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Vierzehntes Kapitel

Alle Bewohner des Tales behandelten mich freundlich, aber was die vom Haushalt Marheyos für mich taten, war unbeschreiblich. Insbesondere sorgten sie für meinen Gaumen. Immer wieder luden sie mich zum Essen ein, und wenn ich endlich nicht mehr konnte und die Speisen ablehnte, dann suchten sie nach etwas besonders Pikantem, um meinen Appetit anzuregen. Zu diesem Zweck schlich sich der alte Marheyo bei Tagesanbruch zum Strand hinab, um irgendeine besondere Meerespflanze zu sammeln, die die Eingeborenen für einen großen Leckerbissen halten; damit verbrachte er den ganzen Tag und kam gegen Abend mit mehreren Kokosnußschalen voll verschiedenartigen, wie Wollhaar aussehenden Tanges zurück. Dann machte er sich an die Zubereitung mit all der Feierlichkeit eines erfahrenen Kochs, obschon das ganze Geheimnis darin zu bestehen schien, daß man die richtige Quantität Wasser darüber goß.

Als dieser Salzwassersalat mir zum erstenmal vorgesetzt wurde, erwartete ich natürlich, nachdem solche Mühe darauf verwendet worden war, etwas Herrliches; es war nicht mehr davon da als ein Mundvoll, und der alte Krieger war nicht wenig bestürzt, als ich sein Meistergericht mit größter Schnelligkeit wieder ausspuckte.

Die Seltenheit erhöht eben den Wert jeden Gutes in erstaunlichem Grade. In irgendeinem Teil des Tales, vermutlich in der Nähe des Meeres, sammelten die Mädchen gelegentlich kleine Mengen von Salz; ein Fingerhut voll war das Ergebnis, wenn fünf oder sechs den größten Teil des Tages daran setzten. Dann trugen sie die Kostbarkeit, sorgfältig in Blätter gewickelt, nach Hause, und um mir ihre ganze Hochachtung zu zeigen, breiteten sie ein ungeheures Blatt auf dem Boden vor mir aus, streuten einige winzige Körnchen Salz darauf und luden mich ein, sie zu kosten. Ich glaube, mit einem Säckchen gewöhnlichen englischen Salzes hätte man den ganzen Grund und Boden von Taïpi kaufen können. Mit einer Fingerspitze voll Salz in der einen Hand und dem Viertel einer Brotfrucht in der anderen, würde der größte Häuptling des Tales alle Genüsse eines Pariser Hotels verlacht haben.

Der Brotfruchtbaum, wenn er in vollem Saft steht, ist ein prächtiger Anblick und bildet einen hervorragenden Zug der Landschaft auf den Marquesas, ähnlich wie die Ulme in Neuengland. Er erinnert auch an sie sowohl in der Höhe als durch das weit ausgebreitete Dach kraftvoller Äste und den ehrwürdigen und imponierenden Anblick. Die Blätter sind groß und am Rande gezackt, wie der Spitzenkragen einer Dame. Bei dem alljährlichen Verwelken wetteifern sie in ihren glänzenden und allmählich wechselnden Farben mit dem flüchtigen Farbenspiel eines sterbenden Delphins. Der herbstliche Wald in Amerika, so herrlich er ist, läßt sich mit einem Hain von Brotfruchtbäumen nicht vergleichen. In einem bestimmten Stadium des Welkens mischen sich fast alle Farben des Prismas auf der Blattfläche, und dann verwenden die Eingeborenen die Blätter als herrlichen und höchst wirkungsvollen Kopfschmuck. Zu diesem Zweck wird das Blatt in der Hauptlängenfaser aufgeschlitzt und der Kopf dazwischengesteckt; das Blatt fällt, zur einen Seite geneigt, mit der Spitze über die Stirn, während die breiten unteren Teile hinter den Ohren sichtbar sind. Die Frucht ähnelt an Größe und Aussehen einer Melone von mittlerer Größe, hat aber außen keine Kerben. Die Oberfläche ist mit kleinen konischen Erhöhungen bedeckt, wie die gekörnte Platte eines alten Kirchentors. Die Rinde ist etwa ein Achtel Zoll dick; wird sie entfernt, so liegt, wenn die Frucht reif ist, das herrliche weiße Fleisch wie eine schöne Kugel bloß; bis auf den innersten schmalen Kern ist es völlig eßbar. Allerdings wird es nie roh gegessen. Meistens werden die frisch gepflückten Früchte, wenn sie noch grün sind, in heiße Asche gelegt und wie Kartoffeln geröstet. Nach zehn bis fünfzehn Minuten wird die grüne Rinde braun und springt, und das milchweiße Fleisch wird an den aufgesprungenen Stellen sichtbar. Sowie sie abgekühlt ist, fällt die Rinde ab, und man hat das zarte Fleisch im reinsten und köstlichsten Zustand. So gegessen, hat es einen milden und angenehmen Geschmack.

Mitunter nehmen die Eingeborenen die frisch geröstete Frucht mit raschem Griff aus der heißen Asche, drücken das Fleisch aus der Rinde, die dabei abgestreift wird, in ein Gefäß mit kaltem Wasser und verrühren das Ganze zu einer Mischung, die sie »Bo-e-scho« nennen. Ich habe es in dieser Form nie essen können, und die vornehmeren Taïpis pflegen sie gleichfalls nicht so zu sich zu nehmen.

Es gibt jedoch eine Bereitungsweise, in der die Frucht manchmal angerichtet wird, die sie zu einem Gericht für die Tafel eines Königs macht. Sowie sie vom Feuer genommen ist, wird die Schale entfernt, das Mittelstück herausgeschnitten, das übrige aber in einen flachen Steinmörser getan und mit einem Kolben aus gleichem Material tüchtig bearbeitet. Während eine Person damit beschäftigt ist, nimmt eine andere eine reife Kokosnuß, bricht sie geschickt entzwei und reibt das saftige Fleisch zu ganz kleinen Stückchen. Dies geschieht vermittels eines Stücks Perlmutterschale, das an der einen geraden Seite wie eine Säge gezahnt und mit der anderen an einem schweren Holzstock befestigt ist. Oft ist dies ein unförmiger Ast mit seinen Zweigen, auf denen er wie auf drei oder vier ungestalten Beinen auf der Erde steht. Der Eingeborene schiebt eine Kalebasse unter, setzt sich rittlings auf den Ast, dreht die halbe Kokosnuß mit der Innenseite schnell auf den scharfen Zähnen der Perlmutter und das reine weiße Fleisch fällt wie Schneeschauer in das untenstehende Gefäß. Hat er genug, so tut er es in einen Beutel, der aus einer netzartigen Fasersubstanz der Kokospalme bereitet ist, und drückt diesen Sack über der inzwischen hinreichend gestampften Brotfrucht in eine hölzerne Schüssel aus, wobei eine dicke sahnenartige Milch herausfließt. Der köstliche Saft sammelt sich um das Fleisch der Frucht, das gerade noch daraus hervorsieht.

Dieses Gericht heißt »Koku« und schmeckt wundervoll. In der Zeit, die ich in Marheyos Haus verbrachte, hatte Kory-Kory oft Gelegenheit, seine Geschicklichkeit in der Verwendung der geschilderten Werkzeuge zu zeigen.

Aber die Hauptspeisen, zu denen die Eingeborenen dieser Inseln die Brotfrucht verarbeiten, sind »Emar« und »Poï-poï«. Zu einer bestimmten Zeit, wenn die Frucht in den hundert Hainen des Tales völlig reif geworden ist und die goldenen Bälle von jedem Zweige hängen, schreiten die Insulaner zur Ernte und heimsen sie in Fülle ein. Rinde und Mittelstück werden entfernt und die Früchte in großen hölzernen Gefäßen gesammelt und mit dem Steinmörser zu einer zähen Masse gestoßen, die die Eingeborenen »Tuteo« nennen. Diese wird in Teile geschnitten und fest in Blättern verpackt, die mit Rindenschnur zugebunden und in unterirdischen Vorratskammern verstaut werden, aus denen man sie nach Bedarf herausholt. Dort bleibt das »Tuteo« manchmal jahrelang liegen, denn es heißt, daß es um so besser wird, je älter es ist. Soll es gegessen werden, so wird ein primitiver Ofen angelegt, indem man eine Vertiefung in der Erde gräbt, den Boden mit Steinen bedeckt und ein Feuer darin anzündet. Sowie die nötige Hitze erreicht ist, wird die Asche entfernt, die Steine mit einer dicken Blätterschicht zugedeckt, eines der großen Bündel mit »Tuteo« daraufgelegt und wieder mit einer Lage von Blättern bedeckt. Über das Ganze wird dann rasch die Erde gehäuft, so daß ein kleiner Hügel entsteht. Das so gebackene »Tuteo« heißt »Emar«: es ist eine amberfarbene, kuchenartige Substanz, eine Art Torte, die gar nicht schlecht schmeckt.

Um »Poï-Poï« zu machen, wird das »Emar« in ein Gefäß getan und mit Wasser gemischt, bis es eine puddingartige Konsistenz hat. Damit ist es fertig. Das ist die gebräuchlichste Form; wie man es dann essen muß, habe ich geschildert.

Könnte man die Brotfrucht nicht in dieser Weise aufbewahren, so würden die Eingeborenen Hungersnöten ausgesetzt sein; denn aus unbekannten Gründen tragen die Bäume in manchen Jahren keine Früchte, und dann sind die Eingeborenen auf ihre Vorräte angewiesen.

Dieser stattliche Baum, den man auf den Sandwich-Inseln nur selten antrifft und dann nur in weit geringerer Qualität, und der auch auf Tahiti nicht häufig genug ist, um das Hauptnahrungsmittel zu bilden, gedeiht im herrlichen Klima der Marquesas-Gruppe am besten; er wächst dort bis zu ungeheurer Größe und trägt Früchte in Fülle.


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