Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einunddreißigstes Kapitel

Die Circe, auf welche mein Patent lautete, war eine kleine, aber sehr schöne Fregatte von zweiunddreißig Kanonen, die, so weit sich nach ihrem Bau, während sie noch auf dem Stapel lag, urtheilen ließ – alle die Erfordernisse eines Schnellseglers besaß.

Als ich mich von Lord de Versely verabschiedete, theilte er mir mit, daß er am ersten des folgenden Monats (September) nach Madeline-Hall kommen werde, wo sich seine Tante, Miß de Versely, noch immer eines kräftigen Alters erfreute.

»Sie haben da ein Einführungsschreiben, Keene,« sagte er, »denn da meine Tante Sie, seit Sie ein paar Monate alt waren, nicht mehr gesehen hat, so ist es wohl nicht sehr wahrscheinlich, daß Sie von ihr wieder erkannt werden. Wenn ich Ihnen gut zu Rathe bin, so machen Sie sich der alten Dame so angenehm als möglich; Sie werden in Madeline-Hall einen gar angenehmen Ruheort finden, wenn Sie der Schiffsdocken oder des Pech- und Theergeruchs müde sind.«

Ich dankte seiner Herrlichkeit, und er entließ mich mit weit mehr Herzlichkeit, als ich bisher von ihm erfahren hatte.

Ich brauche kaum zu sagen, daß der erste Gratulant, der sich nach meiner Ankunft zu Portsmouth bei mit einstellte, mein alter Freund und Rathgeber Bob Croß war.

»Nun, Kapitän Keene,« sagte er, als ich ihm mit Wärme die Hand drückte, »ich bin hocherfreut über Ihr Glück; indeß weiß ich auch, daß es Ihnen nicht leid sein wird, wenn Sie hören, daß es bei mir in meiner kleinen Weise ganz so gut geht, als ich mir's wünschen kann. Jane und ich sollen in ein paar Tagen zusammengegeben werden, und ich hoffe, Sie werden mir bei meiner Hochzeit die Ehre Ihrer Gegenwart schenken.«

»Von Herzen gerne, Bob,« entgegnete ich; »aber jetzt lassen Sie mich hören, was sich Alles zugetragen hat.«

»Ei, Sir, das läßt sich in ein paar Worte zusammenfassen. Ich befolgte Ihren Rath und machte dem alten Herrn Geschenke; auch leistete ich ihm Gesellschaft, hörte seine alten Geschichten wenigstens fünfzigmal an und belachte seine Späße das letztemal so herzlich, wie das erstemal. Er sagte dann zu Jane und ihrer Mutter, daß ich ein gar angenehmer, gescheidter und unterhaltlicher junger Mann sei, obschon eigentlich er stets das große Wort führte und ich fast nie zum Sprechen kam. Und so ging's eben weiter, Sir, bis endlich er selbst zuerst auf das Gesplißtwerden mit seiner Nichte zu reden kam – das heißt, er deutete darauf hin, wie lieb es ihm wäre, sie gut versorgt zu sehen, und wenn sie eine Ehe nach seinen Wünschen einging', so würde er ihr alle seine Habe hinterlassen.

»Nun, Sir, war Jane nebst ihrer Mutter der Meinung, da er ein launiger, wetterwendischer alter Kauz sei, so würd' es am Ort sein, wenn sie mich Anfangs ausschlüge, was denn auch geschah – sehr zum Aerger des alten Mannes, der jetzt schon seinen Kopf auf die Heirath gesetzt hatte und einen Eid darauf that, wenn sie mich nicht nähm', so solle sie keinen Heller von ihm erben. Es gab dann einige Tage Zank und Wortwechsel, worauf Jane nachgab, und jetzt will der Alte, daß es mit der Trauung im Galopp gehe, wobei er verspricht, gleich vornweg sein halbes Vermögen auf uns zu übertragen.«

»Das heißt wohl, schmiedet das Eisen, so lange es heiß ist, Bob,« erwiederte ich. »Ist der Tag festgesetzt?«

»Das gerade nicht, Sir; aber nächsten Sonntag werden wir das erstemal in der Kirche ausgerufen, und so gehen drei Sonntage darüber hin. Ich hoffe, Sie werden mich bei sich behalten, Sir,« fuhr Bob fort. »Am Dienstag wird dem Vernehmen nach die Diligente abgelehnt, und wenn Sie es erwirken könnten, daß ich auf der Circe angestellt würde –«

Ei, Croß, Sie denken schon wieder an's Ausfahren, noch ehe Sie verheirathet sind. Ich möchte Ihnen da doch rathen, sich nicht so zu beeilen. Sie dürfen das Mißfallen des alten Herrn nicht auf sich ziehen, und außerdem wäre es auch nicht recht, ein junges Weibchen so bald zu verlassen.«

»Das ist wohl wahr, Kapitän Keene, aber ich glaub', es ließe mir keine Ruh', wenn ich wüßte, daß Sie ohne mich auf der See wären.«

»Sie meinen vermutlich, daß ich nicht selbst auf mich Acht haben könne?«

»Ja, wahrhaftig, Sir. Und dann weiß ich auch, daß ich mich hier aufreiben würde. Jedenfalls, Sir, wird es wenigstens vier Monate anstehen, ehe die Circe in See stechen kann, und Sie sollten daher immerhin um mich anhalten. Wenn dann die Zeit kömmt, kann ich mich immer noch entscheiden, ob ich zur See gehen will, oder nicht.«

»Nun, Croß, ich will allerdings wegen Ihrer Schritte thun; aber wenn ich Ihnen gut zu Rathe bin, so geben Sie die See überhaupt auf und bleiben am Lande.«

»Ich habe nichts zu thun, Sir.«

»Ei, warum nicht? Hätscheln Sie Ihre Frau und sehen Sie nach dem alten Herrn.«

»Freilich, er soll etwas klüftig sein, Sir; die alte Frau muß oft seinetwegen des Nachts heraus.«

»Nun, Croß, ich will thun, wie Sie verlangen, und die Zeit wird's lehren, wie Sie zu handeln haben. Ich gehe vielleicht auf ein paar Tage nach Southampton hinüber, will aber Bedacht darauf nehmen, daß ich Ihre Hochzeit nicht versäume. Apropos, haben Sie nichts von dem Prisengeld gehört?«

»Ja, Sir; es wird für die Diligente, den Schooner und für Alles ausbezahlt, was wir in Westindien, als wir in dem Firefly waren, wieder genommen haben. Das für die holländische Fregatte ist schon seit einiger Zeit vertheilt, obschon ich noch nicht weiß, was mich trifft; viel wird's nicht ausmachen, da ich damals noch nicht von der Admiralität angestellt war.«

»Nun, so kann ich Ihnen noch weiter sagen, daß die Regierung den Schooner, welchen wir am Eingang des Kanals kaperten, an sich gezogen, und daß die ostindische Compagnie für das Schiff Bergelohn bezahlt hat. Mein Agent hat bereits sieben tausend vierhundert Pfund für meine Rechnung bezogen, die ich in den Fonds anlegen ließ. Da so wenige Unteroffiziere mit Admiralitäts-Bestallung da waren, so wird Ihr Antheil nicht weniger als fünfzehnhundert Pfund, vielleicht sogar noch mehr betragen. Wie Sie sagten, hat sich die Bergung des Indienfahrers für uns weit werthvoller bewiesen, als alles übrige Prisengeld zusammengenommen.«

»Nein, Kapitän Keene, wenn mein Antheil so viel ausmacht, so werd' ich, glaube ich, fast eben so gut wegkommen, als meine kleine Jane. Wollen Sie wohl die Güte haben, durch Ihren Agenten das Geld in derselben Weise anlegen zu lassen, wie er es mit dem Ihrigen gethan hat?«

»Ja, Croß, ich will alsbald dafür Sorge tragen und ihm morgen oder übermorgen schreiben.«

Nachdem wir uns noch weiter besprochen, verabschiedete sich Croß. Des andern Tages nahm ich Postpferde und begab mich nach Madeline-Hall, da ich ein paar Tage zuvor von der ehrenwerthen Miß Delmar ein Billet erhalten hatte, worin sie mir sagte, es würde sie freuen, in mir einen Freund und Schiffsgenossen ihres Neffen, des Lords de Versely, kennen zu lernen. Letzterer mußte also wegen meiner bereits an die alte Dame geschrieben haben.

Ich langte Nachmittags in guter Zeit daselbst an, und die Postchaise fuhr die prächtige Kastanienallee hinan, welche zu dem Landhause führte.

*

 


 << zurück weiter >>