Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Aus Mehemed Alis Reich
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Notgedrungen Polemisches

Die Luft war vom Gewitter keineswegs abgekühlt worden, sondern drückend schwül. Doch ehe ich in dieser schwülen Luft weiter avanciere, muß ich einige Augenblicke in die nicht minder oppressive Luft literarischer Polemik übergehen, eine leidige Notwendigkeit, die ich jedoch für mein nachsichtiges kleines Publikum so wenig ungenießbar als möglich einrichten werde. Ich wurde nämlich wegen der in den vorhergehenden Seiten Herrn Dr. Rüppel nachgewiesenen Irrtümer von diesem mit einer merkwürdig leidenschaftlichen und nicht wenig anmaßenden Erwiderung beehrt, auf die ich folgendes replizierte, was ich hier für diejenigen meiner Leser wiederhole, welche jener Zeitungsliteratur fremd geblieben sind.Es war meine Absicht, die vorhergehende, wie diese, Herrn Rüppel betreffende und schon früher in der Augsburger Zeitung abgedruckte Stelle nicht in mein Buch aufzunehmen, um so mehr, da ich seitdem im Naturalienkabinett zu Frankfurt des Herrn Doktor persönliche Bekanntschaft gemacht und ihm ganz herzlich die Hand zum Frieden geboten. Da ich aber seitdem mit Verwunderung sehen mußte, daß derselbe in der Vorrede seines neuen, mit gerechtem Beifall aufgenommenen Werkes über Abessinien mich abermals durch die mir erteilte, eben nicht allzu witzige, aber noch weniger höfliche Qualifikation eines ihm gänzlich unbekannten Skribenten angegriffen hat, so glaubte ich wenigstens nichts von dem früher über ihn Geschriebenen unterdrücken zu dürfen, welches, wenn nicht schmeichelhaft, doch vollkommen wahr ist, damit das Publikum imstande bleibe, nach eignem Ermessen über die zwischen uns stattgehabten Differenzen zu urteilen.

«Ich habe einmal», schrieb ich, «von einem gemeinen Manne erzählen hören, der, mit einem Anfluge praktischer Philosophie begabt, an jedem letzten Tage des Jahres seiner Ehehälfte mit harten Tätlichkeiten so lange zu Leibe ging, bis er von ihr, im Übermaß ihres Zornes, alles herausgebracht hatte, was etwa von isultierenden Persönlichkeiten gegen ihn aufzutreiben möglich war und wovon er auf andrem Wege bei honnetten Leuten nicht leicht eine so vollständige Erkenntnis zu erlangen fähig gewesen wäre.

Erfahrung lehrte mich seitdem, daß man in einer etwas höheren Sphäre viel leichter und schon dadurch zu demselben ergötzlichen Resultate gelangen könne, wenn man in unsrer literarischen Welt einen deutschen Pedanten einiger Irrtümer zeihe. Augenblicklich speit nach solcher Beschwörung ein Vulkan, von denen es bekanntlich (solange sie noch nicht ausgebrannt) dreierlei Gattungen gibt, nämlich entweder Feuer-, Wasser- oder Schlammspeiende. Oft hat man sogar das Vergnügen, alle drei Elemente zugleich herausfahren zu sehen. Für ein solches interessantes Naturschauspiel nun bin ich eben jetzt dem Herrn Doktor Rüppel wahrhaft verpflichtet, ich, der Tourist, wie er mich nennt – nicht der mit diesem in Verbindung gebrachte Fürst Pückler, der gar nicht hierhergehört, weil er sich nie als den Verfasser jener angefochtenen Berichte bekannt hat, und den folglich nur die irdische Unbehaglichkeit und Taktlosigkeit, welche unerzogner Rohheit stets eigen zu sein pflegt, in diese Sache einzumischen sich einfallen lassen konnte. Ich muß es mir gefallen lassen, daß Herr Rüppel mich bald mit Semilasso, bald mit Tourist, Skribent oder andern schmeichelhaften Benennungen der letzteren Art bezeichnet, aber mich als Fürst Pückler anzufahren, dazu hat er kein Recht, um so weniger, da es ganz unnütz für seinen Zweck ist, weil Semilasso und der Verfasser der Briefe eines Verstorbenen zufällig weit bekannter in der Welt geworden sind, als der noch viel unbedeutender als sie sich erkennende Fürst Pückler. Ich bedaure übrigens, daß der gütig vermittelnde Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung – wahrscheinlich aus Respekt für sein eignes Blatt – einen Teil der erwähnten Explosion abgewehrt hat, denn ich bin wirklich stolz genug zu glauben, daß ich in meiner geistigen Sphäre zu hoch über Angriffen dieser Art stehe, um verletzend davon berührt werden zu können. Ja, es würde mir sogar leid tun, daß die nichtigen Ausstellungen eines so unwichtigen Touristen, dem nicht einmal ein Begriff von dem tiefsinnigen Geheimnis der Längenbestimmung eines Ortes durch Sternbedeckung oder Meridianhöhen zugetraut wird, einen sich selbst so viel Gerechtigkeit widerfahren lassenden Gelehrten, wie Herr Doktor Rüppel ist, dermalen in Harnisch bringen konnte, daß kein Unbefangener mehr zweifeln wird, er habe sich wenigstens in einem oder dem andern Punkte schmerzlich getroffen gefühlt – ich würde, sage ich, dies aufrichtig bedauern, wenn es nicht dazu diente, dem ganzen Publikum eine nützliche Wahrheit anschaulich zu machen, und zwar die: daß unter allen Tyranneien unsrer Zeit die der wissenschaftlichen Zünftler, die eben weiter nichts als das sind, die schwerfälligste und darum widerwärtigste und unerlaubteste ist. Der blinde Hochmut jener (oft nur sogenannten) Gelehrten vom Fache, emsiger Saumtiere des Wissenschaftsquarks und Residuums, die da glauben, daß nur sie, weil sie die Trebern tragen, auch den Geist mitgeladen haben und daß daher niemand etwas wisse und niemand etwas schreiben könne und dürfe als sie – dieser albernste Hochmut kann zum Besten der Gesellschaft weder zu oft noch zu stark ins hellste Licht gesetzt werden.

Da ich indes, wie billig, ungleich mehr Furcht habe, das Publikum zu ennuyieren als Herr Rüppel, so werde ich mich bei meiner anspruchslosen Replik mit folgenden wenigen Bemerkungen begnügen.

1) Es ist interessant, aus Herrn Doktor Rüppels Erklärung zu ersehen, daß die schon früher gegen meine Wenigkeit gerichtete feurige Zurechtweisung, die anonym in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erschien und die ich irrigerweise als aus der Feder (eines lobhudelnden Landsmannes Herrn Rüppels) geflossen ansah – von dem Herrn Doktor selbst herrührte. Dieses Irrtums bekenne ich mich schuldig.

2) Hinsichtlich Saki-el-Abds und des ‹wunderbaren› Sophismus, dessen ich mich bei dieser Gelegenheit bedient haben soll, muß ich, trotz allen imposanten Messungen meines gelehrten Gegners, in meiner Verstocktheit bei der einfachen Tatsache stehenbleiben: daß Saki-el-Abd auf Herrn Rüppels Karte vergeblich gesucht wird, sowie viele andere dem Reisenden wesentliche Orte, was mir fortwährend ein Mangel derselben zu sein scheint. Ambukol betreffend mag Herr Rüppel vollkommen Recht haben, aber ich bitte zu bemerken, daß ich seiner hierbei gar nicht gedacht habe. Ich äußerte allerdings, daß Ambukol auf den Karten falsch plaziert sei, aber als ich dieses an Ort und Stelle schrieb, hatte ich drei bis vier Karten mit mir, und es ist sehr wohl möglich, daß ich unter diesen die des Herrn Rüppel damals, wie er sagt, ‹mir nicht die Mühe nahm anzusehen›. Ich dachte vielleicht, er habe Ambukol wie Saki-el-Abd darauf anzumerken vergessen. Nur da also, wo ich Herrn Rüppel genannt habe, kann ich die Verantwortung des Gesagten auf mich nehmen. Dies ist nun der Fall bei Nummer

3), wo zugestanden wird, was ich nach Herrn Rüppels Ausdruck ‹mit gewaltigem Stolze› behauptet, daß die Distanz der Pyramiden zu Nur vom Dschebel-Barkal statt der von Herrn Rüppel angegebenen sieben Stunden nicht mehr als drei betrage, aber – dies ist nur ein Druckfehler, wie mich Herr Rüppel belehrt, und obgleich in Buchstaben ausgeschrieben, hat der ungeschickte Setzer doch sieben statt drei gelesen. Gleichermaßen wird versichert, daß Kapit ale für Kapit äle auch nur ein Druckfehler sei. Hier wäre er allerdings plausibler, muß aber doch für den hartnäckigsten seiner Gattung erklärt werden, da auch nicht ein allereinzigesmal in dem ganzen Buche des Herrn Doktors, das vor mir liegt, der über alle Begriffe im Unrecht verharrende Setzer dies mehr als fünfzigmal vorkommende Wort zu entziffern vermochte! Daß ich nun Druckfehler dieser Art falsch beurteilte, verdient vielleicht um so eher Entschuldigung, da dieselben in dem Verzeichnis ihrer Kameraden, welches sich am Ende des Buches befindet, sämtlich mit Stillschweigen übergangen worden sind. Wahrscheinlich hat sich aber auch jetzt wieder die Augsburger Allgemeine Zeitung neuer Druckfehler schuldig gemacht, indem sie in Herrn Rüppels Erklärung folgende Phrase aufgenommen: ‹Das Hauptinteresse der Aufsätze des Touristen besteht für den gebildeten («gebildeten» ist hier offenbar ein Druckfehler) Leser nur in der Art und Weise, wie er (der Tourist) sich selbsten (zweiter Druckfehler!) Huldigungen darbringt.› Nichts kann in der Tat meinen schwachen Angriff auf die Schreibart des Herrn Rüppel besser entkräftigen, als die Eleganz und der geistreiche Sinn dieses Satzes, aber wir wollen hier gleich, zu Nummer

4) fortschreitend, uns über den Stil nicht länger streiten. «Le style est l'homme» sagt Buffon. Herr Rüppel also schreibt wie Rüppel, der Tourist wie der Tourist, das Urteil darüber bleibt Geschmackssache.

5) Herrn Russegger betreffend, so weiß ich zwar nicht, was derselbe in der Frankfurter Oberpostamtszeitung publiziert hat (ein Artikel, der abermals durch viele Druckfehler entstellt worden sein soll), daß er sich aber gegen mich mündlich über Herrn Rüppels Nachrichten und Karten als in vieler Hinsicht unzuverlässig und irrtümlich ausgesprochen, muß ich wiederholen. Herrn Russeggers Werk, von dem ich nach der mit ihm gemachten Bekanntschaft viel erwarte, wird später am besten durch die Vergleichung seiner Angaben mit denen des Herrn Rüppel dartun, wie es sich hiermit verhält. Selbst seine mir in diesem Augenblick mitgeteilte Auslassung im Beiblatt der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 16. Januar des laufenden Jahres gibt davon bereits einen Vorgeschmack, obgleich das Bestreben, Herrn Rüppel möglichst zu schonen, gleich ersichtlich daraus ist; eine sehr erklärliche Rücksicht, da Herr Russegger nach Frankfurt zu reisen im Begriff steht und daher um so weniger Beruf fühlen mag, sich der Derbheit und dem diktatorischen Ton eines so formidablen Gelehrten in dessen eignem Lager entgegenzustellen. Doch kann ich nicht umhin, hier zu zitieren, was Herr Russegger vor einiger Zeit in der Steyermärkischen Zeitschrift, vierter Jahrgang, zweites Heft, Seite 110, publizierte.

‹Rüppel› schreibt hier Herr Russegger, ‹hat in seiner Reisebeschreibung sehr unrichtige Notizen durch Mitteilungen anderer über das Land der Nubas aufgenommen, welches er selbst nicht gesehen hat. Überhaupt bin ich mit seinem Reiseberichte gar nicht zufrieden, er ist mir zu oberflächlich, geht zu leicht über die wichtigsten Gegenstände weg und ist zu arm an wirklicher Naturanschauung.›

Dies scheint mir außerordentlich deutlich, und ich, der nur einzelne Irrtümer des Herrn Rüppel bemerklich machte, habe im allgemeinen ein weniger ungünstiges Urteil über ihn ausgesprochen als dieses. Was ich aber gesagt, glaube ich und würde dabei verharren, wenn auch noch so viele Autoritäten mir (ohne mich durch Überzeugung zu einer andern Meinung zu bekehren) entgegentreten. Ich würde also auch des Herrn Russegger, dem ich freundschaftlich zugetan bin und dessen gründliche Gelehrsamkeit ich hoch ehre, hier zum zweiten Male gar nicht erwähnt haben, wenn es nicht nötig gewesen wäre, um zu beweisen: daß ich nicht ‹in Ermangelung eigner wissenschaftlicher Befähigung zu einem gegründeten Angriff auf Gelehrte (?) mich des Namens und angeblicher Ansprüche› (noch einmal ein Druckfehler! denn um Sinn zu haben, müßte es wenigstens Aussprüche heißen) bediente, um die Angaben Herrn Rüppels zu verdächtigen – ferner, daß es ganz und gar nicht zu meinem Nachteil gereicht, ‹keine Kenntnis von dem aus der Frankfurter Oberpostamtszeitung in der Augsburger Allgemeinen Zeitung verstümmelt abgedruckten Briefe des Herrn Russegger zu haben, in welchem dieser verdienstvolle Reisende gegen einen solchen Mißbrauch seines Namens protestiert und in bezug auf Herrn Rüppels Leistungen grade das Gegenteil von dem, was Semilasso ihn sagen läßt, ausspricht.›

Wir haben eben gesehen, inwiefern die in einem amtlichen Berichte des Herrn Russegger an seinen Vorgesetzten befindlichen Äußerungen, welche in der Steiermärkischen Zeitschrift abgedruckt und jedenfalls lange vor den mir unbekannten verstümmelten Briefen in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erschienen sind – wirklich ‹grade das Gegenteil meiner Behauptungen› enthalten.

6) Da ich deprezieren muß, jedes triviale Detail wiederzukäuen, welches Herr Doktor Rüppels weitere Erklärung enthält, so erteile ich ihm schließlich nur noch die Versicherung, daß ich, ganz unbekannt mit seiner geehrten Person, durchaus kein anderes Motiv gehabt habe, ihn einiger Irrtümer zu zeihen als das Interesse der Wahrheit und nebenbei vielleicht etwas üble Laune, wie ich nicht leugnen will, über die Anmaßung, welche sich in seiner Vorrede und in mehreren Stellen seines in mancher andern Hinsicht dennoch verdienstvollen Buches auf eine sehr widerliche Weise kundgibt. Ich glaube dennoch in beiderseitiger Hinsicht mit mehr Mäßigung verfahren zu sein, als in der Entgegnung gefunden werden wird, deren Ton ich mich jetzt nur notgedrungen etwas mehr zu nähern genötigt war; doch verwahre ich mich gänzlich gegen die lächerliche Voraussetzung Herrn Rüppels: daß ich ihn bloß deshalb einiger Oberflächlichkeit in seinen Reiseberichten beschuldigt, weil – er Mehemed Ali als einen Tyrannen geschildert. Ich kann im Gegenteil mit dem besten Gewissen beteuern, es bisher vollständig ignoriert zu haben, daß den Helden Ägyptens das Unglück betroffen, in dem Heros des Frankfurter Naturalienkabinetts einen Antagonisten zu finden. Aufrichtig gesagt, glaube ich aber, daß Mehemed Ali nicht viel von diesem Umstand zu befürchten hat, ja, daß alle wissenschaftlichen Kenntnisse Herrn Rüppels, so zahllos sie auch sein mögen, immer noch nicht hinlänglich sind, das Genie Mehemed Alis zu messen, und wenn auch ein nichts bedeutender Tourist, wie ich es bin, sich gern gefallen läßt, bis in alle Ewigkeit ein Gegenstand Herrn Rüppels höchster Geringschätzung zu bleiben, dieser doch gut tun wird, dem erhabnen Sterne gegenüber – dessen Bedeckung zu observieren er wohl vergeblich hofft – nicht weiter dem Beispiel jener armseligen Kläffer zu folgen, die auch den Glanz des Mondes nicht ohne unnützes Lautwerden zu ertragen vermögen.


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