Karl Philipp Moritz
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Karl Philipp Moritz

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Das Liebesmahl

– bestand aus Milch und Brot, welches Hartknopf mit dem Pächter Heil und seiner Schwester genoß, ehe er seinen Stab weiter setzte, denn er wollte diesen Tag noch drei Meilen gehen.

In Heils Wohnstube war der Fußboden mit einer weichen Decke belegt, und die Wände waren mit senkrechten blauen Streifen geziert. In der Mitte stand ein rundes Tischchen, woran diese drei nun saßen.

Sophie gegenüber hing ein Spiegel, vor dem sie, wie beim Anfang von Hartknopfs Predigt, nur ein wenig die Augen niederschlug und sie dann wieder aufschlug. Denn der Spiegel verdoppelte die schöne Scene und stellte sie wie in dem Hintergrund eines Gemäldes dar, das drei vorzüglich charakteristische Köpfe in sich faßte, die durch ihre Stufenfolge einen Akkord bildeten, dem nur ein fast unmerkliches Etwas zur Harmonie und Reinheit fehlte.

Die Liebe, welche bei dem Mahle herrschte, verdeckte dies Etwas und knüpfte unvermerkt ein schönes täuschendes Band zwischen diesen so verwandt scheinenden Seelen, die in vertraulichen Gesprächen über die eigentlichen Lebenspunkte und über das, was der Mensch in jedem Augenblick seines Lebens zu seiner Glückseligkeit tun und nicht tun kann, sich immer näher aneinanderschlossen.

Während diesen Gesprächen vernahm Hartknopf des öfteren ein sanftes Echo aus seiner gehaltenen Predigt wieder. – Ganz leise hatten die Saiten angeklungen, die seine Worte berühren wollten, nur einige waren verstimmt geblieben. –

Bei diesem Liebesmahle verschwand allmählich das Torfmoor und die unglückbringende Taubengestalt über Hartknopfs Kopf. Die ersten Worte des Pächters, womit er ihn in sein Haus geführt hatte, tönten immer noch angenehm in seinen Ohren.

– In diesem Hause wohnt Heil, sagte der Pächter, indem er ihn hineinführte.

– Und Segen, antwortete Hartknopf, indem er ihn umarmte.

Der Pächter Heil sagte dies dem Ansehen nach kindische Wortspiel mit einem so freundschaftlichen Händedruck und bedeutenden Blick auf Hartknopf, und zugleich mit einem so edlen Selbstgefühl, daß Hartknopf auf einmal harmonisch in dieses Wortspiel miteinstimmte.

– Und Segen! setzte er hinzu, und gewiß war seine ganze Seele bewegt, indem er dies sagte, und fühlte die Macht dieser Worte, sobald sie aus der Fülle des Herzens strömen und aus dieser Fülle des Herzens die Kraft erhalten, womit der sterbende Patriarch das Horn des Überflusses auf seine Söhne ausschüttete, welche auf kommende Geschlechter seinen Segen fortpflanzen.

Nicht so harmonisch griff der Segen ein, welchen er auf der Kanzel vor dem Altar der segengewohnten Gemeinde gab. Er machte nämlich statt des Kreuzes mit dem Mittel- und Zeigefinger nur einen geraden Querstrich zweimal durch die Luft, woran die ganze Gemeinde, so oft er es tat, und der Küster Ehrenpreiß zweifach sich ärgerte.

Dergleichen Kleinigkeiten wurden in Hartknopfs Gemeinde zu wichtigen Dingen, und verwickelten ihn in der Folge in tausend Verdrießlichkeiten, deren er sich nicht im mindesten versah. –

Für jetzt aber nahm er Abschied von dem Geschwisterpaar, da es hoch Mittag war, um den Herrn von G... zu besuchen; dieser wohnte drei Meilen weit von hier bei dem Dorf Nesselrode, wohin der Weg durch einen Fichtenwald führte, der eine Strecke hinter Ribbeckenäuchen seinen Anfang nahm und unseren Wanderer auf seinem Weg vor den Strahlen der Sonne schützte, welche schon anfingen, den ausgetrockneten Boden zu sengen.


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