Karl Philipp Moritz
61-107
Karl Philipp Moritz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Ist es denn hart, die Worte wieder zu sagen, die von den Lippen des sanftesten Lehrers tönten? Dem die Geschlechter der Menschen nun tief in das zweite Jahrtausend horchen, und horchen, ohne den leisesten Laut des göttlichen Sinnes zu vernehmen? –

Das Licht wandelte in der Finsternis, und die Finsternis erkannte es nicht. – Ist es die Fassungskraft nicht selbst, die sich erweitern muß, um das Edle aufzufassen?

Soll der Ölbaum seine Fettigkeit, der Weinstock seinen edlen Saft lassen, um über den Bäumen zu schweben? –

Da wo die Stimme vernommen wird, wohnt der Geist, die anderen Behausungen stehen öde und sind wandelnde Massen: Augen ohne Sehkraft; Ohren, die nicht hören; Arme, die nicht vermögen; Hände, die nicht wirken. Wie der Wind die Wolken kräuselt, so sind sie ein Spiel des Zufalls. –

Wo die Stimme vernommen wird, da tönt sie mächtig wieder; es zeichnet sich in Blick und Handlung ihre Spur. Das Leichte senkt, das Lockere dichtet und rundet sich zu einem festen Kern, aus welchem des Lebens edler Baum erwächst. –

Der Sturmwind rauscht, der Donner rollt, das Meer braust, die Menschenlippe spricht. –

In Wüsten steigen Städte mit Tempeln, und Paläste himmelan. –

Das Schiff mit Mast und Segeln tanzt auf den empörten Wellen. –

In tiefen Schachten liegt des Goldes Spur enthüllt. –

Von dem gespannten Bogen fliegt der befiederte Pfeil, und eilt dem Gedanken nach, der vor ihm schon das Ziel erreicht. –

In seinem Blute sich wälzend ächzt das Wild. –

Die angespannte in sich gedrängte Kraft wirkt durch den Luftraum in die Ferne. –

Sie wohnt in der atmenden Brust des Menschen und reicht bis an des Himmels Wölbung und des Ozeans ungemessene Ufer.


 << zurück weiter >>