Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtundzwanzigstes Kapitel

Am dritten Tage gingen Tommy Dott und Mr. Maxwell – die für ihr wunderbares Entkommen Gott tausendmal dankten – an Bord, so daß jetzt ich und die beiden alten Pflanzer die einzigen Insassen des Hauses waren, die der jetzt wieder ganz rührigen Mammy Crissobella zu ihrer Auferstehung Glück wünschen konnten. Sie sagte zu mir:

»Mr. Keene, ich bin wahrhaftig groß in Ihrer Schuld. Wenn Sie brauch' zwei-, drei-, fünfhundert Pfund, so können Sie hab' und brauch' nicht wieder zurückzahl'.«

Ich dankte ihr sehr für ihr Anerbieten und erklärte, daß ich ihres Geldes nicht bedürftig sei. Indeß hatte die Geschichte bereits großes Aufsehen gemacht. Man glaubte Anfangs wirklich, Mammy Crissobella habe ihre Gäste und sich selbst vergiftet; ich mußte daher das Gerücht widerlegen, da andern Falls die Behörden eingeschritten wären. Als der Admiral herunterschickte, um Erkundigungen einziehen zu lassen, begab ich mich zu ihm und erzählte ihm den ganzen Vorgang. Ein Gleiches mußte ich auch bei dem Gouverneur thun, und die Geschichte erregte viel Spaß auf der ganzen Insel – zum nicht geringen Aerger derjenigen, welche zu ihrem Schaden auch noch den Spott hinnehmen mußten. Mammy Crissobella wurde mit Komplimenten wegen der Kriegslist überhäuft, durch welche es ihr gelungen war, ihr Haus zu säubern, und über den Ruf, den sie sich dadurch gewonnen, fühlte sie sich bis in den siebenten Himmel verzückt.

Eines Tages ließ mich der Admiral berufen und sagte mir: –

»Keene, ich kann nicht länger auf die Ankunft eines andern Schiffes warten, sondern bin gedrungen, Sie mit Depeschen nach England abzuschicken. Sie müssen morgen früh absegeln.«

Da mein Schiff ganz fahrtfertig war, so verabschiedete ich mich von dem Admiral, der mir noch jeden Beistand versprach, den er mir durch seine Stellung und sein Vorwort bei der Admiralität leisten könne; zugleich sagte er mir, daß er mir mit Tagesanbruch meine Aufträge zusenden wolle. Ich ging an Bord, ertheilte die nöthigen Befehle und kehrte dann nach dem Hotel zurück, um meine Effecten einzupacken und meine Rechnung zu bezahlen; über den letzten Punkt wollte mich jedoch Mammy Crissobella gar nicht anhören, und als ich fand, daß sie ernstlich böse wurde, so ließ ich mir ihre Gratisbewirthung gefallen. Die Quittung stellte ich mir selbst aus, indem ich der alten Dame einen Kuß gab; einen zweiten erhielt Leila, der ich ein paar Dublonen in die Hand gleiten ließ, und nun verfügte ich mich an Bord. Des nächsten Morgens, kurz nach Tagesanbruch, wurden die Depeschen überliefert, und die Diligente breitete alle Segel, die sie führen konnte, zur Fahrt nach England aus.

Die Brigg hielt sich so brav, als nur je, und wir legten unseren Weg sehr rasch zurück. Mein Schiffsvolk war sehr gut und auch die Offiziere verursachten mir keine Ungelegenheiten. Namentlich war Tommy Dott's Aufführung lobenswerth, obschon er mit einem ganz andern Benehmen gedroht hatte. Man kann daraus schließen, daß er auch von mir keine üble Behandlung erfuhr.

Wir näherten uns rasch dem Ziele unserer Fahrt, und fanden uns bei leichtem Südwinde ungefähr hundert Meilen südwestlich von den Scilly-Inseln, als während der Mittelwache Bob Croß, der das Piquet-Kommando hatte, mit der Meldung zu mir herunter kam, daß man südöstlich schießen höre. Ich begab mich auf das Verdeck, wo wir zwar den Knall des Geschützes deutlich vernahmen, von einem Aufblitzen aber nichts bemerken konnten. Ich änderte meinen Kurs und erwartete den Morgen, um zu sehen, welche Aufklärung der Tag bringen würde. Vor Eintritt der Dämmerung konnten wir die Pulverblitze sehen und ein Schiff unterscheiden, ohne daß wir jedoch das zweite zu entdecken vermochten. Der Aufgang der Sonne lüftete jedoch den Schleier. Ein französischer Kaperschooner hatte mit einem großen englischen Schiffe, augenscheinlich einem Ostindienfahrer, angebunden; letzteres war in seinen Spieren und seinem Takelwerk bedeutend beschädigt.

Bob Croß, welcher dicht an meiner Seite stand, als ich den Kaper mit meinem Glase musterte, sprach zu mir:

»Kapitän Keene, dieser schuftige Franzose wird, wenn wir unter englischer Flagge fahren, Reißaus nehmen, sobald er unserer ansichtig wird; hißen wir aber die französischen Farben auf, so kommen wir ihm auf den Leib und packen ihn, ehe er weiß, wer wir sind.«

»Ich glaube, Sie haben Recht, Bob,« sagte ich. »Ziehen Sie die französische Flagge auf. Er wird dann meinen, seiner Prise sicher zu sein, und wir lachen ihn aus, wenn er, statt zu scheeren, geschoren wird.«

Als sich Croß abwandte, um nach hinten zu gehen, bemerkte ich, daß er kicherte, ohne daß ich mir den Grund davon erklären konnte, da bei der ganzen Sache gerade nichts zu lachen war. Indeß glaubte ich, es geschehe über die langen Gesichter der Franzosen, wenn sie fänden, daß wir nicht die Freunde wären, du sie vermuthet hatten.

»Wär's nicht besser. Kapitän Keene, wir lösten ein Stück, um ihre Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen?«

»Ja,« versetzte ich, »es sieht dann aus, als ob wir ächte und gerechte Franzosen wären.«

Die Kanone wurde abgefeuert, und wir fuhren fort, mit gutem Winde auf den Schooner loszusteuern. Um sieben Uhr waren wir nur noch zwei Meilen von ihm entfernt, und nun bemerkten wir, daß der Engländer seine Flagge strich, worauf sich der Schooner alsbald an seine Seite legte und von der Prise Besitz nahm. Ich unterbrach meinen Lauf nicht, sondern befand mich in einer halben Stunde dicht neben den beiden Fahrzeugen. Die Enterer aufbietend, legte ich die Brigg neben den Schooner. Die Hälfte seiner Mannschaft befand sich an Bord des Indienfahrers, und die Ueberraschung kam uns so zu Statten, daß wir das feindliche Fahrzeug mit ganz geringem Verluste von unserer Seite eroberten – zum nicht geringen Erstaunen des Schiffsvolks auf dem Kaper sowohl, als auf dem Indienfahrer.

Der Kapitän des letzteren, welcher sich auf dem Decke befand, theilte mir mit, daß sie sich mit dem Schooner bereits neun Stunden herumgehetzt, und daß sie einige Hoffnung gehabt hätten, sich seiner zu erwehren, bis wir endlich unter französischen Farben heruntergekommen wären; sie hätten dann freilich gefühlt, daß ein weiterer Widerstand zu nichts führen würde. Ich entgegnete ihm, ich hätte gefürchtet, der Schooner würde Reißaus nehmen, wenn wir ihn nicht hinter's Licht führten, und machte ihm ein Kompliment wegen seiner mannhaften Verteidigung. Der Schooner war ein sehr schönes Schiff, das vierzehn Kanonen und dreihundert Tonnen Last führte, wie er denn überhaupt an Größe der Diligente nicht nachstand.

Während die Gefangenen an Bord der Brigg geschafft und in Sicherheit gebracht wurden, nahm ich die Einladung des Indienfahrer-Kapitäns nach seiner Kajüte an. Ich fand hier eine große Anzahl von Reisenden, hauptsächlich Damen, die mir auf das Wärmste für ihre Rettung dankten. Nach Verlauf einer weitern Stunde waren wir Alle bereit. Ich ließ einige meiner Leute an Bord des Indienfahrers, um die Beschädigungen auszubessern, beauftragte meinen Chirurgen, den Verwundeten beizustehen, und holte sowohl die Brigg als den Schooner um. Letzteren stellte ich unter Tommy Dott's Kommando, und nun setzten wir unsere Segel aus.

Während ich, höchlich entzückt über meine gelungene Kriegslist, auf dem Halbdeck auf und ab spazierte, trat Croß, der die Wache hatte, an meine Seite und sprach:

»Ich glaube, Kapitän Keene, Sie thaten sehr wohl daran, daß Sie die französischen Farben aufhißten.«

»Nun ja, Croß,« versetzte ich. »Der Schooner ist augenscheinlich ein sehr rascher Segler und hätte uns leicht entkommen können.«

»Das ist's nicht, was ich meine, Kapitän Keene.«

»Was denn, Croß?«

»Je nun, Sir, ich wollt's Ihnen nicht gleich sagen, warum ich wünschte, daß Sie die französische Flagge aufziehen sollten, weil ich fürchtete, Sie würden's dann nicht thun. Der Grund lag aber in dem großen Unterschied, der dadurch in unsere Prisengelder kömmt, und etwas der Art kann ich recht gut brauchen, wenn's auch bei Ihnen nicht der Fall ist.«

Selbst jetzt konnte ich mir noch nicht denken, was Croß meinte, weßhalb ich mich umwandte und ihn fragend ansah.

»Je nun, Kapitän Keene, wenn wir unter englischen Farben gefahren wären, so hätte der Schooner alle Segel ausgesetzt und Reißaus genommen; aber selbst im Falle, daß er Stand gehalten, so würde doch der Indienfahrer unsere Ankunft abgewartet haben. Nun hat er aber seine Flagge gestrichen, wurde vom Feind in Besitz genommen, ist dann wieder gekapert worden, und ich hoffe, daß die Bergung dieses Indienfahrers uns mehr eintragen wird, als zwei oder drei solcher Schooner.«

»Wahrhaftig, Croß, ich muß gestehen, daß mir dieß bei Aufhissung des Tricolor nicht zu Sinne gekommen ist.«

»Hab's wohl gemerkt, Sir, aber mir ist's nicht außer Acht gekommen.«

»Das ist nicht ganz ehrlich, Croß.«

»Vollkommen ehrlich, Sir,« erwiederte Bob. »Die Kompagnie ist reich und kann zahlen; dazu kömmt noch, daß wir für's Erste Geld brauchen, und zweitens, daß wir's verdient haben. Jedenfalls dürfen wir unser Gewissen nicht für belastet halten, denn der Schooner ist ein solcher Kipper, daß ich wahrhaftig glaube, wir würden ihn verloren haben, wenn er Reißaus genommen hätte. Und zudem ist er so stark als wir; wir hätten daher ein hübsches Häuflein Leute verlieren können, ehe er uns gehörte.«

»Sehr wahr, Bob,« versetzte ich. »Ich gewinne daraus die Ueberzeugung, daß ich vollkommen recht gehandelt habe.«

Der Wind war nun viel steifer von Westen aufgesprungen, er erwies sich nachhaltig, und unter so günstigem Wetter liefen wir nicht in Plymouth ein, sondern setzten unsern Kurs nach Portsmouth fort. Am dritten Tage nach Wegnahme des Franzosen warfen wir zu einer sehr frühen Stunde des Morgens bei Spithead Anker.

*

 


 << zurück weiter >>