Karl Philipp Moritz
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Karl Philipp Moritz

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Die Kadenz

        Als der Morgenröte Wunder
Glänzte vor der Sternenbahn,
Fiel ein Tröpflein Tau herunter
In den großen Ozean:
Da der Tropfen nun die Weiten
Dieses Meeres sahe hier,
Dessen Unermeßlichkeiten,
Wie erstaunte er dafür!

Da er sich auch wollte setzen
In Vergleichung, sagte er:
Wie gering bin ich zu schätzen
Zu vergleichen mit dem Meer!
Wahrlich, wo das Meer zu sehen,
Der so große Ozean,
Muß ich mir ein Nichts gestehen,
Einen Schatten, Traum und Wahn!

Als er so ein Nichts sich sah,
Und das Meer, so weit, so groß,
War die Perlenmuschel nah,
Schloß ihn ein in ihren Schoß!
O wie ward er da verwandelt
Ja zur Perle nun gemacht,
Groß, veredelt, wohl behandelt,
Zur Vollkommenheit gebracht.

Auch der Himmel gab den Segen,
Daß der Perle hoher Preis
Gar nichts wäre gleich zu wägen
Auf dem ganzen Erdenkreis;
Bis der König sie bekäme,
Setzte sie in seine Kron,
Hoch berühmet wurd ihr Name,
Schauet hier der Demut Lohn!


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