Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Aus Mehemed Alis Reich
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Gesellschaftliches. Umgebung

Mir gefiel es wohl in Alexandria und seiner europäisch-afrikanischen Mischung. Die fremden Konsuln, welche im allgemeinen die erste Rolle in der hiesigen Gesellschaft spielen, leben hier, wo etwas großstädtischere Formen herrschen als in den übrigen Städten der Levante und Berberei, in weit größerer Eintracht, und die vielen Ausländer, meist Franzosen im Dienste des Vizekönigs, vermehren und erheitern diese gebildeten Zirkel mannigfaltig. Ein sehr glänzendes Haus machte unter andern ein Bataillonschef und Adjutant Soliman Paschas, Herr von W..., früher Kammerherr des Herzogs von Lucca, dessen Gemahlin aus einer vornehmen hannövrischen Familie herstammt. In diesem Hause herrschte gediegner Luxus neben der vollkommensten Urbanität; es ist aber ziemlich charakteristisch für die etwas leichtfertige Beschaffenheit des hiesigen Treibens, daß an einem schönen Morgen dies alles in Rauch aufging und viele der vermögendsten Kapitalisten Alexandrias mit Schrecken gewahr wurden, daß die vortrefflichen Diners, zu denen sie Herr von W... täglich einlud, nur durch das von ihnen erborgte Geld bestritten worden waren. An eine Rückzahlung war nicht zu denken, und nach vielem Lärm ergab man sich in sein Schicksal. Herr von W. aber vertauschte Alexandria mit Constantinopel. Es gibt indes neben den vielen Abenteurern doch auch sehr solid etablierte Familien hier, von denen manche wahre Paläste bewohnen und dementsprechend leben. Zu diesen gehört vor allem der schwedische Generalkonsul, Chevalier Anastasi, dessen Einrichtung und gastfreie Lebensweise in allen Weltteilen für reich und geschmackvoll gelten würde.

Es sei mir vergönnt, einige Worte mehr über diesen braven Mann beizufügen, da ich mit ihm zufällig in nähere Berührung kam und, im Vorbeigehen gesagt, auch er es ist, dessen Freigebigkeit unser Berliner ägyptisches Museum seinen kostbarsten Sarkophag verdankt.

Der gütige Leser wird aus dem «Vorläufer» vielleicht meinen Sekretär Theolog noch im Andenken behalten haben. Theologides ist der Sohn einer Nichte des Chevalier Anastasi, der früher die Kosten seiner Erziehung bestritt, aber durch einige leichtsinnige Streiche und eine tolle Geldverschwendung seines Schützlings in München so entrüstet ward, daß er ihm endlich seine Protektion gänzlich entzog. Hierdurch ward dieser in die traurigste Lage gebracht, in welcher ich ihn in Athen fand und mehr aus Mitleid als aus Bedürfnis zu mir nahm, hauptsächlich aber, um, wenn irgend möglich, in Alexandria, wohin ich damals meine Schritte richtete, die Aussöhnung mit seinem Großonkel zu bewirken. Komisch kam es mir dabei vor, daß ein berühmter diplomatischer Professor Deutschlands, der Theolog in Griechenland kennenlernte und ihn nach Deutschland zu gehen bewog, nach des letzteren Versicherung, vorzüglich schuld an den erwähnten Naivitäten meines Schützlings gewesen sein sollte. Er riet ihm nämlich, sagte Theolog, so viel Geld als er nur könne, auf Rechnung seines großmütigen Verwandten in Triest zu beziehen, wohin er akkreditiert war, damit er für seinen ganzen Studienkursus im voraus geborgen wäre. Ich habe Grund, an die Wahrheit dieser Aussage zu glauben, da mir Herr Anastasi lachend erzählte, besagter Professor habe ihm nachher einen Brief geschrieben, den er als ein merkwürdiges Aktenstück noch aufhebe und in welchem jener die unverzeihlichen Schritte des jungen Menschen damit zu entschuldigen sucht, 1) «daß Herr Anastasi ein Kaufmann sei, folglich Banquerott machen könne, 2) daß Herr Anastasi ferner bereits alt sei, folglich bald und plötzlich sterben könne – er es daher seinem Neffen nicht so sehr verdenken dürfe, wenn er sich mindestens für die Zeit seiner Studien habe sichern wollen.» Man kann nicht umhin, eine solche Diplomatie wenn nicht geschickt, doch wenigstens originell zu nennen. Ihren Zweck verfehlte sie freilich und hätte wohl auch den Sanftesten erbittert; doch gelang es uns, den gütigen und edlen Mann zu versöhnen. Theolog ward wieder zu Gnaden angenommen, anständig durch die Aussetzung eines nicht unbedeutenden Kapitals versorgt und ihm auf Kosten seines Onkels eine Handelskarriere eröffnet, in welcher er noch ebenso reich werden kann, als es der Chevalier Anastasi selbst ist, wenn er mit dessen Geschäftskenntnis dasselbe Glück und besonders dieselbe Biederkeit verbindet. Denn auch Herr Anastasi war nicht immer glücklich. Im Anfang seiner Laufbahn mißlang ihm alles, und er sah sich endlich gezwungen zu fallieren. Ein gerichtlicher Vergleich mit seinen Kreditoren erfolgte, kraft dessen er ihnen 25 Prozent vergütigte. Klein und unansehnlich begann er von neuem, aber Fortunas Rad hatte sich gedreht. Jede Spekulation lohnte sich doppelt und dreifach, und in wenigen Jahren war Herr Anastasi ein sehr reicher Mann. Hier zeigte sich nun sein wahres Schrot und Korn. Obgleich durch das Gesetz zu nichts verpflichtet, rief er öffentlich alle seine alten Gläubiger oder ihre Erben zusammen und zahlte ihnen gewissenhaft Kapital und Zinsen bei Heller und Pfennig nach. Dergleichen Beispiele sind selten in unsrem egoistischen Zeitalter und verdienen wohl die ehrenvollste Anerkennung der ganzen Gesellschaft.

Auf diese Weise kam ich denn um meinen dritten Reisesekretär auf dieser orientalischen Wanderschaft, und es ist seltsam genug, daß alle drei etwas vom verlornen Sohne an sich hatten, ich auch Gelegenheit fand, sie alle drei ihren respektiven Familien zum Genuß des geschlachteten Kalbes wieder zurückzuführen. Ob es bei allen dennoch Bestand haben wird, ist eine andere Frage. Was mich betrifft, so fühlte ich große Lust, nachdem ich es hintereinander mit einem protestantischen, einem israelitischen und einem griechischkatholischen Sekretär versucht (von denen der Israelit bei weitem der beste war), jetzt meine Wahl auf einen Muselmann zu lenken. Es gibt ja bereits solche in Menge hier, die in Europa studiert haben und daher leicht mehr wissen mögen als ich.

Als mir zum Beispiel der Prinz Said Bey seinen Gegenbesuch machte, kam in seiner Gesellschaft ein solcher, vollständig europäisch gebildeter Türke mit, der Vizeadmiral Hassan Bey, der so geläufig französisch sprach, daß ich ihn lange für einen rechtgläubigen französischen Christen hielt, bis ich ihn plötzlich niederknien und sein muselmännisches Gebet verrichten sah, welches, wenn die Stunde dazu gekommen ist, immer rücksichtslos von guten Muselmännern vorgenommen wird, sie mögen sich befinden, wo sie wollen. Dieser Admiral, früher ein Mameluck (persönlicher Sklave) Mehemed Alis, passiert für den besten Reiter in Ägypten, eine seltene Eigenschaft für einen Seemann, und hat überhaupt viel von der Welt gesehen und viel in ihr erlebt. Er erzählte uns, daß er in Chili durch seine Reiterkünste über verschiedne der dort Berühmtesten in dieser Hinsicht obsiegte, dadurch aber ihre Eifersucht in einem solchen Grade erregte, daß man mehrmals seinem Leben nachstellte und er zuletzt das Land deshalb verlassen mußte. Der Admiral besitzt jetzt das kostbarste Pferd in Alexandrien, einen echten Nedschdi, den er mir später auf meine Bitte vorritt und dabei seinen Ruf als Reitkünstler auf das Glänzendste bewährte. Man konnte nicht schöner und fester zu Pferde sitzen und ein feuriges Roß nicht vollständiger in seiner Gewalt haben. Sein Apfelschimmel mit der Isabellenschnauze, dessen ich nur für die Hippologen erwähne, war nicht hoch, aber von kräftigem, gedrungenen Bau, ziemlich starken, magern Knochen ohne Fehl und wäre, bei sehr übereinstimmenden Verhältnissen, vollkommen schön gewesen, wenn er nicht einen etwas zu kurzen Hals gehabt hätte, was bei den Nedschdi häufig der Fall ist. Er war nicht so lang gefesselt als die meisten arabischen Pferde und ebenso feurig als fromm. Doch gehörte dies Pferd noch nicht zu der alleredelsten Rasse der Wüste, die Hassan Bey, der früher den Krieg gegen die Wechabis mitgemacht hatte, folgendermaßen schilderte. «Die einzigen, welche ich je von diesen Auserwählten gesehen», sagte er, «waren die Leibpferde Abdallahs, des Anführers der Wechabiten, die mit ihren Herren in unsre Gefangenschaft gerieten und welche ohne dieses Kriegsereignis keine Summe, noch so groß, zu erkaufen imstande gewesen sein würde. Sie waren wohl eine Hand höher als mein Pferd (also reichlich 4 Zoll unsres Maßes), mit Augen und Knochen gleich der Gazelle, die letzteren zwar fein, aber fest wie Stahl. Ihre Schönheit und die Grazie aller ihrer Bewegungen war mit nichts zu vergleichen, und an blitzähnlicher Schnelligkeit und Gewandtheit wie unverwüstlicher Dauer konnte keines unsrer mitunter doch vortrefflichen Pferde ihnen nur nahe kommen.» Diese edlen Tiere gingen leider in einem damals noch sehr schlecht gehaltnen ägyptischen Gestüt schon das Jahr darauf zugrunde und so spurlos für die ägyptische Zucht vorüber.

Doch ich kehre zu der Alexandriner Gesellschaft zurück.

Zu den vielen Vereinigungsmitteln, welche dieser zu Gebote stehen – worunter hohes Hazardspiel in Privathäusern, eine alte Mode aus der guten Zeit der Soupers, der ich selbst nicht abgeneigt bin, obenan zu stehen scheint –, gehören auch zwei sehr artig zusammengesetzte Liebhabertheater, ein französisches und ein italienisches. Das erste und vorzüglichste verdankt seine Entstehung und Fortdauer fast allein dem unermüdlichen Eifer des Herrn Reinlein, Vizekonsuls von Holland, der bald als kleiner Talleyrand alle Finessen der Diplomatie, bald als glücklicher Nachahmer Mehemed Alis alle Energie seines Willens in Wirksamkeit setzt, um die oft zur Rebellion geneigte Truppe so vornehmer Freiwilligen zusammenzuhalten. Herr Reinlein lebt und webt nur in Musik und Theater, und da ich glaube, daß eine große Passion dieser Art, wenn sie hinlängliche Befriedigung findet, einen wahren Teil des Lebensglückes ausmacht, so ist Herr Reinlein nur dazu Glück zu wünschen; denn die Reiter auf Steckenpferden sind immer mehr zu beneiden als die, welche den Pegasus oder das Schlachtroß des Ehrgeizes wählten. Es ist indes wahr, daß Herr Reinlein auch noch neben diesem Glück die angenehme Zugabe hat, eine äußerst hübsche und liebenswürdige Spanierin als Frau zu besitzen, die ihm wahrscheinlich noch mehr beneidet wird als sein Theaterdilettantismus.

Das französische Theater war leider jetzt geschlossen, und ich kann es daher nicht mit genug Dank erkennen, daß eine beim französischen Konsul, Herrn Lesseps, mir Unwürdigem zu Ehren improvisierte Darstellung nicht die mindeste Opposition fand und in wenigen Tagen mit der humansten Bereitwilligkeit ins Werk gerichtet wurde. Man gab eins der besten Stücke von Scribe, und die Hauptrollen wurden durch Frau von Wülfingen und Herrn Janin, einen St. Simonisten und Bruder des berühmten Perlet, meisterhaft dargestellt. Ebenso zeichnete sich Herr Janin im zweiten Stück, dem «Comédien d'Etampes», aus, wo seine ergötzliche Karikatur der englischen Lady um so mehr Lachen erregte, als mehrere Zuschauer ein kürzlich hier gesehenes, womöglich noch possierlicheres Original dieser Karikatur in natura noch im frischesten Andenken hatten.

Im italienischen Theater hörte ich nur ein Konzert, in dem einige Sänger verdienstlich waren, besonders eine Dame, von der man mir sagte, daß Lord Byron einst zu ihren Anbetern gehört habe, ohne daß die Zeit ihr seitdem so übel mitgespielt hatte als der zur Polizei übergegangnen «maid of Athens».

Noch immer wie in alter Zeit lieben die Alexandriner, Landpartien zu machen, obgleich sie fast kein Land mehr haben, und statt der paradiesischen Boskets, welche die Dörfer des Sees Mareotis einst umgaben und wo jener köstliche, von Horaz, Athenäus und Strabo gefeierte Wein wuchs – ihnen jetzt nur kahle Schlamm- und Sanddünen nebst ausländischen Weinen übriggeblieben sind. Doch gibt es einige wenige sich besser ausnehmende Oasen.

Diese kennenzulernen, machte ich mich an einem heitern Freitage, dem Sonntage der Muselmänner, mit Herrn und Madame Roquerbes – der reizendsten Smyrnaerin in Alexandrien und der einzigen Dame meiner hiesigen Bekanntschaft, welche türkischen Kaffee in idealischer Vollkommenheit selbst zu bereiten versteht – eine Exkursion zu Pferde, um die wenigen angebauten Flecke der Umgegend zu besichtigen. Eine Villa des Ministers Bogos Bey, mit herrlichen Palmen und artigen Blumenparterres geschmückt, ward zuerst besucht. Viele der Dattelbäume hingen noch voll Früchte, die ich im frischen Zustande zuerst in Alexandrien kostete, weil ich mich in der Berberei nicht während der Periode ihrer Reife befand. Sie gleichen den getrockneten Datteln, die wir in Europa essen, nicht im geringsten, sondern sind im Äußeren mehr unsern Pflaumen ähnlich, von dunkelblauer Farbe, äußerst saftig, aber nach meinem Geschmack fast zu süß.

In einer Doppelreihe Windmühlen, die erst seit einem Jahrzehnt in Ägypten eingeführt worden sind, und bei einem großen Baumwollenmagazin des Vizekönigs vorüber, ritten wir von hier nach dem noch im Bau begriffenen neuen Lustschloß Mehemed Alis, das mit großer Pracht, aber ganz im national türkischen Geschmack aufgeführt wird. Dieser Stil ist nicht ohne Grazie, obwohl die barbarische Mischung von ölgetränktem Holz und Marmor, von weißgetünchten groben Wänden und kostbar vergoldeten Plafonds nebst andern Disparaten solcher Art einem geläuterten Geschmack zuwider sein müssen. Es war, wie bemerkt, am türkischen Sonntage, und wir sahen daher mehrere Spaziergänger im Garten; als wir aber an den Eingang des Palastraumes kamen, fanden wir diesen barrikadiert und keinen Menschen im Innern, um uns Auskunft zu geben. Ich kletterte mit Herrn Roquerbes auf die hohe, rundum laufende Mauer, welche innerhalb der weitläuftigen Gärten noch besonders (des Harems wegen) den Palast umschließt, um von da besser umherspähen zu können, aber erst nach vielem vergeblichem Rufen erschien ein halbnackter Araber mit einer großen Axt in der Hand, mit der er uns anfänglich grimmig drohte, nach dem Versprechen eines Bakschis aber sie nur dazu anwandte, um den festgenagelten Holzriegel des provisorischen Brettertores durchzuhauen, der uns den Eingang verwehrte. Die Form das Palastes ist originell, aber auf möglichsten Komfort berechnet. Er besteht nämlich aus vier isolierten, im Quadrat erbauten Pavillons, die in den vier Ecken durch hohe Tore verbunden werden, welche nach dem verschlossenen Garten des Harems führen; eine runde, bunt bemalte und bedeckte Galerie oder Veranda umgibt den ganzen innern Hof, der mit Kieseln verschiedner Farben ausgelegt ist und in dessen Mitte sich eine schöne Fontäne befindet. Den Haupteingang bildet in dem der Stadt zugewandten Pavillon eine hohe Säulenhalle, welche einstweilen von Holz errichtet worden ist, künftig aber in orientalischem Alabaster ausgeführt werden soll, wozu die riesenmäßigen Blöcke schon dalagen. Die Dächer wechseln in geschwungenen und spitzen Linien ab, gleich den chinesischen, was gut zum phantastischen Charakter des Ganzen paßt.

Ich füge für Liebhaber nebenstehend den Grundplan des Ganzen bei.

In den äußern, dem Publikum offnen Gärten dieses Palastes, welche nach allen Seiten hin einen sehr großen Raum einnehmen, aber, wie fast alle Gärten des Orients, bloß verzierte Gemüse- und Obstplantagen sind, bewunderte ich viele schön blühende Gewächse, die wohl nach Europa zu verpflanzen wert wären, unter andern eine Art Bohne mit großer dunkelblauer Blüte und eine sehr reiche Winde mit violett und roten Glocken, welche mehrere Mauern und elegant geflochtene Schilfzäune so dicht bedeckten, daß kaum der mindeste Zwischenraum sichtbar blieb. Mit der Zeit wird diese Anlage gewiß viel zur Verschönerung der bis jetzt so undankbaren Umgebung Alexandriens beitragen. Auch Ibrahim Pascha tut in dieser Hinsicht außerordentlich viel für die Stadt. So ist zum Beispiel der großen prachtvolle Platz, auf dem ich wohne, von ihm allein mit großen Kosten geschaffen und der sehr bedeutende Mietzins für die ihn umschließenden Hotels, die er dort aufgebaut, den Witwen seiner gebliebnen Krieger großmütig als Pensionsfonds angewiesen worden. Noch mehr dieser Art geschieht durch Ibrahim Pascha in Kahira und gleiches in Syrien. Dagegen ist bei den Eingebornen selbst der Sinn für Pflanzungen und Anlagen äußerst schwer zu erwecken, und des Vizekönigs Bemühungen scheitern häufig an der allgemeinen Indolenz. Von vielen Tausenden junger Ölbäume zum Beispiel, die er vor einigen Jahren gratis verteilen ließ, steht fast kein einziger mehr, weil man sie auf liederliche Weise pflanzte und dann nicht im geringsten unterhielt. Daher kommt es auch, daß der Kanal von Mahmudieh, dies ebenfalls riesenhafte Werk Mehemed Alis, an dem täglich 50 000 Menschen arbeiteten und die zwanzig Stunden lange Strecke seines Laufes in wenig Monaten vollendeten, nur kahl aufgeworfne Ufer bietet, die doch bei dem schnellen Wuchs der Bäume im hiesigen Klima jetzt längst jenen gleichen könnten, von denen Dufard el-Hadad sang:

«Welche Reize umgeben dich Kanal von Alexandria! ihr Anblick gießt Wonne in die Brust. Die Wäldchen, die dich beschatten, wölben Lauben von Grün über den Schiffer, der dich befährt. Die Hand des Nords furcht mit süßem Spiel die Fläche der Wellen und streut Frische über sie aus. Die herrliche Palme, ihr biegsames Haupt weich hingesenkt wie ein schlummerndes Mädchen, prangt mit ihrer Krone hängender Trauben darüber... usw.»

(Siehe Prokeschs Beschreibung dieses Kanals.)

Die Ausgrabung des Mahmudieh muß hier um so schwieriger gewesen sein, da man in Ägypten weder Spaten noch Schaufeln, noch Schubkarren kennt, sondern die weiche Erde überall von den Arbeitern nur mit den Händen zusammengekratzt und in Körben fortgetragen wird, worin Erwachsene wie Kinder eine bewundernswürdige Fertigkeit erlangt haben und schwer dazu vermocht werden würden, unsre europäische Manier anzunehmen.

Auf dem Rückweg besuchten wir die Residenz Mehemed Alis in der Stadt, welche am Ende der zwischen den beiden großen Häfen hervortretenden Landspitze liegt. Es charakterisiert gewissermaßen diesen Herrscher, daß eine 2000 Schritt lange Allee von acht Fuß hohen gemauerten, dachlosen Türmen aus der Stadt dahin führt, welche Türme keinen andern Zweck haben – als den innerhalb derselben gepflanzten jungen Akazien einen sichern Schutz vor Beschädigung zu gewähren. Der Palast ist königlich und von großem Umfang, die Audienzsäle sehr einfach, doch würdig, und die grandiose Haupttreppe von carrarischem Marmor schön, aber ihr Geländer auch hier wiederum nur von gewöhnlichem Holze, mit weißer Ölfarbe angestrichen, konstruiert. In einem der Säle steht, ganz abweichend von muhamedanischer Sitte, eine kolossale Gipsbüste Mehemed Alis, die von einem der hiesigen St. Simonisten nicht ohne Geschick gearbeitet worden ist. Sie kann auch in den einzelnen Teilen ähnlich genannt werden, aber der merkwürdige eigentümliche Ausdruck der Physiognomie des großen Pascha fehlt ihr ganz.

Die Hauptpracht der Muselmänner ist immer für den Harem reserviert; dieser Teil der Residenz blieb uns aber unzugänglich, da leider einige der ausrangierten Damen hier zurückgeblieben waren. Ein großes Seebad, das in der Sonnenhitze anmutig sein muß und wo der Vizekönig zuweilen Audienzen erteilt, war alles, was man uns davon zu besichtigen gestatten konnte.

Ich trennte mich hier von meinen liebenswürdigen Begleitern und nahm ein Boot, um an Bord einer türkischen Korvette aus Konstantinopel zu fahren, welche kürzlich einen Gesandten des Sultans hierher gebracht hat. Der Kapitän empfing mich sehr artig. Er war bis auf den Fes (hier Tarbusch genannt) ganz nach russischem Schnitt gekleidet und zeigte mir sein in Amerika gebautes Schiff im größten Detail. Es herrschte nicht ganz dieselbe Eleganz, aber zu meiner Verwunderung kaum mindere Ordnung und Reinlichkeit daselbst als auf der ägyptischen Flotte, und die europäisch uniformierten Seesoldaten in ihren roten Jacken und dunkelgrauen Pantalons schienen nicht schlechter einexerziert als die Araber, doch war ihr Aussehn unbeholfner, und in der Schnelligkeit der Manöver sollen die türkischen Matrosen den ägyptischen ebensoweit nachstehen als diese den Engländern.

Man gab mir während meines Aufenthalts in Alexandrien eine Reihe Diners und Soirées, die Gelegenheit zu mehreren angenehmen Bekanntschaften darboten. Ich will indes hier nur dieser letzteren erwähnen, die mich besonders ansprachen, zuerst die des dänischen Generalkonsuls, Herrn Dumreiker, ein geborner Bayer und einer der würdigsten Ausländer in Ägypten, der besonders jedem Deutschen wert sein muß, da die vielen Dienste, die er Individuen dieser Nation geleistet, ihm schon längst hier den Beinamen «Vater der Deutschen» erworben haben.

Die zweite mir denkwürdige Person ist der berühmte schwedische Naturforscher Hedenborg, der vor Russegger der Region der Mondgebirge von allen Reisenden am nächsten gekommen ist und dies ohne alle Unterstützung der Behörden, seitdem jedoch durch eine schwere klimatische Krankheit, von der er sich noch bis jetzt nicht völlig erholen konnte, einstweilen untätig geblieben ist. Seine während sieben Jahren fortgesetzten naturhistorischen Sammlungen, die er in sein Vaterland gesandt, sollen zu den ausgezeichnetsten ihrer Art gehören, und der geistvolle Mann mit dem glühenden Enthusiasmus des wahren Gelehrten für sein Fach zog mich lebhaft an.

Das Kleeblatt schließt mit einem Herrn ganz verschiedner Art, dem General der Kapuziner, Legaten des heiligen Vaters für Hindostan und Erzbischof von Adra, nach welchem Sitz er sich jetzt über Alexandrien und Bombay begibt, ein schöner, kaum dreißig Jahre alter Mann von den anmutigsten Weltsitten wie der muntersten und vorurteillosesten Unterhaltung. Er hielt hier einige Predigten, die den größten Zulauf der eleganten Welt erhielten und den Privattheatern wahren Abbruch taten, weil der schalkhafte Erzbischof mit feiner Menschenkenntnis sie dadurch pikant zu machen wußte, daß er in seinem sonoren Italienisch den Damen während derselben die stärksten Wahrheiten, in perfide Komplimente eingekleidet, ins Gesicht sagte. Ich hörte mit großer Ergötzung eine dieser Predigten an, die mit folgenden Worten begann: «O du kopfloses und gebrechliches Geschlecht, das nur aus Eitelkeit an diesem heiligen Ort erscheint, um seine Reize, die so verführerisch sind, oder seine Kleidung, die so geschmackvoll gewählt ist, von noch kopfloseren Anbetern bewundern zu lassen etc.» Nach wenigen Wochen war der originelle Apostel der Lieblingsredner des schönen Geschlechts zu Alexandrien – man sage also nicht, daß die Frauen nicht gern die Wahrheit hörten, es kommt nur auf das Wie und Wann und von Wem dabei an.


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