Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Aus Mehemed Alis Reich
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Reise auf dem Nil nach Kahira

Ich schrieb gestern einer Dame, die viel Lust zum Reisen fehlt, sich aber vor den damit verbundenen Gefahren und Mühseligkeiten scheut, daß ich ihr, um beide zu vermeiden, keine bequemere Wintertour als die nach Ägypten anraten könne, wo man in seiner Stube und von aller gewohnten Häuslichkeit umgeben, so gemächlich auf dem alten Nile hingleitet, daß man kaum des Schiffes Bewegung bemerkt, wenn man nicht auf die fliehenden Ufer blickt. Und wo zöge man sicherer dahin! – in keiner Postchaise und in keiner Diligence Europas.

Der gute General Besson hatte mich noch einmal in seinem Landhause bewirten wollen. Ein gewölbter Weingang fährt vom Speisesaal dieser Villa bis an den Kanal von Mahmudieh, und die Nacht öffnete schon ihre dunklen Fittiche, als ich diesen anmutigen Gang in des Generals und Herrn Roquerbes Begleitung durchschritt, um die Kangsche zu besteigen, welche das Gouvernement mir nebst einem Kawaß (was man ehemals einen Janitscharen nannte) zu bewilligen die Artigkeit gehabt hatte.

Nachdem ich bis zum Morgen sehr sanft geschlafen, stieg ich früh aus der Gondel, um auf die Jagd zu gehen, denn der Wind war uns entgegen, und die Matrosen mußten das Fahrzeug am Strick ziehen, was ziemlich langsam vonstatten ging. Wir trafen kein eßbares Wildbret an als Lerchen, aber diese auch in so großer Menge, daß ich oft mehrere auf einen Schuß erlegte und so in kurzer Zeit dreißig feiste, kleine Braten für die Küche zu liefern imstande war. Raubvögel gab es in großer Menge, auch Seemöwen, und eine Viertelstunde lang segelte ein endloses Geschwader von Kranichen in geordneten Kolonnen über uns hinweg nach Europa.

«Segler der Lüfte;
Wer mit euch schiffte!»

rief ich in empfindsamer Laune und schoß meine letzte Lerche figürlich, denn ich trat in ein Rattenloch und fiel in sehr unsanfter Berührung auf den altklassischen Boden nieder.

Die Gegend erschien von den kahlen Dämmen, welche den Kanal einfassen, ziemlich einförmig, grüne Feldebnen fast ohne Bäume, nördlich am Horizont der See von Abukir und hinter uns die Sandhügel der Wüste. Ich frühstückte in einer der verschrienen Fellahhütten, wo ich vortreffliche Butter und Milch erhielt und als Dessert zum erstenmal in meinem Leben frisches Zuckerrohr genoß, dessen Geschmack ich sehr angenehm fand. Die Sonne war stechend heiß, aber im Schatten die Luft kühl.

Als wir uns Hatfeh näherten, zeigten sich die Dämme teilweise mit Akaziengruppen besetzt, unter deren Schutz sich auch die Ufer sogleich berast hatten, und in schönduftiger Ferne erblickten wir die Häuser und Minaretts von Damanhur, dem alten Hermopolis parva, welche aus einem Palmenwalde südlich hervorschimmerten. Es wurde Abend, ehe wir in Hatfeh am Ende des Kanals anlangten, und da man hier umladen und eine neue Kangsche nehmen muß – weil man bei Grabung des Kanals seine Mündung in den Nil, um schneller fertig zu werden, mehrere Stunden zu weit oberwärts angelegt hat, weshalb nun für eine den Schiffen zu öffnende Schleuse kein gehöriges Gefälle existiert –, so sah ich mich genötigt, die Nacht hier zuzubringen. Doch kann man sich denken, daß ich's keinen Augenblick versäumte, mich durch den Menschenhaufen und die aufgeschichteten Baumwollenballen hindurch zu drängen, um noch vor Sonnenuntergang das andre Ende des Orts zu erreichen, wo der heilige Nil strömt, den ich nun zum erstenmal sehen sollte. Solche Augenblicke sind ja der Lohn des Reisenden! Der prächtige Fluß ist in seiner Breite hier mit der Elbe zwischen Dresden und Meißen zu vergleichen, auch sein Wasser hatte jetzt ziemlich dieselbe Farbe, denn es war nur wenig gelblich. Die Ufer dagegen glichen von allen europäischen Gegenden Holland am meisten, nur mit Ausnahme der Palmen. Das Laub der Pappeln, Maulbeerbäume, Jujubiers und andrer Obstbäume bedeckte schon die Erde, wodurch die Landschaft allerdings etwas an ihrem Reiz verlieren mochte, auch dadurch an manchen Orten, wo die immergrünen Bäume nicht aushalten, winterlicher aussah, als ich erwartet hätte; doch entzückte überall der saftgrüne Untergrund der Fluren unter dem wolkenlosen, tiefazurblauen Himmel. An den ziemlich hohen, häufig abgerissenen Ufern sah man deutlich, wie stark der Fluß bereits gefallen war. Man hat jetzt ein eignes Mittel gefunden zu beurteilen, ob man für das folgende Jahr «einen guten oder schlechten Nil» zu erwarten habe. Es wird nämlich die Höhe seines Steigens aus der größern oder mindern Menge der Regenwolken kalkuliert, die das Jahr über aus dem Norden über das Meer kommend nach Abessinien ziehen, und eigne Leute sind zu dieser fortwährenden Beobachtung förmlich angestellt.

Der Gouverneur von Hatfeh hatte einige Mühe, eine andre Kangsche für uns zu finden, und wir wurden vor Mittag des folgenden Tages nicht flott, so daß unsere Fahrt während desselben sich nicht weiter als bis Fuah erstreckte. Diese bedeutende Stadt, bei welcher der Nil sich um das Dreifache verbreitert und eine baumreiche Insel umspült, hat die bezauberndste Lage. Mit hohem Schilf eingefaßte Orangengärten; unabsehbare Baumwollenfelder mit flockigen Früchten bedeckt; reiche Kleematten, welche sich in goldgrünem Glanze von ihnen landeinwärts erstrecken; Tausende von Palmen am Ufer und zwischen ihnen prächtige Gruppen hoher Sykomore, dem majestätischsten der Bäume Ägyptens; dann durch die Laubgewölbe schimmernd lange Reihen weißer Fabrikgebäude, die von weitem mit ihren flachen Dächern italienischen Palästen gleichen, und diesen unmittelbar sich anschließend im Hintergrunde der dunkle Haufen meist zweistöckiger türkischer Häuser der Stadt mit zahlreichen bunten Minaretts, welche schlank und zierlich in Obelisken- und Säulenform daraus emporsteigen – alles fremdartige Gegenstände, die in ihrer reichen Abwechslung hier schon zum Anfang eins der anziehendsten Bilder dieser lieblichen Flußfahrt gewähren.

Ich stieg nicht weit von der Stadt, bloß von meinem Dolmetscher begleitet, ans Land, um mich recht nach Herzenslust im Grünen zu ergehen, und besichtigte am Ende des erfrischenden Spaziergangs die auf meinem Wege nach der Stadt liegenden Fabriken. In der ersten werden jetzt so viele Fes (Tarbusch) verfertigt, daß nicht nur der ganze Bedarf für das Land dadurch gedeckt ist, sondern noch eine bedeutende Menge zur Ausfuhr übrigbleibt; und an Güte stehen diese Fes den tunesischen nur wenig nach. Die Arbeiter beiderlei Geschlechts, Kinder und einige Greise für die leichtere, Erwachsene für die schwerere Arbeit, verdienen hier täglich, wie ich aus ihrem eignen Munde hörte, einen bis vier Piaster, was in diesem wohlfeilen Lande unserm Tagelohn völlig gleichkommt. Sie verrichten ihr Tagwerk in großen, luftigen und reinlichen Sälen, sind weit besser gekleidet als die Fellahs außerhalb, und es war mir eine Freude zu bemerken, wie gesund und heiter sie aussahen und mit welcher Milde sie durchgängig von den Aufsehern behandelt zu werden schienen. Kein Europäer befindet sich mehr in dieser Fabrik, ebensowenig als in der großen Baumwollenspinnerei, die ich nachher besuchte und die den englischen dieser Art genau nachgebildet ist, obgleich das Reinhalten der Maschinen hier wegen des feinen Staubes im Sommer weit schwieriger als dort ist. Doch ist es nur eine Fabel übelwollender Berichterstatter, daß deshalb mehrere Fabriken hätten eingestellt werden müssen. Der Vizekönig, der alles auf kolossale Weise erfaßt, hat das Fabrikwesen gleichfalls auf einmal und wie durch Zauber in Masse hervorgerufen, ähnlich Friedrich dem Großen, den man damals auch genug deshalb tadelte und dem doch Preußen die Gründung seiner jetzigen so hochgestiegenen Industrie allein verdankt. Krieg, Pest und Cholera haben jedoch den Vizekönig allerdings seitdem gezwungen, dem Ackerbau nicht mehr so viel Arme zu entziehen, und manche Spekulation mag sich auch durch die Erfahrung nicht so bewährt haben, als man erwartete.

Aus diesen Gründen ist vieles wieder eingestellt worden, doch was beibehalten wurde, ist desto gediegener und wird in einem Zustande erhalten, der bei so jählingen Schöpfungen und einer allen Neuerungen so feindlichen Bevölkerung doppelt lobenswert ist. Ich erfuhr übrigens später aus Mehemed Alis eignem Munde, daß er im ganzen nicht mehr als zehn Millionen spanische Taler auf alle von ihm angelegten Fabriken verwandt und jetzt über eine Million reinen Ertrag von ihnen beziehe, dessen Steigerung noch erwartet werden dürfe. Man kann also nicht sagen, daß die Spekulation für ihn mißglückt sei, der Vizekönig ist aber keineswegs der Mann, der, wie man zu sagen pflegt, in seinen eignen Beutel lügt.

Aus den Fabriken begab ich mich auf die Bazars, wo ich als Kuriosum einen in Sachsen verfertigten Toilettenspiegel mit der Inschrift Chemnitz in der Bude eines schmutzigen Arabers kaufte. Bei dem außerordentlichen Gedränge, was hier herrschte, verlor ich meinen Spartaner Susannis (einen mir in Mistra verehrten Hund) und konnte ihn trotz aller Mühe nicht wiederfinden, weshalb ich zu weitern Nachforschungen die Nacht hier bleiben mußte. Der klassische Hund hatte, wie ich am Morgen erfuhr, von neuem einen seltnen Beweis anhänglicher Treue gegeben. Genau den Weg verfolgend, den ich gekommen war, hatte er in beiden Fabriken sozusagen nachgefragt, und als er mich nirgends fand, war er an der Stelle, wo ich gelandet, ins Wasser gesprungen, glücklich durch den hier mehr als eine Viertelstunde breiten Nil geschwommen und nach Hatfeh zurückgekehrt, von wo er eben seine Reise nach Alexandrien weiter fortsetzen wollte, als ihn meine ausgeschickten Boten nur mit großer Mühe wieder einfingen. Noch ganz mit Schlamm bedeckt und tödlich ermüdet, traf der Ärmste auf der Kangsche ein, wo er von der ganzen Schiffsgesellschaft mit einem Hurra von Lachen über seine traurige Gestalt und Freude über seine glückliche Wiederkehr empfangen wurde.

Ich hatte in allen Reisebeschreibungen soviel von den Tänzerinnen Ägyptens, den Almehs, gelesen, und wie sie an die Barken geschwommen kämen, eigne Dörfer bewohnten und unter eignen Gesetzen lebten usw., daß ich sehr verwundert war, bisher keine einzige derselben zu Gesicht bekommen zu haben, und daher in Fuah meinem Kawaß auftrug, mir von ihnen einige auf das Schiff zu bringen. Es scheint aber ein Ende mit dieser Unterhaltung in Ägypten zu haben, was ich für meine Person, des Charakteristischen und Nationalen wegen, sehr bedaure. Der Vizekönig hat, den guten Sitten zuliebe, die doch in der Regel wenig durch dergleichen Prohibitionen gewinnen und in Kahira schon die tanzenden Mädchen durch tanzende Knaben ersetzen, die harmlosen Geschöpfe mit einem Anathema belegt, und da niemandem besser gehorcht wird als ihm, so wagt keine mehr, sich blicken zu lassen. Man vertröstete mich für dies nationale Schauspiel auf Oberägypten, wohin der Vizekönig einen großen Teil dieser Mädchen ins Exil geschickt hat, dort aber die Polizei etwas weniger streng geübt wissen will.

Die Aussicht von Fuah ist ebenso schön als dessen Anblick. Salamieh, eine ansehnliche Stadt, thront vom jenseitigen Ufer über dem Walde her, und weiterhin ragt massenhaft ein schwarzes hohes Mauerviereck hoch empor, eine verlaßne Fabrik, aus dichten Palmen über endlose Fluren niederschauend, die dem Meere gleich am Horizont verschwimmen.

Fortwährend blieben auch im Verfolg unsrer Reise die Ufer reizend, und die Jagd ward immer ergiebiger. Wir schossen Schnepfen, wilde Tauben, Krammetsvögel und einen sehr hübsch gezeichneten bunten Vogel, der ebenfalls eine leckere Speise abgibt. Die Fellahs zeigten sich überall freundlich und behilflich, nur einmal verwiesen sie uns das Töten in der Nähe eines heiligen Grabes. Auch dies aber nur zu unserem Besten, denn der Santon, meinten sie, würde sich rächen, wenn wir sein Grab nicht respektierten. Wir folgten gehorsam.

Am Morgen darauf, und nachdem wir die ganze Nacht weiter geschafft, erlebten wir einen Londner Nebel, der in dieser Jahreszeit auf dem Nil nichts Seltnes ist, und sahen bis 1 Uhr nachmittags kaum mehr als das Wasser des Flusses und unsre Barke. Desto fleißiger sangen die Schiffsleute. Das Geschrei, Stöhnen, Wiehern und Singen dieser Araber bei allen Geschäften ist zuweilen belustigend, aber häufiger lästig. Oft klingt es, als wenn sie die Bastonnade bekämen oder sich in Kolikschmerzen wälzten, aber alles im Takt; ein andresmal möchte man glauben, das Schiff ginge unter, so furchtbar steigt der Lärm, es wird aber nur ein Segel gewendet. Heute hätte man sich einbilden können, wir wären von Seeräubern angefallen worden, und in der Tat entstand unter ohrbetäubendem Geschrei eine Art Kampf zwischen unsern am ganz nahen Ufer die Kangsche ziehenden Schiffsleuten und mehreren herbeigekommenen Fremden. Der Grund war, daß unser Rais (Schiffsherr) den Dorfbewohnern früher eine kleine Summe Geldes schuldig geblieben war, und obgleich mein Kawaß seine Autorität geltend machen wollte, mußte der Rais doch bezahlen, um seine bereits gefangengenommene Mannschaft wieder auszulösen. Ich bin überzeugt, daß bei diesem Streit mehr an den gegenseitigen Lungen abgenutzt wurde, als der ganze Gegenstand desselben wert war. Es sind jedoch rüstige Leute, diese Schiffer, die mehr als andere vertragen können, bald ihr Fahrzeug angestrengt fortrudernd, bald am Strick ziehend, bald am seichten Boden es fortstoßend, bald wie Eichhörnchen an ihren hohen, dünnen Segelstangen halsbrechend hinaufkletternd, aber immer, um mich eines Waidmannsausdruckes zu bedienen, «laut jagend».

Wir debarkierten abends bei dem kleinen Dorfe Sydi Ibrahim, um Provisionen einzukaufen, und fanden alles, was ein europäischer Stadtmarkt darbietet, mit sehr gutem Rind- und Kalbfleisch und vortrefflichem Gemüse vorrätig. Ein fettes, lebendiges Schaf kostete nach preußischem Gelde 1 2/3 Taler und das Pfund Schlachtfleisch 1 1/2 Groschen. Die Gemüse waren fast umsonst. Ich erwähne dies noch einmal besonders als einen Beweis, wie sehr die Schilderungen des in Ägypten überall stattfindenden Elends und Mangels bei den Landleuten der Wahrheit entbehren.

Nach dem häßlichen Morgennebel hatten wir eine wundervolle milde Mondnacht, und obgleich man alle Fremden warnt, sich einer solchen hier nicht im Freien auszusetzen, so empfand doch keiner von uns üble Folgen davon. Dies wie anderes wird übertrieben, und ich glaube, daß weder Nacht noch Tag in Ägypten schädlich sind, wenn man sich nur sorgsam vor Erkältung und hitziger Nahrung hütet, welche hauptsächlich die Ophtalmien herbeiführen. Auch soll diese Krankheit mit der beginnenden Zivilisation und daraus folgenden veränderten Lebensart und zweckmäßigeren Kost sehr abnehmen. Man sieht allerdings noch viele Einäugige und zuweilen auch Blinde, aber daß der zwölfte Mann hier an den Augen litte, wie ein Reisender behauptet, ist nur ein abgeschmacktes Märchen.

Was mir als fremdartige, obgleich aus Büchern wohlbekannte Gegenstände in diesen Tagen, wo die Gegend reizloser blieb als bisher, auffiel und mich vielfach unterhielt, waren hauptsächlich folgende Dinge. Zuerst die oft den Fluß durchschwimmenden, so eigentümlich geformten Büffel, bei denen im Gegensatz zu der Natur übriger Tiere die jungen unendlich häßlicher als die alten sind; ferner die ihre hohen Krüge antiker Form so geschickt und graziös auf dem Kopfe tragenden Weiber, welche mich immer an entsprechende Darstellungen in meiner Bilderbibel erinnerten, so wie die einzelnen, vom Sonnenuntergang oft seltsam verklärten und wie mit einer Glorie umflossenen, stillen Beter am Nil; die wunderlichen Reisenden, welche auf einem ganz kleinen, nur von Binsen geflochtnen und kaum 5 Fuß ins Gevierte haltenden Floß über den breiten Fluß sich selbst mit einer ganzen Familie hinüberrudern, ein Gebrauch, dessen schon Strabo erwähnt, der aber nur firmen Schwimmern anzuraten ist; die vielen Hunderte spitzer Taubenschläge in Form von Bischofsmützen neben den Dörfern, wie Bienenstöcke stets umschwärmt, und die gleich einer Allee nie abbrechenden, von Ochsen oder Kamelen langsam gedrehten, weithin knarrenden Bewässerungsräder längs des Flusses, Saki genannt; endlich die Masse herrenloser Hunde, die man überall herumlaufen sieht und deren ganz eigentümliche Sitten zu studieren mir sehr interessant war, weit interessanter als dem geplagten Susannis, den sie als einen Fremdling stets gemeinschaftlich anfielen, während sie einen Menschen nie belästigen, nie sich zur Wehre setzen, wenn man sie schlägt, als dankten sie jedem einzelnen für die ihnen geschenkte Duldung von allen. Es ist auch eigen, daß die Türken und Ägypter, obgleich sie die Hunde wie überhaupt alle Tiere liebevoll behandeln, doch nie selbst eigne Hunde halten, wohl aber Katzen. Der Grund liegt ohne Zweifel in dem religiösen Vorurteil, das den Hund wie das Schwein zu einem unreinen Tiere stempelt. Auch bemerkte ich, daß nie ein Türke einen Hund anders als mit der linken Hand anfaßt.

Mit der Berberei, soweit ich sie bereiste, hat Unterägypten fast gar keine Ähnlichkeit. Zuerst fehlen ihm die hohen Gebirge und Felsen wie jener der majestätische Fluß. Dann sind Städte und Dörfer dort immer blendend weiß getüncht, freundlich im Grün gelagert oder an farbige Felsen gelehnt und, selbst wenn sie von wüstem Sande umzingelt sind, noch glänzend wie im Schmuck, wenigstens von weitem gesehen; hier, wo sie wegen der Überschwemmungen des Nils auf künstlich errichteten grauen Sandhügeln gelagert und die Häuser, meistens schwarz, aus Erdziegeln erbaut sind, erscheinen sie von ernsterem, etwas traurigem Charakter. Selbst die stets wiederkehrenden Palmen geben der Landschaft zuletzt viel Einförmiges, so wie auch die ewigen grünen Flächen, eben wie mit dem Richtscheit planiert, auf die Länge gleichfalls ermüden. Die Palmen selbst zeigen sich in beiden Ländern sehr verschieden, in der Berberei niedrig mit weit ausgebreiteten Kronen, hier weit höher, aber oft mit bloßen Büscheln oben auf den kahlen Stämmen. Sie sollen auf diese Weise reicher tragen. In vielem erinnert übrigens das hiesige Land durch den Fortschritt neuerer Zivilisation schon an Europa, gleich Algier, während Tunis und die übrige Berberei noch ganz ungestört den afrikanisch-ausländischen Charakter erhalten haben. Da der Wind fortwährend entgegenblies und wir nur sehr wenig vorrückten, blieb ich zwei Tage lang in meiner Kajüte mit Schreiben beschäftigt, die vorüberziehenden Bilder nur durch die Fenster betrachtend, bis wir an eine Stelle kamen, wo die Wüste in glatten Sandhügeln bis an den Nil herantritt. Es gewährte eine Veränderung, und ich stieg daher ans Land. Der Sand war meistens so hart, daß man sehr angenehm darauf hinwandelte und nur selten etwas einsank. Auch hatte der Anblick dieses sehr bewegten Terrains, obgleich ohne Vegetation, doch gar nichts so Abschreckendes als man sich gewöhnlich unter Wüste vorstellt, und ich kann den Berlinern zu ihrem Troste die Versicherung geben, daß viele Stellen ihrer Umgegend die Wüste noch übertreffen.

Es dauerte indes nicht lange mit dieser Wüstenfreude, und gleich darauf gelangten wir wieder in die allerfruchtbarsten und auch durch Bäume aller Art verschönten Goldauen, die den Nil von Alexandrien bis Kahira fast durchgängig begrenzen. Da aber der Fluß hier einen großen Haken macht, so kamen wir zu Fuß unsrem Schiff so weit voraus, daß wir nach Sonnenuntergang wieder umkehren mußten, um es aufzusuchen. Auf dieser Exkursion erlegten wir einige wilde Gänse und Enten, und mein Diener Ackermann schoß in der Krone eines immergrünen Baumes, der im Abendwinde gleich einer Äolsharfe zuweilen melodische Töne von sich geben soll, grausam vier Turteltauben auf einen Schuß. Die Barke hatte, dem tiefern Strome folgend, sich auf die andre Seite gewandt, und wir mußten in einem Kahne uns zu ihr übersetzen lassen. Der schwarze Araber, welcher uns mit herkulischer Kraft allein hinüberruderte, glich ohngeachtet dieser Stärke ganz dem berühmten französischen Skeleton, das in England an einem ungewohnten Beefsteak, zu dessen Verzehrung es sich in einer schwachen Stunde verleiten ließ, den bitteren Tod fand. Der Mann vor uns bestand wörtlich aus nichts als Haut, Muskeln und Knochen, ein im Fleische schon Abgeschiedener und in unsern Augen das vortreffliche Abbild des Charon.

Es hatte sich ein schwacher Nordwind erhoben, der uns in der Nacht etwas rascher vorwärts trieb, und als ich aufstand, zeigte man mir, gleich blauen Felsenkuppen am Horizont, die Pyramiden von Dschiseh. Wie viele lange Jahre schon hatte ich mich nach diesem Anblick gesehnt! Daß sie endlich vor mir lagen, goß eine wohltätiger befriedigende Ruhe in meine Brust, und ich bitte die Kritiker, mir diese Anwandlung von Sentimentalität diesmal zu gute zu halten, ohne sie für eine Affektation auszugeben. Von dem unbefangenen Leser habe ich ohnedem nichts dieser Art zu befürchten.

Man wird jetzt immer mehr gewahr, daß man sich der Hauptstadt nähert. Einzelne Landhäuser, mit Mauern umgeben, unterbrechen die grünen Fluten rechts und links des Flusses, die Zitadelle am Fuß des dunkeln Mokkatamm blitzt in der Ferne auf, man kommt bei den prachtvollen Gärten von Schubra vorüber, weiterhin steigen turmhohe Feueressen der Dampfmaschinen neben ausgedehnten Fabrikgebäuden empor, dicke schwarze Rauchsäulen hoch in die blaue Luft wirbeln, und so von Überraschung zu Überraschung fortschreitend, erreicht man endlich Bulac, den Hafen Kahiras von der Meerseite. Während dieser im buntesten Gewirre das geschäftige Leben des Handels entwickelt, zeigt sich gegenüber im reizendsten Kontraste und in idyllischer Ruhe die liebliche Insel Garante, sich mit ihrem Lustschloß und ihren weiten Pflanzungen hinter einem transparenten Mantel von Trauerweiden verbergend wie eine Schöne unter einem Schleier von Gaze, nur um desto aufmerksamer betrachtet zu werden. Kahira selbst bleibt noch unenthüllt. Von mehreren großen Palästen der Vorstadt, die sich über den Nilufern aneinanderreihen, maskiert, ahnet man es mehr, als man es sieht, und nur einzelne Spitzen seiner Kuppeln und Minaretts, wie sie hie und da zwischen dem Fluß und den schroffen Felsen des Mokkatamm sichtbar werden, verraten die unermeßliche Stadt, «das Meer der Welt», nach des Morgenlandes poetischer Benennung.


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