Karl Philipp Moritz
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Karl Philipp Moritz

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Das Abendmahl

»Brannte nicht unser Herz in uns, da er auf dem Wege mit uns redete?«

Kersting; – Beliebt noch eine Hälfte von der Taube?

Hartknopf: – Ich habe genug von der Taube.

Kersting: – Sie ist nicht hölzern.

Hartknopf: – Ich mag nicht an die hölzerne erinnert sein.

Kersting: – Nein, es wäre auch schade darum, das schöne Bild so zu entstellen. Mir ist die Taube im hohen Liede das zarteste Sinnbild der Liebe, ohne welche das Leben leer ist.

Hartknopf: – Warum noch einmal auf denselben Punkt.

Kersting: – Weil ich ins Herz treffen will. Wir haben nur von der himmlischen Weisheit gesprochen; die muß sich notwendig in einem sterblichen Leibe zu den Sterblichen herabsenken, und heißt alsdann: Sophia Erdmuth.

Hartknopf schwieg, und Kersting schenkte zwei Pokale voll Wein, die wurden schweigend ausgeleert. –

Und nun stimmten die allgemeinen Begriffe sich allmählich zur Individualität herab.

Man träumte sich ein süßes Lebensglück, das den Sterblichen so nahe läge, wenn sie es nur ergreifen wollten. Die Gedanken verloren sich in Scenen von häuslicher Glückseligkeit, von ruhigem Beieinandersein, und Vergessen der weiten Welt umher.

Ein treuer Handschlag versiegelte das Freundschaftsbündnis. Hartknopfs Entschluß wurde tief in seinem Busen fest, und als ein verlobter Bräutigam verließ er noch diesen Abend die Schwelle seines Gastfreundes.


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