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Vierundvierzigstes Kapitel

Die Kosaken hatten sich vertheilt und waren in Verfolgung der Franzosen begriffen. Ich deutete auf einen Gasthof und bat Croß, daß er mir dorthin helfen möchte. Während ich mich über den mit Todten und Verwundeten besäeten Platz schleppte, kamen wir dicht an General Moraud vorbei, der in den letzten Zügen lag.

»Sehen Sie, Croß,« sagte ich, »das ist Wiedervergeltung. Wäre es nach seinem Sinne gegangen, so lägen wir jetzt, wo er gefallen ist.«

Der General erkannte uns, stöhnte tief auf, drehte sich auf den Rücken und war tobt.

Sobald ich in dem Gasthause angelangt war, wurde ich nach einem Zimmer gebracht, wo man mir alle Bequemlichkeiten zurüstete, bis meine Wunde verbunden werden konnte.

»Dießmal sind wir noch gut davon gekommen, Sir,« sagte Croß.

»In der That, Bob, es war eine wahrhaft wunderbare Rettung, für die wir dem Himmel nicht genug danken können.«

»Ei, Kapitän Keene, ich meinte, Sie kümmerten sich nichts mehr darum, ob Sie lebendig oder todt seien.«

»Das war auch wirklich der Fall, Croß; aber nun wir so wundervoll erhalten wurden, müssen wir nothwendig glauben, daß wir für bessere Dinge aufbewahrt sind. Die Vorsehung selbst hat sich in's Mittel gelegt, und zeigt uns dadurch an, daß es unsere Pflicht ist, zu leben.«

»Nun, ich bin froh, Sie so sprechen zu hören, Sir. Aber da kommen die Reiter wieder zurück. Sonderbare Käuze das, mit ihren langen Spießen und langen Bärten.«

»Es sind Kosaken – russische irreguläre Kavallerie.«

»Irregulär genug, will ich glauben; aber sie tränkten's den Franzmännern recht artig ein. Ich hab' immer gemeint, so wie sie, müßte der Pabst in Rom aussehen.«

»Croß, bedeuten Sie doch dem Inhaber des Gasthauses, daß er zu mir kommen solle.«

Als der Wirth kam, ersuchte ich ihn, er möchte den Kommandanten der verbündeten Truppen wissen lassen, daß ein englischer Kapitän verwundet hier liege und chirurgischen Beistandes bedürftig sei. Der Wirth begab sich sofort zu dem Bürgermeister, welcher gleichfalls unter den zum Tode Verurteilten gewesen war, um ihm mein Anliegen vorzutragen, und da Letzterer sich eben in dem Quartier des russischen Befehlshabers befand so wurde Sorge getragen, daß meiner Bitte in Bälde entsprochen wurde. Nach Ablauf einer Stunde kam ein Chirurg, der meine Wunde verband, und bald nachher besuchte mich auch der Bürgermeister, der seine tiefe Verbindlichkeit gegen mich ausdrückte, »denn,« sagte er, »wenn Sie nicht durch Ihren Widerstand Zögerung veranlaßt hätten, so wäre jetzt Alles mit uns vorüber.«

»Mit Ihrem Dank müssen Sie sich an einen holländischen Flottenoffizier, Namens Vangilt, wenden,« versetzte ich; »er ist's, der uns alle gerettet hat, und wenn er nicht verwundet wurde, so möchte ich wohl bitten, daß er freundlich behandelt und zu mir gebracht wird. Ich setze nämlich voraus, daß er gefangen ist, in welchem Falle er, wegen seiner Verdienste um uns, wohl auf Ehrenwort freigelassen werden könnte. Wollen sie nach ihm sehen, Herr Bürgermeister?«

»Es soll geschehen, sobald es ein Bischen ruhiger geworden ist,« entgegnete er. »In der gegenwärtigen Verwirrung weiß Niemand von uns, was er thun soll. Sie hatten ganz recht, Sir, als Sie uns riethen, daß wir uns vertheidigen sollten, denn wir hätten General Moraud's kleine Macht leicht zurückschlagen können; wir waren aber der Meinung, es seien wenigstens zehntausend Mann. Ein andermal wollen wir nicht mehr so vorschnell sein; doch sind, dem Vernehmen nach, die Franzosen jetzt allenthalben in voller Retirade.«

Denselben Abend nach Einbruch bei Dunkelheit kam Kapitän Vangilt auf mein Zimmer. Er war gefangen genommen worden, aber der Bürgermeister hatte Nachfrage angestellt und ihn losgelassen, wozu er als erste Magistratsperson wohl die Macht hatte. Vangilt umarmte mich mit viel Wärme und drückte sein Leib aus, daß es ihm nicht gelungen war, dem elenden Moraud sein mordgieriges Vorhaben auszureden.

»Es lief auf das Gleiche hinaus, Vangilt, denn ich verdanke Ihnen demungeachtet mein Leben. Hätten Sie nicht Zögerung veranlaßt, so wären wir jetzt erschossen.«

»Das ist allerdings wahr,« versetzte er. »Wie glücklich mußte sich's doch fügen, daß ich mich, als mein Geschwader von Kanonenbooten zerstört war, mit der Mannschaft, die ich zusammenbringen konnte, an Moraud anschloß, um die Stadt überrumpeln zu helfen. Sind Sie schwer verwundet?«

»Nicht sehr bedeutend, glaube ich. Hoffentlich bin ich in ein paar Tagen im Stande, nach Hamburg aufzubrechen.«

»Dort werden Sie von mehr als einer Person mit Entzücken empfangen werden.«

»Ist Mr. Vanderwelt noch am Leben und wohl?«

»O ja, und mein hübsches Bäschen Minnie ist auch noch immer unverheirathet.« Vangilt lächelte, als er diese Bemerkung machte.

»Geben Sie Ihr Ehrenwort für friedliches Verhalten, Vangilt, so werden Sie wohl mit uns nach Hamburg gehen können.«

»Mit tausend Freuden,« versetzte er, »denn ich habe den Krieg satt. Zudem bin ich kein Franzose, sondern ein Holländer, weßhalb mir unser Mißgeschick nicht sonderlich leid thut. Ich hoffe nur, daß Holland wieder ein Königreich wird und aufhört, ein von Frankreich abhängender Staat zu sein.«

Des andern Tages besuchte mich der russische Befehlshaber, welcher auf meine Fürbitte Vangilt bereitwillig auf sein Ehrenwort freigab. In einer Woche war ich wieder so weit hergestellt, daß ich die Reise nach Hamburg in langsamen Tagesrouten unternehmen konnte; ich lag dabei auf Matratzen in einem kleinen bedeckten Wagen, während Croß und Vangilt mir das Geleite gaben. Wir hatten nur noch ein paar Stunden bis zum Ziele unserer Reise, als Vangilt vorausritt, um meine Ankunft zu melden, und am Abend des zweiten Tages befand ich mich in einem üppigen, mit jeder Bequemlichkeit ausgestatteten Gemache, in welchem Minnie's strahlende Augen über mir wachten, während Mr. Vanderwelt an meinem Bette weilte.

Was der Ruf von Minnie's Schönheit gesagt hatte, war völlig begründet. Ihr erster Anblick wirkte eigentlich wie ein elektrischer Schlag auf mich. Ihr Teint war blendend weiß und aus ihrem Antlitze strahlte eine überirdische Klarheit. Die Aufnahme war, wie ich sie nur wünschen konnte. Die Liebe, welche mir Vater und Tochter erwiesen, die Besorgtheit um meine Wunde und die Freude, mich wieder unter ihrem Dache zu bergen, bekundeten, daß sie mich nicht vergessen hatten. Nach einer Weile verließ Vangilt das Zimmer und ich blieb auf dem Sopha zurück, die eine Hand von Mr. Vanderwelt umfaßt, während in der andern Minnie's nicht widerstrebenden Lilienfinger ruhten. Ich erzählte meinen Wirthen Alles, was seit meinem letzten Schreiben an sie stattgefunden hatte – den Verlust meiner Fregatte, Lord de Versely's Tod, meine spätere Gefangenschaft und mein glückliches Entkommen.

»Sie wurden also verwundet und beinahe ermordet, als Sie auf dem Wege waren, uns zu besuchen?«

»Ja, Minnie; ich hatte mich lange gesehnt, meine alten Freunde wieder zu sehen, und konnte mir's nicht versagen, hiezu die erste Gelegenheit zu benützen.«

»Gott sei Dank, daß Sie endlich hier sind,« sprach Mr. Vanderwelt, »und daß wir jetzt doch Aussicht zu Beendigung des Krieges haben.«

»Aber nicht wahr, Sie gehen nicht mehr zur See?« sagte Minnie.

»Man wird mir wohl kein Schiff geben, nachdem ich das meinem Kommando anvertraute verloren habe. Wer keine hohen Beschützer hat, dem wird das Unglück als Schuld angerechnet.«

»Das höre ich gar nicht ungerne, denn dann bleiben Sie hübsch ruhig am Lande und besuchen uns oft.«

Die Reise hatte mich in ein Fieber gesetzt, und meine Wunde fing an zu schmerzen; ich wurde daher, sobald mein Verband erneuert war, der Ruhe überlassen. Doch Ruhe! – Minnie's Gestalt wollte nicht von mir weichen, und da der Schlaf meine Lider scheute, so erging ich mich bis zum Morgen in wachen Träumen, die nur sie zum Gegenstande hatten. Ich war in der That zum erstenmal, und zwar in einem nicht geringen Grade, verliebt, und noch vor Morgen hatte meine Gluth eine wahrhaft verzweifelte Höhe erreicht. Wer hätte mir es aber auch verdenken wollen? Minnie war eben so gewinnend in ihrem Wesen, als liebenswürdig in ihrem Aeußeren, und es überraschte mich gar nicht, als mir Vangilt von den zahllosen Freiern erzählte, die sich um ihre Hand bewarben.

*

 


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