Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Aus Mehemed Alis Reich
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Ich fand den Vizekönig mit Abfertigung der Depeschen seines zweiten Kuriers beschäftigt, auf einer niedrigen Bettottomane sitzend. Mit der größten Höflichkeit steht er jedesmal auf, wenn ich in sein Zelt trete, und tat es auch diesmal, obgleich mitten in der Arbeit begriffen. Er bat mich, neben ihm Platz zu nehmen und zu entschuldigen, daß er sein Geschäft beende, er werde sogleich fertig sein, und ich möge unterdessen die eben für ihn angekommenen Journale durchgehen. Artim Bey überreichte sie mir – es war der Constitutionel! Es interessierte mich indes mehr, Mehemed Ali zu beobachten als zu lesen. Er ging jedes Blatt, das man ihm vorlegte, selbst aufmerksam durch und erteilte dann einem dicht neben ihm stehenden Sekretär mit leiser Stimme die Resolution. Was hiermit beseitigt war, warf er auf den Teppich zu seinen Füßen, was noch weiteres bedurfte, reichte er dem Sekretär hin und befrug auch einigemal Artim Bey. Alles schien sehr einfach, schnell und praktisch abgemacht zu werden. In einer Viertelstunde hatte er geendet, der Sekretär packte seine Papiere zusammen, erhielt noch einige Befehle und ging. Wie ein einfacher Bürgersmann, der, nachdem er das letzte Tagesgeschäft abgetan, sich es nun bequem macht und mit genußreicher Bedächtigkeit seine letzte Pfeife raucht, so setzte sich auch der Vizekönig gemächlich in der mit seidenen Kissen umgebenen Ecke seiner Ottomane zurecht, und nachdem aus der unerschöpflichen Sammlung seiner mit kostbarem Email und Edelsteinen verzierten Tschibuks uns zwei derselben gebracht worden waren, rief er: «Nun lassen Sie uns noch eine halbe Stunde verplaudern, ehe wir den Schlaf aufsuchen.» Diese Lust am Gespräch hat er mit Napoleon gemein, der während seinen letzten Kampagnen in Deutschland selbst mit dem sächsischen General Gerstorf stundenlang in die Nacht hinein schwatzte, obgleich dieser so schlecht französisch sprach, daß der Kaiser meistenteils sich des Generals Phrasen noch einmal selbst laut übersetzen mußte, ehe er sie richtig zu verstehen imstande war. Ich fing damit an, dem Vizekönig ein Kompliment darüber zu machen, daß er seine Beamten generöser als irgendein Souverän, Englands Beherrscher allein ausgenommen, bezahle, was ihm billigerweise gute Diener verschaffen müsse. «O, mit der Zeit soll das gewiß geschehen», erwiderte er ablehnend, «jetzt bin ich noch nicht imstande, in dieser Hinsicht zu tun, was ich möchte.» «Doch», sagte ich, «ist, nach europäischem Maßstabe wenigstens, meine Behauptung sehr wahr, denn die Apanage vieler unsrer deutschen Prinzen erreicht bei weitem nicht den Gehalt Ihres Gouverneurs in Kandia, und unsere Generale und Minister besitzen nicht das Vierteil des Einkommens der Ihrigen, obgleich das Leben in Europa weit teurer ist als hier und überdies auch weit mehr Repräsentation von ihnen verlangt wird.» «In diesem Falle», meinte der Vizekönig, «sind diese Beamten gewiß immer Besitzer eines eignen großen Vermögens und dienen für die Ehre, während meine Diener nur von ihrer Besoldung leben müssen.» Ich verzog unwillkürlich bei dieser Antwort das Gesicht, denn allerlei ergötzliche heimatliche Gedanken kamen über mich, es wäre aber sehr unnütz gewesen, sie auszusprechen, und so führte ich das Gespräch auf England zurück. Nach einigen Äußerungen meinerseits sagte Mehemed Ali mit etwas satirischer Miene: «Sie scheinen kein großer Verehrer der Engländer zu sein.» «Mit Ausnahme», erwiderte ich; «liebenswürdig finde ich sie allerdings nicht, und als Europäer erweckt mir ihre schlaue, nichts achtende Handels-Universalmonarchie ein ebenso demütigendes Gefühl, als einst die Gewaltherrschaft Napoleons. Wer könnte aber auf der andern Seite ihnen die größten Eigenschaften, das imposanteste, organisch erwachsne und durchgebildete Nationalleben und die ruhmreichsten Taten absprechen! Schade, daß sie diese durch zu krassen Egoismus, durch zu unleidliche Arroganz so häufig verdunkeln; und die letztere wird um so gehässiger, da sie fast allein auf ihre größeren Reichtümer gegründet ist, die sie doch nur auf anderer Kosten, direkt und indirekt, zu erlangen wußten.»

«Das liegt in der Natur des Menschen», fiel Mehemed Ali ein, «und darf den Engländern nicht zu sehr verdacht werden. Reichtum gibt Macht und diese notwendig ein Selbstgefühl, das bei der menschlichen Schwäche nicht ohne alle Arroganz bleiben kann. Ist nicht jeder Stand in England reicher als auf dem Kontinent, und gibt es nicht viele Edelleute dort, die mehr als eine Million spanische Taler Revenuen besitzen? Wie sollen solche Leute bescheiden bleiben können!»

Ich mußte über dieses «argumentum ad hominem» lachen und fing, mich gefangen gebend, von etwas anderem an. Die Konversation über das Geld ward aber vom Vizekönig wie gewöhnlich mit besondrem Wohlgefallen fortgesetzt. Er erwähnte wieder seines Bankprojekts und klagte von neuem über die eingewurzelte Neigung der Ägypter, ihren Mammon zu vergraben, statt ihn durch Nutzung zu verdoppeln. Es schien ihm sehr wohl bekannt, daß nicht die Masse des baren Geldes, sondern seine schnelle Zirkulation und der daraus entstehende Kredit den wahren Reichtum einer Nation ausmache. «Von jeher», fuhr er fort, «schwebte mir diese Wahrheit vor, und fortwährend stritt ich mich mit meinen Ministern, die in mich drangen, einen großen Schatz zu sammeln für die Zeit der Not. Ich setzte ihnen beharrlich entgegen, daß, um zu guter Zeit über viel disponieren zu können, man sein Geld nicht in den Kasten legen, sondern arbeiten lassen müsse, und wenn man mich auch täglich dafür züchtigte, rief ich aus, so würde ich doch nie eine andere Meinung annehmen. Ich habe meinen Untertanen das Beispiel einer Handlungsweise nach diesem Grundsatz gegeben, und werden sie einst selbsttätig geworden sein, so werden sie mir zu ihrem und meinem Vorteil nachahmen.»

Mit der größten Unbefangenheit sprach er dann von seiner früheren Unwissenheit und wie er sich nur durch langes und fortgesetztes Nachdenken über jedes einzelne zu unterrichten gesucht, bis er das Wahre aufgefunden, denn alles, was er höre, behalte er wohl im Gedächtnis und prüfe es lange – dann aber handle er schnell und lasse sich durch nichts mehr irre machen. «Man tadelt mich unter andern», sagt, er, «daß ich allen Handel des Landes zu meinem eignen Vorteil an mich gezogen habe. Hätte ich es nicht getan, es würde so gut wie gar kein Handel bei uns existieren, wenigstens nicht zu unsrem Nutzen. Schon habe ich einen Teil des innern Handels der Konkurrenz der Partikuliers überlassen, weil ich zu sehen glaube, daß die Nation langsam aus ihrem Schlaf zu erwachen und den sich darbietenden Vorteil zu verstehen anfängt; ich bin im Begriff, auch einen Teil der Fabriken gleichfalls den Spekulanten in die Hände zu geben. Aber den Handel mit dem Auslande muß ich noch selbst fortführen. Schon Napoleon hat es ausgesprochen: ‹que les négociants de l'Europe sont des bandes organisées.› Wir besitzen noch keine solche Banden, und meine unwissenden und indolenten Ägypter würden bald die Beute der fremden Kaufleute werden, wenn ich selbst mich diesen nicht entgegenstellte, ich – den anzuführen ihnen nicht so leicht wird. Finde ich einst, daß die Zeit dazu gekommen ist, so werde ich auch hierin ein andres System ergreifen, denn weiß ich etwa nicht, daß das Geld nur der Repräsentant der Produkte ist? Wird mein Volk fähig sein, durch sich selbst reich zu werden, so will ich ihm gern auch die Mühe überlassen, welche damit verbunden ist, und hoffe mich nicht schlechter dabei zu befinden. Aber man muß mir zutrauen, daß ich besser zu beurteilen verstehe, als der Redakteur des Journal de Smyrne, was in einer Epoche meinem Lande frommen mag und was in einer andern. Die Franken haben ein gutes Sprichwort, welches sagt: ‹Le mieux est l'ennemi du bien›. Ich habe immer das letzte, soweit es eben möglich war, zu erlangen gesucht, ehe ich an das unerreichbare erste dachte. So fand ich vor allem nötig, ein festes und ein reiches Gouvernement in Ägypten zu gründen, und gleichzeitig rastlos an der bessern Bildung meines Volks zu arbeiten. Zu seiner Zeit wird das jetzt Erlangte ohne Zweifel dazu dienen, ein noch Besseres zu begründen, aber wer mit einem Sprung am Ziele sein will, langt nie dabei an. Manches, was ich tue, mag hart erscheinen, und größere Männer, als ich bin, sind nicht anders beurteilt worden – doch das darf mich nicht kümmern. Was ich zum Beispiel von Peter dem Großen gehört, zeigt mir, daß dieser Fürst, der gleich mir alles selbst schaffen mußte, zehnmal eigenmächtiger und despotischer als ich dabei verfuhr, und dennoch hat ihm seine früher murrende Nation wie die ganze Nachwelt endlich Gerechtigkeit widerfahren lassen. Auch ich erwarte diese Nachwelt als meinen unparteiischen Richter, und gibt mir Gott nur noch einige Jahre des Wirkens und gewährt mir die Möglichkeit, das Begonnene zu befestigen, so fürchte ich ihren Richterspruch nicht. Warum arbeite ich Tag und Nacht, warum scheue ich keine Mühe, keine Anstrengung noch Unbequemlichkeit in meinem hohen Alter, um alles, so viel es mir möglich ist, mit eignen Augen zu sehen und zu beurteilen – wenn es nicht wäre, um jenes große Gebäude zu vollenden, was längst in meinem Geiste feststeht. Ich besitze ja überflüssig genug, um für meine Person das Gewonnene und alle Freuden irdischer Existenz in der behaglichsten Ruhe zu genießen, und wenn ich mich statt dessen rastlos plage, so kann es wahrlich nicht aus Egoismus sein! Der Ruhm und das Bewußtsein, die einstige bleibende Wohlfahrt der Länder, über die ich gebiete, begründet zu haben – darin liegt mein teuerstes Interesse, und nur diesem Zweck ist mein ganzes noch übriges Leben geweiht.»

Diese mit Feuer und Enthusiasmus ausgesprochenen Worte waren zwar meiner Ansicht von Mehemed Alis Charakter nicht entgegen – sie erschienen aber zugleich so verschieden von dem, was uns im Auslande die meisten Berichte über diesen merkwürdigen Mann zu insinuieren gesucht haben, daß ich sie mit einer gemischten Empfindung innerer Genugtuung und doch unwillkürlicher Verwunderung und nicht ganz zu bezwingendem Zweifel aus seinem eignen Munde vernahm.

Das materielle Leben während unsrer Reise blieb sich so gleich, daß ich darüber nichts mehr hinzuzusetzen brauche, und ebenso blieb es die Umgebung und das Ansehn wie die beispiellose Fruchtbarkeit der Gegenden, durch die unser Weg führte. Nur die Unterhaltung mit Mehemed Ali gewährte mir immer neue Abwechslung.

Ich habe nicht leicht einen Mann irgendeines Ranges gesehen, der, wenn er will, ein einschmeichelnderes und anziehenderes Wesen gehabt hätte als der Vizekönig. Das lebendige Spiel seiner Augen und seiner ganzen Physiognomie ist dann von einem so feinen, so gutmütig liebenswürdigen Ausdruck begleitet, daß man unwillkürlich sich davon gefesselt fühlt. In der Diskussion ist er voller Mäßigung und Geduld, obgleich ich bemerkte, daß er nicht leicht auf andere Meinung zu bringen ist, aber sein wohlwollendes Benehmen und seine ausgezeichnete Höflichkeit verleugnen sich nie. Zuweilen wenn ich, neben ihm sitzend, unwillkürlich in Gedanken verfiel und zur Wiederanknüpfung des Gesprächs eine Äußerung von ihm selbst erwartete, bog er sich mit jener verführerischen Grazie, die nur ihm eigen ist, langsam zu mir herüber und mich sanft beim Arme fassend rief er: «Jetzt sage mir auf der Stelle, worüber du in diesem Augenblick so tief nachdenkst» – und ich fühlte mich jedesmal wie magnetisch gezwungen, ihm die reine Wahrheit zu bekennen, wenn sie auch nicht immer de saison war. Er nahm aber auch diese stets auf das gütigste und unbefangenste auf, und es frappierte mich überhaupt, wie selbst die kitzlichsten Gegenstände, die aus seinem Leben zur Sprache kamen, ihn nie im mindesten in Verlegenheit setzten oder bei seinen Antworten irgendeine Verlegenheit bemerklich werden ließen. Dies scheint mir ein sichres Zeichen, daß dieser Mann bei allem, was er getan hat, immer vollkommen mit sich selbst einig blieb, und solange man dies bleibt, hat man sich im Grunde keine Vorwürfe zu machen.

Selbst kleine Angewöhnungen, die Mehemed Ali hat und die bei andern Menschen in der Regel ein Ridikül sind, erscheinen bei ihm nicht störend. So pflegt er, wenn er erzählt, oft innezuhalten und sich, ehe er wieder fortfährt, des Wortes schendy (jetzt, nun, wohl) weit häufiger als nötig zu bedienen. Es liegt aber so etwas Eifriges, Vertrauliches und Naives in dieser sonst unnützen Wiederholung, er weiß dem Worte so viele verschiedne Modulationen zu geben, und seine Miene dabei hat einen von aller Affektation so entfernten, kindlich gutmütigen Ausdruck, daß das angeführte Lieblingswort jenen Erzählungen voll dramatischen Lebens in meinen Augen nur einen eigentümlichen Reiz mehr verlieh. Er hat noch einige andere Eigenheiten, die sich indes mehr auf allgemeinere Sitten der vornehmen Türken gründen. So trägt er zum Beispiel nie irgend etwas bei sich. Sitzt er auf dem Diwan, so liegt die Tabakdose und das Schnupftuch neben ihm, aber zu Pferde auf der Reise trägt beide Gegenstände sein ihm immer zur Seite reitender Leibdiener. Verlangt er eins oder das andere, so gibt es der Leibdiener einem der beiden Sais, die, sich an die Schabracke anhaltend, neben des Paschas Pferde herlaufen, geht es bergauf, ihm den Rücken stützen und bei schwierigen Passagen das Pferd beim Zügel fassen. Der betreffende Sais bedient nun den Vizekönig mit dem Verlangten und stellt nach dem Gebrauch den Gegenstand sogleich wieder dem Kammerdiener zu; eine sehr umständliche Komplikation, um sich zu schneuzen oder eine Prise zu nehmen. Der erwähnte Leibdiener zog meine Blicke sehr häufig auf sich. Es war eine wahre Charaktermaske, das Ideal eines Roman-Knappens aus alter Zeit, wie sie bei uns in der Wirklichkeit nicht mehr angetroffen werden. In den scharfen, von manchem innern und äußern Unwetter gefurchten Zügen malte sich ein unerschütterlicher Ernst, unbedingte Ergebenheit, felsenfeste Treue und eine keinen Augenblick ruhende Aufmerksamkeit für den Dienst seines Herrn, den er kaum je aus den Augen ließ. Er dient Mehemed Ali bereits 30 Jahre, mochte selbst einige fünfzig zählen, und sein schlohweißer Schimmel, von der Stärke und Dauer eines alten Ritterpferdes, schien gleichfalls nicht wenig Jahre mit ihm gemeinschaftlich gedient zu haben. Das Benehmen dieses Mannes gegen den Vizekönig war zwar voll Ehrfurcht, aber mit jener vertraulichen Sicherheit gepaart, die nur ein so langes Beisammensein, so viel und so wichtiges zusammen Erlebtes geben können. Man sah deutlich, daß dieser Mann seinem Herrn ganz angehörte, bei ihm das Ich im Diener völlig aufgegangen war und jeder Wink des Herrn, im Guten wie im Bösen, im Gefahrvollsten wie im Alltäglichsten, augenblicklicher Folgeleistung sicher war. Zu einem solchen Verhältnis gehörten vielleicht große Eigenschaften im Herrn wie im Diener und außerdem ein großartiges Schicksal des ersten, dem der andere durch Glück und Unglück viele Jahre gefolgt. Vielleicht gehören auch orientalische, primitive Naturen dazu, denn Napoleon wurde, als sein Glücksstern erblich, auf die gemeinste Weise von seinem französischen Mamlucken Rustan verlassen.

Solange Mehemed Ali als Regent, als Gesetzgeber, als Soldat, als der Reformator seines Landes sprach, erschien er mir immer ausgezeichnet; dem billigen Beobachter kann es aber keineswegs auffallen, daß derselbe Mann, sobald von Wissenschaft oder Kunst die Rede war, für die letzte wenig Sinn verriet und in Hinsicht auf die erstere, aus Mangel an früherem Unterricht, oft in die seltsamsten, ja unglaublichsten Irrtümer verfallen mußte. Unsere Leidenschaft, Antiquitäten und Kunstgegenstände aufzusuchen, und unser Entzücken beim Anblick dieser alten Trümmer war ihm ein unauflösbares Rätsel. Noch weniger konnte ich ihm begreiflich machen, daß man außer Feldbau, Nutzholzpflanzungen und einem Garten auch Anlagen und ästhetische Verschönerungen zur Ausschmückung und künstlerischen Veredlung einer ganzen Gegend bloß zum Genuß für Auge und Geist unternehmen könne. Er frug immer nach dem Nutzen, der daraus erwachse, und wenn ich zum Beispiel die pittoreske Form einer Felsenkette, bei der wir vorbeikamen, rühmte, bedauerte er, daß man sie nicht bewässern, folglich auch nicht tragbar machen könne, ja er lachte mich herzlich aus, als ich äußerte: man solle doch in der unmittelbaren Nähe Kahiras, das die von Ibrahim angelegten Promenaden jetzt so prachtvoll erhöhen, zu besserer Aussicht in die Ferne auch die nahe Wüste noch zu bepflanzen suchen. «Solange wir noch gutes Terrain in Ägypten unbebaut haben», sagte er, allerdings ganz praktisch, «wollen wir wahrlich nicht an die Wüste denken!»

Übrigens hat er doch den Nutzen von Baumalleen eingesehen, weil sie dem Reisenden Schatten geben, und befohlen, nach und nach alle Dämme und den Aufwurf der Kanäle mit solchen Baumreihen zu zieren. Mehrere schon begonnene Versuche dieser Art scheiterten indes hier wie in Alexandrien an der Abneigung und Indolenz der Einwohner, die sie vernachlässigten oder zerstörten. Jetzt mildert sich nach und nach dieser bei allen ungebildeten Klassen sich wiederholende Vandalismus. Artim Beys Miene verspottete mich oft, wenn mir später wieder solche Ausdrücke wie «romantisch», «pittoresk» usw. entschlüpften, und er ließ sie im Gespräch als gänzlich deplaziert und unverständlich auch meist unübersetzt. Bald nahm ich mir daher den Wink zur Richtschnur bei der Wahl meines Themas.

Hinsichtlich der wunderbaren Verwirrung der historischen Kenntnisse des Vizekönigs möge folgendes Beispiel dienen.

Er sprach nicht ungern von seinem Landsmann Alexander und trug allerlei über die Einzelheiten seiner Geschichte, die ihm im allgemeinen ganz gut bekannt war. Einmal sagte ich, daß ein Architekt aus Alexandrien dem griechischen Helden einen Plan vorgelegt haben solle, den Berg Athos, der Mehemed Alis väterlichem Dorfe gegenüberliegt, in Alexanders Statue umzuwandeln. Nicht ohne Ironie frug Mehemed Ali, ob dies bloß eine «pittoreske» Idee gewesen sei oder ob der Baumeister auch gleich den Kostenanschlag mit eingereicht habe? Ich erwiderte, daß ich zwar darüber nichts Positives berichten könne, aber die Macht und die Schätze des Eroberers Asiens wohl auch zu einem so kolossalen Unternehmen ausgereicht haben würden. «Ich glaube keineswegs», fiel der Vizekönig ein, «daß Alexander so reich gewesen ist; alle diese Herrscher der alten Welt müssen gegen die jetzigen nur arme Teufel gewesen sein, denn sonst würden die Römer, die nach Alexander kamen und soviel Jahrhunderte lang noch mehr Länder als er besaßen, nicht bloß kleine Silber- und Kupfermünzen gehabt haben.» Von dieser sonderbaren Idee wollte er nicht ablassen und behauptete, erst seit der Entdeckung Amerikas und der daselbst gefundenen Bergwerke gäbe es soviel Schätze und bares Geld in der Welt. Daß die Römer sehr arm gewesen, davon wolle er mir gleich einen Beweis geben. Zu des Regenten Philipp von Orleans Zeit sei ein türkischer Gesandter nach Paris gesandt worden und habe sich dort eine damals berühmte Stuterei angesehen. Nichts aber habe ihn mehr darin frappiert als die luxuriösen Wohnungen aller Stallbeamten wie auch die Pracht der Pferdeställe, deren Krippen alle von Marmor gewesen seien. Als er nun seine Verwunderung darüber dem ihm als Führer mitgegebnen Hofmanne geäußert, habe dieser fast entrüstet ausgerufen: «wie, habt Ihr eine so geringe Meinung von der Größe der französischen Nation? Wißt, daß bei uns jeder Stalldiener besser logiert ist als der römische Kaiser in seinem Palast! – Wenn nun dies», setzte der Vizekönig hinzu, «auch nur eine französische Großsprecherei war, so beweist sie doch, daß der römische Kaiser im Rufe gestanden haben müsse, sehr schlecht zu wohnen, folglich sein Volk arm gewesen sein müsse, was auch, da es nichts als Kupfergeld gehabt, sehr natürlich sei.»

Uns scheint eine solche Unwissenheit allerdings possierlich, aber wenn man sich in die Person eines Türken versetzt, der nie die mindeste Erziehung erhielt, der erst im fünfunddreißigsten Jahre aus eignem Antriebe lesen und schreiben lernte und dennoch ein sozusagen durch tägliche Taten bezeichnetes Leben mit dem seltensten Genie durchführte, so erscheint der vernünftigen Beurteilung ein solcher Mangel nur wie ein leichtes Fleckchen in der Sonne. Doch habe ich absichtlich, um nicht für einen bloß parteiischen Lobredner zu gelten, auch diese schwache Seite des großen Mannes nicht verschweigen wollen. Wer weiß übrigens, ob Gottfried von Bouillon und mancher gefeierte Herrscher des Mittelalters sich bei einem Examen über dergleichen Gegenstände nicht noch viel unwissender als Mehemed Ali gezeigt haben würde, und was ist am Ende unsre eigne Konversationslexikonsgelehrsamkeit bei einem Leben wert, das meistens so tatenlos wie das einer Kohlpflanze verstreicht? Damit kommt man weder in den Himmel, noch in die Hölle, noch in den Tempel des Nachruhms.

Wir ritten im Lauf des Tages bei einer großen Fabrik vorbei, die ich für einen Palast Seiner Hoheit hielt, da sie, blendend weiß an einen Palmenwald gelehnt, wirklich der ganzen Gegend einen glänzenden Charakter gab. Meines Vorsatzes vergessend, sagte ich zum Vizekönig, sein Land würde auf den Reisenden einen weit malerischeren Eindruck machen, wenn er beföhle, daß alle Dörfer, die jetzt in ihrer Kotfarbe so schmutzig aussähen, geweißt würden. «Mit der Zeit, mit der Zeit», erwiderte er fast ärgerlich, «ich kann nicht alles auf einmal tun, und ehe ich an das Weißen der Außenseite der Dörfer denke, muß erst mehr Wohlhabenheit im Innern derselben herrschen, als jetzt der Fall ist und sein kann. Ja», rief er, «nur noch zehn Jahre wünsche ich zu leben, ich hoffe, das ist genug, mein Werk so weit zu fördern, daß meine Kinder mit Ruhe daran fortarbeiten und dann glücklichere Untertanen beherrschen können!» Ich wiederholte ihm, daß er bei der ungeschwächten Kraft seines Geistes und Körpers auch noch auf mehr als diese Zeit mit Zuversicht rechnen und jene heilbringenden Resultate selbst zu erleben hoffen dürfe – ich aber freue mich schon im voraus darauf, nach zehn Jahren weiter mit ihm über diesen Punkt zu sprechen, wenn sich statt der Konsuln Botschafter der fremden Mächte bei ihm befinden würden.

«Gut», erwiderte er freundlich und in der heitersten Laune, «lebe ich nach zehn Jahren noch, so schicke ich einen expressen Abgesandten zu Dir nach Europa, um Dich einzuladen, selbst zu sehen, ob ich nach meinen Worten getan. Eines Morgens, wenn du längst nicht mehr an mich denkst, wird ein schöngekleideter Türke in den Hof Deines Schlosses einreiten und Dich mit einem Gruß vom alten Mehemed Ali an die zweite Reise nach Ägypten mahnen.»

«Ich nehme mit dem größten Dank Euer Hoheit beim Wort», sagte ich, «und lebe ich selbst gesund wie heute, was freilich Bedingnis aller zukünftigen Pläne ist, so rechnen Sie sicher auf mein Erscheinen. Was ich der Hoheit gelobe, hoffe ich der Majestät halten zu können.» «La, la», rief der Vizekönig, sich den weißen Bart streichend, «ich brauche keinen Titel und habe nie in meinem Leben einen andern Titel unterzeichnet als: Mehemed Ali.»

Am folgenden Tage, wo wir in einem großen Dorfe Mittag machten, dessen Namen ich aufzuzeichnen vergaß, war daselbst auch die zierliche kleine Nilflotte des Vizekönigs angekommen, und ich benutzte seine Siesta, um mit Artim Bey Mehemed Alis Dahabia zu besichtigen, das zierlichste kleine Schiff dieser Art, das ich je gesehen, obgleich Kleopatras berühmte Barke es ohne Zweifel noch weit übertroffen hat. Das Hauptzimmer, möglichst hoch und geräumig, war mit meergrün lackierter Boiserie und Gold verkleidet, die Vorhänge bestanden aus schwerer violetter Seide mit goldnen Fransen sowie die Diwans rund umher aus gleichfarbigem Samt mit goldenen Tressen und reichen Quasten besetzt. Die Fensterrahmen waren aus vergoldetem Metall und die Scheiben aus Kristallglas, wie in den Kutschen mit einer Borte zum Auf- und Herabziehen versehen; grün lackierte Jalousien schützten vor der Sonne. Die Schlaf- und Toilettenkabinetts zeigten gleiche Eleganz, und als Vorzimmer diente ein prächtiges Zelt von persischem gelb gesticktem Zeuge, was zugleich als Speisesaal benutzt wurde. Vierundzwanzig uniform gekleidete Schwarze setzten selbst beim ungünstigsten Winde mit taktmäßigem Ruderschlag das leichte Schifflein in die schnellste Bewegung, und gegen den Strom ziehen es fünfzig, sich alle halbe Stunden abwechselnde Fellahs im Trabe eines raschen Pferdes.

Als ich nachher beim Vizekönig von meinem Besuch auf dieser Flottille sprach, erfuhr ich von ihm, daß jetzt im ganzen über 6000 Barken den Nil befahren, wovon an 2000 Mehemed Alis Eigentum sind.

Beim Nachtmahl erzählte er viel interessante Details über jene Zeit, wo er definitiv in Ägypten zur unumschränkten Macht gelangt sei, wovon ich andernorts bereits einen kurzen Auszug mitteilte. Als ich ihm hierauf mein Bedauern ausdrückte, daß er keinem Europäer diese unterrichtenden Memoiren diktiere, um sie der Geschichte aufzubewahren, erwiderte er die merkwürdigen Worte: «Warum sollte ich das tun? Ich liebe diese Zeit meines Lebens nicht, und was kann die Welt jenes unaufhörliche Gewebe von Kampf, Not, List und Blutvergießen helfen, zu denen die Umstände mich gewaltsam fortrissen. Wen kann dieses widerliche Detail zu hören erfreuen! Es ist genug, wenn die Nachwelt wissen wird, daß alles, was Mehemed Ali geworden ist, er nicht der Geburt noch der Gunst, sondern niemandem als sich selbst verdankte, aber meine Geschichte soll erst von dem Augenblick angehen, wo ich ungehinderter beginnen konnte, dieses Land, das ich wie mein Vaterland liebe, aus seinem Jahrhunderte dauernden Schlafe zu wecken und es zu einer neuen Existenz heranzubilden.

Sonderbar», fuhr er fort, «daß von siebzehn Kindern ich das einzig übriggebliebene bin! – Neun meiner Brüder starben schon im zarten Alter, was auch der Grund war, daß meine Eltern mich fast gleich einem vornehmen Kinde erzogen. Ich war daher bald weichlich und ein Tagedieb geworden, so daß mich meine jungen Kameraden verspotteten und oft ausriefen: ‹Was wird, wenn seine Eltern sterben, aus Mehemed Ali werden, der nichts hat und zu nichts taugt!›

Dies machte endlich einen tiefen Eindruck auf mich, und als fünfzehnjähriger Knabe beschloß ich, mich selbst zu besiegen. Oft hungerte ich mehrere Tage lang oder zwang mich ebenso lange nicht zu schlafen, und in allen Arten von Leibesübungen ruhte ich nicht, bis ich der Geschickteste unter meinen Kameraden geworden war. So erinnre ich mich, daß wir einmal um die Wette bei stürmischem Wetter ruderten, um eine kleine Insel zu erreichen, die jetzt noch mein Eigentum ist. Keiner kam hin als ich, aber alle Haut hatte sich von meinen Händen gelöst, ohne daß die heftigsten Schmerzen mich in meinem Entschluß irre zu machen vermochten. Auf diese Weise härtete ich fortwährend Leib und Seele ab, bis ich später, wie ich Dir schon erzählt, hinlängliche Gelegenheit fand, mich in meinem etwas ernsteren Wirkungskreise, dem kleinen Kriege unsrer Dörfer, mir selbst und andern als tüchtig zu erproben. Als ich mein neunzehntes Jahr erreicht hatte, wo mein Vater schon tot war, zeigte sich noch eine bessere Gelegenheit. Griechische Seeräuber hatten verschiedene Exzesse verübt, und mein Onkel, welchen mehrere der mächtigen türkischen Gutsbesitzer zu verderben trachteten, erhielt auf ihre Veranlassung den Befehl, mit einem kleinen Kriegsschiffe des Sultans die Räuber aufzusuchen und ihnen das Handwerk zu legen. Mein Onkel mußte gehorchen, begab sich aber vorher selbst zum Pascha, um diesem vorzustellen, daß all sein Hab und Gut zugrunde gehen würde, wenn er es jetzt so plötzlich und auf unbestimmte Zeit verlassen müsse, da niemand in seiner Familie sei, dem er es anvertrauen könne. Zugleich schützte er seine eigne Unfähigkeit zu einem solchen Kommando vor und nahm davon Gelegenheit, mich, der des Krieges schon gewohnt und unternehmend sei, statt seiner dazu vorzuschlagen. Es gelang ihm, den Pascha zu überreden, ich selbst verlangte nichts besseres und hatte wirklich das Glück, die Räuber nicht nur in die Flucht zu schlagen, sondern auch nach kurzer Verfolgung ihr Fahrzeug zu entern und alle, die nicht niedergemacht wurden, zu Gefangenen zu machen. Für diese Tat ward ich schon im zwanzigsten Jahre zum türkischen Seekapitän ernannt. Ein so schnelles Steigen erweckte mir indes viele Neider und sogar die Eifersucht meines Onkels selbst, der mich einige Zeit darauf, vielleicht nicht in der besten Absicht, nach Ägypten sandte. Wie wenig ahnte ich damals, zu welchen Schicksalen ich in diesem Lande bestimmt sein sollte, aber Gottes Wege sind wunderbar.» –

«Sie können sich in der Tat glücklich schätzen», sagte, als ich mich beurlaubt hatte, Artim Bey zu mir, «solche Züge aus des großen Mannes Leben aus seinem eignen Munde vernommen zu haben, die selbst uns bisher ganz unbekannt geblieben waren. Ich habe Mehemed Ali noch mit niemandem so kommunikativ gesehen.»

Ich mag nicht leugnen, daß diese Äußerung wie eine der angenehmsten Schmeicheleien auf mich wirkte, vielleicht auch nichts andres war.

Am folgenden Tage, wogleich am frühen Morgen der Vizekönig verlangt hatte, daß ich neben ihm reiten sollte, denn, sagte er, auf Reisen muß man die Zeit durch Unterhaltung abkürzen – war dennoch alle Konversation durch die glühende Hitze und einen unerträglichen Staub fast unmöglich gemacht, da der in unserm Rücken blasende Wind uns ohne Unterlaß mit allen den schwarzen Wolken, die so viel Hunderte von Kamelen und Pferden hinter uns aufwühlten, umhüllte. Endlich ward es dem Vizekönig selbst zu arg, und er befahl, in einem Haine stachlicher Mimosen eine Ruhestation zu machen. Im Augenblick waren eine Menge Teppiche auf den Boden gebreitet, eine scharlachrote Wolldecke mit goldnen Fransen darüber gelegt und an beiden Enden dieser für Seine Hoheit und mich Samtkissen aufgeschichtet, wo wir so bequem wie auf einem Bette ruhten. Wir hatten uns kaum niedergelassen, so erschienen auch schon mitten in der Wildnis wie auf den Wink des Geistes von Aladins Lampe kalter Punsch und andere Sorbets in goldnen Schalen, denen unmittelbar Pfeife und Kaffee folgten. «Nun», rief Mehemed Ali, sobald er einige Züge getan, «warum sagst Du nichts? Ich habe heute noch kaum zehn Worte von Dir vernommen.»

Ich muß bekennen, daß ich von Hitze, Staub und Erschöpfung so gedankenlos geworden war, daß ich nicht mehr wußte, was ich vorbringen sollte. Mit meiner gewöhnlichen Aufrichtigkeit machte ich kein Geheimnis daraus, «und überdies», setzte ich hinzu, «sann ich schon oft nach, wie ich Euer Hoheit etwas Neues erzählen könne, was Sie zu interessieren imstande sei, und fand dann mehr als einmal zu meiner Beschämung, daß Sie schon besser davon unterrichtet waren als ich selbst.» Über diese Äußerung lachte er, meinte aber, jemand, der so viel gesehen als ich, dürfe nie um Stoff zur Unterhaltung verlegen sein, wenn er nur wolle. Dies schien mir eine gute Gelegenheit, da ich zum Reden aufgefordert wurde, ein Thema auf das Tapet zu bringen, das man neuerlich nicht gegen den Vizekönig zu berühren wagen wollte. Diese Dinge gehören nicht hierher; der Erfolg bewies mir aber, daß der ausgestreute Samen auf kein unfruchtbares Land gefallen war.

Ich erwähnte eigentlich dieser kleinen Szene nur, um zu zeigen, «qu'il faut un peu payer de sa personne avec Son Altesse», wenn man das Feuer der Mitteilung und seine willige Laune dazu auf gleicher Höhe erhalten will. Dazu ist er nicht wenig inquisitiv, nicht so leicht mit Gemeinplätzen abzuspeisen als manche andere große Herren, und weiß jede Blöße, die man gibt, auf der Stelle zu entdecken. Mich wenigstens hat er mehr als einmal auf solche Weise hart in die Enge getrieben, was freilich nicht sehr viel sagen will, da ich von Natur schüchtern bin und den sogenannten Mut der Öffentlichkeit nur in geringem Grade besitze. Ich habe nie auf einem Privattheater ohne Herzklopfen auftreten können, geschweige denn auf dem großen Welttheater. Jedoch gelang es mir allerdings manchmal, mich zu bezwingen.

In Dschirdscheh schifften wir uns ein, worauf ich Seine Hoheit nicht eher als in Keneh wiedersah, um, da ich meine Reise weiter fortzusetzen wünschte, Abschied von ihm zu nehmen. Ich kam eben vom Besuch des Tempels zu Denderah zurück, der auf eine abscheuliche Weise durch Schutt und elende Hüttenreste verdeckt wird. Da mir nun der Vizekönig die größte Freiheit meiner Äußerungen gestattete, so sagte ich ihm gradezu, daß man ihm in Europa die gänzliche Vernachlässigung der alten Monumente, an denen sein Land das reichste in der Welt sei, sehr verdenke, und er es seinem hohen Rufe in jeder Hinsicht wirklich schuldig sei, auch hierin mit gutem Beispiele vorzugehen. «Eure Hoheit», fuhr ich fort, «haben gleich hier die beste Gelegenheit dazu. Der Tempel zu Denderah ist einer der besterhaltensten Ägyptens und nicht durch den schwer zu entfernenden Wüstensand verschüttet, sondern nur durch Schutt und Unrat versteckt. Ein Wort von Ihnen, und er steht fast wieder in seiner alten Pracht da.»

«Gut, gut», erwiderte Mehemed Ali, «ich will Ihnen zu Liebe einen Beweis meiner europäischen Bildung geben.» Und auf der Stelle ließ er den Mamuhr rufen und erteilte ihm die gemessenste Ordre, nicht nur sämtliche drei Tempelreste von Denderah frei zu machen, sondern auch den ganzen Platz darum her zu ebnen und mit einer Befriedung zu umgeben, die jede künftige Beschädigung abhalte.

Ich glaubte also auch hier, wie einst in Tunis, den günstigen Moment nicht versäumt zu haben, den Freunden des Altertums einen kleinen Dienst zu erweisen, um dessentwillen sie mir es verzeihen könnten, wenn ich ihnen bei der Beschreibung der gesehenen Monumente oft zu kurz und oberflächlich erschienen bin, weil ich nicht wiederholen oder abschreiben mochte, was sie in zehn andern Werken soviel gründlicher und weitläufiger behandelt finden können.So glaubte ich; als ich aber nach sechs Monaten zurückkam, fand ich mit Demütigung und Verdruß, daß auch nicht ein Spaten an die Räumung des Tempels gelegt worden war, ein Beweis, daß der in meiner Gegenwart erteilte Befehl an den Mudir nur eine Komödie gewesen und Mehemed Ali nie ernstlich daran gedacht hatte, ein in seinen Augen so abgeschmacktes und unnützes Werk zu unternehmen, dessen eifrige Betreibung er bei mir wohl nur für eine europäische fixe Idee ansah, und mit der duldenden Nachgiebigkeit behandeln zu müssen glaubte, welche die Türken jeder Art von Tollheit angedeihen lassen. Seitdem soll indes doch etwas von Mehemed Alis damaligen Befehlen ins Werk gesetzt worden sein.

Ehe ich abging, hatte ich Seiner Hoheit noch eine große Freude zu danken, denn er sandte mir Briefe aus der Heimat, die im Paket seines Kuriers angekommen waren und deren Schreiber schwerlich vermutet hätten, durch welche hochberühmte Hand sie an mich gelangen würden.

Der Wind schwellte unsre Segel, und noch in derselben Nacht erreichten wir im Schlafe Theben, dessen riesige Wunderbauten uns beim ersten Anblick am Morgen fast die Empfindung gaben, als lägen wir noch im Traume.


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