Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Aus Mehemed Alis Reich
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Ritt durch die Wüste nach Dongola, Samneh, Dal, Saki-el-Abd

Am 14. April war endlich der Himmel wieder heiter geworden und alle unsre Vorbereitungen so weit beendigt, um unsere Expedition nach Dongola antreten zu können. Da die Gegenden, die wir jetzt zu durchstreifen uns anschickten, schon zu denjenigen gehören, die nur selten von Europäern besucht werden, so halte ich es nicht für unpassend, einige Notizen über die zweckmäßigste Art hierher zu reisen vorauszusenden, deren Trockenheit ich mir um ihres Nutzens willen zu verzeihen bitte.

Wenn man sich nicht einer größeren Karawane anschließen kann, wozu jetzt nur selten Gelegenheit ist, da der Hauptzug des innern Handels sich größtenteils auf andern Wegen nach der Berberei und dem Königreich Tunis hingewendet hat – die nachteilige Folge der unpolitischen Quälereien des hiesigen in jeder Hinsicht fehlerhaften und oft wahrhaft abgeschmackten innern Douanensystems sowie der einzelnen Bedrückungen der Handelsleute durch die Provinzialgouverneure, welche in dieser großen Entfernung doppelt schwer zu kontrollieren sind –, so wird ein irgend bequemes und sicheres Fortkommen ohne Hilfe des Gouvernements sehr schwierig. Jeder Europäer von einiger Reputierlichkeit kann sich indes leicht durch seinen Konsul von der jetzigen in dieser Hinsicht so liberalen Regierung einen Firman verschaffen, der ihn den verschiednen Ober- und Untergouverneurs empfiehlt und ihm zugleich die Vergünstigung erteilt, alle ihm nötigen Gegenstände, die das Land gewährt, zu demselben Preis geliefert zu erhalten, welchen die Regierung selbst dafür bezahlt. Dies ist besonders bei dem Preis der Tiere für den Transport wichtig, da man fast ganz von der oft sehr indiskreten Willkür der Araber abhängt. Die hiesigen Kameltreiber laden überdies kaum den dritten Teil dessen auf ein Kamel, was zum Beispiel in der Berberei ein solches ohne Schwierigkeit trägt. Ich brauchte für meine Effekten, von denen ich mehr als die Hälfte in Ouadi-Halfa zurückließ, dennoch zehn Kamele, wozu in Tunis drei bis vier hingereicht haben würden, und außerdem sechs Dromedare, um mich, den Doktor, meine zwei Diener, den Kawaß und den arabischen Führer beritten zu machen. Die übrigen Leute saßen mit auf den Packtieren auf. Es waren nicht Berberiner, welche diese Tiere lieferten, sondern Beduinen der Wüste, die sich auf die Einladung Mehemed Alis in der Nähe Ouadi-Halfas angesiedelt haben und die Begleitung der Reisenden mit ihren Kamelen als ein Recht ansprechen. Sie machten bei dem ersten Aufpacken gerade ebensoviel Schwierigkeiten und unnützes Geschrei als die griechischen Avoghati in der Morea mit ihren Mauleseln; doch nachdem einmal die Sachen reguliert waren, benahmen sie sich während des Verfolgs der Reise mit weit mehr Ordnung und Ruhe als jene.

Es war das erstemal in meinem Leben, daß ich einen Dromedar bestieg. Beiläufig erwähne ich hierbei (denn was hier alltäglich und bekannt ist, ist es nicht immer bei uns), daß, was man hier Dromedar nennt, kein vom Kamel abweichendes, sondern ganz dasselbe Tier mit einem Höcker ist, und der Unterschied zwischen einem Dromedar und einem Kamel nur dem gleicht, welcher zwischen einem eleganten Reitpferde und einem schweren Karrengaule stattfindet. Die Tiere werden gewöhnt, sich beim Satteln niederzulegen, wo man dann bequem aufsteigt, während mit den langen Zaumzügeln noch eins der Vorderbeine des Dromedars festgebunden bleibt und der Führer ihn beim Kopfe hält, um ein schnelles Aufspringen desselben zu verhindern, was den Reiter leicht in den Sand werfen könnte. Diese seltsamen Geschöpfe, welche drei Gelenke in ihren Hinterbeinen haben, brauchen auch drei Tempos zum Aufstehen wie zum Niederlegen, die dem ungeübten Reiter sehr gewaltsam vorkommen, und wobei er sich im richtigen Vor- und Rückwärtsbeugen nicht irren darf, wenn er die Balance nicht verlieren will, wovon wir mehr als ein belustigendes Beispiel unter uns selbst mit ansahen. Der Gang des Dromedars ist im Schritt höchst unangenehm, sakkadenartig vor- und rückwärts stoßend; man läßt ihn aber gewöhnlich eine Art sehr fördernden Paß gehen, der dem Reiter ungefähr dieselbe Empfindung gibt als der sogenannte kurze Hundetrab eines sehr hart trabenden Pferdes. Es bleibt daher auch das Reiten in dieser Gangart in einer ununterbrochenen Kontinuation von sieben bis acht Stunden und oft noch länger stets sehr ermüdend, bei einem kurzen Spazierritt ist es aber nicht unangenehm; und die egale fortwährende Erschütterung der Gesundheit wie dem Appetit sehr zuträglich. Der Sitz selbst auf dem hölzernen Sattelgerippe, um dessen hohen Sattelknopf man die Beine kreuzweise zusammenlegen und so auf dem Rücken des Tieres ruhen lassen muß, ist für einen Europäer ebenfalls nicht wenig beschwerlich, bis er sich daran gewöhnt hat. Es ist daher jedem hier in seiner Barke Ankommenden sehr zu raten, die ersten Tagereisen nur klein einzurichten, um sich nach und nach der langen Ruhe zu entwöhnen, die das Reisen auf dem Nil, hinsichtlich dieses Mangels an Bewegung wenigstens, zu einem wahren Schlaraffenleben macht. Der Dromedar legt im mindestschnellen Paßgang die deutsche Meile in einer Stunde zurück, im scharfen Trabe auch zwei bis drei Meilen und setzt einen solchen Gang zwölf Stunden und länger fort, ohne auszuruhen. Mehemed Ali ritt einst die fünfundzwanzig deutschen Meilen von Suez nach Kahira, um einer Verschwörung der Mamlucken zuvorzukommen, in Zeit von zwölf Stunden auf seinem Dromedar, und sein Sais, am Schweife des Tieres sich anhaltend, erreichte zu Fuß laufend mit ihm Kahira! Sonnini behauptete, daß ein Nedschdi-Dromedar hundert Stunden Weges in vierundzwanzig zurücklegen könne, was mir jedoch übertrieben scheint. Dromedare wie Kamele sind übrigens sehr übellaunige und unleidige Tiere. Ich stieg nie auf das meinige, ohne daß es sein Mißfallen darüber durch ein knurrendes Geschrei und zuweilen auch durch einige Beißversuche zu erkennen gab. Doch gleich den Führern fand ich es, einmal im Gange, immer willig, und eine leichte Berührung mit dem Kurbatsch an seinem langen Straußenhalse hinreichend, es zum flüchtigsten Trabe anzutreiben. Der Zaum ist nicht mit einem Gebiß im Maule versehn, sondern durch ein Nasenloch gezogen und vermittelst eines kleinen Holzknebels dort befestigt. Der Ton, auf welchen sich der Dromedar sogleich niederlegt, wenn man absteigen will, ist ein heiseres, von seinem Reiter ausgestoßenes Krächzen, das nachzuahmen man mühsam erlernen muß. Um ihn wieder aufstehen zu machen, ist kein weiteres Zeichen nötig. Er erhebt sich augenblicklich von selbst, sobald der Reiter im Sattel ist und den Zügel in die Hand nimmt.

Ich für meine Person würde trotz der Hitze das Reisen bei Tage vorgezogen haben, um das Land besser zu sehen, die Tiere können es aber, wie man uns allgemein versicherte, nicht aushalten, und wir mußten daher die Nacht durch marschieren, welche glücklicherweise jetzt der hellste Mondschein verklärte. Dies erforderte jedoch folgende eigentümliche Lebensart für die Dauer der ganzen Tour. Wir frühstückten um 9 Uhr abends und bestiegen unsere Dromedare um 10 Uhr, während die Kamele mit dem größten Teil des Gepäcks schon fünf Stunden vorher abgingen. Die notwendigsten Gegenstände als: ein kleines Zelt, einige Teppiche, die alles zum Frühstück nötige enthaltende Kiste, Toilette und Portefeuille mußten die Dromedare außer uns noch mittragen. Vor oder mit Sonnenaufgang erreichten wir gewöhnlich das Nachtlager, einige Stunden später als die Karawane, und fanden dann unsre Zelte und Betten schon in Ordnung sowie den Tisch gedeckt, so daß wir nach kurzer Toilette um 7 Uhr früh uns zur Mittagsmahlzeit niedersetzen konnten. Nach deren Beendigung legten wir uns schlafen und besichtigten gegen Abend (unsre Frühstunde) die Merkwürdigkeiten, welche die Gegend darbot. Der spätere Abend blieb bis zur Stunde der Abreise der Lektüre und dem Schreiben gewidmet. Auf diese Weise (ein ganz ergötzliches Nachtwächterleben), die ich jedem meiner Nachfolger empfehlen darf, litten wir wenig Beschwerde, und alles griff vortrefflich ineinander, ohne unnützen Aufenthalt und Konfusion zu verursachen. Will man, wie es gewöhnlich geschieht, die Karawane selbst begleiten, so wird dies immer höchst fatigant und langweilig, abgerechnet daß man in diesem Falle nach Ankunft auf der Station noch stundenlang ohne Obdach warten muß, ehe Zelte, Betten, die Mahlzeit usw. bereit und in Ordnung sein können.

Hinsichtlich der Dinge, die man mit sich führen soll, kann im allgemeinen nichts bestimmt werden, da die Bedürfnisse eines jeden wie seine Begriffe von Bequemlichkeit sehr verschieden sind. Was aber jeder hier bedarf, er habe viel oder wenig Effekten bei sich, das sind vorzüglich die tüchtigsten, dauerhaftesten Behälter dafür und ihre sorgfältigste Packung, denn täglich mag er sich darauf gefaßt machen, daß ein Teil des Gepäcks vom Kamel herabgefallen oder dieses mit der ganzen Ladung gestürzt oder in einer Anwandlung von Furcht damit durchgegangen sei. Für Instrumente oder Glaswaren muß man durchaus, wenn man auf die Sicherheit ihrer Konservation zählen will, wie uns eine traurige Erfahrung lehrte, doppelte Koffer mit Ressorts haben, sonst ist nichts dergleichen zu erhalten, da schon die gewaltsame Bewegung beim Gange des Kamels oft hinlänglich zur Beschädigung so delikater Gegenstände ist. Die Lebensmittel betreffend empfehle ich nur Reis, Kaffee, getrocknete Datteln, Wein und Tabak, und wenn ich diesen letztern unter die Lebensmittel mit begreife, so geschieht dies nicht ohne Grund, da auch hier die Erfahrung mich vielfach gelehrt hat, daß nichts Hunger und Durst besser stillt oder vielmehr verhindert als Kaffee und die Pfeife, mit denen man in diesem Klima zur Not mehrere Tage lang ohne besondre Beschwerde ausreichen kann. Reis in bedeutender Quantität mitzunehmen ist deshalb nötig, weil man im Sudan nur in den Hauptplätzen, und selbst da nicht immer, ihn sich verschaffen kann, und den Wein habe ich für jemand, der daran gewöhnt ist, trotz des Rates der meisten europäischen Ärzte, die wollen, daß man sich desselben in den heißen Ländern enthalte, auf dieser ganzen Reise als das beste und kräftigste Mittel zur Erhaltung der Gesundheit erprobt, besonders Champagner, mit zwei Dritteilen Wasser verdünnt, ein Getränk, das zugleich auf die Länge sich kühlender und erfrischender als alle andern erwies. Leichte Rhein- oder Moselweine sind nach diesem am meisten anzuraten, denn der Hauptgrund der klimatischen Krankheiten, welchen Fremde hier ausgesetzt sind, ist fast immer Relaxation der Verdauungswerkzeuge, die aber nicht durch heftige, sondern nur die gelindesten tonischen Mittel verhindert werden muß. So erzählte mir ein geschickter deutscher Arzt in Kahira, daß er seine Erhaltung in dem mörderischen Klima Jemens nur dem bittern bayerischen Biere verdanke.

Da am ersten Tage die Packerei mehr als in der Folge aufhielt, konnten wir erst nachts um 11 Uhr am 14. April unsern Wüstenmarsch beginnen, der für diesmal nur sechs Stunden betrug, welche unsre Dromedare in dreien zurücklegten.

Die Nacht war herrlich, klar und kühl und die Wüste selbst viel abwechselnder, als wir sie uns vorzustellen gewohnt sind – denn gewöhnlich verbinden wir damit das Bild eines unabsehbaren ebnen Sandmeeres, was sie anderwärts oft auch ist, aber hier sind viele Hügel und Täler darin verstreut, mit grotesken Felsen, die einzeln daraus hervortreten; nur selten ist der Sand tief und mahlend, meistenteils hart genug, daß sich die vielen einzelnen, regelmäßig nebeneinander hinlaufenden Fußsteige der Karawanen so deutlich darauf abzeichnen, als reite man auf einem gefurchten Felde. Die rein abgenagten und schlohweiß von der Sonne gebleichten Knochen von gestorbnen Tieren oder gelegentlich auch von durch Hyänen wieder ausgescharrten, hier umgekommenen Menschen sowie die kleinen schwarzen Steinpyramiden, welche als Andeutung des zu verfolgenden Weges an Stellen, wo man sich irren könnte, aufgestellt sind, tragen in dieser vegetationslosen Einöde auch noch das Ihrige bei, der Wüste mit dem Reiz des Charakteristischen noch einige schauerliche Varietät mehr zu erteilen. Ist man aber des Anblicks der Erde müde, so richtet man den Blick nach dem in der hiesigen Zone doppelt glanzvollen Sternenheer, von dem Licht und Gedanken in solcher Fülle auf den einsamen Wandrer niederströmen, daß ein Empfänglicher auch hier wahrlich nicht leicht der Langeweile Raum zu geben braucht.

Um 2 Uhr erblickten wir schon unsere hellgrünen Zelte zwischen dunklen Felsen aller Formen am Nil aufgerichtet, ohnfern einiger Hütten, die den Namen Saleh führen und bereits zu der Landschaft Dar-el-Hadschar gehören, die Ouadi-Halfa von Sukkot trennt. Der Fluß schäumte in Katarakten zwischen hundert abenteuerlichen Gestalten des schwarzen Urgesteins, das, wie schon angeführt, die meisten Reisenden mit Unrecht Basalt nennen, da es nur von Feuer und Witterung schwarzgefärbter Granit ist. Wahrer, prismatisch geformter vulkanischer Basalt wird, soviel ich weiß, nirgends längs des Nils angetroffen. Wir erstiegen eine sandige Anhöhe am Ufer und genossen noch eine halbe Stunde lang bei der Musik der brausenden Gewässer des Anblicks dieser wilden Mondscheinlandschaft, der hier auch einzelne Bäume – einige hie und da die Felsen im Flusse krönende, langgestachelte Mimosen – nicht fehlen. Es war eine melancholische Gegend, aber voller Originalität, und Herr Cadalvene hat Recht, wenn er sagt: «Bis Ouadi-Halfa hat man immer mehr oder weniger Ägypten – hier beginnt eine neue Welt.»

Die Araber wollten am 15. nur bis Saras gehen, ich bestand aber darauf, mich nach Herrn Cadalvenes Karte orientierend, einen stärkeren Marsch bis Samneh zu machen, um dann den dortigen Tempel mit mehr Muße besichtigen zu können. Nach langer Weigerung mußten sich die Leute unserem Willen bequemen, wir fanden aber selbst später, daß sie die Distanzen weit richtiger als die Karte angegeben hatten, und die Fatigue der Tour ward höchst angreifend. Die Karawane brauchte sechzehn Stunden, wir selbst acht, und da wir ihr etwas zu früh gefolgt waren, und sie daher noch unterwegs einholten, so sahen wir uns genötigt (um bei unsrer Ankunft im Schlafquartier dieses wieder in guter Ordnung zu finden), ohne Zelt noch Hügel zum Schutze ein Biwak von mehreren Stunden mitten in der Wüste zu machen.Erst nach dieser unangenehmen Erfahrung nahm ich später immer ein kleines Zelt für den Notfall auf den Dromedaren mit mir, wie ich es früher schon anempfohlen. Ungeachtet der großen Tageshitze sind häufig die Nächte, besonders bei dem starken Winde, der jetzt aus Norden bläst, schneidend kalt, und wir bedurften selbst während des erwärmenden Reitens noch Überrock und Mantel. Während des Biwaks ward diese Temperatur aber noch viel unleidlicher, und nach einem unruhigen Schlaf standen wir alle so gelähmt vom Froste auf, daß wir Mühe hatten, in den gehörigen Tempos unsere Dromedare wieder zu besteigen. Ich sah mich infolge dieser Verkältung genötigt, einen Rasttag in Samneh zu machen, und erst am nächsten Morgen war ich so weit hergestellt, mir Land und Leute besehen zu können. Wir hatten wieder einen sehr unangenehmen Lagerplatz am Nil unter Dhumpalmen, Mimosen, Sadelbäumen und einem schönen breitblätterigen Strauch mit runden grünen Früchten, aus dem die Einwohner ein sehr heftig wirkendes Gift bereiten. Noch immer starrten Pseudobasaltfelsen aus dem Fluß und zogen sich auch längs desselben hin, doch ist ein Teil des Ufers wohl bebaut, und einige Hütten sind darauf verstreut. Unweit davon liegen die Reste einer alten Stadt, die man für Tasitia hält. Sie sind sämtlich aus in der Sonne getrockneten Erdziegeln gebaut, und zwischen ihnen steht auf einem isolierten Felsen ein kleiner, aber zierlicher Tempel mit den Ringen der Pharaonen Ortoasen III. und Thutmosis IV. Gegenüber an dem rechten Ufer des Nils erblickt man die Trümmer eines andern größeren, aber weit mehr zerstörten Tempels, die wir aus Mangel eines Kahns zum Übersetzen diesmal nicht besuchen konnten und für später aufhoben.

Die Skulpturen und Hieroglyphen des kleinen Tempels, der nur ein einziges, korridorähnliches Zimmer enthält (denn Saal kann man es nicht nennen), sind zum Teil sehr graziös, auch einige Farben, namentlich das Blau der Decke mit ihren gelben Sternen noch leidlich erhalten, doch hat man in späterer Zeit mitten auf die alten Figuren der äußern Fassade eine lange Hieroglyphenschrift eingemeißelt, die so elend gearbeitet ist, daß koptische Christen sie nicht schlechter hätten machen können. Auch hier findet man zwei jener kannelierten altägyptischen Säulen wieder, welche den dorischen gleichen. Es sind die einzigen, welche der Tempel gehabt zu haben scheint, der auf der Flußseite auch noch mit einer Art Galerie, von vier Pfeilern gestützt, verziert ist. Eine Reihe Felseninseln zieht sich von hier quer durch den Fluß bis zu dem andern Tempel hin, und die meisten derselben tragen Reste alter Mauern, wahrscheinlich befestigte Schlösser, die hier den Fluß mit Leichtigkeit zu sperren vermochten. Ein englischer Reisender ist dadurch auf die Vermutung gebracht worden, daß dies die vom Wasser umgebenen Schlösser seien, welche auf einem der Schlachtbilder in Theben vorkommen. Obgleich diese Bestimmung etwas gewagt erscheint, so ist doch so viel gewiß, daß des Ramses Eroberungen sich nicht nur bis hierher, sondern auch noch ungleich weiter nach Süden erstreckt haben müssen, wovon mehr Beweise übrig geblieben sind als von den nach Norden gerichteten. Denn hat er wirklich alle die Länder erobert, in die ihn Diodor von Sizilien das Schrecken seiner Waffen tragen läßt, so muß das gänzliche Schweigen der Geschichte über ihn, und namentlich der jüdischen Historienbücher, immer höchst auffallend bleiben.

Herr Cadalvene will ohnfern dieser Ruinen von großen Hyänen beunruhigt worden sein, uns kamen nur einige gelb gefärbte Gazellen vor Augen, welche in kurzem Galopp die Straße durchkreuzten und, vergeblich von unsern Hunden verfolgt, bald eine sichre Zuflucht in der Wüste fanden. Gleich Herrn Cadalvene begegneten wir aber auch auf diesem Punkte einer großen Sklavenkarawane aus dem Innern. Doch konnten wir darüber nicht dieselben Bemerkungen machen als er. Herr Cadalvene sah, nach seiner ihn in Ägypten selten verlassenden trüben Stimmung, alles dabei ebenso schwarz wie die Farbe der Sklaven selbst und diese daher nur gleich verzweiflungsvollen Jammergestalten vorüberziehen, während wir sie lachend und uns in ihrer Sprache Scherze zurufend wohlgenährt, hinlänglich für dies Klima, wo die meisten nackt gehen, gekleidet und ohne alle Spuren von Kummer oder Sorge ihren Weg rüstig verfolgen sahen. Warum die Sachen so übertrieben und anders darstellen, als sie wirklich sind? Sklaverei, abstrakt genommen, ist bei einem gebildeten Zustande der Gesellschaft gewiß etwas Empörendes – niemand widerspricht dem. Aber daß das individuelle Los der hiesigen Sklaven – den Zustand ihrer Bildung und ihrer Gewohnheiten ins Auge gefaßt – so unsäglich traurig und jammervoll sei, selbst während der schlimmsten Periode, der ihres Transports nach Kahira, muß ich nach allem, was ich so vielfach selbst davon sah, gänzlich bestreiten. Denn daß sie halb nackt sind, daß sie da, wo sie nicht auf dem Nile fahren können, wenn sie nicht krank sind (wo man sie reiten läßt), zu Fuß gehen müssen und daß sie nur Durrabrot und hie und da etwas Gemüse oder Datteln mit Nilwasser zur Nahrung erhalten, ist nur dasselbe, was allen diesen ebenso mäßigen als armen Völkern hier überall gemein ist. Sobald sie aber verkauft sind, wird im Orient ihr Los in der Regel weit besser, ja oft glänzend. Demohngeachtet plagt sie dann häufig das Heimweh, und darin, daß sie diesen Drang nicht befriedigen können, liegt vielleicht die Hauptqual ihres Schicksals, Aber wie vielen von uns geht es in dieser Hinsicht nicht besser, welche die Sklaverei der Not oder unsrer politischen Gesetze zum gleichen Lose der Verbannung aus dem Vaterlande oft unter noch viel drückenderen und schmerzlicheren moralischen Verhältnissen verdammt! Man halte sich nicht zu sehr an Worte, sondern nur an die Sache, und man wird nicht selten richtiger und milder über fremde Sitten urteilen lernen. Übrigens liegt in dem Verhältnis des Sklaven zu seinem Herrn hier wirklich mehr Poesie für beide Teile, als es unsre modernen, oft sehr prosaischen Weltverbesserer recht innezuwerden imstande sind, denen meistens nur die Idee vermehrter Industrie durch freie Sklavenarbeit vorschwebt: Ich sage freie Sklavenarbeit, weil unser Industrieland an vielen Orten Europa, die Leiden der Sklaverei vollkommen aufwiegt, ja sie oft noch übertrifft und ebenso demoralisierend wirkt. Ich bin dem ungeachtet weit entfernt davon, der Sklaverei das Wort reden zu wollen, ich meine nur, daß der Orient in der Bildungsperiode, worin er steht, und bei seinen von den unsern so ganz abweichenden Verhältnissen auch hinsichtlich der dort bestehenden Sklaverei nicht zu einseitig von uns beurteilt werden darf.

Gegen Abend machte ich einen Spaziergang nach dem nahen Dorfe, dessen Wohnungen nur aus dicken Strohmatten bestanden, die an eingerammelte Pfähle angebunden sind, während andere horizontal darüber gespannt das Dach bilden. Einige Zwischenwände aus demselben Material formieren im Innern zwei oder drei separate Piecen. Wohlbestandne Felder, jedoch nur von geringem Umfange, umgeben diese Strohzelte. In dem ersten derselben fand ich einen kranken Soldaten aus Dongola, den ein hübsches schwarzes Mädchen wartete und der sich mir als den dermaligen Gouverneur des aus sechs Familien bestehenden Dorfes ankündigte. Ich verließ den Leidenden, um mir die zweite etwas größere Wohnung zu besehen, in der eine sehr alte Frau auf der Erde lag, ohne irgendeine Notiz von mir zu nehmen. Neben ihr war ein junges Mädchen emsig beschäftigt, auf einem glatten Stein Durra zu zerstoßen, und in der Ecke stand eine wohlgebildete junge Frau, deren Haut dem schönsten Atlas glich, welche ihre Toilette zu machen schien; denn sie befestigte eben einige Schnuren Glasperlen am rechten Arm und hierauf einen Ring in ihrer Nase. Endlich erblickte ich noch hinter der Alten einen freundlichen, offen und heiter aussehenden Knaben mit blendend weißen Zähnen und einem dichten schwarzen Lockenkopf, der mich laut anlachte, aber sowie ich mich ihm näherte, schreiend und mit allen Zeichen des Entsetzens sich zu seiner kornmahlenden Schwester retirierte. Ich zeigte ihm einen glänzenden neuen Piaster, doch ohne ihn damit herbeilocken zu können, und die nackte Schwester, die mich verwundert anstarrte, machte ebenfalls eine abweisende Pantomime, so daß ich ihn schon wieder einstecken wollte, als die schöne junge Frau hastig hervortrat, lächelnd den Piaster aus meiner Hand nahm und dann mit dem graziösesten Blick ihre Hand dankend auf Lippe und Stirne drückte. Diese Dame war ohne Zweifel schon vom Militärgouverneur etwas zivilisiert worden, die andern glichen in allem vollständigen Wilden und gingen auch ebenso nackt, mit Ausnahme eines kleinen Lappens, der um die Hüften gebunden war, ein Feigenblatt, das sich jedoch bei den Weibern etwas umfangreicher als bei dem Knaben zeigte. Man findet hier selten einen Eingebornen, der arabisch spricht, auch ist es nicht mehr die Sprache der Barabra, deren man sich in diesem Landstriche bedient, sondern wahrscheinlich ein Idiom arabischen Ursprungs, mit dem der Ureinwohner verschmolzen; und bei den häufigen Einwanderungen, Eroberungen und Religionsveränderungen, welche in ganz Nubien und Äthiopien zu so verschiednen Perioden stattfanden, mag es wohl sehr schwer, wo nicht unmöglich sein, irgend etwas über den wahren Ursprung so mannigfach gemischter Rassen unwidersprechlich festzusetzen, obgleich so viel aus dem Äußeren derselben erhellt, daß sie zwar schwarz, aber keine Neger sind, denn ihre Gesichtsform ist kaukasisch und ihr Haar nur gelockt, aber keineswegs wollig. Unter denen, welche über die nubischen Völkerschaften Hypothesen aufgestellt, darf man unsern unermüdlichen Burkhardt wohl als erste Autorität gelten lassen, weshalb auch seine Nachfolger in dieser Hinsicht selten mehr getan haben, als ihn auszuschreiben, eine Mühe, die ich mir zu erlassen bitte.

Bei der Fortsetzung meines Spaziergangs durch die Felder fand ich dort ungefähr ein Dutzend der Eingebornen, Männer und Weiber, beschäftigt, Korn und Bohnen mit Stöcken auszudreschen, was sonst im Orient und in Afrika gewöhnlich durch Tiere bewerkstelligt wird. Nach kurzer Zeit kam auch die uns schon bekannte junge Frau noch hinzu, um in all ihrem Schmuck an der Dreschpartie teilzunehmen. Wie ich diese Gestalten so sämtlich in ihrer Blöße rund um den Kornhaufen hocken und mit ihren Stöcken rastlos darauf losschlagen sah, kamen sie mir ganz wie Affen vor, die Dreschen gesehen haben und es jetzt, mit Knütteln bewaffnet, nachzuahmen versuchen. Die gute Bekanntschaft, welche ich bei dieser Gelegenheit mit den Leuten machte, verschaffte mir zwar wenig Notizen, da ich nicht mit ihnen sprechen konnte, sie hatte aber doch die vorteilhafte Folge für mich, daß sie mir nun endlich Kuhmilch und frisches Gemüse verkauften, was sie früher dem türkischen Kawaß, den ich deshalb zu ihnen geschickt, verleugnet hatten, wahrscheinlich aus Besorgnis, nicht bezahlt zu werden.

Ein erfrischendes Bad im Nil mit einem natürlichen schwarzen Granitthron daneben, um mich darauf aus- und anzuziehen, beschloß mein idyllisches Tagewerk; ich war aber nicht wenig betreten, als ich den Fluß verlassend dicht neben der gewählten Badestelle die ganz frische Spur eines enormen Krokodils erblickte, so schön wie eine ägyptische Hieroglyphe auf dem glatten und weichen Ufersande abgedrückt.

Um Mitternacht verließen wir Samneh und erreichten am 17ten nach einem etwas mehr als fünfstündigen raschen Ritt Tangur kurz vor Sonnenaufgang, wo wir zwar wieder am Nil und im Angesicht der schönsten grünen Gebüsche am jenseitigen Ufer, aber hier nur mitten im glühenden Sande ohne einen einzigen schattengebenden Strauch lagern mußten. Die Kamele hatten abermals das doppelte der Zeit als wir gebraucht, was sich auch für den ganzen Weg gleich blieb, so daß wir sie später nach dieser Berechnung immer sicher vorausschicken konnten. Während unsres Nachtmarsches, wo es nach Untergang des Mondes von 4 Uhr an ziemlich kalt wurde, fanden wir zwei Sklavenkarawanen und drei Kameltransporte im tiefsten Schlaf wie tot und regungslos zu einem Klumpen geballt am Wege liegen, so daß wir den ersten Haufen dieser Art, bis wir dicht neben ihnen waren, im ungewissen Mondlicht anfänglich nur für eine seltsam geformte Steinmasse gehalten hatten. Es werden jetzt jährlich viele tausend Kamele aus den äthiopischen Ländern für Ägyptens Gebrauch geliefert und die Konsumtion der Sklaven ist noch größer.

Der dieser kühlen Nacht folgende Tag war der heißeste, den wir bisher gehabt, 35 Grad Reaumur im Schatten. Alles, was man anfaßte, war empfindlich heiß, das Metall glühend und eine Flasche Eau de Cologne, die ich in die Sonne legte, ward nach kurzer Zeit fast kochend. Während dem Essen im Zelte bemerkten wir einen enormen weißen Geier, der mit vieler Gravität und ganz furchtlos, wie es schien, von dem Geruch der Speisen angezogen, auf uns zugeschritten kam. Wir ließen ihn bis auf 10 Schritte herandringen, wo er mit einem Kernschuß großer Posten empfangen wurde. Obgleich diese, wie wir hernach sahen, alle in seinem Leibe Platz gefunden hatten, flog er doch noch einmal auf, und man mußte ihn lange verfolgen, ehe man seiner habhaft werden und ihn mit Steinwürfen gänzlich ertöten konnte. Es war ein schönes Tier, über sechs Fuß mit seinen ausgebreiteten Flügeln messend und mit ungeheuren Krallen versehen, die eine gefährliche Waffe sein müssen. Da es uns an Gelegenheit, ihn auszustopfen, fehlte, so benutzte ich seinen Fang nur zur Rekrutierung meiner Schreibfedern, von denen er mir eine ansehnliche, zwar etwas kolossale, aber sehr brauchbare Quantität lieferte. Abends langte ein Neger im Dienste des Pascha, von Dongola kommend, auf der Station an, der uns mehrere nützliche Nachrichten erteilte und zugleich mit allerlei fabelhaften Erzählungen unterhielt. So sollte es nach ihm auf der Insel Danghos hinter Alt-Dongola zaubernde Kakerlaks und weiterhin heimliche Menschenfresser geben, tiefer unten im Sennar aber unbezweifelt Sirenen, von denen er selbst mehr als eine gesehen zu haben versicherte. Seltsam, daß dies letztere Märchen sich fast in allen Ländern und zu allen Zeiten wiederholt.

In der Nacht vom 17. zum 18. war die Wüste wahrhaft kokett zu nennen. Kühn gestaltete blaue Bergzüge umgrenzten uns in der Ferne, und in der Nähe erhoben sich fortwährend die barocksten Bilder. Oft hätte man darauf schwören mögen, an verlassnen Städten und Burgen vorüberzureiten oder gigantische antike Kunstgebilde, bald in Form eines riesigen Bechers, einer Urne, Pyramide oder eines Obelisken vor sich zu sehen. Als der Mond herabgesunken war, löste ihn die Morgenröte augenblicklich ab, und bald verklärte die Sonne, wolkenlos über den Bergen brennend, im reinsten Goldglanz die schweigende unermeßliche Gegend; der Weg darin glich an vielen Orten einer auf das beste erhaltenen und wohl über hundert Fuß breiten Chaussee, hart und eben wie makadamisiert und auf beiden Seiten von niedrigen Reihen granitgekrönter Hügel wie von regelmäßigen Dämmen eingefaßt. Einmal fanden wir in der Mitte dieser Straße ein zierliches Grab, nur aus zwei behauenen Steinen bestehend, zwischen denen ein Mosaik aus Kiesel in Arabesken recht artig geformt war. Viele schlohweiße Kamelknochen lagen darum her, doch keine Inschrift zeigte an, wem dieses Monument gelte oder wer hier sein einsames Ende gefunden.

Um sieben Uhr näherten wir uns dem Nil, der, von hohen Bergen umschlossen, hier einen reizenden Archipel vieler grünbewachsner Inseln bildet. Andere Eilande, aus schwarzen Felsenmassen aufgetürmt, ragen über die grünen weit empor und mehrere derselben tragen auf ihren Gipfeln die Ruinen weitläufiger, einst befestigter Schlösser, wie gewöhnlich nur aus Backsteinen von getrockneter Erde aufgeführt. Diese Ruinen zeigen häufig Gebäude in Pylonenformen, ohne Zweifel den ägyptischen nachgeahmt oder durch Tradition so fortgeführt; denn noch jetzt bauen die reicheren Einwohner hier stets ihre Paläste auf dieselbe Art. Der größte dieser verlassnen Trümmerhaufen muß, nach seinem Umfang zu schließen, die Burg eines alten Herrschers oder ein mächtiges Kloster gewesen sein, auch verrät die ganze Gegend westlich vom Fluß, die durch ihre flache Lage weit ins Land hinein der Überschwemmung fähig ist, dort immer noch, wenngleich jetzt ganz vernachlässigt, Spuren eines ehemaligen blühenderen Zustandes. Dieser Punkt ist gewiß einer der pittoreskesten am Nil und die allernächste Umgebung des Flusses auch wohlbebaut sowie voll einzelner Wohnungen aus Backziegeln, die sich über eine Stunde weit längs des Flusses bis zur Insel und dem ansehnlichen Dorfe Dal erstrecken. Man bemerkt unter ihnen die Überreste einiger alter christlicher Kirchen, wovon eine noch mehrere Malereien stattlicher Apostel und Heiligen aufweist. In Dal, wo man unsere Zelte in einem ziemlich dichten Palmenhain aufgeschlagen hatte, fanden wir die Landleute, welche ein sehr anständiger Nazir befehligte, weit gebildeter und zutraulicher, als wir sie bisher im Dar-el-Hadschar angetroffen hatten. Einige zwanzig derselben kamen mit ihrem Schech herbei, um uns zu bewillkommnen, und boten uns alles, was sie hatten, zum Verkauf an. Wer wohlfeil zu leben wünscht, muß hierher reisen! Für den Wert von zwei Franken kaufte ich folgende Gegenstände: ein fettes Schaf, vier Kannen Ziegenmilch, eine wilde Ente von der Größe einer Gans und zwei Paar sehr nett geflochtene Sandalen aus Palmblättern. Als eine Sonderbarkeit muß ich erwähnen, daß Hühner, die man fast überall im Orient und besonders in Ägypten zum Überdruß genießen muß, hier ganz unbekannte Geschöpfe waren. Eier kannte man nur von wilden Vögeln, hatte aber einen Abscheu davor, sie zu essen. Die Hitze war um drei Uhr nachmittags wieder 35 Grad im Schatten, und wir fanden es wegen des größeren Luftzuges unter einem Palmenbaum im Freien weit erträglicher als im Zelte, wo die Luft so erstickend geworden war, daß man selbst beim Fächeln mit den hier üblichen kleinen Fahnen aus buntgefärbtem Stroh – die wie Fliegenklatschen an ein kurzes Rohr befestigt und sehr praktisch sind – sich nur Backofenhitze zuwedelte. Beim Essen mußten wir, wie gestern, die Gläser fortwährend in kaltes Wasser tauchen, denn eine Minute war hinlänglich, sie auf dem Tische im Zelte stehend glühend heiß zu machen.

Die Tagesbeschäftigung ist ziemlich einfach auf einer solchen Reise, aber nicht ohne fremdartigen Reiz, nur muß sie meistens kontemplativer Natur bleiben, denn selbst das Lesen ward bei dieser Temperatur eine penible Arbeit und das Schreiben eine wahre Last. Ich bedauerte jeden Tag schmerzlich, gerade hier keinen Sekretär mit mir zu haben, den ich doch sonst, gleich dem Prinzen Facardin, stets mit mir zu führen pflege. Das Individuum selbst aber, das mir für die Zukunft bestimmt ist, kann sich sehr Glück dazu wünschen, nicht schon jetzt in Funktion zu sein, denn sein Dienst, den ich bei seinem Mangel notgedrungen selbst verrichten muß, würde ihm gewiß unerträglich schwer gedeucht haben!

Mein Zelt lag diesmal wie im Grünen gebettet und hatte einen Kranz jener nun immer häufiger am Nil werdenden Giftsträucher um sich, nicht nur voll grüner Früchte von der Größe kleiner Äpfel, sondern hier auch reich mit weiß und blauen Blüten geschmückt. Aber mehr noch als die Krone des Königreichs Italien verdient diese Pflanze die Inschrift «Gare à qui la touche» – Blüten, Früchte, Äste, Blätter, alles ist voll einer fetten Milch, die beim geringsten Druck herausdringt und, wenn sie ins Auge kommt, unfehlbar erblinden macht. Auch innerlich genossen ist sie tödlich, und die Eingeborenen verfehlten nie, uns sorgsam davor zu warnen. Weniger gefährlich, aber desto unangenehmer, fanden wir die langstachlige Akazie, von der sich heute während einer kleinen Tour, die ich trotz der Hitze längs des Flusses machte, ein vorstehender Ast dergestalt mit meinem seidnen Kaftan in Verbindung setzte, daß ich die Hilfe zweier herbeigerufenen Schwarzen brauchte, um wenigstens meine Freiheit mit Hinterlassung eines Teils meines Gewandes wiederzuerlangen.

Das belustigendste Schauspiel für mich jeden Abend ist das Aufladen der Kamele, welches in der Regel von vier bis sechs Uhr andauert. Die Manieren dieser originellen Tiere mit ihrem Giraffenkopf, ihrem Schwanenhals, ihrem Hirschleib und Kuhschwanze nebst dem grotesken Höcker und den Hinterbeinen, die sie, wie mit Scharnieren versehen, so geschickt und taktmäßig in drei Teile zusammenlegen, sind zu komisch, um sie ohne Lachen mit ansehen zu können. Wie ungezogene Kinder schreien und quieken diese Tiere bei jeder Berührung, sehen immer im höchsten Grade melancholisch und empört aus, verlieren aber doch während ihres Ärgers keinen Augenblick, um dazwischen wieder emsig zu käuen, welche Operation, da sie nur die untere Kinnlade dazu in gleichem Tempo mit großer Ernsthaftigkeit rechts und links bewegen, ihnen ganz die Allüre eines alten Weibes gibt, das mit schlechten Zähnen vergeblich eine Brotrinde zu kauen versucht. Ihre Zähne sind indes nur zu gut, und wenn sie sich in der Brunst befinden, ist ihr Biß so fürchterlich, daß man uns in Kahira erzählte: im vorigen Jahre habe ein Kamel dem Offizier der Wache am Tore des Friedens den Kopf abgebissen. Ich selbst sah sie nur mit Verwunderung die Äste der Mimosen samt deren eisenfeste, fünf Zoll lange Stacheln so unbesorgt abbeißen und kauen, als seien es Salatblätter.

Mit dem letzten Stöhnen der Kamele, welches die Beendigung des Aufpackens anzeigt und worauf sich dann sogleich die ganze Karawane, ein Tier an das andere gebunden, in Marsch setzt, begebe ich mich täglich in das stärkende Flußbad, das mir ohngeachtet der penetranten Kälte des Nilwassers bisher immer gut bekommen ist. Warum aber der Nil, durch eine unermeßliche Ebne fließend und den ganzen Tag über den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, dennoch nie die warme Temperatur unsrer Flüsse im Sommer erreicht, kann ich mir kaum erklären, wenn es nicht der Frische der Nächte zugeschrieben werden muß, die hier meistens auch dem heißesten Tagen folgt, aber soviel ich von dem hiesigen Klima bisher sah, selten oder nie von Tau begleitet ist. Nach dem Bade wird das Abendfrühstück eingenommen, am besten durch die muntere, vaterländische Unterhaltung mit Doktor Koch gewürzt, der manches erlebt und gesehen hat und es mit satirischer Laune wiederzugeben weiß. Einige Stunden Schlaf auf dem Teppiche in der Kühle erquicken dann doppelt, und wenn der Vollmond hoch vom Himmel glänzt, besteigen wir wieder die Dromedare.


Den 19ten

Auch diese Nacht und am folgenden Morgen blieb die Wüste romantisch in ihren Formen. Wir bemerkten unter andern als einen auffallenden Gegenstand viele Haufen zerstreuter Hügel in größter Regelmäßigkeit, wie Tumuli spitz und vierkantig geformt. Ich äußerte gegen meinen Dragoman, der mit Eugen Sues drolligem Losophe einige Ähnlichkeit hat, dies müßten Gräber sein, die Natur habe sie nicht so regelmäßig bilden können; er aber antwortete lakonisch: «Die Natur kann dem Menschen zum Vorbilde alles bilden.» In der Tat ist den Geologen diese seltsame Formation, welche nicht selten in den großen Ebenen Asiens und Afrikas vorkommt, sehr wohl bekannt. Am Morgen blieb ein Trupp großer weißer Gazellen ganz nahe am Wege stehen und hätte sich wahrscheinlich schußgerecht erhalten, wenn wir den schlecht gezogenen Susannis hätten verhindern können, sie zu jagen, was uns wenigstens das Schauspiel ihres windschnellen Laufes über die Plaine, so weit unsere Augen sie verfolgen konnten, verschaffte. Man sieht überhaupt hier bald an der Zahmheit der in Freiheit lebenden Tiere, daß die Jäger sie wenig inkommodieren, denn außer dem Geier, den wir neulich erlegten, näherten sich uns seitdem fast täglich auf dieselbe Art große Raubvögel, und in Dal umkreiste mich einmal ein schöner bunter Vogel mit einer Krone wie ein Kakadu, während ich spazierenging, mit der größten Neugierde wohl fünf Minuten lang und verließ mich erst, als ich in mein Zelt zurückkehrte. Als die Sonne schon ziemlich hoch stand, glaubten wir, einen ganzen Teil der Ebene vor uns mit hellgrüner Vegetation besetzt zu sehen, bis wir bei näherer Besichtigung fanden, daß diese Farbe nur von einem feingeglätteten Schiefer herrührte, der in der Nähe blau war, in der Ferne aber täuschend moosartiges Gras vorspiegelte. In sechs Stunden erreichten wir Saki-el-Abd (auf deutsch: die Wasserleitung des Sklaven, weil die Sklaven hier eine Station zu machen pflegen). Der Fluß ist an dieser Stelle wohl eine Viertelstunde breit. Diesseits, wo wir lagerten, stehen nur wenige Häuser und zwei große Sakis; jenseits aber befindet sich in einem lang sich hindehnenden Palmenwalde und von einem hohen, prachtvollen Tafelberge überragt ein ansehnliches Dorf mit einem sehr großen Gebäude, das von zwei der erwähnten modernen Pylonen flankiert wird, die ihm von weitem ganz das Ansehn einer ägyptischen Tempelruine geben. Wir fanden hier eine Barke zum Überfahren und im jenseitigen Dorfe einen gut furnierten Markt, um unsere sehr zusammengegangenen Provisionen zu erneuern. Die Hitze war heute nur 28 Grad im Schatten, und wir fanden dies beinahe kühl.

Ehe ich weiter fortfahre, muß ich bemerken, daß sowohl auf Cadalvenes als Rüppels Karte, welche beide nicht sehr genau sind, die Distanz von Dal bis hierher um sechs deutsche Meilen, also fast einen halben Grad, zu weit angegeben ist, da sie, nach dem stets gleichen Schritt der Kamele wie dem unsrer Dromedare beurteilt, nicht mehr als die von Samneh bis Tangur und von Tangur bis Dal beträgt, drei Tagemärsche, die keine halbe Stunde voneinander differieren. Ich erwähne dies nur zur Notiz der Reisenden – nach mir kommenden Gelehrten sei es überlassen, durch gründliche Messungen diese wie unzählige andere Irrtümer in den meisten bisherigen Karten dieses Teils von Afrika zu verbessern. Um aber auch einen Maßstab für die anderweitige Wahrhaftigkeit des Herrn von Cadalvene zu geben, was insofern nicht ohne Nutzen ist, da er absichtlich in seinem Werke Mehemed Ali und sein Gouvernement bei jeder Gelegenheit herabzusetzen sucht, obgleich er, als er hier war, lange in Alexandrien um eine Anstellung im Dienste des Vizekönigs sollizitierte und ein ägyptisches Journal herausgeben wollte, was ihm abgeschlagen wurde (hinc illae lacrimae!), so will ich hier noch einen belustigenden Paragraphen seines Buches gleich an Ort und Stelle zitieren.

«Saki-el-Abd», beginnt er in seiner gewöhnlichen Manier, «war fast verlassen, als wir daselbst ankamen, denn der größte Teil der Einwohner (NB. von 5-6 Hütten) war in die Wüste geflohen, unfähig, die verlangten Abgaben zu erschwingen. Manchmal kommen diese Flüchtlinge nach einigen Monaten wieder, wenn sie hoffen, nicht mehr beunruhigt zu werden.» (Wie können sie dies hoffen, wenn die Tyrannei wirklich so konsequent und systematisch existiert, wie sie Herr von Cadalvene durchgängig angibt?) «Viele aber ergreifen das Leben der Nomaden, und jedes Jahr sieht man auf diese Weise die Entvölkerung einiger Dörfer.

In der Abwesenheit der Eigentümer» (die wahrscheinlich, statt geflohen zu sein, nur in das Dorf gegenüber zu Markte gegangen waren) «nahmen wir einigen Betten (engareb) in den nächsten Häusern und trugen sie an den Fluß, wo wir uns etablierten, um die weißen Ameisen zu vermeiden und vorzüglich die Skorpione, welche während der Nacht zu Tausenden aus ihren Schlupfwinkeln kriechen

Nun biwakierten auch wir auf demselben Ort und in demselben Monat des Jahres, ohne jedoch einen einzigen Skorpion zu sehen. Darauf erkundigte ich mich sowohl bei den Eingebornen als den Leuten, die unsere Karawane begleiteten, nach beiden von Herrn Cadalvene hervorgehobnen Gegenständen: 1) der Flucht der Dorfbewohner und 2) der ungeheuren Menge von Skorpionen. Von der ersten wußte niemand etwas und von den zweiten hatte kaum je ein Einwohner eins dieser Tiere hier gesehen, welche erst, wie sie berichteten, kurz vor Dongola hinter der Wüste häufig zu werden beginnen.

Da es sich nun fast mit allen Diatriben des Herrn Cadalvene gegen den Vizekönig grade ebenso verhält und, wenn man an Ort und Stelle nachfragt, selten nur eine Spur von allen den Greueln, die er dessen Regierung vorwirft, angetroffen wird, so habe ich seitdem nie einen Paragraphen dieser Art, worin der Verfasser sich so viele Mühe zu stechen gibt, aber nur ohnmächtiges Gift ausspritzt, gelesen, ohne lächelnd zu mir zu sagen:«Abermals einer der tausend Skorpione des Herrn von Cadalvene!»

Die Karawane war am 21. abends wie gewöhnlich um 6 Uhr aufgebrochen, und wir folgten ihr erst um 3 Uhr in der Nacht, nachdem wir vorher noch eine sehr charakteristische Szene in Saki-el-Abd erlebt hatten. Ich schlief fest in meinem kleinen Sukkursalzelte, als mich ein ungeheurer Lärm von Trommeln und dem Abschießen vieler Gewehre weckte. Ich sprang auf und war nicht wenig erstaunt, aus dem Zelte tretend statt des glänzenden Vollmondes alles in dunkle Nacht gehüllt zu sehen, während Schießen und Trommeln ohne Unterlaß forttönte. Eine totale Mondfinsternis, wie ich sie nie vollständiger beobachtete und die uns kein Kalender vorhergesagt hatte, erklärte bald einen und den andern Umstand. Die Einwohner, welche durch den angestellten Lärm dem Monde zu Hilfe kommen wollten, damit der schwarze Drache, mit dem sie ihn im harten Kampfe begriffen vermeinten, ihn nicht ganz verschlinge, waren sehr bestürzt über die Begebenheit und sahen sie als die Vorbedeutung großen Unglücks an. Alle Mühe, die sich mein philosophischer Dragoman gab, ihnen die Sache natürlich zu erklären, war ebenso vergeblich, als wenn er es versucht hätte, einem unsrer neumodischen Frommen gesunden Menschenverstand beizubringen. Die guten Leute blieben bei ihrer Meinung und lebten, als die Finsternis endlich vorüberging, der freudigen Überzeugung, nicht wenig durch ihre resoluten Demonstrationen dazu beigetragen zu haben, den Mond für diesmal aus seiner dringenden Verlegenheit zu erretten. Später hörte ich jedoch in Dongola, wo man gegen dieselbe Kalamität auch Maßregeln ergriffen hatte, von einem dortigen Faki noch raffiniertere Erklärung derselben. «Nur das unwissende Volk», sagte er, «glaubt, es sei ein Drache, der den Mond verschlingen wolle. Wir wissen dies besser. Der Mond ist ein lebendiges Wesen so gut als wir, aber ein sehr hoher Potentat im himmlischen Reiche, welches von Gott ganz ebenso wie die Erde vom Sultan regiert wird. Wenn also einer der Statthalter dort seine Schuldigkeit nicht tut, so läßt ihm der Herr des Himmels wie hier der Sultan den Kopf abschlagen oder schickt ihm die seidne Schnur zu. Offenbar ist es nun, daß der Mond eine solche Strafe verwirkt hatte, und wir haben daher auch, als sein Antlitz sich zu verdunkeln anfing, weidlich geschossen und Klagetöne vernehmen lassen, um ihm unsere Hilfsbereitwilligkeit wie unser Beileid zu bezeigen, denn er konnte noch Pardon erhalten; da wir aber bald merkten, daß keine Gnade mehr für ihn war und er endlich ganz verschwand, so haben wir einen noch größeren Lärm, mit Freudenbezeigungen vermischt, vernehmen lassen, um uns sogleich dem neuen Mond aufs beste zu empfehlen, der denn auch, nachdem kaum zwei Stunden nach der Exekution des letzten vergangen waren, glänzender als je wieder zum Vorschein gekommen ist.» Man sieht, die hiesigen Leute vom Stande verstehen so gut als wir, was einem gewandten Höflinge geziemt. «Le Roi est mort, vive le Roi!»

Der größte Teil unsers heutigen Weges führte den Nil entlang durch angebautes Land, so daß wir die Wüste meistenteils nur zur Seite hatten. Sehr ansehnliche, stundenlange Dörfer, gut aus Erdziegeln gebaut, von Palmen dicht überdeckt und mit fruchtbaren Feldern umgeben, die in zwei bis drei Monaten schon die zweite Ernte gewähren werden, sind Bürgen des verhältnismäßigen Wohlstandes und der größeren Sicherheit des Eigentums, welche seit Mehemed Alis Regierung hier herrschen. Noch immer begegneten wir Karawanen von Kamelen und von Sklaven. Eine der letzteren hatte sich sehr malerisch in einem Garten neben den Ruinen von Sedenga gelagert und belustigte uns, als wir mitten durch sie hinzogen, durch eine Gruppe ausgelassner Mädchen, die uns auf alle Art und Weise verspotteten, wozu unsre weiße Farbe und unser fremdartiges Kostüm ihnen die beste Gelegenheit gaben. Auf unsre Frage: ob eine der mutwilligsten und hübschesten darunter zu verkaufen sei? – ward nur mit einem barschen «Nein!» geantwortet, denn die Sklavenhändler aus dem Innern schienen einen ebenso großen Abscheu vor den ungläubigen Christenhunden zu haben als die Sklaven selbst. Ich bin überzeugt, daß kein Individuum dieser ganzen Gesellschaft, wenn wir es ihm hätten anbieten können, mit uns getauscht haben würde. – Alles in der Welt beruht auf Meinung!


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