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Anhang

Der Verfasser dieses Buches kam an demselben Tage in Taheiti an, an dem die Franzosen ihren rechtswidrigen Plan zu Ende führten, indem sie die Unterhäuptlinge in Abwesenheit der Könige dazu vermochten, einen hinterlistig abgefaßten Vertrag gutzuheißen, durch den sie tatsächlich so gut wie abgesetzt wurden. Durch Drohungen und Versprechungen wurden die Häuptlinge dazu bewogen, und die 32-Pfünder, die aus den Stückpforten der Fregatte sahen, waren die Hauptgründe, mit denen man die gewissenhafteren Bewohner der Insel zum Schweigen brachte.

Und doch hat die Besitzergreifung von Taheiti, die sich von einem Seeräuberüberfall nicht sehr unterschied, und die so viel Jammer und Unheil brachte, nicht halb soviel Aufsehen erregt, wenigstens in Amerika, wie das Verfahren der Engländer auf den Sandwich-Inseln. Nie sind Ereignisse so grob entstellt worden, wie die Vorfälle nach der Ankunft Lord George Paulets in Oëhu. Bei einem viermonatigen Aufenthalt in Honolulu, der Hauptstadt der Gruppe, stand der Verfasser in engster Verbindung mit einem Engländer, der im Dienst Seiner Lordschaft stand; der Verfasser war daher nicht wenig erstaunt, als er im Herbst 1844 nach Boston kam und die verzerrten Berichte und all die Erfindungen las, die in den Vereinigten Staaten eine so heftige Empörung gegen die Engländer erregten. Er hält es daher für eine bloße Pflicht der Gerechtigkeit gegen einen wackeren Offizier, die wesentlichen Ereignisse kurz zu erzählen, wie sie sich wirklich zugetragen.

Ich werde nicht all die gehässigen Verleumdungen wiederholen, die von den eingeborenen Behörden auf den Sandwich-Inseln schon seit einiger Zeit und bis zum Frühjahr 1843 gegen die britischen Vertreter und insbesondere gegen den Generalkonsul Kapitän Charlton verbreitet wurden. Der Günstling des schwachsinnigen Königs war damals ein gewisser Dr. Judd, ein Apotheker und Abenteurer, der immer salbungsvoll redete; mit ihm zusammen arbeiteten verwandte Seelen, die gleichfalls Einfluß hatten und die alle von heftigem Engländerhaß erfüllt waren. Die Lage war diese: ein halbzivilisierter König herrschte mit absoluter Macht über ein Volk, das gerade auf der Kippe zwischen Barbarei und Kultur stand und das sich durch seine eigentümlichen Beziehungen zu den fremden Mächten in einer besonders schwierigen Lage befand. In dem Rat dieses Königs hatte eine Kamarilla von unwissenden und ränkevollen methodistischen Kirchenvorstehern den größten Einfluß. Dieser Zustand war nicht gerade geeignet, die Politik seiner Regierung zu einer besonders vernünftigen zu machen.

Die Mißwirtschaft war eine derartige und es kam zuletzt so weit, daß der englische Konsul Unbill und Frechheit nicht länger zu ertragen vermochte. Als Kapitän Charlton schimpflich ausgewiesen wurde, zog er es vor, sich in aller Stille nach Valparaiso einzuschiffen, wo er eine Besprechung mit dem Konteradmiral Thomas, dem Oberbefehlshaber der in der Südsee stationierten englischen Schiffe, hatte. Der Admiral schickte Lord George Paulet auf der Fregatte »Carysfort« mit dem Auftrag, den Fall zu untersuchen und vorhandene Mißbräuche abzustellen. Sofort nach seiner Ankunft schickte Lord Paulet seinen ersten Offizier ans Land, mit einem Brief an den König, der in den höflichsten Ausdrücken abgefaßt war, und erbat die Ehre einer Audienz. Der Bote wurde von Seiner Majestät nicht vorgelassen und Paulet an Dr. Judd gewiesen; es wurde ihm mitgeteilt, daß der Apotheker Vollmacht hätte, mit ihm zu verhandeln. Dieses unverschämte Ansinnen wurde zurückgewiesen und Seine Lordschaft schrieb nochmals an den König und wiederholte seine Bitte, erhielt jedoch abermals einen abschlägigen Bescheid. Mit Recht empört, schrieb er zum drittenmal, zählte in dem neuen Brief alle Beschwerden auf und verlangte die Erfüllung seiner Forderungen, widrigenfalls er unverzüglich die Feindseligkeiten eröffnen würde.

Nun blieb der Regierung nichts übrig als zu handeln; aber die verächtlichen Berater des Königs griffen zu einem höchst hinterlistigen Verfahren, um sich in der christlichen Welt Sympathien zu verschaffen und die allgemeine Meinung gegen England aufzureizen. Man veranlaßte Seine Majestät, den englischen Kommandanten dahin zu bescheiden, daß er als gewissenhafter Herrscher die willkürlichen Forderungen Seiner Lordschaft nicht erfüllen könne, aber um die Schrecken des Krieges seinem geliebten Volke zu ersparen, biete er ihm die provisorische Abtretung der Inseln an, vorbehaltlich der Ergebnisse, zu denen die damals in London schwebenden Verhandlungen führen würden. Paulet, ein gerader, einfacher Seemann, nahm den König beim Wort, traf die nötigen Vorkehrungen, übernahm die Verwaltung von Hawai und führte sie in derselben festen und zugleich gütigen Weise durch, mit der er die Disziplin auf seiner Fregatte aufrechterhielt und durch die er der Abgott seiner Mannschaft geworden war. Bald hatte er die Liebe fast aller Stände der Eingeborenen gewonnen; nur der König und die Häuptlinge, deren Feudal-Herrschaft die Missionare mühsam aufrechtzuerhalten suchten, verfolgten alles, was er tat, mit wachsamer Feindschaft. Seine wachsende Beliebtheit machte sie eifersüchtig, und da sie auf der Insel nichts dagegen vermochten, so bemühten sie sich, seinem Ruf in der Ferne zu schaden, indem sie laut gegen sein Verfahren protestierten und mit orientalischem Phrasenreichtum die gesamte Welt zu Zeugen des unerhörten Unrechts, das ihnen geschah, anriefen und Mitgefühl begehrten.

Ohne sich um ihr Geschrei zu kümmern, ging Lord George Paulet daran, die Streitigkeiten zwischen den fremden Vertretern auszugleichen, ihre Beschwerden abzustellen, ihre Handelsinteressen zu fördern und, soweit er es vermochte, den Zustand der mißhandelten Eingeborenen zu bessern. Man kann nicht all das Unrecht, das er feststellte und sogleich beseitigte, hier aufzählen; ein Beispiel wird genügen, um von der entsetzlichen Mißwirtschaft, unter der die armen Eingeborenen litten, eine Vorstellung zu geben.

Die auf den Sandwich-Inseln geltenden Gesetze wurden unaufhörlich abgeändert, so daß alle Begriffe von Recht und Unrecht bei den Eingeborenen völlig verwirrt wurden, was zu den schlimmsten Folgen führte. Und auf keinem Gebiete wurde mehr Unheil angerichtet, als durch die beständig wechselnden Verfügungen zur Eindämmung der Unsittlichkeit. Bald wurden die unschuldigsten Freiheiten zwischen den Geschlechtern mit Geldstrafen und Gefängnis bedroht, bald wurden diese Vorschriften widerrufen und die gröbsten Ausschreitungen öffentlich gestattet.

Drei Wochen vor Paulets Ankunft waren die Sittengesetze des Staates Connecticut in Kraft gesetzt worden. Die Folge war, daß eine Menge junger Mädchen im Fort von Honolulu gefangen saßen, weil sie vom Weg der Tugend abgewichen waren. Paulet wollte sich zuerst in die inneren Angelegenheiten der Eingeborenen nicht einmischen, aber gewisse Berichte, die er erhielt, bewogen ihn, eine strenge Untersuchung gegen den General Kekuanoah einzuleiten, eine der Säulen der hawaischen Kirche, der Gouverneur der Insel Oehu und Befehlshaber des Forts war. Die Untersuchung ergab, daß viele der jungen Frauenzimmer bei Tag zur Arbeit angehalten wurden, deren Ertrag dem König zufiel, bei Nacht aber über die Wälle des Forts, das dicht am Meer liegt, geschmuggelt und heimlich an Bord von Schiffen gebracht wurden, mit denen der General entsprechende Lieferungsverträge abgeschlossen hatte. Vor Tagesanbruch wurden sie ins Gefängnis zurückgebracht und, um sie zum Schweigen über diese geheimen Ausflüge zu veranlassen, erhielten sie einen kleinen Anteil an dem Sündenlohn, den Kekuanoah bezog.

Die Strenge, mit der die Gesetze gegen Unsittlichkeit damals durchgeführt wurden, machte es dem General möglich, sich geradezu ein Monopol für den scheußlichen Handel, den er trieb, zu sichern. Sehr beträchtliche Summen flossen in seine Kasse und, wie manche behaupteten, auch in die der Regierung. Denn es ist eine traurige Tatsache, daß die hawaische Regierung ihr Haupteinkommen aus den Geldstrafen bezog, mit denen das Laster bestraft wurde oder, richtiger gesagt, für die es gestattet wurde, so daß die finanzielle Lage der Regierung von der Verbreitung des Lasters abhing. Wären die Leute tugendhaft geworden, so wäre die Regierung verarmt; wie die Dinge lagen, brauchte man jedoch diesbezüglich keine Sorge zu haben.

Etwa fünf Monate nach der Abtretung fuhr die Fregatte »Dublin«, auf der Konteradmiral Thomas seine Flagge gehißt hatte, in den Hafen von Honolulu ein. Bei ihrem plötzlichen Erscheinen entstand eine ungeheure Aufregung. Drei Tage nach ihrer Ankunft holte ein englischer Matrose das rote Kreuz, das von den Höhen des Forts geflattert hatte, nieder und die hawaische Fahne wurde aufgezogen. Gleichzeitig öffneten die langen 42-Pfünder auf Punchbowl Hill ihren eisernen Mund zu triumphierender Antwort auf das Donnern der Geschütze der fünf Kriegsschiffe, die im Hafen lagen; und König Kammahammaha III., umgeben von einer glänzenden Schar englischer und amerikanischer Offiziere, entfaltete die Königsstandarte vor den Tausenden seiner Untertanen, die von dem imponierenden militärischen Schauspiel angezogen, herbeigeströmt waren, um die feierliche Rückgabe der Inseln an ihre angestammten Beherrscher mit anzusehen.

Der Admiral hatte das Vorgehen seines Offiziers nach jeder Richtung gutgeheißen und die hawaischen Behörden zur Nachgiebigkeit gezwungen; es war daher nicht mehr nötig, die provisorische Abtretung aufrechtzuerhalten.

Der König und die größeren Häuptlinge feierten das Ereignis durch wüste Gelage und, um die geringeren Leute gleichfalls in begeisterte Stimmung zu versetzen, erklärten sie die strengen Gesetze für zeitweilig aufgehoben. Königliche Proklamationen in englischer und in hawaischer Sprache wurden in den Straßen von Honolulu angeschlagen und in den größeren Dörfern der Gruppe an Pfähle genagelt, in denen Seine Majestät seinen liebenden Untertanen die Wiederaufrichtung seines Thrones mitteilte und sie aufrief, dieses frohe Ereignis zu feiern, indem sie sich zehn Tage über alle sittlichen, gesetzlichen und religiösen Schranken hinwegsetzten; für diese zehn Tage wurden alle Gesetze des Landes feierlich für aufgehoben erklärt.

Kein Mensch, der damals in Honolulu war, wird diese zehn Tage je vergessen. Das Schauspiel, das man am hellen Tage sah, spottete jeder Beschreibung. Die Eingeborenen der benachbarten Inseln strömten zu Hunderten nach Honolulu; die Mannschaften zweier Fregatten, die zu gleicher Zeit Urlaub erhielten, vermehrten wie losgelassene Dämonen den heidnischen Aufruhr. Man könnte es die »Polynesischen Saturnalien« nennen. Taten, zu scheußlich, als daß man von ihnen sprechen könnte, wurden am hellen Tage in den Straßen verübt; Eingeborene, die man beim Diebstahl ausländischen Gutes betroffen hatte und die vom Bestohlenen nach dem Fort gebracht wurden, wurden dort sogleich freigelassen und durften das gestohlene Gut behalten; grinsend belehrte Kekuanoah die weißen Männer, daß die Gesetze »hanepa« (gefesselt) seien.

Die Geschichte dieser zehn Tage zeigte den Charakter der Sandwich-Insulaner in seinem wahren Licht, und sie liefert einen beredten Kommentar zu den Ergebnissen, die das Wirken der Missionare erzielt hatten. Sowie der Zwang der strengen Strafgesetze aufhörte, gaben sich die Eingeborenen fast ausnahmslos den wüstesten Exzessen hin und begingen jede Schlechtigkeit; deutlich zeigte sich, daß sie sich zwar scheinbar in die neue Ordnung der Dinge gefügt hatten, in Wirklichkeit aber so herabgekommen und lasterhaft waren, wie je zuvor.

Das waren die Vorgänge, die in Amerika einen solchen Ausbruch der Entrüstung gegen den mutigen und hochherzigen Paulet hervorriefen. Er ist nicht der erste, der durch furchtlose Pflichterfüllung das sinnlose Geschrei der Leute erregte, die ein beschränkter Argwohn unfähig macht, Maßregeln zu beurteilen, die durch ungewöhnliche Vorgänge nötig wurden.

Unnötig hinzuzufügen, daß die britische Regierung niemals die Absicht hatte, die Inseln zu erwerben. Es genügt zur Rechtfertigung Lord George Paulets, daß sein Vorgehen nicht nur von seiner Regierung durchaus gebilligt wurde, sondern daß die große Mehrheit des hawaischen Volkes ihn noch heute segnet und dankbar der Zeit gedenkt, in der seine väterliche und freisinnige Herrschaft ihnen Frieden und Glück sicherte.

 

Ende.


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