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Neunundzwanzigstes Kapitel

Auf einer meiner Wanderungen mit Kory-Kory kam ich am Rand dichter Büsche vorüber, als mir ein seltsames Geräusch auffiel. Ich trat ins Dickicht und sah zum erstenmal, wie man tätowiert wird.

Ich sah einen Mann auf dem Erdboden flach auf dem Rücken liegen und, obwohl er seine Gesichtszüge beherrschte, zweifellos furchtbare Qualen erleiden. Der Folterknecht beugte sich über ihn und arbeitete mit Hammer und Meißel wie ein Steinmetz. In der einen Hand hielt er einen kurzen dünnen Stab, an dem ein spitzer Haifischzahn befestigt war. Auf das obere Ende dieses Stabes klopfte er mit einem kleinen hammerförmigen Holz, so daß er die Haut durchstach und der Farbstoff, in den er sein Werkzeug getaucht hatte, in sie eindrang. Eine Kokosnußschale mit der flüssigen Farbe stand auf dem Boden. Um die Farbe zu bereiten, mischt man die Asche jener zu Kerzen verwendeten, »Armor« genannten Nüsse, die man immer zu diesem Zweck vorrätig hält, mit einem bestimmten Pflanzensaft. Auf einem Stück fleckigen Tappas lagen seltsame schwärzliche kleine Werkzeuge aus Bein und Holz in großer Zahl, die bei den mannigfachen Ausführungsweisen dieser Kunst gebraucht werden. Einige endeten in einer einzigen feinen Spitze und wurden wie besonders feine Bleistifte verwendet, um dem Werk die letzte Vollendung zu geben oder wenn man, wie es hier der Fall war, die empfindlicheren Teile des Körpers bearbeitete. Andere zeigten mehrere Spitzen nebeneinander, die fast wie die Zähne einer Säge aussahen. Sie wurden für die gröbere Arbeit gebraucht, besonders um gerade Streifen zu ziehen. Bei einigen waren die Spitzen so angeordnet, daß sie kleine Figuren bildeten, die auf den Körper aufgesetzt, nur eines einzigen Hammerschlags bedurften, um ein unzerstörbares Bild in die Haut zu prägen. Einige hatten merkwürdig gekrümmte Griffe, als sollten sie ins Ohr eingeführt werden oder sonst einem geheimnisvollen Gebrauch dienen. Der Anblick all dieser Werkzeuge erinnerte mich lebhaft an die grausam aussehenden kleinen stählernen Dinger mit Perlmuttergriffen, die man in samtgefütterten Etuis beim Zahnarzt sieht.

Der Künstler vor mir war im Augenblick nicht mit einer Originalskizze beschäftigt; er arbeitete an einem ehrwürdigen alten Wilden, dessen Tätowierung schadhaft geworden war und einer Reparatur bedurfte; er retouchierte gewissermaßen die Werke alter Meister, die auf der menschlichen Leinwand ausgeführt waren. Und zwar operierte er augenblicklich an den Augenlidern, über die ein länglicher Streifen lief, gleich dem, der Kory-Korys Antlitz schmückte. Obschon der arme alte Mann aufs äußerste bemüht war, sich zu beherrschen, verriet doch ein wiederholtes Zucken und Verziehen der Gesichtsmuskeln die außerordentliche Empfindlichkeit der Teile, die übermalt wurden. Der Künstler aber blieb unempfindlich wie ein Militärchirurg und fuhr mit seiner Arbeit fort, hämmerte drauflos wie ein Specht und begleitete seine Tätigkeit mit einem wilden Gesang.

Er war so in seine Arbeit versunken, daß er unser Kommen nicht wahrgenommen hatte; ich sah eine Weile ruhig zu, dann machte ich mich bemerkbar. In der Meinung, daß ich ihn beruflich aufsuchte, faßte er mich entzückt an und hätte mich am liebsten gleich in Arbeit genommen. Da ich ihm zu verstehen gab, daß er mich völlig mißverstanden, war er aufs tiefste betrübt und enttäuscht. Er wollte mir nicht glauben, ergriff sein Werkzeug und bewegte es in schrecklicher Nähe vor meinem Gesicht, als wollte er mir durch in die Luft gezogene Linien zeigen, was er konnte, und gab mir durch Ausrufe der Bewunderung zu verstehen, wie schön die Zeichnungen waren, die er auf mir entwerfen wollte.

Entsetzt bei dem bloßen Gedanken, für immer entstellt zu werden, wenn der Elende seine Absicht ausführte, versuchte ich mich von ihm loszumachen, aber Kory-Kory, der Verräter, stand dabei und beschwor mich, ihm doch zu willfahren. Da ich mich dauernd weigerte, kam der Künstler fast außer sich, er war verzweifelt, daß er eine so herrliche Gelegenheit, sich in seinem Beruf hervorzutun, verlieren sollte.

Der Gedanke, meine weiße Haut zu tätowieren, begeisterte ihn; immer wieder betrachtete er mein Gesicht, und jeder Blick schien seinen Ehrgeiz zu steigern. Ich suchte ihn wenigstens davon abzulenken und hielt ihm selbst verzweifelt meinen Arm hin; aber er wies dieses Kompromiß entrüstet zurück und fuhr mir mit dem Zeigefinger übers Gesicht, wie um die Randlinien der parallelen Streifen zu entwerfen, die es umschließen sollten. Mir erstarrte das Blut in den Adern; halb wild vor Schrecken und Zorn riß ich mich von den drei Wilden los und floh nach Marheyos Haus. Der unerbittliche Künstler lief mir mit seinen Werkzeugen nach; aber jetzt griff Kory-Kory ein und hinderte ihn an weiterer Verfolgung.

Dieses Ereignis ließ mich eine neue Gefahr erkennen. Ich war überzeugt, daß man mich irgend einmal so entstellen würde, daß ich nie mehr die »Stirn« haben würde, unter meine Landsleute zurückzukehren. Meine Befürchtung steigerte sich noch beträchtlich, als auch König Mehivi und mehrere andere Häuptlinge nunmehr den Wunsch aussprachen, daß ich mich tätowieren lassen sollte. Drei Tage nach meiner zufälligen Begegnung mit Karky, so hieß der Künstler, wurde mir der hohe Wunsch Seiner Majestät zum erstenmal kundgegeben. Ich verfluchte den elenden Karky vieltausendmal; ich wußte, der Kerl würde nicht ruhen, bis er seine teuflischen Absichten an meinem Gesichte vollzogen hätte. Ich traf ihn mehrmals in verschiedenen Teilen des Tales, und jedesmal wenn er mich erblickte, kam er mit Hammer und Meißel hinter mir hergelaufen und fuhr mir damit vor dem Gesicht hin und her, als wollte er gleich anfangen.

Als der König mir seinen Wunsch aussprach, erklärte ich ihm meinen Abscheu davor und wurde dabei so aufgeregt, daß er mich verwundert anstarrte. Er begriff es offenbar nicht, wie ein vernünftiger Mensch sich gegen solch eine Verschönerung sperren könnte. Nach kurzer Zeit wiederholte er seinen Vorschlag, und da ich wieder ablehnte, zeigte er sich verstimmt. Beim drittenmal begriff ich, daß ich zum Schutz meines Gesichtes etwas tun müsse; ich nahm all meinen Mut zusammen und erklärte mich bereit, mir beide Arme vom Handgelenk aufwärts bis zur Schulter tätowieren zu lassen. Seine Majestät war sehr erfreut, und ich beglückwünschte mich bereits, die Sache auf diese Weise erledigt zu haben, als er bemerkte, daß man natürlich mit dem Gesicht beginnen müßte. Ich war verzweifelt; die unerbittlichen Häuptlinge verlangten meine Entstellung oder vielmehr der niederträchtige Karky, der dahinter steckte. Man überließ mir die Wahl des Musters: ich konnte mir drei wagerechte Streifen machen lassen, wie sie mein Diener trug, oder drei schräge Streifen; ich konnte auch den Höfling spielen und nach dem Beispiel Seiner Majestät mir das mystische Dreieck einzeichnen lassen. Aber obwohl der König mir deutlich erklärte, daß ich völlig freie Wahl haben sollte, ließ ich mich nicht bewegen. Schließlich hörte er auf, mich damit zu behelligen. Aber nicht so die übrigen Wilden. Kaum ein Tag verging, ohne daß sie mich mit ihren Bitten quälten, bis mir das Leben vergällt war; alle Freuden, die ich bisher genossen, verloren ihren Reiz für mich, und mein Wunsch, aus dem Tal zu entfliehen, wurde noch einmal so heftig.

Ich erfuhr damals etwas, was meine Furcht vermehrte. Die Tätowierung stand mit ihrer Religion im Zusammenhang; sie wollten mich also zugleich bekehren.

Bei der Verschönerung der Häuptlinge werden die Linien aufs sorgfältigste gezogen; während manche der geringeren Eingeborenen so aussahen, als ob man sie einfach angestrichen hätte. Ich erinnere mich eines Kerls, der äußerst stolz auf einen großen rechteckigen Fleck am oberen Teil seines Rückens war und so aussah, als ob er ein spanisches Fliegenpflaster zwischen den Schultern trüge. Ein anderer, dem ich oft begegnete, hatte sich in die Augenhöhlen regelmäßige dunkle Vierecke tätowieren lassen, und da er besonders glänzende Augen hatte, so funkelten sie aus dieser Einfassung hervor wie Diamanten, die in Ebenholz gefaßt sind.

Aber obwohl ich begriffen hatte, daß die Tätowierung ein religiöser Gebrauch war, gelang es mir doch nie, den Zusammenhang zu erkennen, in dem sie mit dem abergläubischen Götzendienst des Volkes stand. So wie das weit bedeutungsvollere Tabu, ist mir auch dies unerklärt geblieben.

Die religiösen Einrichtungen auf den meisten Inseln Polynesiens sind einander auffallend ähnlich, ja beinahe die gleichen, und überall findet man das geheimnisvolle Tabu in größerem oder geringerem Maß. Das Ganze ist so seltsam und kompliziert, daß ich wiederholt Leute getroffen habe, die Jahre auf den Südseeinseln gelebt hatten, eine beträchtliche Kenntnis der Sprache besaßen und doch die Wirkungen des Tabu nie in befriedigender Weise erklären konnten. Im Taïpi-Tal fühlte ich täglich seine allbeherrschende Macht, ohne sie doch jemals begreifen zu können. Seine Wirkungen zeigten sich überall, bei den wichtigsten wie bei den unbedeutendsten Handlungen und Ereignissen. Der Wilde beobachtet die Gebote des Tabu stets und aufs strengste, sie leiten und beherrschen all sein Tun.

Durch mehrere Tage nach meiner Ankunft im Tal hatte ich mindestens fünfzigmal innerhalb von vierundzwanzig Stunden das Rätselwort »Tabu« mir in die Ohren schreien lassen müssen, weil ich mich ahnungslos irgendeiner groben Verletzung seiner Vorschriften schuldig gemacht hatte. Am Tage nach unserer Ankunft hatte ich Toby über den Kopf eines Eingeborenen hin, der zwischen uns saß, etwas Tabak gereicht. Der Mann sprang auf, wie von einer Natter gestochen; die ganze Gesellschaft, von gleichem Schauder erfüllt, schrie wie aus einem Munde »Tabu«! Nie wieder ließ ich mir eine ähnliche Ungezogenheit zuschulden kommen, denn solch ein Verhalten war sowohl nach den Regeln der guten Erziehung wie durch die Vorschriften des Tabu verboten. Aber es war keineswegs immer so leicht zu erkennen, womit man dem Geist dieser Einrichtung zuwidergehandelt hatte. Ich wurde viele Male zur Ordnung gerufen, wenn ich so sagen darf, ohne daß ich um mein Leben begriffen hätte, was ich eigentlich getan hatte.

Eines Tages schlenderte ich durch einen abgelegenen Teil des Tales, da hörte ich den musikalischen Ton des Tuchklopfens aus der Nähe und bog in einen Pfad ein, der mich in wenigen Augenblicken zu einem Hause führte, wo etwa ein halbes Dutzend junger Mädchen beim Tappamachen beschäftigt war. Ich hatte schon oft dabei zugesehen und die Rinde auch selbst in all ihren verschiedenen Stadien bearbeitet. Die Mädchen waren diesmal sehr eifrig bei ihrer Arbeit, sie sahen einen Augenblick auf und wechselten ein paar fröhliche Worte mit mir, dann kehrten sie wieder zu ihrer Tätigkeit zurück. Ich sah eine Weile schweigend zu und nahm dann gleichgültig eine Handvoll von dem Faserstoff, der umherlag, auf und begann ihn in Gedanken zu zerzupfen, da hörte ich plötzlich einen Schrei, als ob ein ganzes Mädchenpensionat hysterisch geworden wäre. Ich dachte schon, eine Schar Happar-Krieger sei im Anzug, um einen neuen Raub der Sabinerinnen in Szene zu setzen, aber ich sah nur die Mädchen, die von ihrer Arbeit aufgesprungen waren und mit weit aufgerissenen Augen und wogender Brust vor mir standen und entsetzt mit den Fingern auf mich wiesen.

Ich dachte, ein giftiges Tier müsse in der Rinde verborgen sein, die ich in der Hand hielt, und begann sie vorsichtig zu untersuchen. Die Mädchen verdoppelten ihr Geschrei; nun wirklich besorgt, warf ich das Stück Tappa, weg und wollte aus dem Hause stürzen – im Augenblick hörte auch ihr Geschrei auf und eine faßte mich beim Arm, zeigte auf die zerrissenen Fasern, die ich eben weggeworfen hatte, und schrie mir das verhängnisvolle Wort »Tabu!« in die Ohren.

Ich bekam später heraus, daß der Stoff, mit dem sie beschäftigt waren, von besonderer Art und dazu bestimmt war, von den Frauen auf den Köpfen getragen zu werden, diese Art Tappa war im ganzen Verlauf der Zubereitung durch ein Tabu geschützt, das dem männlichen Geschlecht die Berührung verbot.

Oft, wenn ich durch die Haine schritt, sah ich Brotfrucht- und Kokosnußbäume, um deren Stamm ein Blätterkranz in besonderer Form gewunden war. Dies war das Tabu-Zeichen. Die Bäume, ihre Früchte, ja selbst der Schatten, den sie auf den Boden warfen, war gefeit. Eine Pfeife, die der König mir geschenkt hatte, war auf dieselbe Weise geheiligt, und nie konnte ich einen Eingeborenen dazu bringen, aus ihr zu rauchen. Der Kopf war von einem geflochtenen Grasband umgeben.

Einmal flocht Mehivi mit seiner eigenen königlichen Hand ein ähnliches Abzeichen um mein Handgelenk und erklärte mich, als er fertig war, für »Tabu«. Dies geschah, kurz nach Tobys Verschwinden; und hätten mich die Eingeborenen nicht vom ersten Augenblick an, in dem ich das Tal betrat, mit immer gleicher Freundlichkeit behandelt, ich hätte ihr späteres Verhalten auf diese Heiligung zurückgeführt. All die launisch scheinenden Wirkungen des Tabu aufzuzählen, wäre unmöglich. Schwarze Schweine, Kinder bis zu einem gewissen Alter, Frauen in anderen Umständen, junge Männer, während ihre Gesichter tätowiert werden, gewisse Teile des Tales, während ein Regenschauer niedergeht, werden alle mit einem schützenden »Tabu« umgeben.

Ein auffälliges Beispiel seiner Wirksamkeit erlebte ich in der Bucht von Teior, in der ich wenige Tage, bevor ich das Schiff verließ, gewesen war. Unser würdiger Kapitän war mit uns. Er war ein leidenschaftlicher Jäger. Von dem Augenblick an, in dem wir auf der Höhe von Kap Horn angelangt waren, saß er auf dem Heck, und der Steward mußte drei oder vier alte Vogelflinten immer wieder für ihn laden, mit denen er Albatrosse, Kaptauben, Seeraben, Sturmschwalben und andere Seevögel herunterschoß, die kreischend in unserem Kielwasser folgten. Die Mannschaft war starr über diese Roheit, und alle waren überzeugt, daß das gottlose Gemetzel, das er unter den friedlichen Vögeln anrichtete, schuld daran war, daß wir vierzig Tage nicht von dem schrecklichen Vorgebirge loskamen.

In Teior kümmerte er sich ebensowenig um die religiösen Vorurteile der Eingeborenen, wie vorher um den Aberglauben der Seeleute. Er hatte gehört, daß es im Tal zahlreiches Geflügel gab, Nachkommen einiger Hähne und Hennen, die ein englisches Schiff zufällig hiergelassen und die, da ein strenges »Tabu« sie schützte, nahezu wild lebten; und er beschloß, ihnen den Garaus zu machen. Er versah sich also mit einer Büchse, und das erste, was er beim Landen tat, war, daß er einen Hahn herunterschoß, der auf einem Baumast am Strand saß und krähte. »Tabu!« schrien die entsetzten Wilden. »Der Henker hole euer Tabu!« sagte der Seesportsmann. »Mir könnt ihr lange von Tabu reden!« Peng! krachte die Büchse und ein zweites Huhn fiel. Von Schreck erfüllt über die ungeheuerliche Tat, liefen die Eingeborenen davon.

Den ganzen Nachmittag hallten die Felsenwände des Tales vom Krachen seiner Büchse wider, und das herrliche Gefieder manches wunderschönen Vogels wurde von den Kugeln zerfetzt. Wäre nicht gerade der französische Admiral mit zahlreichem Gefolge in der Schlucht gewesen, die Eingeborenen würden, obgleich es ein kleiner und entmutigter Stamm war, an dem Mann, der so ihre heiligsten Gebräuche verletzte, schnelle Rache genommen haben, immerhin ließen sie es ihn gründlich büßen.

Durstig von der Jagd lenkte der Schiffer seine Schritte zum Fluß, aber die Wilden, die ihm in einiger Entfernung gefolgt waren, erkannten, was er vorhatte, stürzten auf ihn los und trieben ihn vom Ufer weg: seine Lippen würden das Wasser entheiligt und untrinkbar gemacht haben. Müde wollte er ein Haus betreten, um sich auf den Matten auszuruhen; die Bewohner sammelten sich am Eingang und verwehrten es ihm. Erst bat er, dann wurde er grob – beides war vergeblich; die Eingeborenen ließen sich weder einschüchtern noch versöhnen; es blieb ihm nichts übrig, als die Bootsmannschaft zusammenzurufen und abzufahren. An einem so niederträchtigen Ort sei er noch nie gewesen, sagte er. Es war ein Glück für ihn und für uns, daß die erbitterten Wilden uns bei der Abfahrt nicht einen Schauer von Steinen nachschleuderten. Nur wenige Wochen vorher waren auf der benachbarten Insel Ropo um eines ganz ähnlichen Vergehens willen der Schiffer und drei von der Mannschaft der »K...« getötet worden.

Es ist mir nie gelungen, zu erfahren, wer eigentlich das Tabu verhängt. Wenn ich die geringen Standesunterschiede unter den Eingeborenen, die sehr beschränkten und unbeträchtlichen Vorrechte der Könige und Häuptlinge, die ungewisse Stellung der Priester bedenke, die zumeist von den anderen kaum zu unterscheiden waren, so frage ich mich, wer die Autorität haben konnte, über ein solches Machtmittel zu bestimmen. Heute wird ein Ding für »Tabu« erklärt, und morgen wird das Verbot zurückgenommen; in anderen Fällen währt es ewig. Manchmal betrifft es ein einzelnes Individuum, manchmal eine Familie, manchmal einen ganzen Stamm. In seltenen Fällen erstreckt es sich sogar auf die Einwohner einer ganzen Gruppe. Solch ein umfassendes Tabu war es, das Frauen das Betreten eines Kanus verbot und das auf allen nördlichen Marquesas galt.

Auch, das Wort »Tabu« selbst wird in verschiedenem Sinn gebraucht. Die Eltern sagen es zu ihren Kindern, wenn sie ihnen irgend etwas verbieten. Alles, was den Anschauungen oder der Sitte der Eingeborenen widerspricht, auch wenn es nicht ausdrücklich verboten ist, wird »Tabu« genannt.

Die Sprache der Taïpi ist sehr schwer zu lernen. Sie ist den anderen polynesischen Dialekten ähnlich, die alle den gleichen Ursprung haben müssen. Ein charakteristischer Zug ist die Reduplikation der Worte wie »Lumi-Lumi«, »Poï-Poï«, »Moï-Moï«. Viel lästiger ist, daß dasselbe Wort in ganz verschiedenem Sinn gebraucht wird, wenn auch die einzelnen Bedeutungen in einem gewissen Zusammenhang stehen, was das Verständnis nur noch mehr erschwert. Zum Beispiel drückt die gleiche Verbindung von Silben die Gedanken »Schlaf«, »Ruhe«, »Liegen«, »Sitzen«, »Lehnen« und noch eine Menge ähnlicher Dinge aus, und was in dem besonderen Fall gemeint ist, wird wesentlich durch verschiedene Gebärden oder den Gesichtsausdruck kenntlich gemacht.


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