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Einunddreißigstes Kapitel

Seit meiner zufälligen Begegnung mit Karky, dem Künstler, lebte ich ein elendes Leben. Kein Tag verging, an dem die Eingeborenen mich nicht mit ihren Bitten gequält hätten, ich möchte mich doch tätowieren lassen. Ihre Zudringlichkeit machte mich fast rasend, weil ich wußte, wie leicht sie ihren Willen und was sie etwa sonst noch gelüstete, gewaltsam durchsetzen konnten. Aber noch immer war ihr Benehmen gegen mich so freundlich wie je. Fayaweh war ebenso liebenswürdig, Kory-Kory immer gleich hilfreich, und Mehivi, der König, ebenso gnädig und herablassend wie zuvor. Aber ich war nunmehr, meiner Schätzung nach, etwa drei Monate in ihrem Tal; ich kannte jeden Winkel des engen Gebiets, auf dem mir umherzugehen gestattet war, und ich begann meine Gefangenschaft bitter zu empfinden. Es gab niemanden, mit dem ich frei sprechen, niemanden, dem ich meine Gedanken mitteilen konnte, der für das, was ich litt, Mitgefühl empfunden hätte. Tausendmal bedachte ich, wieviel erträglicher mein Los gewesen wäre, wenn Toby bei mir geblieben wäre. So war ich allein, und es war schrecklich. Aber trotz meiner Kümmernis tat ich mein möglichstes, um ruhig und fröhlich zu erscheinen, denn ich hätte mir nur selbst den Weg verbaut, wenn ich Unruhe gezeigt oder den Wunsch wegzukommen irgendwie verraten hätte.

Ich war in dieser unglücklichen Stimmung, als die schmerzliche Krankheit, unter der ich so lange gelitten hatte, und die fast ganz geschwunden war, wieder aufzutreten begann, und mit ebenso heftigen Symptomen wie zuvor. Dieses neue Unglück brachte mich zur Verzweiflung; der Rückfall bewies, daß ich ohne eine gründliche Behandlung nicht auf endgültige Heilung hoffen konnte; und der Gedanke, daß gleich hinter den Höhen, die mich umschlossen, die ärztliche Hilfe, die ich brauchte, zu finden war, und ich, trotz ihrer Nähe, sie mir nicht verschaffen konnte, machte mich ganz elend.

In diesem jammervollen Zustand vermehrte jedes Ereignis, das die Wildheit der Menschen verriet, in deren Händen ich war, meine Furcht. Ein Vorfall, der sich zu dieser Zeit ereignete, machte mir den tiefsten Eindruck.

Ich habe bereits erzählt, daß an der Dachstange in Marheyos Haus eine Anzahl in Tappa gewickelter Bündel hing. Viele davon hatte ich in den Händen der Eingeborenen gesehen, und sie waren oft in meiner Gegenwart geöffnet worden. Aber in der Nähe der Stelle, wo ich lag, hingen drei Bündel, die durch ihr seltsames Aussehen oft meine Neugier gereizt hatten. Mehrmals hatte ich Kory-Kory gebeten, mir zu zeigen, was darin war; aber mein Diener, der sonst meine kleinsten Wünsche erfüllte, weigerte sich stets, dies zu tun.

Eines Tages kam ich unerwartet vom Tai zurück, und meine Ankunft schien die Hausbewohner in die größte Verwirrung zu stürzen. Sie saßen zusammen auf den Matten, und an den Schnüren, die vom Dach auf den Boden herabhingen, erkannte ich sogleich, daß die geheimnisvollen Pakete aus irgendeinem Grunde geöffnet und nachgesehen, wurden. Die sichtliche Sorge der Wilden ließ mich Böses ahnen, und ich wollte das so eifersüchtig gehütete Geheimnis erfahren. Wie sehr Marheyo und Kory-Kory mich zurückzuhalten suchten, ich drängte mich in den Kreis und konnte gerade noch einen Blick auf drei menschliche Köpfe werfen, die die anderen mit größter Eile wieder in die Blätter wickelten, aus denen sie sie genommen hatten.

Einen davon hatte ich ganz deutlich gesehen. Er war vollkommen gut erhalten, und nach dem flüchtigen Blick, den ich darauf geworfen, schloß ich, daß er irgendeinem Räucherungsprozeß unterzogen worden war, durch den er ein trockenes, hartes, mumienhaftes Aussehen erhalten hatte. Die zwei langen Skalplocken waren auf dem kahlen Schädel zu Kugeln geflochten, so wie der Krieger sie im Leben getragen hatte. Die eingesunkenen Wangen sahen dadurch noch gräßlicher aus, daß die blanken Zähne zwischen den geöffneten Lippen zu sehen waren; die Augenhöhlen waren mit eiförmigen Perlmutterstücken, in deren Mitte ein schwarzer Punkt saß, ausgefüllt, was die Scheußlichkeit des Anblicks noch erhöhte.

Zwei von den dreien waren Köpfe von Eingeborenen; aber mit Schauder hatte ich erkannt, daß der dritte der eines Weißen war. Wie rasch man ihn entfernt hatte, der eine Blick hatte genügt, um jeden Irrtum auszuschalten.

Die fürchterlichsten Gedanken erfüllten meinen Geist. Vielleicht hatte ich beim Lösen dieses Rätsels zugleich ein anderes gelöst: vielleicht hatte der entsetzliche Anblick, der sich mir eben geboten, mir das Schicksal meines verlorenen Kameraden verraten! Am liebsten hätte ich die Tuchstreifen heruntergerissen und die entsetzlichen Zweifel, die mich quälten, augenblicklich gelöst. Aber ehe ich mich noch von meiner Bestürzung erholt hatte, waren die verhängnisvollen Pakete schon emporgezogen und schaukelten mir wieder zu Häupten. Die Eingeborenen aber umdrängten mich lärmend und suchten mich davon zu überzeugen, daß das, was ich gesehen, die Köpfe von drei in der Schlacht gefallenen Happar-Kriegern gewesen. Diese offenbare Lüge vermehrte meine Besorgnis, und ich wurde nicht eher wieder ruhig, als bis ich mich daran erinnerte, daß ich die drei Pakete ja schon vor Tobys Verschwinden dort oben hatte schaukeln sehen.

Aber obschon die schlimmste Angst damit beseitigt war, so hatte ich doch genug gesehen, um in der Gemütsstimmung, in der ich war, mir die bittersten Gedanken zu machen. Jedenfalls waren es die Überbleibsel irgendeines Unglücklichen, der bei einem jener gefährlichen Versuche, an der Küste Handel zu treiben, erschlagen worden war.

Es war nicht nur die Ermordung des Fremden, die mich so düster stimmte; ich schauderte vor allem bei dem Gedanken, welches Schicksal der Leichnam erfahren haben mochte. Stand mir das gleiche bevor? War ich bestimmt, wie er, umzukommen, vielleicht, wie er, gefressen zu werden, und sollte mein Kopf einst als fürchterliches Andenken in einer Hülle hängen? Meine Phantasie verlor sich in die schauerlichsten Vorstellungen, und ich war ganz überzeugt, daß ich dem schlimmsten Geschick entgegenging. Aber was ich auch argwöhnen mochte, ich verbarg meinen Verdacht sorgfältig vor den Eingeborenen und ließ sie auch nicht ahnen, was ich alles entdeckt hatte.

Obschon die wiederholten Versicherungen der Taïpis, daß sie niemals Menschenfleisch aßen, mich nicht überzeugt hatten, so war ich doch so lange im Tal gewesen, ohne irgend etwas wahrzunehmen, was darauf hingewiesen hätte, daß ich bereits dachte, es komme nur äußerst selten vor, und mir jedenfalls würde es erspart werden, während meines Aufenthaltes Zeuge des schauerlichen Gebrauches zu sein; aber ach, auch diese Hoffnung wurde enttäuscht!

Merkwürdigerweise findet sich in all unseren Berichten von Kannibalenstämmen nur sehr selten die Bestätigung eines Augenzeugen, der bei dem widerwärtigen Vorgang selbst zugegen war. Die europäischen Berichte, die darauf schließen ließen, waren fast immer Berichte aus zweiter Hand; oder die Wilden selbst gaben es zu, nachdem sie bis zu einem gewissen Grade zivilisiert waren. Die Polynesier wissen, wie sehr die Europäer den Gebrauch verabscheuen; daher leugnen sie stets, daß er besteht, und mit der ganzen Schlauheit der Wilden bemühen sie sich, jede Spur davon zu verbergen.

Etwa eine Woche, nachdem ich den Inhalt der geheimnisvollen Pakete entdeckt hatte, war ich, wie so oft, im Tai, als eben wieder Kriegslärm ertönte und die Eingeborenen zu den Waffen griffen und hinausstürzten, um. einen. neuerlichen Einfall der Happar-Krieger abzuwehren. Alles spielte sich ab wie beim ersten Mal, nur daß ich diesmal mindestens fünfzehn Gewehrschüsse aus den Bergen hörte. Ein oder zwei Stunden später tönten laute Triumphgesänge durch das Tal und verkündeten das Herannahen der Sieger. Ich stand mit Kory-Kory über das Geländer des Pai-Pai gelehnt und erwartete ihre Ankunft, als die lärmende Menge stürmisch und mit wildem Geschrei sich aus den nächsten Hainen ergoß. In ihrer Mitte schritten vier Männer in einem regelmäßigen Abstand von acht bis zehn Fuß hintereinander, die auf ihren Schultern Stangen von gleicher Länge trugen. An den Stangen waren mit Rindenschnur drei lange schmale Bündel befestigt. Sie waren sorgfältig in große, frisch gepflückte Palmblätter gewickelt, die mit Bambussplittern wie mit Stecknadeln zusammengehalten waren. Auf dieser grünen Umhüllung sah ich Blutflecken, und auch die Krieger, die die schreckliche Last trugen, waren mit Blut befleckt. Das geschorene Haupt des vordersten wies eine tiefe Wunde auf, die mit geronnenem und getrocknetem Blut verklebt war. Er schien der Last zu erliegen; die glänzende Tätowierung auf seinem Leibe war mit Staub und Blut bedeckt; seine entzündeten Augen rollten in ihren Höhlen, man sah ihm die schrecklichsten Schmerzen und die furchtbare Anstrengung an; dennoch schritt er mit mächtigem Willen weiter, während die Menge ihn mit ihren Zurufen anfeuerte. Die drei anderen Männer trugen an Arm und Brust leichtere Wunden, die sie prahlerisch zeigten.

Die vier waren die tapfersten im Treffen gewesen und beanspruchten dafür die Ehre, die Körper ihrer erschlagenen Feinde nach dem Tai tragen zu dürfen. Ich schloß dies teils aus meinen Beobachtungen, teils aus den Erklärungen Kory-Korys, soweit ich sie verstehen konnte.

An der Seite der Helden schritt Mehivi. In einer Hand trug er eine Muskete, an deren Rohr eine kleine Segeltuchtasche mit Schießpulver hing, in der anderen einen kurzen Wurfspieß, den er mit wildem Triumph betrachtete. Er hatte ihn einem berühmten Happar-Krieger entrissen, der schimpflich die Flucht ergriffen hatte und von den Siegern bis jenseits des Kammes verfolgt worden war.

Sie waren schon nahe beim Tai, als der Krieger mit der Kopfwunde, in dem ich jetzt Narmonih erkannte, zu taumeln begann und nach zwei oder drei unsicheren Schritten zu Boden sank, aber nicht, ehe ein anderer das Ende der Stange erfaßt und auf die Schulter genommen hatte. Die aufgeregte Menge, die den König und die feindlichen Leichen umgab, kam immer näher; sie schwangen ihre Waffen, von denen viele zerbrochen und schartig waren, und stießen ein unaufhörliches Triumphgeschrei aus. Jetzt stellten sie sich dem Tai gegenüber auf; ich beobachtete alles, was sie taten, mit größter Aufmerksamkeit; da, als sie stillestanden, berührte mein Diener, der mich einen Augenblick verlassen hatte, meinen Arm und schlug mir vor, nach Hause zurückzukehren. Ich wollte nicht; aber zu meinem Erstaunen wiederholte Kory-Kory seine Bitte, und das mit ungewöhnlicher Heftigkeit. Ich weigerte mich noch immer und entzog mich ihm, als er mich drängte, da fühlte ich eine schwere Hand auf meiner Schulter; ich wendete mich um und erkannte die massige Gestalt Moh-Mohs, des einäugigen Häuptlings, der eben von rückwärts das Pai-Pai bestiegen hatte.

Seine Wange war von einer Speerspitze durchbohrt, und die Wunde gab seinem scheußlich tätowierten Gesicht, das bereits durch den Verlust des einen Auges entstellt war, ein noch schrecklicheres Aussehen. Ohne eine Silbe zu sprechen, zeigte er wild nach der Richtung, in der Marheyos Haus lag, während Kory-Kory sich bückte und mich bat, auf seinen Rücken zu steigen.

Dies lehnte ich ab, zog mich aber natürlich zurück und verließ langsam den Vorplatz, ohne zu begreifen, was die Ursache der ungewöhnlichen Behandlung sein könnte. Aber ich begriff sogleich, daß die Wilden irgendeine scheußliche Feier vorhatten, bei der ich nicht zugegen sein sollte. Ich stieg vom Pai-Pai herab; und es fiel mir auf, daß Kory-Kory, der sonst stets tiefes Mitleid für meine Lahmheit zeigte, heute mich zur Eile trieb. Als ich durch die lärmende Menge schritt, die jetzt den Tai vollständig umgab, sah ich mit ängstlicher Neugier nach den drei Bündeln, die man auf dem Boden niedergelegt hatte; die dichte Blätterhülle ließ keine menschliche Gestalt erkennen:, dennoch war ich nicht im Zweifel über ihren Inhalt.

Am nächsten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, dröhnten die gleichen Töne durch das Tal, die mich am zweiten Tag des Kalebassen-Festes aus dem Schlaf geweckt hatten. Ich wußte somit, daß die Wilden wieder ein Fest feierten, und ich war überzeugt, daß es diesmal ein schauerliches Fest war. Alle Insassen des Hauses, mit Ausnahme Marheyos, seines Sohnes und Teinors, hatten sich aufs beste herausgeputzt und verließen es in der Richtung nach den Tabu-Hainen.

Um zu ergründen, ob mein Verdacht auf Wahrheit beruhte, schlug ich Kory-Kory vor, wie gewöhnlich nach dem Tai zu gehen: er weigerte sich, und als ich meine Bitte wiederholte, sah ich, daß es aussichtslos war. Um mich abzulenken, bot er mir an, mich an den Fluß zu begleiten. Dahin gingen wir auch und badeten. Als wir ins Haus zurückkehrten, sah ich zu meiner Überraschung, daß alle zurückgekehrt waren und wie gewöhnlich auf den Matten umherlagen, obwohl die Pauken noch immer aus den Hainen dröhnten.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit Kory-Kory und Fayaweh; wir gingen in einem anderen Teil des Tales umher, und sooft ich nur nach der Gegend blickte, in der der Tai lag, den ich hinter den Bäumen gar nicht sehen konnte, um so mehr als die Entfernung über eine Meile betrug, rief mein Diener: »Tabu, Tabu.«

In den Häusern, die wir besuchten, fand ich viele der Bewohner ruhig liegen oder irgendwie beschäftigt, als ob nichts Ungewöhnliches vor sich ginge; aber nirgend sah ich einen einzigen Häuptling oder Krieger. Wenn ich die Leute fragte, warum sie nicht bei dem Hulah-Hulah-Fest wären, so erhielt ich immer nur eine Antwort, die bedeutete, daß es kein Fest für sie wäre, sondern für Mehivi, Narmonih, Moh-Moh, Kolory, Womonu, Kalau, das heißt, sie zählten die Namen der bedeutendsten Häuptlinge auf.

 

Dies alles bestätigte meinen Argwohn, und ich konnte an der Natur des Festes, das sie feierten, kaum mehr zweifeln. In Nukuhiva hatte ich oft gehört, daß an Gelagen mit Menschenfleisch niemals der ganze Stamm, sondern nur die Häuptlinge und Priester teilnähmen, und was ich jetzt sah, stimmte damit durchaus überein.

Den ganzen Tag hindurch tönten die riesigen Trommeln, und ihr unaufhörliches Dröhnen erregte in mir eine Empfindung gräßlichen Abscheus, der sich nicht beschreiben läßt. Da ich am folgenden Tag den Lärm, der die Schmauserei begleitete, nicht mehr hörte, so schloß ich, daß das unmenschliche Festmahl zu Ende sein mußte; eine Art krankhafter Neugier trieb mich, nachzusehen, ob ich am Tai nicht Spuren von dem, was dort geschehen war, entdecken könnte, und ich schlug Kory-Kory vor, hinzugehen. Er aber wies mit dem Finger nach der eben aufgegangenen Sonne und dann zum Zenith empor und deutete mir damit an, daß wir den Besuch bis zum Mittag verschieben müßten. Als wir dann nach den Tabu-Hainen gingen, sah ich mich ängstlich um, um die Spuren zu sehen, aber ich fand alles in seinem gewöhnlichen Zustand. Im Tai lagen Mehivi und einige Häuptlinge auf den Matten und empfingen mich so freundlich wie sonst. Sie machten keinerlei Anspielungen auf die letzten Ereignisse, und ich hütete mich aus begreiflichen Gründen, darauf zurückzukommen.

Ich blieb nur eine kurze Zeit und nahm dann Abschied. Auf dem Vorplatz, ehe ich über die Stufen vom Pai-Pai hinunterstieg, bemerkte ich ein eigentümlich geschnitztes Holzgefäß von beträchtlicher Größe, das in der Form einem kleinen Kanu glich und mit einem hölzernen Deckel verschlossen war. Es war von einem niederen Bambusgeländer umgeben, das kaum einen Fuß hoch war. Da das Gefäß früher nicht dagewesen war, schloß ich, daß es vom Fest übrig war, und von unwiderstehlicher Neugier getrieben, hob ich im Vorübergehen den Deckel an einem Ende auf, und schon riefen die Häuptlinge, die meine Absicht bemerkten, laut: »Tabu, Tabu!« Aber der eine rasche Blick hatte genügt: meine Augen hatten die unordentlich durcheinanderliegenden Reste eines menschlichen Skeletts gesehen, die Knochen noch feucht und hier und da noch mit Fleischteilen bedeckt.

Kory-Kory, der einige Schritte vor mir ging, wendete sich bei den Rufen der Häuptlinge um und sah noch den Ausdruck des Grauens auf meinem Gesicht. Er eilte herbei, wies auf das Kanu und rief: »Puerkih! Puerkih!« (Schweinefleisch). Ich tat, als glaubte ich ihm und wiederholte die Worte mehrere Male, als sähe ich es ein. Die anderen Wilden, entweder durch mein Verhalten getäuscht oder weil sie ihr Mißfallen an einer Sache, die nicht mehr zu ändern war, nicht zeigen wollten, kümmerten sich nicht weiter darum, und ich verließ den Tai.

Aber die ganze Nacht lag ich wach und überdachte meine furchtbare Lage. Die letzte schreckliche Erkenntnis war da. Nirgends sah ich auch nur die geringste Aussicht, wieder aus dem Tal zu entkommen. Der einzige Mensch, der mir helfen zu können schien, war jener Fremde, Marnu; aber ob er jemals wiederkam? Und wenn er kam, würde man mir gestatten, ihn zu sehen? Ich schien von jeder Hoffnung abgeschnitten und es blieb mir nichts übrig, als mich widerstandslos in mein Schicksal zu ergeben. Immer wieder versuchte ich mir das rätselhafte Verhalten der Eingeborenen zu erklären. Warum in aller Welt hielten sie mich gefangen? Was konnten sie damit bezwecken, daß sie mich dem Anschein nach so freundlich behandelten? Verbarg sich eine verräterische Absicht dahinter? Und wenn sie wirklich nichts anderes im Sinne hatten, als mich gefangenzuhalten, wie sollte ich meine Tage in diesem engen Tal verbringen, ohne jeden Verkehr mit kultivierten Geschöpfen, und von meiner Heimat und allen Freunden für immer getrennt?

Es blieb mir nur eine Hoffnung. Es konnte nicht mehr lange dauern, und die Franzosen mußten die Bucht besuchen, und wenn sie Truppen im Tale ließen, dann konnten die Eingeborenen ihnen meine Anwesenheit nicht verborgen halten. Aber dann dachte ich wieder, daß dies ein Ereignis war, das hundert Gründe und Zufälle verzögern konnten – und welchen Grund hatte ich, zu hoffen, daß man mich so lange verschonen würde?


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