Karl Philipp Moritz
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Karl Philipp Moritz

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Der Grobschmied Kersting besucht das neue Ehepaar

Ich war den Tag vorher abgereist, als Kersting von einer kleinen Reise wieder zurückkam und seinen ersten Besuch bei dem neuen Ehepaar machte.

Er war weder Zuhörer von der Jubelpredigt, die ich mit angehört hatte, noch Zeuge bei der Trauung gewesen, sondern war während der Zeit mit Pferdekuren in der benachbarten Gegend beschäftigt.

Als er nun in die Pfarrstube trat, so fand er die Neuvermählten am Fenster stehend, und ihm den Rücken zukehrend. Auf einmal trat er zwischen sie, und sie fuhren unwillkürlich, mit einem kleinen Schreck auseinander; er aber fügte sie wieder zusammen, legte schweigend ihre Hände ineinander, und eine Träne stand in seinem Auge.

Nun dachte Hartknopf an den ersten Abend, wo sie von der himmlischen Weisheit sprachen und sein Entschluß zuerst in seiner Seele fest wurde. Sophie aber schlug die Augen nieder, wie damals, als sie in dem dunklen Kirchenstuhl saß und Hartknopfs Blicke zuerst den ihren begegneten.

Und was war es, daß eine Träne in Kerstings Auge stand, als er die Hände der Liebenden ineinanderlegte?

Er hatte Sophie lange gekannt, so wie sie ihn; er kannte ihren ganzen Wert – und wußte seinem angebeteten Freunde kein höheres Opfer als dies zu bringen. Wie ein köstliches Kleinod drückte Hartknopf seinen Freund an seinen Busen – und Sophie schlug die Augen auf, und freute sich tief im Herzen, daß zwei edle Männer vor ihr standen, die als Freunde sich umarmten.


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