Karl Philipp Moritz
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Karl Philipp Moritz

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Das Jubelfest

Der feierliche Tag war nun da; man läutete die Glocken – die benachbarten Dorfschaften hatten sich versammelt. Die Menge der Zuhörer fand in dieser Kirche keinen Platz. –

Der Grobschmied Kersting war bei diesem Jubelfest verreist. –

Musik und Rede sollten nun vereint auf die Zuhörer wirken.

Vokal- und Instrumentalmusik war beisammen, denn aus dem nächsten Städtchen waren die Chorschüler zu diesem Fest geladen, und der adjungierte Kantor aus eben diesem Städtchen dirigierte die Musik.

Die Musik sollte sich mit einem vollstimmigen Hallelujah schließen, und Hartknopfs Rede mit einem Hallelujah in die Musik einfallen. Welcher Genius ihn auf diesen sonderbaren spielenden Einfall brachte, ist mir noch jetzt ein Rätsel.

Wie nun ein Unglück selten allein kommt, so war die alte Emporkirche, auf der die kleine Orgel stand, lange nicht so gedrückt und erschüttert worden, als jetzt durch die Bewegungen der Sänger und Saitenspieler, und vorzüglich durch den Fußtritt des adjungierten Kantors, welcher den Takt trat.

Nun stand aber oben auf der Orgel, gerade der Kanzel gegenüber, mit losen Füßen, wie schwebend, ein großer vergoldeter Engel. – Dieser fing zuerst allmählich an zu nicken, sowie der Kantor mit dem Fuße auftrat – und nachdem er verschiedene Male vorwärts genickt hatte, stürzte er auf einmal mit gewaltigem Sturze mitten unter die Sänger, die ihm Platz machten und unbeschädigt, aber erstaunt und erschrocken um ihn her standen.

Der mächtige Fußtritt des Kantors machte, daß die Musik noch wieder in Takt kam.

Hartknopf trat auf die Kanzel, und das bedeutende Hallelujah, womit der Chor sich schließen sollte, wälzte sich nun erst durch eine Anzahl Fugen hindurch, wo der Alt, nach einer Pause immer einfiel, mit: Ha! – Ha!, so daß die letzte Silbe von Hallelujah zusammentraf, um den abgebrochenen Freudenschrei desto vollkommner nachzubilden, in welchen dann Hartknopfs Hallelujah von der Kanzel einfallen sollte.

Nun hatte der herabgestürzte Engel zwar einige Unordnung erregt; aber alles ging doch noch gut, bis auf den Altisten, neben welchen er dicht niedergestürzt war, und der sich noch nicht von seinem Schreck erholt und in der Angst unrecht pausiert hatte, so daß er nun auf einmal, da die ganze Musik vorbei war, mit seinem: Ha! – Ha! aus vollem Halse nachkam, und dieses nachgebliebene: Ha! – Ha! mit Hartknopfs feierlichem Hallelujah von der Kanzel gerade zusammentraf, welches den lächerlichsten Kontrast machte, den man sich denken kann.


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