlich, als man sie früher annahm, also ziemlich so, wie es der Pascha in Khartum und Mehemed Ali selbst schon voraussetzten, was merkwürdig genug ist. Wem verdankt man es aber nun, daß dies Geheimnis von 4000 Jahren endlich entschleiert ist? – Ganz allein dem «nutzlosen, nur an seine Bereicherung denkenden Barbaren» Mehemed Ali, der binnen drei Jahren drei Expeditionen nacheinander unternahm, keine Kosten scheute und nicht eher ruhte, bis er seinen Zweck erreicht hatte. Ob dies den kopflosen Skriblern gegen diesen Fürsten nicht etwas das Handwerk legen wird? Denn sie mögen ihm Motive unterlegen, welche sie wollen, das Resultat können sie ihm nicht mehr abstreiten. Spielend gelingt seiner Energie, was bisher allen Nationen der Erde unausführbar blieb, und der ungelehrte Türke verdient sich von der Wissenschaft einen unsterblichen Kranz! Es ist in der Tat, als hätte das Schicksal ihn durch diesen unerwarteten Ruhm bei der zivilisiertesten Welt Europas für alle die Unbill entschädigen wollen, welche ihm von andern Mächten dieses Weltteils in politischer oder vielmehr unpolitischer Hinsicht angetan worden ist.

Auch über Mandera bekam ich beim Gouverneur durch einen alten Dschaus etwas bestimmtere Nachrichten. Es liegt nach ihm nur 16 Stunden von Abu Haraß östlich vom Nile ab; auch bestätigte er, daß sich die Ruinen auf einem Berge in der Ebne befänden, doch konnte er über diese nichts Näheres angeben, da er, wie er sagte, zu wenig darauf geachtet habe. Ich bat mir sogleich diesen Dschaus für die Fortsetzung meiner Reise zum Begleiter aus und beurlaubte mich dann, um Mustapha Bey einen Besuch zu machen. Dieser bewohnt das einzige Haus in Khartum, welches außer dem Harem des Gouverneurs Glasfenster hatte. Er erzählte uns viel von Kordofan und den Goldbergen von Scheibun, (nicht Schabun, wie die Karten es nennen), wo sich jetzt die österreichischen Mineralogen unter des trefflichen Russegger Leitung mit einer Bedeckung von 400 Mann Infanterie und 200 Reitern zur Untersuchung der dortigen Goldminen befinden, aber wegen der schon eintretenden Regenzeit bald hier zurück erwartet werden. Man hat eine so starke Eskorte zum Schutz der Gelehrten für nötig erachtet, weil die tapfern und kriegslustigen Neger etwas eifersüchtig auf ihr Gold sind, auch selbst die Sandwäschereien sehr emsig, wenngleich unvollkommen betreiben und einen bedeutenden Handel mit diesem Metall nach Kordofan, Sennar und auch nach Darfur treiben. Mustapha Bey hatte kürzlich erst mit ihnen Krieg geführt und Scheibun verbrannt, auch einige Bergdistrikte bezwungen, doch aber, wie es schien, sich nicht bleibend dort behaupten können. Sklaven zu erlangen war der Hauptzweck der Expedition, eine Razzia auf Menschen. Zu den merkwürdigsten Produkten Kordofans rechnete er einen kolossalen Baum von sehr schwammigem Holze, welcher eine Frucht von der Größe eines Straußeneies trägt, deren milchartiges Mark wohlschmeckend ist. Derselbe Baum kommt auch, wiewohl selten, in einigen Distrikten des Sennars vor, wo man ihn Kangulos nennt. In Kordofan heißt er Homer und auch Tebeld. Mustapha Bey versicherte, Stämme dieses Baums gemessen zu haben, die über siebzig Fuß im Umfang gehabt hätten. Seine Höhe, obgleich ansehnlich, steht in keinem Verhältnis zu dieser ungeheuren Dicke des Stammes, doch breiten sich die Äste sehr weit aus. Das Holz ist übrigens so schlecht, daß es nicht einmal zum Brennen wohl gebraucht werden kann. (Wahrscheinlich eine Abansonienart oder der Sotor.) Ich erkundigte mich auch bei ihm, meiner alten Manie getreu, wieder nach dem Einhorn, doch ohne Erfolg. Dagegen ließ er mir zwei prächtige Exemplare von Nashornhörnern holen und machte mir beide zum Geschenk. Das eine mißt genau anderthalb französische Fuß in der Länge, das andere, welches noch dicker in der Wurzel ist, ist einen halben Fuß kürzer.

Von den Vulkanen und heißen Quellen sowie Grotten mit ägyptischen Hieroglyphen, deren Herr Rüppel erwähnt, hatte er keine Kenntnisse; dagegen erzählte er viel von dem merkwürdigen, reichen und nicht ganz unzivilisierten Berggebiet Tégelé südöstlich von Kordofan. Obgleich zwischen Kordofan und Sennar mitten inneliegend, ist es so vortrefflich durch die Natur verteidigt, so gut in kriegerischer Hinsicht organisiert und von so tapfern Leuten bewohnt, daß man es bisher nie mit Erfolg anzugreifen versucht hat. Nur zwei höchst unzugängliche Pässe gewähren den Eingang in das durch unersteigliche Porphyr- und Granitfelsen geschützte Land, welches außerdem noch von einem Saum undurchdringlichen Urwaldes stachlicher Mimosen ganz umgürtet ist, der sich zirka vom 13½ bis zum 11ten Grade nördlicher Breite erstreckt. Die Regierung ist völlig despotisch. Der jetzige Sultan, ein noch junger Mann, soll von ausgezeichneten Gaben sein und an fünfzigtausend Mann Bewaffnete aufbieten können. Das Land enthält selbst Gold, außerdem aber werden auch die Goldwäschereien des angrenzenden Scheibun hauptsächlich von Negern im Dienste des Beherrschers von Tégelé bearbeitet. Die Nation treibt einigen Handel mit den auswärtigen Dschellabs und ist nicht ohne einen gewissen Luxus, der sich unter anderm am Hofe des Sultans durch eine sehr schmuckvolle Kleidung dartun soll. Alles Land gehört dem Staatsoberhaupt, und jeder Bewohner ist nicht minder sein Eigentum. Dennoch behauptet man, daß das Reich mit Milde und Gerechtigkeit regiert werde. Beim Tode des Sultans müssen nach einer seltsamen Sitte alle Männer und Frauen ihr Haar rasieren, das Haupt mit Staub und Asche bedecken und ein ganzes Jahr lang um den Verbliebenen trauern. Zugleich wird alles männliche Vieh getötet, und erst nach der verflossnen Trauer beginnt man Raubzüge in die Umgegend, um sich neue Stammhalter zu verschaffen. Dieser letzte Gebrauch scheint fast unglaublich, Mustapha Pascha versicherte mir aber wiederholt, daß die Sache sich genau so verhielte, wie er sie angegeben, und in Wahrheit – die Torheiten der Menschen sind zu allen Zeiten so kolossal gewesen, daß man auch die wahnsinnigsten nicht zu bezweifeln braucht. Übrigens ließe sich allenfalls ein politischer Grund dabei denken, den kriegerischen Raubgeist zu erhalten und dem Volk sogleich bei Beginn der neuen Regierung eine äußere Beschäftigung zu geben.

Der General meinte, daß ein Europäer, der als einfacher Handelsmann aufträte, wenig Schwierigkeit finden würde, sich in Tégelé Eingang zu verschaffen, da kein religiöser Fanatismus daselbst herrsche und er nicht einmal bestimmt wisse, ob alle Einwohner sich zum Islamismus bekannten.

Südlicher am Dschebel-Kadro wohnen die Nuba-Neger, von schönem nervigem Bau und wohlgeformtem Antlitz. Beide Geschlechter gehen ganz nackt. Sie sind pechschwarz, häufig an Armen, Brust und Bauch tätowiert und durch regelmäßige Messerschnitte gezeichnet, die Sonne, Mond und Sterne darstellen gleich den Bewohnern von Darfur und selbst eines Teiles des niederen Nubiens. Sie bedienen sich vergifteter Wurflanzen mit eisernen und hölzernen Spitzen, bemalen zuweilen Teile ihres Körpers mit roter Farbe und tragen Sandalen aus Elefantenhaut, aus welcher auch ihre Schilde gefertigt sind. Nicht ohne Industrie verfertigen sie höchst künstliche und elegante Arbeiten aus Leder und Schilf. Sie sind tapfer, kriegerisch und von wildem Charakter. Mustapha Pascha, der viel harte Gefechte mit ihnen zu bestehen hatte, fand, wie er mir sagte, nie einen Feigen unter ihnen und war selten imstande, andere als Schwerverwundete zu Gefangnen zu machen, da sie sich selbst gegen die größte Übermacht stets bis auf den letzten Mann verteidigten. Auf manchen Bergen, zum Beispiel am Dschebel-Njucker und Turban, sollen sie Menschenfleisch fressen. Delikat sind sie wenigstens in ihrer Nahrung keineswegs: frisches wie verfaultes Fleisch, Ratten, Schlangen, Kröten und Ungeziefer aller Art wird nie von ihnen verschmäht. Außer den Ringen in Nasen und Ohren, die beide Geschlechter tragen, befestigen sie auch lange Stacheln des «porc-épic», rechts und links herausragend, an ihre Nasen. Was ihnen aber ganz eigentümlich scheint, ist, daß sie von allen Teilen des Körpers die Genitalien am meisten zu schmücken suchen und man kaum begreift, wie sie die Masse der dort hängenden Verzierungen ohne Schmerz ertragen können. Ihre Sprache ist der der Schilluk ähnlich, reich und voll mit vielen Gurgeltönen. Die Beschneidung kennen sie nicht, so wie man überhaupt keine Art von Religionsübung bei ihnen bemerken kann. Dennoch sind sie bei weitem intelligenter als die Schillukneger. Vom Dschebel-Kadro reist man drei Tage im Lande dieser Völker bis zum Dschebel-Hédra, wie ich später von Herrn Russegger erfuhr. Im Westen passiert man nach der Reihe die Berge Abile, Manichedan, Kulfan und Debri – im Osten Gualih, Deri, Njucker und Turban. Der Hédra steht isoliert, aus Granit geformt. Die Ebne besteht aus Tonboden und wird zur Regenzeit ein fast unpassierbarer Sumpf. Wälder von Akazien, Mimosen, Gummi- und Weihrauchbäumen, Kaktussen und giftigen Euphorbien, deren Saft die Waffen der Eingebornen so tödlich macht, durchziehen sie. Zibethkatzen, der braune Tetal und andere sehr große Antilopen, gleich kleinen Pferden, Kopf und Rücken braun, der Rest schlohweiß, wurden häufig von den Reisenden gesehen. Auch sehr große Schlangen zeigten sich hier bereits, unter andern die Boa Anaconda. – Vom Hédra ist nur noch eine Tagereise bis Scheibun, das Mustapha Pascha in dem letzten Kriege mit den Eingebornen, wie erwähnt, gänzlich zerstörte und dessen Lage auf einem isolierten Berge sehr günstig zu einem militärischen Waffenplatz sein würde. Hinter Scheibun ändert sich plötzlich der ganze Charakter des Landes, und man glaubt in Indien zu sein. Zwei Stunden vor Scheibun breitet sich ein üppiger und prachtvoller Wald aus, wo riesige Delebb- und Kokospalmen mit noch kolossalern Tamarinden und Boababbäumen wetteifern und gelbe und rote Blumenbouquets die Kronen der cassia fistula und des Sotor bedecken. Die Adansonien prangen mit weißen Blumen, von andern hängen bis zwanzig Pfund schwere Früchte herab; ungeheure Ficus, Oleander und Kaktusse, Mimosen und Akazien aller Arten und Blüten, Schlingpflanzen, die herrlichsten Treibhaus- und Topfgewächse als Fuchsia, Pancratium, Irisarten, Sambuk usw. zieren diesen Wald, den zahllose Elefanten durchstreichen, von welchen mehrere Trupps der Karawane näher kamen, als den Reisenden lieb war. Der Berg von Scheibun besteht aus dem Gneis und Granit der Schweizer Alpen, das erste primitive Gestein, auf welches Herr Russegger nach seiner Meinung in Afrika stieß; denn der schöne Granit von Assuan usw. ist nach ihm vulkanischen Ursprungs. – Im Osten von Scheibun lagern sich die Berge Abul, Schawari, Kavarmi; im Westen el-Buram, Moari, Tungur; im Süden der Dschebel-Tira und die Ebenen des Landes Fartit. Zwischen dem Dschebel-Tira, der eine Tagereise von Scheibun entfernt ist, passiert man abermals einen noch größern Tropenwald. Alle genannten Berge sind außerordentlich bevölkert. Wie Ameisenhaufen wimmelten sie von Negern, und es gibt deren, die an 5000 Menschen beherbergen. Dschebel-Tira, den Herr Russegger nur flüchtig untersuchen konnte, besteht aus primitivem Gneis und Quarz, Feldstein und Grünsteingängen. Es sind diese getrennten und niedrigen Berggruppen wahrscheinlich die Fortsetzung eines Zuges primitiver Felsgebilde, der Afrika aus Nordost in Südwest durchsetzt, wie sich die Bergleute ausdrücken, und das eigentliche Goldlager dieses Weltteiles zu sein scheinen. Zwischen Dschebel-Tira und dem Tungur ist eine Ebene von Alluvialschutt und Sand, reich an Gold. Man kann annehmen, daß die hiesigen Goldwäschereien der Nubas, so ungeschickt sie betrieben werden, dennoch im Durchschnitt eine Ausbeute von 2-3 Franken täglich pro Mann gewähren, und wo man auch Sand aufnahm, versicherten die österreichischen Naturforscher, fand man ihn mehr oder weniger mit dem edlen Metalle geschwängert.

Den folgenden Tag widmete ich größtenteils der Ruhe und einem sehr mäßigen Wohlleben nach der langen Entbehrung . Dem Vergnügen des Flußbades nötigte man mich zu entsagen, da es wegen der Menge und Rapazität der Krokodile an diesem Ufer von niemand gewagt wird. Als die Abendkühle eintrat, begnügte ich mich daher mit einem Luftbade und machte, so leicht als möglich gekleidet, eine Promenade zu Esel durch die Stadt und ihre Umgebung. Ich besah zuerst die Kaserne, welche ich nebst dem Hospital in elender Verfassung fand; besonders erschien die dort herrschende Unreinlichkeit wahrhaft abscheulich. Die Stuben der Soldaten und selbst der geringern Offiziere waren nur staubige, finstere, stinkende Löcher, und die Waffen der ganzen Kompanie nebst Lederzeug und andern Utensilien wurden pêle-mêle und voll Schmutz in besondern entfernten Kammern aufbewahrt. Ähnliche Höhlen bildete das Lazarett, worin der üble Geruch eine solche Intensität erreichte, daß ich nicht mehr als einen flüchtigen Blick hineinzuwerfen vermochte. Man entschuldigte sich damit, daß die neue Kaserne im Bau begriffen sei und man sich, bis sie vollendet, schon so behelfen müsse. Die gänzliche Absonderung der Gewehre von den Leuten erklärte man daraus, daß man den Negersoldaten nicht trauen könne und sie leicht mit samt ihren Waffen desertieren möchten, wenn sie sie zu jeder Zeit gleich unter der Hand fänden. Diese Neger, meistens die Frucht der alljährlich hier angestellten und drei Monate fortgesetzten, unbarmherzigen Sklavenjagden, sind allerdings ein elendes Militär und nur höchst unvollständig nach europäischem Reglement eingeübt. Man behauptet, daß sie fast alle drei Jahre erneut werden müßten, weil unterdessen immer ein Teil wieder davongelaufen oder vor Kummer, Elend und namentlich am Heimweh, das oft förmlich epidemisch unter ihnen wütet, gestorben ist.

Den Bazar fand ich nur dürftig furniert, außer was den Artikel der Sklaven betraf, das Lokal aber zum Teil nicht übel, so wie überhaupt die Stadt ganz leidlich aussehen würde, wenn die schmutzfarbnen Erdziegel, aus denen alle Häuser bestehen, nur geweißt wären. Die Straßen sind etwas breiter als gewöhnlich in diesem Lande, und in der Disposition derselben wie in der Bauart ist mehr Ordnung beobachtet. Eine neue erst halbfertige Moschee aus gut gebrannten Klinkern und mit einem hohen Turme versehen verspricht sogar ein schönes und würdiges Gebäude zu werden. Ich wunderte mich auf dem Bazar, die abessinischen Sklaven fast eben so teuer als in Kahira zu finden, doch war eine viel größere Auswahl schöner Mädchen hier vorhanden. Dieser Handelsartikel ward so anziehend, daß mein Kammerdiener Ackermann, der Dragoman und mein Koch alle zugleich um die Erlaubnis bei mir einkamen, sich mit dieser, wie sie versicherten, ihnen nun bei so weiter Reise «unentbehrlich gewordnen Ware» versehen zu dürfen, und da sie mir dabei nicht undeutlich zu verstehen gaben, daß sie im Weigerungsfall sich nach einem andern Dienst umsehen müßten, ich aber hier ihrer nötiger bedurfte als sie meiner, so mußte ich nachgeben, obgleich mit großem Mißvergnügen, weil dies während der Rückreise einen kompletten Harem in meiner Suite etablierte und ich später hinlänglich Gelegenheit fand wahrzunehmen, wie sehr dadurch meine Diener ihre Obliegenheiten von Tage zu Tage mehr vernachlässigten. Oft hat es mich indes frappiert, wie Leute, die in Europa schon das Wort «Sklaverei» in Harnisch bringt, auch viele Engländer, es hier doch so anmutig finden, selbst Sklaven zu besitzen. Übles Beispiel verführt nach und nach jeden, wie es scheint. Ich, der sich nicht gern in Theorien verbeißt, begnüge mich damit, meine Sklaven gut und freundlich zu behandeln, wobei mich der Augenschein lehrt, daß sie sich wenigstens befriedigter fühlen als unsre freien Diener in Europa, die schon nahe daran sind, selbst Herren werden zu wollen,

Am Ende unsrer Tournee in der Stadt, die wir zuletzt trotz der Hitze größtenteils zu Fuß gemacht hatten, ruhten wir in einem ansehnlichen Weingarten aus, wo man uns gute blaue und weiße Trauben versetzte, die indes schon jetzt – am letzten April – überreif waren. Erst seit der Eroberung Mehemed Alis ist der Weinbau im Sudan eingeführt worden, wo er vorher ganz unbekannt war.

Am ersten Mai hatte ich wieder, und zwar schon mit Sonnenaufgang, eine lange Unterhaltung mit dem Pascha, welche diesmal meistens nur von Löwen und Krokodilen handelte. Die Gefährlichkeit und Gefräßigkeit der Letztern scheint hier ein ebenso unerschöpfliches Thema als bei uns das Wetter abzugeben, und der Pascha versicherte mir heute, erst kürzlich beim Fang eines solchen Untiers zugegen gewesen zu sein, in dessen Bauch man die noch beschlagnen Hufe eines Pferdes und zugleich den roten Leibbund eines Fischers fand. Wenn das Krokodil irgendein Geschöpf erfaßt hat, so pflegt es damit in die Mitte des Stromes zu schwimmen und es mehrmals in die Höhe zu halten, um sich zu überzeugen, ob es tot sei. Zuckt es noch, so taucht es von neuem damit unter, und erst, wenn es sich von dem Hinscheiden desselben völlig überzeugt hat, begibt es sich auf den Sand, um seine Beute mit Muße zu verzehren. Während dieses Gesprächs sahen wir selbst aus den Fenstern des Saals über ein Dutzend Krokodile sich an den Ufern des dicht vorbeiströmenden Flusses mitten in der Stadt sonnen. Sie waren von allen Größen und fast von ebenso vielen Farben, bald grau, bald schwarz, bald gelb dominierend oder auch alle diese Farben zusammen, in scheußlichster Mischung gefleckt. Einer aus dieser Gesellschaft zeichnete sich besonders durch seinen Riesenkörper aus, ein in Khartum sehr wohlbekanntes Individuum, von den Eingebornen unter dem Namen des «Schechs »ebenso gefürchtet als geehrt; denn wie zur Zeit der alten Ägypter wird einigen dieser Tiere noch immer eine Art abergläubischer Kultus gezollt. Auf den «Schech» Jagd machen zu wollen, würde man hier für eine Art Verbrechen halten, obgleich er selbst sich keineswegs dankbar für diese Verehrung zeigt und schon mehrere namhafte Opfer verschlungen hat.

Auch die Löwen des Sennar erreichen eine kolossale Größe, und ich sah die Haut eines derselben beim Gouverneur, die von der Schnauze bis zur Schweifspitze gegen zwanzig Fuß lang war. Bekanntlich hat indes der afrikanische Löwe, wenigstens nördlich der Linie, keine Mähne, was seiner Schönheit großen Abbruch tut. Korschud Pascha besaß früher lange ein gezähmtes Tier dieser Art, das er kastrieren und ihm die Zähne ausbrechen ließ, wonach es ganz gefahrlos wurde. Dennoch setzte es manchmal Leute in große Verlegenheit. Eines Tages betete der Gouverneur in einem einsamen Zimmer seines Palastes auf sein Antlitz niedergeworfen, als der Löwe herbeisprang und sich mit seiner ganzen Last so auf ihn legte, daß er lange keiner Bewegung mächtig und fast dem Ersticken nahe war, ehe die herbeigerufne Hilfe anlangte. Der Spaß schien aber den Löwen selbst sehr belustigt zu haben, denn als am nächsten Freitage der Kadi in ganz roter Kleidung dem Gouverneur seine Aufwartung machte, schlich sich das Tier, vielleicht noch mehr gereizt durch die ungewohnte Farbe, hinter denselben, sprang auf seinen Rücken, warf den entsetzten Mann Allahs nieder und blieb dann gelassen, aber hartnäckig auf ihm liegen, ungeachtet des schrecklichen Angstgebrülls, das der arme Kadi unter dem Gelächter der Umstehenden ausstieß. Doch die Kirche beleidigt man nie und nirgends ungestraft, und auch dem Löwen kostete der ausgeübte «Frolic» aus Besorgnis einer gefährlicheren Wiederholung das Leben. Die Jagd dieses Königs der Wüste ist übrigens hier mit weniger Besorgnis verbunden als in den Wäldern Indiens und auf dem Kap. Man verfolgt ihn in den heißesten Monaten während der brennenden Mittagsglut, wo er nur mit Mühe eine kurze Strecke zu laufen vermag, und, wie ich schon an meinem Hunde Susannis oft bemerkte, sich bei jedem Strauch, der nur ein wenig Schatten gewährt, lechzend niederwirft, um einige Sekunden Luft zu schöpfen. Es gibt Araber, die ihn auf diese Weise ganz allein, bloß mit Hilfe eines guten Pferdes und eines Sackes voll Steine, mit nichts anderm als immer wiederholten Steinwürfen, sobald der Löwe erschöpft sich niederkauern will, ohne große Gefahr erlegen.

Ehe ich wegging, stellte mir der Gouverneur seine Kinder vor, die ebenso kränklich aussahen als er selbst und sich in seiner Gegenwart vor dem dazu erhaltenen Befehl ebenfalls nicht setzen durften.

Als ich nach Hause kam, erhielt ich den Besuch des Herrn Boreani, Oberstleutnant im Dienste Mehemed Alis. Er ist ein feiner Mann von angenehmen Sitten und guten Kenntnissen, dem der Vizekönig hauptsächlich die Einrichtung seiner Geschützgießerei in Kahira verdankt. Man hat ihn hierher gesandt, um bis Fiezole oder Fazoglu vorzudringen und die dortigen Goldminen zu untersuchen, während Herr Russegger, der Chef der österreichischen Bergleute, dasselbe Geschäft am weißen Nil in Scheibun betreibt. Herr Boreani nahm seinen Weg von Korusko aus durch die Wüste und mitten durch jenes sonderbare, durch vulkanisches Feuer verwüstete Terrain, wo man ganze Strecken steinigen, eisenhaltigen Bodens mehrere tausend Schritte lang in regelmäßig spitz zulaufende Keilformen geschmolzen findet. Dort sammelte er verschiedene merkwürdige Produkte, unter anderen überließ er mir einige schöne Exemplare des artigen mineralischen Produktes, das ganz durch Menschenhand gegossenen Kugeln gleicht (Silice ferrugineux roulé), eine interessante Kuriosität für die Laien. Von Berber setzte er seine Reise zu Wasser fort und litt an der letzten Katarakte Schiffbruch, wo er einen großen Teil seiner Effekten einbüßte und durchnäßt, ohne Kleiderwechsel noch Obdach, eine ganze Nacht im Freien zubringen mußte. Er entging den gefährlichen Folgen dieser Erkältung vielleicht nur dadurch, daß er die Geistesgegenwart hatte, sich selbst mit einem Federmesser zur Ader zu lassen, in diesem Klima das beste Mittel bei einem solchen Vorfall. Herr Boreani hatte seinen hiesigen Aufenthalt (wo er noch auf nähere Instruktion wartet) sehr tätig zu einer Sammlung von ausgestopften Tieren und Vögeln benutzt, und als ich ihn am anderen Tage in seiner Wohnung besuchte, war ich wirklich erstaunt über die Menge und vortreffliche Konservation derselben. Hier sah ich auch zum erstenmal den klassischen weißen Ibis, der erst von der letzten Katarakte aus wieder angetroffen wird, weiter nördlich aber ganz ausgestorben ist. Der liebenswürdige Reisende war so generös, mir noch ein vortrefflich erhaltenes Exemplar dieses Vogels sowie einiger farbenreichen Kolibris nebst zwei lebenden Papageien zu schenken, die ich später alle glücklich nach Hause sandte. Er erzählte mir, daß er den größten Teil seiner Sammlung der Gewandtheit und unermüdeten Ausdauer eines von Herrn Rüppel dressierten Negerjägers danke, den er hier in Dienst genommen. Dieser erlegte die Tiere nicht nur, sondern stopfte sie auch mit seltener Geschicklichkeit aus. Ich glaube, daß einige dieser Vögel, namentlich eine ganz eigentümliche, sehr große und prachtvolle Reiherart, noch unbekannt in Europa sind, wenigstens sind sie mir in keinem Naturalienkabinett bisher vorgekommen.

Da ich wieder viele Krokodile am jenseitigen Ufer schlafen sah, ohne den geheiligten Schech darunter zu erblicken, ließ ich mich hinüberrudern, um womöglich einen derselben zu erlegen. Die ermüdende Jagd hatte aber kein Resultat, die Tiere waren, trotz ihres anscheinenden Schlafes, so wachsam, daß mich keines näher als 200 Schritte herankommen ließ, ohne sich beizeiten zu erheben und langsam ins Wasser zu kriechen, wo es bald vor jeder Verfolgung sicher ist. Die Hitze war gräßlich und stieg um zwei Uhr nachmittags bis 39 Grad Reaumur im Schatten. Da nun die Krokodile am Morgen so viel Furcht vor mir bezeigt hatten, so beschloß ich am Abend, nach Kühlung lechzend, mich auch nicht mehr vor ihnen zu fürchten und unter meinen Fenstern, wo mich überdem mehrere vorgezogene Barken einigermaßen schützten, ein Flußbad zu nehmen, obgleich man mir versicherte, daß genau an derselben Stelle erst vor wenigen Wochen einem am Wasserrande spielenden Knaben der Arm abgebissen worden sei. Der Nil war hier unmittelbar am Ufer schon so tief, daß ich mich zum Bade an einen Strick anbinden lassen mußte, der an einer der dort stehenden Barken befestigt wurde, aber die Wollust des verhältnismäßig kalten Wassers gegen die glühende Temperatur der Atmosphäre war so groß, daß weder die unbequeme Lage, noch die Gefahr sie schmälern konnten. Auch blieb ich ganz unangefochten über eine Viertelstunde in dem belebenden Element, dessen Wert man erst in diesen Ländern vollständig schätzen lernt.


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